Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 235
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DRITTE SZENE
Troja, vorm Palast des Priam
Hektor und Andromache treten auf.
ANDROMACHE
Wann war mein Gatte je so schlimm gelaunt,
Sein Ohr zu schließen einer Warnungsstimme?
Leg ab die Waffen, kämpfe heute nicht!
HEKTOR
Du zwingst mich, hart zu sein; geh nun hinein!
Bei allen ewgen Göttern, ich will kämpfen!
ANDROMACHE
Mein Traum weissagt ein Unglück diesem Tag!
HEKTOR
Nichts weiter, sag ich!
Kassandra kommt.
KASSANDRA
Wo ist mein Bruder Hektor?
ANDROMACHE
Bewaffnet, Schwester, und auf Blut gestellt.
Stimm ein mit mir in lautem, heftgem Flehn!
Beschwören wir ihn kniend; denn mir träumte
Von blutgem Wirrwarr, und die ganze Nacht
Sah ich Phantome nur und Mordgestalten.
KASSANDRA
Oh, das trifft ein!
HEKTOR
Laß die Trompete schallen!
KASSANDRA
Kein Ton zum Angriff; Gott verhüt es, Bruder!
HEKTOR
Hinweg, die Götter hörten meinen Schwur!
KASSANDRA
Taub sind die Götter raschen, törgen Eiden;
Das sind entweihte Spenden, mehr verhaßt
Als fleckige Lebern eines Opfertiers!
ANDROMACHE
O laß dir raten! Acht es nicht für heilig,
Durch Rechttun schaden. Gleich erlaubt ja wärs,
Was wir als Dieb errungen, zu verschenken,
Und aus barmherzger Liebe Raub begehn.
KASSANDRA
Der gute Vorsatz leiht dem Eid die Kraft,
Nicht Eid auf jeden Vorsatz darf uns binden.
Entwaffne dich, mein Hektor!
HEKTOR
Laßt mich, Fraun,
Denn meine Ehre trotzt des Schicksals Sturm.
Das Leben gilt uns teuer, doch teurer Mut
Hält Ehr um vieles teurer als das Leben.
Troilus kommt. Nun, junger Mann, denkst du zu fechten heut?
ANDROMACHE
Kassandra, ruf den Vater, ihm zu raten!
Kassandra geht ab.
HEKTOR
Nein, junger Troilus, leg die Rüstung ab!
Heut hab ich hohen Mut zur Ritterschaft!
Laß wachsen erst die Sehnen stark und fest
Und noch versuche nicht den Sturm der Schlacht!
Entwaffne dich, mein Knab, und glaubs dem Starken,
Heut schirmt er dich, sich selbst und Trojas Marken.
TROILUS
Bruder, in deiner Großmut wohnt ein Fehl,
Der mehr dem Löwen ziemte als dem Mann.
HEKTOR
Was für ein Fehl, mein Troilus? Schilt mich drum!
TROILUS
Oft, wenn gefangne Griechen stürzten hin,
Schon vor dem Wehn und Sausen deines Schwerts,
Riefst du: Steht auf und lebt!
HEKTOR
So spielen Helden!
TROILUS
So spielen Narrn, beim Zeus!
HEKTOR
Wie das? Wie das?
TROILUS
Um aller Götter willen,
Dies Klausnermitleid laß bei unsrer Mutter;
Doch haben wir den Panzer umgeschnallt,
Dann schweb auf unsern Schwertern giftge Rache,
Das Mitleid zügelnd und mit Leid sie spornend.
HEKTOR
Pfui, Wilder, pfui!
TROILUS
Hektor, dann ist es Krieg!
HEKTOR
Heut wünscht ich, Troilus, du bliebest heim!
TROILUS
Wer hielte mich zurück?
Nicht Schicksal, nicht Gehorsam, selbst nicht Mars
Mit feurigem Stab gebietend meinen Rückzug;
Nicht Hekuba noch Priam auf den Knien,
Mit Augen rot von bittrer Tränen Salz,
Noch du, mein Bruder, mir mit tapterm Schwert
Entgegendrohend, sperrtest mir den Weg,
Als durch den Tod.
