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DRITTE SZENE

Inhaltsverzeichnis

Troja, vorm Palast des Priam

Hektor und Andromache treten auf.

ANDROMACHE

Wann war mein Gatte je so schlimm gelaunt,

Sein Ohr zu schließen einer Warnungsstimme?

Leg ab die Waffen, kämpfe heute nicht!

HEKTOR

Du zwingst mich, hart zu sein; geh nun hinein!

Bei allen ewgen Göttern, ich will kämpfen!

ANDROMACHE

Mein Traum weissagt ein Unglück diesem Tag!

HEKTOR

Nichts weiter, sag ich!

Kassandra kommt.

KASSANDRA

Wo ist mein Bruder Hektor?

ANDROMACHE

Bewaffnet, Schwester, und auf Blut gestellt.

Stimm ein mit mir in lautem, heftgem Flehn!

Beschwören wir ihn kniend; denn mir träumte

Von blutgem Wirrwarr, und die ganze Nacht

Sah ich Phantome nur und Mordgestalten.

KASSANDRA

Oh, das trifft ein!

HEKTOR

Laß die Trompete schallen!

KASSANDRA

Kein Ton zum Angriff; Gott verhüt es, Bruder!

HEKTOR

Hinweg, die Götter hörten meinen Schwur!

KASSANDRA

Taub sind die Götter raschen, törgen Eiden;

Das sind entweihte Spenden, mehr verhaßt

Als fleckige Lebern eines Opfertiers!

ANDROMACHE

O laß dir raten! Acht es nicht für heilig,

Durch Rechttun schaden. Gleich erlaubt ja wärs,

Was wir als Dieb errungen, zu verschenken,

Und aus barmherzger Liebe Raub begehn.

KASSANDRA

Der gute Vorsatz leiht dem Eid die Kraft,

Nicht Eid auf jeden Vorsatz darf uns binden.

Entwaffne dich, mein Hektor!

HEKTOR

Laßt mich, Fraun,

Denn meine Ehre trotzt des Schicksals Sturm.

Das Leben gilt uns teuer, doch teurer Mut

Hält Ehr um vieles teurer als das Leben.

Troilus kommt. Nun, junger Mann, denkst du zu fechten heut?

ANDROMACHE

Kassandra, ruf den Vater, ihm zu raten!

Kassandra geht ab.

HEKTOR

Nein, junger Troilus, leg die Rüstung ab!

Heut hab ich hohen Mut zur Ritterschaft!

Laß wachsen erst die Sehnen stark und fest

Und noch versuche nicht den Sturm der Schlacht!

Entwaffne dich, mein Knab, und glaubs dem Starken,

Heut schirmt er dich, sich selbst und Trojas Marken.

TROILUS

Bruder, in deiner Großmut wohnt ein Fehl,

Der mehr dem Löwen ziemte als dem Mann.

HEKTOR

Was für ein Fehl, mein Troilus? Schilt mich drum!

TROILUS

Oft, wenn gefangne Griechen stürzten hin,

Schon vor dem Wehn und Sausen deines Schwerts,

Riefst du: Steht auf und lebt!

HEKTOR

So spielen Helden!

TROILUS

So spielen Narrn, beim Zeus!

HEKTOR

Wie das? Wie das?

TROILUS

Um aller Götter willen,

Dies Klausnermitleid laß bei unsrer Mutter;

Doch haben wir den Panzer umgeschnallt,

Dann schweb auf unsern Schwertern giftge Rache,

Das Mitleid zügelnd und mit Leid sie spornend.

HEKTOR

Pfui, Wilder, pfui!

TROILUS

Hektor, dann ist es Krieg!

HEKTOR

Heut wünscht ich, Troilus, du bliebest heim!

TROILUS

Wer hielte mich zurück?

Nicht Schicksal, nicht Gehorsam, selbst nicht Mars

Mit feurigem Stab gebietend meinen Rückzug;

Nicht Hekuba noch Priam auf den Knien,

Mit Augen rot von bittrer Tränen Salz,

Noch du, mein Bruder, mir mit tapterm Schwert

Entgegendrohend, sperrtest mir den Weg,

Als durch den Tod.

