Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 233
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ERSTE SZENE
Das griechische Lager. Vor dem Zelt des Achilles
Es treten auf Achilles und Patroklus.
ACHILLES
Mit griechschem Wein durchglüh ich heut sein Blut.
Und mit dem Schwerte kühl ichs morgen ab.
Patroklus, laß uns weidlich mit ihm bechern!
PATROKLUS
Hier kommt Thersites.
Thersites tritt auf.
ACHILLES
Nun, du neidsche Schwäre?
Du der Natur verbrannt Gebäck, was gibts?
THERSITES
Nun, du Bildnis dessen, was du scheinst, du Abgott der Dummheit-Anbeter, hier ist ein Brief für dich.
ACHILLES
Von woher, du Brocken?
THERSITES
Nun, du volle Schüssel Narrheit, aus Troja.
PATROKLUS
Wer blieb in den Zelten?
THERSITES
Soll ich von euern Zeltern und Mäulern Rechenschaft geben, Esel?
PATROKLUS
Nicht übel, Scheelsucht; nun, was soll die Bosheit?
THERSITES
Ich bitte dich, Knabe, schweig still; ich lerne nichts aus deinem Geschwätz. Man hält dich für Achills Mannbuben.
PATROKLUS
Mannbuben, du Schurke? Was soll das heißen?
THERSITES
Ei nun, seine männliche Hure. Mögen doch alle faulen Seuchen des Südwinds, Bauchgrimmen, Brüche, Flüsse, Stein- und Rückenschmerzen, Schlafsucht, Lähmung, triefende Augen, verschleimte Lebern, pfeifende Lungen, Eiterbeulen, Hüftweh, verkalkte Finger, unheilbarer Knochenfraß und das Ehrengeschenk der schäbigsten Krätze fallen und nochmals fallen auf so widernatürliche Entdeckungen!
PATROKLUS
Was, du teuflische Gittbüchse du, was willst du mit all diesen Flüchen?
THERSITES
Fluch ich dir?
PATROKLUS
Nein, du wurmstichiges Faß, du verruchter, hündischer Blendling, das nicht.
THERSITES
Nicht? Worüber ereiferst du dich denn, du lose, fasrige Seidenflocke, du grünflorner Schirm für ein böses Auge, du Quast an eines Verschwenders Geldbeutel du? Ach, wie die arme Welt verpestet wird von solchen Wasserfliegen, solchem Wegwurf der Natur!
PATROKLUS
Pfui über dich, Galle!
THERSITES
Finkenei!
ACHILLES
Liebster Patroklus, ganz durchkreuzt der Brief
Mein großes Wollen für den nächsten Morgen.
Es sendet ihn die Königin Hekuba
Und ihre Töchter, meine schöne Buhlin;
Sie beide tadeln und beschwören mich,
Zu halten meinen Eid; ich brech ihn nicht.
Fallt, Griechen, welke, Ruhm, werd Ehre Spreu!
Mein erst Gelübd ist hier, dem bleib ich treu. –
Thersites, geh und ordne mir das Mahl,
Die Nacht durchjubein wir beim Festpokal.
Komm, mein Patroklus!
[Sie gehn ab. ] Geht mit Patroklus ab.
THERSITES
Bei zuviel Blut und zuwenig Hirn können die beiden noch toll werden; wenn sie's aber bei zuviel Hirn und zuwenig Blut werden, so will ich selbst Narren kurieren. Da ist Agamemnon; eine gute, ehrliche Haut und Liebhaber von jungen Schnepfen; aber Gehirn hat er nicht soviel als Ohrenschmalz. Und nun vollends diese unvergleichliche noble Metamorphose des Jupiter, sein Bruder, der Stier – dieser uranfängliche Prototyp und Musterbild der Hahnreie – dies gedeihliche Schuhhorn an der Kette, das an seines Bruders Schenkel hängt – in welche andere Gestalt als seine eigene könnte Bosheit mit Witz gespickt und Witz mit Bosheit gefüllt den umschaffen? In einen Esel? Das wäre nichts; er ist beides, Ochs und Esel. In einen Ochsen? Das wäre nichts; er ist beides, Esel und Ochs. Müßt ich ein Hund sein, ein Maultier, ein Kater, ein Iltis, eine Eidechse, eine Kröte, eine Eule, ein Fischrabe oder ein Hering ohne Rogen, das sollte mir nichts machen; aber ein Menelaus sein? Da würde ich gegen das Fatum rebellieren. Fragt mich nicht, was ich sein möchte, wenn ich nicht Thersites wäre; denn mir wärs gleichviel, die Laus eines Aussätzigen zu werden, müßt ich nur nicht Menelaus sein. – Heida! Geister und Feuer!
Es kommen Hektor, Troilus, Ajax, Agamemnon, Ulysses, Nestor, Menelaus und Diomedes mit Fackeln.
AGAMEMNON
Wir gehn fehl, wir gehn fehl!
AJAX
O nein, dort ists,
Wo ihr die Lichter seht!
HEKTOR
Ich werd euch lästig.
AJAX
O nicht doch!
ULYSSES
Seht, er kommt euch selbst entgegen.
Achilles tritt auf.
ACHILLES
Held Hektor und Ihr, Fürsten, seid willkommen!
AGAMEMNON
Nun, gute Nacht, mein edler Prinz von Troja;
Ajax besorgt Euch sichre Ehrenwache.
HEKTOR
Dank und gut Nacht dem Feldherrn Griechenlands!
MENELAUS
Gut Nacht!
HEKTOR
Gut Nacht, liebwerter Menelaus!
THERSITES
Liebwerter Abtritt! Liebwerter – so! Liebwerter Kloak, liebwerter Rinnstein!
ACHILLES
Gut Nacht und Willkomm allen, die da gehn
Und bleiben!
AGAMEMNON
Gute Nacht!
Agamemnon und Menelaus ab.
ACHILLES
Bleibt, Vater Nestor – Ihr auch, Diomed;
Verweilt mit Hektorn hier auf ein paar Stunden!
DIOMEDES
Ich kann nicht, Prinz; mich ruft ein wichtiges
Geschäft, das dringend mahnt. Gut Nacht, Held Hektor!
HEKTOR
Gebt mir die Hand!
ULYSSES
beiseit zu Troilus. Er geht zu Kalchas' Zelt, folgt seiner Fackel; Ich geb Euch das Geleit.
TROILUS
Viel Ehre, Herr!
HEKTOR
Nun denn, gut Nacht!
Diomedes geht ab; Ulysses und Troilus folgen ihm.
ACHILLES
Kommt, tretet in mein Zelt!
[Sie gehn nach verschiedenen Seiten ab. ] Alle außer Thersites gehen ab.
THERSITES
Der Diomed da ist ein falscher Schurke, eine recht tückische Bestie. Ich traue ihm so wenig, wenn er von der Seite schielt, als einer Schlange, wenn sie zischt; er hat ein so weites, freigebiges Maul für Versprechungen wie ein kläffender Hund; aber wenn er sie erfüllt, prophezeien die Sterndeuter daraus: es ist ein Wunderzeichen, das eine Umwälzung ankündigt; die Sonne borgt vom Monde, wenn Diomed Wort hält. Ich will lieber den Hektor nicht sehn, als diesem nicht nachspüren; man sagt, er hält sich eine trojanische Metze, und der Verräter Kalchas leiht ihm sein Zelt; ich will ihm nach. Nichts als Unzucht! Lauter liederliche Spitzbuben!
Geht ab.