Kassandra kommt zurück mit Priamus.
KASSANDRA
Leg Hand an ihn, o Priam, halt ihn fest!
Er ist dein Stab; verlierst du deine Stütze,
Auf ihn gelehnt und Trojas Volk auf dich,
Sinkt alles hin mit eins.
PRIAMUS
Bleib, Hektor, bleib!
Dein Weib sah Träume, deine Mutter Zeichen,
Kassandra weissagt Unglück, und ich selbst,
Wie ein Prophet in plötzlicher Verzückung,
Verkünde dir, der Tag ist voll Verhängnis!
Drum kehr zurück!
HEKTOR
Äneas harrt im Feld,
Und manchem Griechen hab ichs zugesagt,
Ins Angesicht des Ruhms, an diesem Morgen
Mich ihm zu stellen.
PRIAMUS
Dennoch sollst du bleiben!
HEKTOR
Ich darf mein Wort nicht brechen.
Ihr kennt mich pflichtgedenk; drum, teurer Herr,
Laßt mich die Ehrfurcht nicht verletzen; laßt
Auf Eur Geheiß und Wort dem Lauf mich folgen,
Den Ihr mir jetzt verweigert, hoher Fürst.
KASSANDRA
O Priam, gib nicht nach.
ANDROMACHE
Tu's nicht, mein Vater!
HEKTOR
Andromache, ich bin erzürnt auf dich.
Bei deiner Liebe fordr ichs, geh hinein!
Andromache ab.
TROILUS
Die abergläubsche, tolle Träumerin
Schafft all die Angst.
KASSANDRA
Leb wohl, mein teurer Hektor!
Sieh, wie du stirbst! Sieh, wie dein Aug erbleicht!
Sieh, wie dein Blut aus vielen Wunden strömt!
Horch Trojas Wehruf, Hekubas Geheul,
Den lauten Jammerschrei Andromaches!
O sieh Verzweiflung, Wahnsinn, wild Entsetzen
Gleich tollen Larven durcheinander rennen
Und rufen: Hektor! Hektor fiel! O Hektor!
TROILUS
Hinweg! Hinweg!
KASSANDRA
Leb wohl! – Doch still! Nie sehen wir uns wieder;
Du täuschest dich und stürzest Troja nieder!
Sie geht ab.
HEKTOR
Du staunst, o Herr, ob ihrem Weheruf!
Geh, sprich dem Volk Mut ein, wir wolln zur Schlacht
Und tapfre Tat dir künden noch vor Nacht.
PRIAMUS
Leb wohl, die Götter leihn dir ihren Schutz!
Priamus und Hektor getrennt ab. Kriegslärm.
TROILUS
Die Schlacht beginnt. Auf, Diomed, zum Reigen!
Und gälts den Arm, der Ärmel wird mein eigen!
Pandarus kommt.
PANDARUS
Hört doch, mein bester Prinz, o hört doch!
TROILUS
Was gibts?
PANDARUS
Hier ist ein Brief von dem armen Kinde.
TROILUS
Laß sehn!
PANDARUS
Ein verwettertes Asthma, ein verwettertes, niederträchtiges Asthma setzt mir so zu und obendrein das närrische Schicksal der Dime, und bald das eine und bald das andre, daß ich Euch nächster Tage draufgehn werde. Und außerdem ein Fluß auf dem Auge und solch ein Reißen im Gebein, daß mich wer behext haben muß, oder ich weiß nicht, was ich davon denken soll. – Was schreibt sie denn?
TROILUS
Nur Wort' und Worte, aus dem Herzen nichts.
[Zerreißt den Brief. ] Die Wirklichkeit vertolgt ganz andern Weg. Zerreißt den Brief. Geh Wind zum Wind; da dreht und wirbelt fort! Mit Trug und Wort will sie mein Lieben krönen, Und ihre Taten spart sie auf für jenen. Sie gehn getrennt ab.