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Routinen: Wiederkehr des Gleichen

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Wichtig sind die alltäglichen RoutinenRoutinen des Waschens, Badens, Wickelns, Füttern usw. Das Baby baut ein Episodengedächtnis auf. Es entsteht ein stabiles Erwartungsgitter. So durchschaut das Baby diese Situationen, kennt ihren Anfang, ihre Mitte und ihr Ende. Was Mama vorhat, wird ihm sozusagen evident, ja, was beide tun, ist füreinander voraussagbar. Die Dinge bekommen ihren Platz in der Welt des Kindes. Es gibt kleine Veränderungen, aber es gilt das durchgängig Gleiche: Die Welt wird sinnvoll.

Selbstverständlich gehört die begleitende Sprache als Gratisbeigabe immer dazu. Wenn das Kind dann bereit für die Sprache ist, kann es das Gesagte verstehen, weil es die Situation und den Sprecher schon längst verstanden hat.Hörmann, Hans1 Die schon bekannte, darum sinnfällige Situation macht die Sprache transparent, die das Kind nun innerlich verarbeiten und auf ihre Grammatik abklopfen kann. Die erlebte Ordnung wird wieder auffindbar in der Ordnung des Gesagten. Wir nannten es die »BodenhaftungSpracheBodenhaftung der Sprache« der Sprache.

Wie sehr Kinder auch später noch feste Strukturen lieben und einfordern, zeigt folgende Erinnerung Willy Kramps: »Abends, wenn sie zu Bett gebracht worden war, rief sie von jenseits der Stubenwand: ›Bist du da?‹ Dann mußte ich gemäß strengem Zeremoniell antworten: ›Ja, ich bin da.‹ Hierauf sie, befriedigt: ›Dann gut.‹ Und ich, abschließend (aber der Abschluß durfte nicht fehlen): ›Gut.‹ Ich muß lächeln, als ich daran zurückdenke.« Viele Eltern mögen sich an Ähnliches erinnern.

Sprache trifft somit auf ein Vor-VerständigtseinVor-Verständigtsein des Kindes. Geglückte vorsprachliche und emotional durchtönte Kommunikation ist das Nest, in dem grammatische Sprache aufgezogen wird. Blicke, Gestik, Gesichtsausdruck, Stimme und Tonlage, Körperhaltung, d.h. die ganze Palette der Möglichkeiten, die Menschen zur Kommunikation einsetzen, gehen dem Sprechen voraus. Obwohl die Sprache selbst ein neuartiges, mächtiges Verständigungssystem darstellt, werden die älteren Signale immer mitbenutzt: ein schmeichelnder oder gehetzter Ton, ein fragender Blicke, eine wegwerfende Geste, eben Körpersprache. Erst mit der SchriftSchrift verläßt die Sprache das Nest, in dem sie geboren wurde. In Texten – seien es Romane oder Gesetzbücher – hat Sprache schließlich das Monopol. Doch wenn wir wirklich Trost und Geborgenheit suchen, sehnen wir uns nach der Nestwärme der Körpersprache und ihrer täuschungslosen Unmißverständlichkeit zurück. Im Vergleich dazu bleibt das Wort merkwürdig matt.

Wie Kinder sprechen lernen

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