Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 230

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VIERTE SZENE

Inhaltsverzeichnis

Troja. Pandarus' Haus [Garten ]

Pandarus und Cressida treten auf.

PANDARUS

Sei mäßig, Kind, sei mäßig!

CRESSIDA

Was sprecht Ihr mir von Mäßigung? Der Schmerz,

Den ich empfind, ist geistig, tief, erschöpfend

Und ganz so groß und heftig wie die Ursach,

Die ihn erzeugt; wie kann ich ihn da mäßgen?

Wenn meine Liebe mit sich handeln ließe,

Daß sie dem kältern, schwächern Sinn genügte,

So könnt ich ebenso den Schmerz auch kühlen.

Mein Sehnen duldet kein vermittelnd Lindern,

So großes Leid vermag kein Trost zu mindern.

Troilus kommt.

PANDARUS

Hier, hier, hier kommt er. Ach die lieben Täubchen!

CRESSIDA

O Troilus! Troilus!

PANDARUS

Welch ein Schauspiel! Das arme Paar! Laßt mich euch auch umarmen! – O Herz – wie's im alten Liede steht –

O Herz, o volles Herz,

Was seufzest du und brichst nicht?

Und er antwortet hernach:

Weil du nicht lindern kannst den Schmerz,

Drum wendst du dich und sprichst nicht.

Nie gabs einen so wahren Reim. Man muß nichts wegwerfen, denn wir könnens alle erleben, solchen Vers nötig zu haben; wir sehn es, wir sehn es. Nun, meine Lämmchen?

TROILUS

Ich liebe dich mit solcher seltnen Reinheit,

Daß selge Götter, meiner Liebe zürnend,

Die heißer, als Gebet von kalten Lippen

Der Gottheit dargebracht, dich mir entreißen!

CRESSIDA

Sind Götter neidisch?

PANDARUS

Ja, ja! da sieht mans deutlich!

CRESSIDA

Und ist es wahr? Muß ich von Troja scheiden?

TROILUS

Verhaßte Wahrheit!

CRESSIDA

Auch von Troilus?

TROILUS

Von Troja wie von Troilus!

CRESSIDA

Unmöglich!

TROILUS

Und augenblicks, so daß des Schicksals Hohn

Das Lebewohl zurückweist, jede Muße

Grausam versagt, arglistig unsern Lippen

Alle Vereinung wehrt, gewaltsam hemmt

Der Lieb Umarmung und den Schwur erstickt

Im Kreißen und Geburtsschmerz unsres Atems.

Wir beide, die wir uns mit tausend Seufzern

Gewonnen, müssen ärmlich uns verkaufen

Für eines einzgen abgebrochnen Hauch.

Der rohe Augenblick, mit Diebes Hast,

Zwängt ein den reichen Raub fast unbesehn.

So viel Lebwohl als Stern am Himmel, jedes

Mit eignem Kuß und Abschiedswort besiegelt,

Rafft täppisch er zusammen in ein Wort, Und speist uns ab mit einem dürftgen Kuß, Verbittert mit dem Salz verhaltner Tränen.

ÄNEAS

draußen. Prinz, ist das Fräulein nun bereit?

TROILUS

Sie rufen dich! So ruft der Todesengel

Sein »Komm!« dem Mann, der plotzlich sterben soll. –

Heißt jene warten, sie wird gleich erscheinen.

PANDARUS

Wo sind meine Tränen? Regnet, damit dieser Sturm sich lege, sonst reißt es mein Herz mit allen Wurzeln aus.

Pandarus geht.

CRESSIDA

So muß ich zu den Griechen?

TROILUS

's ist kein Mittel!

CRESSIDA

Ein trauernd Mädchen bei den lustgen Griechen?

Wann werden wir uns wiedersehn?

TROILUS

Hör mich, Geliebte, bleibe du nur treu –

CRESSIDA

Ich treu? Wie das? Welch schmählicher Verdacht!

TROILUS

Nein, laß uns freundlich schlichten diesen Streit,

Er scheidet gleich von uns.

Ich sage nicht aus Argwohn: »Sei mir treu«,

Denn selbst dem Tod werf ich den Handschuh hin,

Daß ohne Fleck und Makel sei dein Herz;

Dies »Sei mir treu« war nur, um einzuleiten

Die folgende Beteurung: Sei mir treu,

Und bald seh ich dich wieder!

CRESSIDA

O dann, mein Prinz, wagt Ihr Euch in Gefahren

Zahllos und furchtbar. Doch ich bleib Euch treu!

TROILUS

Dann lockt Gefahr mich. Tragt die Ärmelkrause.

CRESSIDA

Und Ihr den Handschuh. Wann seh ich Euch wieder?

TROILUS

Erkaufen werd ich mir die griechschen Wachen

Und dann dich nachts besuchen. Doch sei treu!

CRESSIDA

O Himmel! Wieder dies: Sei treu!