Kassandra kommt zurück mit Priamus.

KASSANDRA

Leg Hand an ihn, o Priam, halt ihn fest!

Er ist dein Stab; verlierst du deine Stütze,

Auf ihn gelehnt und Trojas Volk auf dich,

Sinkt alles hin mit eins.

PRIAMUS

Bleib, Hektor, bleib!

Dein Weib sah Träume, deine Mutter Zeichen,

Kassandra weissagt Unglück, und ich selbst,

Wie ein Prophet in plötzlicher Verzückung,

Verkünde dir, der Tag ist voll Verhängnis!

Drum kehr zurück!

HEKTOR

Äneas harrt im Feld,

Und manchem Griechen hab ichs zugesagt,

Ins Angesicht des Ruhms, an diesem Morgen

Mich ihm zu stellen.

PRIAMUS

Dennoch sollst du bleiben!

HEKTOR

Ich darf mein Wort nicht brechen.

Ihr kennt mich pflichtgedenk; drum, teurer Herr,

Laßt mich die Ehrfurcht nicht verletzen; laßt

Auf Eur Geheiß und Wort dem Lauf mich folgen,

Den Ihr mir jetzt verweigert, hoher Fürst.

KASSANDRA

O Priam, gib nicht nach.

ANDROMACHE

Tu's nicht, mein Vater!

HEKTOR

Andromache, ich bin erzürnt auf dich.

Bei deiner Liebe fordr ichs, geh hinein!

Andromache ab.

TROILUS

Die abergläubsche, tolle Träumerin

Schafft all die Angst.

KASSANDRA

Leb wohl, mein teurer Hektor!

Sieh, wie du stirbst! Sieh, wie dein Aug erbleicht!

Sieh, wie dein Blut aus vielen Wunden strömt!

Horch Trojas Wehruf, Hekubas Geheul,

Den lauten Jammerschrei Andromaches!

O sieh Verzweiflung, Wahnsinn, wild Entsetzen

Gleich tollen Larven durcheinander rennen

Und rufen: Hektor! Hektor fiel! O Hektor!

TROILUS

Hinweg! Hinweg!

KASSANDRA

Leb wohl! – Doch still! Nie sehen wir uns wieder;

Du täuschest dich und stürzest Troja nieder!

Sie geht ab.

HEKTOR

Du staunst, o Herr, ob ihrem Weheruf!

Geh, sprich dem Volk Mut ein, wir wolln zur Schlacht

Und tapfre Tat dir künden noch vor Nacht.

PRIAMUS

Leb wohl, die Götter leihn dir ihren Schutz!

Priamus und Hektor getrennt ab. Kriegslärm.

TROILUS

Die Schlacht beginnt. Auf, Diomed, zum Reigen!

Und gälts den Arm, der Ärmel wird mein eigen!

Pandarus kommt.

PANDARUS

Hört doch, mein bester Prinz, o hört doch!

TROILUS

Was gibts?

PANDARUS

Hier ist ein Brief von dem armen Kinde.

TROILUS

Laß sehn!

PANDARUS

Ein verwettertes Asthma, ein verwettertes, niederträchtiges Asthma setzt mir so zu und obendrein das närrische Schicksal der Dime, und bald das eine und bald das andre, daß ich Euch nächster Tage draufgehn werde. Und außerdem ein Fluß auf dem Auge und solch ein Reißen im Gebein, daß mich wer behext haben muß, oder ich weiß nicht, was ich davon denken soll. – Was schreibt sie denn?

TROILUS

Nur Wort' und Worte, aus dem Herzen nichts.

[Zerreißt den Brief. ] Die Wirklichkeit vertolgt ganz andern Weg. Zerreißt den Brief. Geh Wind zum Wind; da dreht und wirbelt fort! Mit Trug und Wort will sie mein Lieben krönen, Und ihre Taten spart sie auf für jenen. Sie gehn getrennt ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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