Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 234
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ZWEITE SZENE
Das griechische Lager. Vor Kalchas' Zelt
Diomedes tritt auf.
DIOMEDES
Heida! Seid ihr noch wach hier? Holla! Sprecht!
KALCHAS
drinnen. Wer ruft hier?
DIOMEDES
Diomed.
's ist Kalchas, denk ich. Wo ist Eure Tochter?
KALCHAS
drinnen. Sie kommt zu Euch. Troilus und Ulysses kommen and stellen sich in den Hintergrund des Zelts; nach ihnen Thersites.
ULYSSES
Bleibt stehn, daß uns die Fackel nicht verrate.
Cressida tritt auf.
TROILUS
Was, Cressida, die zu ihm kommt?
DIOMEDES
Wie gehts, mein Mündel?
CRESSIDA
Lieber Vormund, hört,
Ein Wort mit Euch.
Sie spricht leise mit Diomedes.
TROILUS
Und so vertraulich?
ULYSSES
Sie spielt Euch jedem auf, beim ersten Anblick.
THERSITES
Und jeder spielt sie vom Blatt, wenn er den Schlüssel weiß; sie ist notiert.
DIOMEDES
Willst du dran denken?
CRESSIDA
Dran denken? Ja!
DIOMEDES
Nun gut, vergiß es nicht,
Und laß die Tat zu deinen Worten stimmen.
TROILUS
Was soll sie nicht vergessen?
ULYSSES
Lauscht!
CRESSIDA
Nicht weiter
Verlocke mich zur Torheit, süßer Grieche!
THERSITES
O ihr Gesindel!
DIOMEDES
Nun denn –
CRESSIDA
Hör mich an!
DIOMEDES
Nichts, nichts da; Kinderei! Du hältst nicht Wort!
CRESSIDA
Wirklich, es geht nicht. Was verlangst du denn?
THERSITES
'nen Diebesdietrich für geheime Fächer.
DIOMEDES
Was hast du zugesagt? Was schwurst du mir?
CRESSIDA
Ich bitte dich, besteh nicht auf dem Schwur;
Nur das begehre nicht, mein süßer Grieche!
DIOMEDES
Gut Nacht!
TROILUS
O Wut!
ULYSSES
Still, Troer!
CRESSIDA
Diomed –
DIOMEDES
Nein, nicht gut Nacht; ich bin dein Narr nicht länger.
TROILUS
Dein Beßrer muß es sein!
CRESSIDA
Ein Wort ins Ohr!
TROILUS
O Tod und Wahnsinn!
ULYSSES
Ihr seid bewegt, Prinz; laßt uns fort, ich bitt Euch,
Daß Euer Schmerz sich nicht entladen möge
Zu wütger Tat. Der Ort hier ist gefährlich,
Die Zeit todbringend; ich beschwör Euch, kommt!
TROILUS
Seht nur, o seht!
ULYSSES
Entfernt Euch, werter Prinz,
Ihr seid dem Wahnsinn nah; kommt, lieber Herr!
TROILUS
Ich bitt Euch, bleibt!
ULYSSES
Ihr habt nicht Fassung, kommt!
TROILUS
Ich bitt Euch, bleibt. Bei Höll und Höllenqual,
Ich rede nicht ein Wort.
DIOMEDES
Nun denn, gut Nacht!
CRESSIDA
Du gehst doch nicht in Zorn?
TROILUS
Das kümmert dich?
Verwelkte Treu!
ULYSSES
Still, Prinz!
TROILUS
Beim Jupiter,
Ich schweige!
CRESSIDA
Mein Beschützer – lieber Grieche –
DIOMEDES
Pah, pah! Lebt wohl! Ihr habt mich nur zum besten!
CRESSIDA
Nein, ganz gewiß nicht! Kommt noch einmal her!
ULYSSES
Ihr schreckt zusammen, Prinz – wollt Ihr nun gehn?
Ihr brecht noch los!
TROILUS
Sie streicht die Wang ihm!
ULYSSES
Kommt!
TROILUS
Nein, bleibt! Beim Zeus, ich rede nicht ein Wort!
Geduld hält Wache zwischen meinem Willen
Und aller Kränkung. Bleibt nur noch ein wenig!
THERSITES
Wie der Unzuchtteutel mit dem feisten Bauch und dem Kartoffelfinger die zwei zusammenkitzelt! Siede, Liederlichkeit, siede!
DIOMEDES
So willst du wirklich?
CRESSIDA
Nun ja, ich will, sonst trau mir niemals wieder!
DIOMEDES
Gib mir zur Sicherheit ein Unterpfand!
CRESSIDA
Ich hole dirs.
