Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 223
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ERSTE SZENE
Troja . Priams Palast
Es treten auf Pandarus und ein Diener; man hört Musik hinter der Szene.
PANDARUS
Freund, Ihr da, bitte Euch, nur ein Wort – folgt Ihr nicht dem jungen Herrn Paris?
DIENER
Ja, Herr, wenn er vor mir geht.
PANDARUS
Ich meine, Ihr dient ihm?
DIENER
Ich diene dem Herrn.
PANDARUS
Dann dient Ihr einem edeln Herrn; ich kann nicht anders als ihn lobpreisen.
DIENER
Der Herr sei gepriesen!
PANDARUS
Ihr kennt mich, nicht wahr?
DIENER
Ei nun, Herr, so obenhin.
PANDARUS
Freund, lernt mich besser kennen: ich bin der Herr Pandarus.
DIENER
Ich hoffe, Eure Herrlichkeit besser kennenzulernen.
PANDARUS
Das wünsche ich.
DIENER
So seid Ihr also im Stande der Gnade?
PANDARUS
Gnade? O nein, Freund; Hochgeboren und Gestrengen sind meine Titel. Was ist das für Musik?
DIENER
Ich kenne sie nur zum Teil; es ist Musik mit verteilten Stimmen.
PANDARUS
Kennt Ihr die Musikanten?
DIENER
Ganz und gar, Herr.
PANDARUS
Für wen spielen sie?
DIENER
Für die Zuhörer, Herr.
PANDARUS
Wem zu Gefallen?
DIENER
Mir, Herr, und allen denen, die gern Musik hören.
PANDARUS
Auf wes Geheiß, frag ich, Freund?
DIENER
Ich denke, Ihr fragt auf niemands Geheiß.
PANDARUS
Freund, wir verstehn einander nicht. Ich bin zu höflich, und Ihr seid zu spitz. Auf wes Verlangen spielen diese Leute?
DIENER
Ja, nun traft Ihrs, Herr. Nun, auf das Verlangen des Prinzen Paris, meines Herrn, welcher selbst dabei ist, und mit ihm die sterbliche Venus, das Herzblut der Schönheit, der Liebe unsichtbare Seele.
PANDARUS
Wer? Meine Nichte Cressida?
DIENER
Nein, Herr, Helena; konntet Ihr das nicht aus ihren Ehrentiteln erraten?
PANDARUS
Ich sehe schon, lieber Freund, du kennst das Fräulein Cressida noch nicht. Ich komme, um mit Paris vom Prinzen Troilus zu sprechen; ich will eine freundliche Bestellung ihn eilend beibringen, denn mein Geschäft ist siedend.
DIENER
Ein gesottnes Geschäft! Das nenn ich eine Phrase für die Schwitzbäder.
Es treten auf Paris und Helena mit Gefolge.
PANDARUS
Alles Schöne für Euch, mein Prinz, und für Eure schöne Umgebung! Schöne Wünsche in schönem Maß begleiten Euch schönstens! Vor allem Euch, schönste Königin! Schöne Träume seien Euer schönes Kopfkissen!
HELENA
Werter Herr, Ihr seid voll von schönen Worten.
PANDARUS
Ihr sprecht Euer schönstes Wohlgefallen aus, holde Königin. Schönster Prinz, hier ist vortreffliche fugierte Musik.
PARIS
Ihr habt sie aus den Fugen gebracht, Vetter; so wahr ich lebe, Ihr sollt sie wiederherstellen: Ihr sollt ein Stück von Eurer Komposition anstücken.
HELENA
Er ist ein Meister in der Harmonie [, Lenchen ].
PANDARUS
Ach nein, Königin!
HELENA
Oh, mein Herr!
PANDARUS
Rauh, bei den Göttern; ja, bei den Göttern, sehr rauh und unmelodisch.
PARIS
In den Dissonanzen; gut gesagt, Vetter!
PANDARUS
Ich habe ein Geschäft mit dem Prinzen, teure Königin Gnädiger Herr, wollt Ihr mir ein Wort vergönnen?
HELENA
Nein, damit sollt Ihr uns das Tor nicht sperren; wir müssen Euch singen hören, ganz gewiß.
PANDARUS
Ihr habt die Gnade, mit mir zu scherzen, süße Königin. Aber die Sache ist die, mein Prinz – mein gnädigster Prinz und höchst geehrter Freund, Euer Bruder Troilus –
HELENA
Herr Pandarus! Mein honigsüßer Pandarus –
PANDARUS
Laßt mich, süße Königin, laßt mich; – empfiehlt sich Euch aufs inständigste –
HELENA
Ihr sollt uns nicht aus unsrer Melodie foppen; wenn Ihrs tut, so komme unsre Melancholie über Euch.
PANDARUS
Süße Königin! Das ist eine süße Königin! Nein, welch süße Königin!
HELENA
Und eine süße Königin traurig machen, ist ein bittrer Frevel.
