Читать книгу Vier besondere Krimis Januar 2019 - A. F. Morland - Страница 7
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ES KAM NICHT OFT VOR, dass der Privatdetektiv Bount Reiniger, Captain Toby Rogers und dessen Stellvertreter Lieutenant Ron Myers einen Abend gemeinsam verbrachten. Zumeist war einer von ihnen verhindert.
Doch diesmal hatte es ausnahmsweise geklappt. Bount hatte die Freunde in eine nette Bar eingeladen, und sie hatten über alles geredet, nur nicht über ihren Job. Dieses Thema war tabu.
Gegen 23 Uhr brachen sie auf. Toby wäre noch gern eine Weile sitzen geblieben, aber der sommersprossige, schlaksige Myers musste am nächsten Morgen früh aus den Federn, und da man von ihm erwartete, dass er geistig fit zum Dienst erschien, brauchte er wenigstens sechs Stunden Schlaf.
Bount beglich die Rechnung. Toby Rogers legte ihm seine Pranke auf die Schulter und meinte auf dem Weg zur Tür: „Hör mal, wenn sich unser Baby schon in die Falle schmeißt, müssen wir zwei Hübschen deswegen doch nicht dasselbe tun, Bount.“
„Der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste“, bemerkte Bount Reiniger lächelnd.
„Wenn wir tot sind, können wir schlafen, so viel wir wollen.“
„Was hast du noch vor?“
„Wir könnten zu ,Lizzys‘ gehen und ein bisschen die Puppen tanzen lassen.“
„Kannst du dir das mit deinem kärglichen Gehalt leisten?“
Toby grinste. „Ich hab’ ja einen Freund, der gut verdient und den ich anpumpen kann, wenn ich pleite bin.“
„Würde der mir auch etwas pumpen?“
„Spiel bloß nicht den Doofen. Du weißt, wen ich meine.“
„Auch ich bin hin und wieder abgebrannt“, sagte Bount.
Der Captain wiegte den Kopf und sagte zu Ron Myers: „Es ist was Wahres dran an dem Sprichwort, dass man erst in der Not seine Freunde kennenlernt. Wir können uns nur wünschen, niemals in eine finanzielle Sackgasse zu geraten, denn unser lieber Bount würde uns da nicht herausholen. Bount, du bist ein verdammter Egoist. Aber ich geh’ mit dir trotzdem zu ,Lizzys‘. Noch kann ich es mir leisten.“
Sie traten aus der Bar.
„Macht es gut, ihr beiden“, sagte Ron Myers. „Und versackt nicht total, sonst kann ich euch morgen früh von der Sitte loseisen.“ Ron lachte. „Mann, wäre das ein Spaß ...“
Der Lieutenant unterbrach sich. Er hatte ein kurzes Röcheln vernommen. Auch Bount und Toby hatten das Geräusch gehört.
Schlurfende Schritte näherten sich.
Die drei Freunde blickten alle in dieselbe Richtung. Im nächsten Moment torkelte ein junger Mexikaner um die Ecke. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Er ging wie ein Betrunkener. Mit der Schulter stieß er immer wieder gegen die Hausmauer.
Seine beiden Hände presste er fest gegen die Brust. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Der Griff eines Springmessers ragte den Männern entgegen.
„Verdammt!“, stieß Captain Toby Rogers hervor.
Der Mexikaner starrte sie verzweifelt an. Seine dunklen Augen bettelten um Hilfe, doch Bount Reiniger und seine Freunde hatten längst erkannt, dass diesem Jungen nicht mehr zu helfen war.
Als der Mexikaner nach vorn kippte, sprang Ron Myers hinzu, um ihn aufzufangen. Auch Toby eilte dem Sterbenden zu Hilfe.
Ein dritter Mann war da nicht mehr erforderlich, deshalb wollte sich Bount Reiniger um den Mistkerl kümmern, der für dieses Verbrechen verantwortlich war.