Cressida geht ab.
ULYSSES
Ihr schwurt Geduld!
TROILUS
Seid unbesorgt! Ich will
Ich selbst nicht sein, will mir bewußt nicht werden,
Was ich empfinde; ich bin ganz Geduld.
Cressida kommt zurück.
THERSITES
Nun kommt das Pfand; jetzt, jetzt, jetzt!
CRESSIDA
Hier, Diomedes, trag die Ärmelkrause!
TROILUS
O Schönheit! Wo ist deine Treu?
ULYSSES
Mein Prinz –
TROILUS
Ich will ja ruhig sein; von außen will ichs.
CRESSIDA
Ihr seht die Kraus' Euch an; beschaut sie wohl!
Er liebte mich! O Falsche! – Gebt sie wieder!
DIOMEDES
Wes war sie?
CRESSIDA
Gleichviel wes! Ich hab sie wieder.
Ich werd Euch nicht erwarten morgen nacht;
Ich bitt dich, Diomed, besuch mich nicht!
THERSITES
Nun wetzt sie; recht so, Schleifstein!
DIOMEDES
Ich muß sie haben.
CRESSIDA
Was?
DIOMEDES
Nun, diese da!
CRESSIDA
O Götter! O du liebes, liebes Pfand!
Dein Herr liegt jetzt im Bett und denkt gewiß
An dich und mich und seufzt; nimmt meinen Handschuh
Und gibt ihm manchen süßen Kuß gedenksam,
So wie ich dir. Nein, reiß sie mir nicht weg;
Wer diese nimmt, muß auch mein Herz mitnehmen.
DIOMEDES
Dein Herz war mein schon; dieses folgt ihm nach!
TROILUS
Ich schwur Geduld!
CRESSIDA
Dies kriegst du nicht, nein, wahrlich, Diomed!
Ich geb dir etwas andres.
DIOMEDES
Ich will dies Pfand; wes wars?
CRESSIDA
Das gilt ja gleich.
DIOMEDES
Komm, sag, von wem dirs kam?
CRESSIDA
Von einem, der mich mehr geliebt als du;
Doch nun es dein, behalt es.
DIOMEDES
Wessen wars?
CRESSIDA
Bei Diana selbst und ihren Nymphen dort,
Das werd ich dir nicht sagen.
DIOMEDES
Ich trag es morgen früh an meinem Helm
Und kränk ihn, ders nicht wagt, zurückzufordern.
TROILUS
Wärst du der Teufel, der es trüg am Horn,
Gefordert soll es werden.
CRESSIDA
Nun gut, 's ist aus, vorbei! Nein, doch nicht aus!
Ich will mein Wort nicht halten!
DIOMEDES
Leb denn wohl!
Du neckst den Diomed zum letztenmal.
CRESSIDA
So bleibe doch! Sagt man auch nur ein Wort,
Gleich fährst du auf!
DIOMEDES
Ich hasse solche Possen.
THERSITES
Ich auch, beim Pluto! Doch was dir mißfällt,
Behagt mir just am besten.
DIOMEDES
Nun, soll ich kommen? Wann?
CRESSIDA
Ja, komm. O Zeus,
Komm nur! Schlimm wird mirs gehn!
DIOMEDES
Leb wohl so lange!
[Geht ab. ]
CRESSIDA
Gut Nacht! – Ich bitt dich, komm! –
Diomedes geht ab. Ach, Troilus, Noch blickt mein eines Auge nach dir hin, Das andre wandte sich, so wie mein Sinn. Wir armen Fraun, wir dürfens nicht verhehlen: Des Augs Verirrung lenkt zugleich die Seelen. Was Irrtum führt, muß irrn; so folgt denn, ach: Vom Blick betört, verfällt die Seel in Schmach. Ab.
THERSITES
Das sind untrüglich folgerechte Sätze;
Noch richtger: Meine Seele ward zur Metze!
ULYSSES
So wars denn aus!
TROILUS
Ja, aus!
ULYSSES
Wozu noch bleiben?
TROILUS
Um mirs im Geist recht tief noch einzuprägen,
Silbe für Silbe, was ich hier gehört.
Doch, sag ich, wie die beiden hier gehandelt,
Werd ich, das Wahre kündend, dann nicht lügen?
Denn immer noch wohnt mir ein Glaub im Herzen,
Ein Hoffen also fest und unverwüstlich,
Das leugnet, was mir Aug und Ohr bezeugt;
Als wenn die Sinne, uns zum Trug erschaffen,
Nur als Verleumder tätig hier gewirkt.
Wars Cressida?
ULYSSES
Denkst du, ich banne Geister?