TROILUS

Hör an,

Geliebteste, weshalb ich dirs gesagt:

Die griechschen Jünglinge sind reich begabt;

Ihr Lieben schmücken sie mit Körperschönheit,

Und Kunst und List vollenden ihren Reiz.

Wie Neuheit rühren mag und Wohlgestalt,

Ach, läßt mich eine fromme Eifersucht

– Ich bitt dich, nenn es tugendhafte Sünde –

Zu sehr befürchten.

CRESSIDA

Oh, Ihr liebt mich nimmer!

TROILUS

Dann mag ich sterben als ein Bösewicht!

Nicht deine Treu und Liebe macht mich zweifeln

So sehr, als was ich bin. Ich kann nicht dichten,

Nicht springen wie ein Tänzer, zierlich plaudern,

Noch feine Spiele spielen; lauter Gaben,

Worin die Griechen meisterlich gewandt.

Allein ich weiß, in jeder dieser Zierden

Lauert ein listger, stummberedter Teufel,

Der schlau versucht. O laß dich nicht versuchen!

CRESSIDA

Glaubst du, ich werd es?

TROILUS

Nein!

Doch oft geschieht uns, was wir nicht gewollt,

Und oftmals sind wir unsre eignen Teufel,

Wenn wir des Willens Schwäche selbst versuchen,

Zu sicher unsrer wandelbaren Kraft.

ÄNEAS

draußen. Nun, werter Prinz –

TROILUS

Noch einen Kuß zum Abschied!

PARIS

draußen. Auf, Bruder Troilus!

TROILUS

Paris, komm herein

Und bring Äneas mit und Diomedes!

CRESSIDA

Ihr bleibt doch treu, mein Prinz?

TROILUS

Wer, ich? Das ist mein Fehl, ja, meine Schwäche!

Wenn andre listig Gunst und Ehre fischen,

Fang ich mit echter Treu mir schlichte Einfalt;

Wenn mancher schlau sein Kupferblech vergoldet,

Trag ich es schlicht und ehrlich ungeschmückt.

Sorg nicht um meine Treu, denn all mein Sinnen

Ist ehrlich, treu; mehr will ich nicht gewinnen.

Äneas, Paris, Antenor, Deiphobus und Diomedes treten auf. Willkommen, Diomed! Hier ist die Dame, Die für Antenor wir Euch überliefern. Am Tor, Herr, geb ich sie in deine Hand Und schildre unterwegs dir, was sie ist. Begegn ihr gut, und dann, beim Himmel, Grieche, Fällst du jemals in meines Schwerts Gewalt Und nennst mir Cressida, dann bleibst du sicher Wie Priamus in Ilium.

DIOMEDES

Schöne Dame,

Ihr spart den Dank mir, den der Prinz erwartet.

Eur glänzend Aug, der Himmel dieser Wangen,

Heischt wackern Dienst; und Diomedes nennt

Euch seine Herrin, ist Euch ganz gewidmet.

TROILUS

Grieche, nicht höflich gegen mich verfährst du,

Den Ernst in meiner Bitte zu mißachten

Durch solches Preisen. Merk dir, griechscher Fürst,

Sie überstrahlt so überaus dein Preisen,

Als du unwürdig bist, ihr Dienst zu leisten.

Ich heiß dich: halt sie gut, weil ichs dich heiße;

Denn, beim furchtbaren Pluto, tust du's nicht,

Wär auch dein Schutz Achilles' riesge Wucht:

Du hast gelebt!

DIOMEDES

O nicht so hitzig, Prinz!

Laßt mir das Vorrecht meiner Sendung, daß

Ich frei hier sprechen darf. Bin ich erst fort,

Dann folg ich meiner Willkür; und vernimm,

Ich tu nichts auf Geheiß: Nach ihrem Wert

Wird sie geschätzt; doch sprichst du: So solls sein, Werd ich nach Mut und Ehr erwidern: Nein!

TROILUS

So kommt zum Tor! Doch höre, eh wir gehn:

Dein Prahlen kommt dich teuer noch zu stehn! –

Gebt, Fräulein, mir die Hand, und mag im Wandeln

Ein leises Wort des Herzens Wunsch verhandeln.

Troilus, Cressida und Diomedes gehn ab. Trompetenstoß.

PARIS

Horch! Hektors Herold!

ÄNEAS

Wie der Morgen schwand!

Der Prinz muß träge mich und säumig schelten,

Da ich versprach, vor ihm im Feld zu sein.

PARIS

Die Schuld trägt Troilus; kommt, ins Feld mit ihm!

DEIPHOBUS

Nun laßt uns eilig sein!

ÄNEAS

Ja, mit des Bräutgams muntrer Freudigkeit

Wolln wir dem Hektor folgen auf dem Fuß.

Heut ficht für unsres Troja Heil und Ruhm

Sein Arm allein und edles Rittertum! –

Sie gehn ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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