PANDARUS
Nein, damit setzt Ihrs nicht durch, damit wahrhaftig nicht! Nein, solche Worte machen mich nicht irre, nein, nein! – Und, mein gnädiger Prinz, er bittet Euch, Ihr wollt seine Entschuldigung übernehmen, wenn der König bei der Abendtafel nach ihm fragt.
HELENA
Bester Pandarus –
PANDARUS
Was sagt die süße Königin, die allersüßeste Königin?
PARIS
Was hat er denn vor? Wo speist er zu Nacht?
HELENA
Aber, bester Pandarus –
PANDARUS
Was sagt die süße Königin? Meine Nichte würde sich mit Euch erzürnen.
HELENA
Ihr dürft nicht fragen, wo er zu Nacht speist!
PARIS
Ich setze mein Leben dran, bei meiner Herzenskaiserin Cressida.
PANDARUS
Ach nein, nichts dergleichen: nein, da irrt Ihr; Eure Herzenskaiserin ist krank.
PARIS
Gut, ich will ihn entschuldigen.
PANDARUS
Schön, mein teurer Prinz. Wie kommt Ihr auf Cressida?
Nein, Eure arme Herzenskaiserin ist krank.
PARIS
Ich errate.
PANDARUS
Ihr erratet? Was erratet Ihr? Kommt, gebt mir eine Zither. Nun, süße Königin?
HELENA
So, das ist recht artig von Euch.
PANDARUS
Meine Nichte ist erschrecklich verliebt in ein Ding, das Ihr habt, süße Königin.
HELENA
Sie solls haben, wenns nicht mein Gemahl Paris ist.
PANDARUS
Den? Nein, nach dem fragt sie nicht. Er und sie sind entzweit.
HELENA
Heut zwietrachtig, morgen einträchtig: so könnten wohl drei draus werden.
PANDARUS
Geht, geht, nichts mehr davon! Ich will Euch nun mein Lied singen.
HELENA
Ja, singt es gleich! Meiner Treu, Pandarus, Ihr habt eine hübsche Stirn.
PANDARUS
Ja, nur zu, nur zu!
HELENA
Singt uns ein verliebtes Lied; die Liebe wird uns noch alle verderben. O Cupido, Cupido, Cupido!
PANDARUS
Ein Liebeslied! Ja, wahrhaftig!
PARIS
Ja, von Liebe; nichts als von Liebe!
PANDARUS
Wahrhaftig, so fängts auch an:
Singt.
O Liebe, Lieb in jeder Stunde! –
Dein Pfeil mit Weh
Trifft Hirsch und Reh;
Doch nicht entrafft
Sie gleich der Schaft,
Er kitzelt nur die Wunde.
Verliebte schrein:
O Todespein!
Doch, was so tödlich erst gedroht,
Daraus wird Jubein und Juchhein.
Die Sterbenden sind frisch und rot;
O weh, ein Weilchen, dann ha, ha!
O weh, seufzt nur nach ha, ha, ha!
Juchhei!
HELENA
Verliebt, wahrhaftig, bis an die Spitze seiner Nase!
PARIS
Er ißt nichts als Tauben, Liebste, und die brüten ihm heißes Blut, und heißes Blut erzeugt heiße Gedanken, und heiße Gedanken erzeugen heiße Werke, und heiße Werke sind Liebe.
PANDARUS
Ist dies die Stammtafel der Liebe? Heißes Blut, heiße Gedanken und heiße Werke; ach, lauter Schlangen! Ist Liebe Otterngezüchte? – Wer ist heut im Felde, liebster Prinz?
PARIS
Hektor, Deiphobus, Helenus, Antenor und die ganze junge Ritterschaft von Troja. Ich hätte heut auch gern die Waffen angelegt, Lenchen wollte es aber nicht zugeben. Wie kommts, daß mein Bruder Troilus ausblieb?
HELENA
Er läßt den Mund um etwas hängen – Ihr wißt schon warum, Herr Pandarus.
PANDARUS
Ich weiß nichts, honigsüße Königin. Mich soll doch wundern, wie es ihnen heut gegangen ist. – Ihr denkt daran Euern Bruder zu entschuldigen?
PARIS
Aufs pünktlichste.
PANDARUS
Lebt wohl, süße Königin!
HELENA
Empfehlt mich Eurer Nichte!
PANDARUS
Das werd ich tun, süße Königin.
Er geht ab. Es wird zum Rückzug geblasen.
PARIS
Sie kehren heim. Gehn wir in Priams Halle,
Sie zu begrüßen; und du, süßes Weib,
Hilf Hektorn sich entpanzern. Fühlt sein Harnisch
Den Zauber deiner weißen Hand, gehorcht er
Weit williger als scharfem Stahl, gezückt
Von griechscher Kraft; und dir gelingt, was nicht
Dem Bundesheer: Held Hektorn zu entwaffnen.
HELENA
Es soll mein Stolz sein, ihm zu dienen, Paris.
Das, was wir ihm als schuldge Pflicht geweiht,
Wird unsrer Schönheit Palme noch erhöhn;
Ja, überstrahlt uns selbst.
PARIS
Du Süße! Über alles lieb ich dich!
Sie gehn ab.