TROILUS
Gewiß, sie wars nicht!
ULYSSES
Ja, gewiß, sie wars.
TROILUS
Nun, mein Verleugnen schmeckt doch nicht nach Tollheit?
ULYSSES
Auch meins nicht. Cressida war eben hier.
TROILUS
Um aller Frauen Ehre, glaubt es nicht!
Denkt, daß wir Mütter hatten, laßt nicht zu,
Daß rohe Lästrer, die auch ohne Grund
Die Fraun erniedern, jedes Weib nun messen
Nach Cressida! Eh'r denkt, sie war es nicht!
ULYSSES
Was tat sie, unsre Mütter zu beflecken?
TROILUS
Nichts, gar nichts, wenn dies Cressida nicht war.
THERSITES
Will er seinen Augen einen blauen Dunst vormachen?
TROILUS
Dies wäre sie?
Nein, dies ist Diomedes' Cressida!
Hat Schönheit Seele, dann war sie es nicht.
Wenn Seele Eide zeugt, wenn Eide heilig,
Wenn Heiligkeit den Göttern Wonne ist,
Wenn Maß und Ordnung in der Einheit walten,
Dann war sie's nicht. O Wahnsinn der Gedanken,
Der Gründe aufstellt für und gegen sich!
Zweideutige Gewalt! Wo sich Vernunft
Empört und nicht vernichtet, wo Verlust
Alle Vernunft mit fortreißt ohn Empörung,
So war dies Cressida und war es nicht!
In meiner Seele hebt ein Kämpfen an
Seltsamster Art, das ein unteilbar Wesen
Mehr voneinander reißt als Erd und Himmel!
Und doch gewährt die weitgespaltne Kluft,
Um einzudringen, nicht den kleinsten Zugang
Für einen Punkt, fein wie Arachnes Faden.
Beweis, Beweis, so fest wie Plutos Pforte:
Ein Himmelsband schließt mich an Cressida –
Beweis, Beweis, fest wie der Himmel selbst:
Das Himmelsband ist mürb, erschlafft, gelöst.
Ein andrer Knoten, den fünf Finger knüpften,
Schlingt jetzt die Trümmer ihrer Lieb und Treu,
Den Abhub, Nachlaß, Rest und ekle Brocken
Der abgestandnen Lieb, um Diomed.
ULYSSES
Und kann der würdge Troilus nur halb
Das fühlen, was der Wahnsinn aus ihm spricht?
TROILUS
Ja, Griech, und offenkundig solls erscheinen
In Lettern purpurrot wie Mavors' Herz,
Entflammt von Venus! Nimmer liebt' ein Jüngling
Mit so unendlich ewig fester Treu!
Hör, Grieche, wie ich Cressida geliebt,
Ganz so unendlich haß ich Diomed.
Die Kraus' ist mein, die er am Helm will tragen;
Und war der Helm ein Schmiedewerk Vulkans,
Mein Schwert zerschnitt' es; nicht der grause Schall
Des Meers, den Schiffer Hurricano nennen,
Durch den allmächtgen Sol zum Berg verdichtet,
Betäubt mit mehr Gekrach das Ohr Neptuns
Im Niedersturz, als meines Schwertes Wucht
Einschmettern soll auf Diomed.
THERSITES
Er wird ihn kitzein für seine Fleischeslust!
TROILUS
O falsche Cressida! O falsch, falsch, falsch!
Zu deinem schnöden Namen hingestellt,
Glänzt alle Untreu rein!
ULYSSES
Bezähmt Euch, Prinz!
Eur Toben wird gehört!
Äneas tritt auf.
ÄNEAS
Seit einer Stunde such ich Euch, mein Prinz;
Hektor legt schon die Waffen an in Troja,
Und Ajax, Eur Geleitsmann, harrt auf Euch.
TROILUS
Ich steh zu Dienst. – Mein gütger Fürst, lebt wohl! –
Falsche, fahr hin! Und stürze, Diomed,
Ob auch ein Turm auf deinem Haupte steht!
ULYSSES
Ich bring Euch bis ans Tor.
TROILUS
Empfangt verwirrten Dank.
Troilus, Äneas und Ulysses ab.
THERSITES
Käme mir nur der Schurke Diomed in den Wurf, ich wollte krächzen wie ein Rabe! Dem wollt ich – dem wollt ich prophezeien! Patroklus gibt mir, was ich will, wenn ich ihm von dieser Hure sage; kein Papagei tut mehr für eine Mandel, als er für eine willige Metze. Unzucht, Unzucht; lauter Krieg und Liederlichkeit; die bleiben immer in der Mode. Daß ein brennender Teufel sie holte!
Er geht ab.