Bounts Hand zuckte zur Schulterhalfter. Er riss die 38er Automatic heraus und stürmte los. Die Tat war eben erst begangen worden. Folglich konnte sich der Killer noch nicht weit abgesetzt haben.
Bount Reiniger wollte ihn sich kaufen. Es war das Einzige, was er für den Mexikaner noch tun konnte.
Bount erreichte die Ecke. Er entsicherte seine Pistole und spähte in die schmale Straße. Er vernahm hastige Schritte und sah zwei Gestalten durch die Dunkelheit wischen.
Bount spurtete hinter den Killern her. Sie bemerkten ihn und griffen sofort zu ihren Kanonen. Mündungsfeuer blitzten auf. Schüsse krachten. Mehrere Kugeln pfiffen knapp an Bount vorbei.
Er suchte hinter einem Mauervorsprung Deckung und erwiderte das Feuer. Die Gangster setzten sich schießend ab. Ein Projektil fetzte vor Bount in Augenhöhe den Verputz von den Ziegeln.
Bount Reiniger stieß sich von der Wand ab. Er sprang in Combat-Stellung und versuchte einen der beiden vierschrötigen Kerle kampfunfähig zu schießen. Sein Geschoss verfehlte den Mann nur um wenige Millimeter.
Der Verbrecher verschwand sofort aus Bounts Schussfeld. Reiniger pirschte sich weiter vorwärts. Seine Nerven waren angespannt. Mit schmalen Augen versuchte er, die Dunkelheit zu durchdringen.
Vorsichtig näherte er sich der Gebäudeecke, hinter der sich die Gangster zurückgezogen hatten. Er lauschte. Kein verräterisches Geräusch drang an sein Ohr. Mit schussbereiter Waffe erreichte er die Ecke.
Als er in die Querstraße blickte, sah er die Killer für einen Augenblick wieder. Dann verschwanden sie in der Ausfahrt eines vierstöckigen Parkhauses. Bount schlich hinterher.
Er erreichte die breite Ausfahrt, huschte um den Schlagbalken herum und betrat das Gebäude. Es stank intensiv nach Benzin, Öl und Abgasen. Irgendwo summte eine Entlüftungsanlage. Hunderte von Möglichkeiten gab es hier, sich zu verstecken.
Die Gangster waren Bount Reiniger gegenüber im Vorteil. Sie brauchten sich nur still zu verhalten, konnten ihn kommen lassen, während er sie suchen musste. Bount hörte das Brummen eines Automotors und quietschenden Pneus. Augenblicke später war es still. Ein Fahrzeug musste das Parkhaus durch eine der Ausfahrten verlassen haben.
Bount lief durch das um diese Zeit nur noch spärlich beleuchtete Erdgeschoss. Er gelangte zur engen Auffahrtsrampe. Einen Stock höher fiel etwas um. Eine Eisenstange vielleicht.
Bount Reiniger war schon dorthin unterwegs. Sein Gesicht sah in diesem Moment aus, als wäre es aus Stein gehauen. Für ihn war ein Menschenleben etwas Einmaliges. Kein Mensch hatte das Recht, es einem andern zu nehmen.
Bount erreichte die erste Etage. In düsteren Parktaschen standen matt schimmernde Automobile. Und in allen Boxen konnte der Tod auf Bount Reiniger lauern.
Bount ließ seine Zungenspitze über die Lippen gleiten. Behutsam schlich er durch die Etage. Als er die Stange eines eisernen Wagenhebers auf dem Betonboden liegen sah, wusste er, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hatte.
Aber wo waren die Killer?
Wohin hatten sie sich zurückgezogen? Stand hier irgendwo ihr Wagen, mit dem sie abhauen wollten?
Bount ging weiter. Plötzlich passierte es ...
Ein Anlasser mahlte. Fast gleichzeitig brüllte ein Motor los. Ein grelles Scheinwerferpaar flammte auf und stach Bount brutal in die Augen. Im selben Moment machte das Fahrzeug einen kraftvollen Sprung vorwärts.
Wie ein schwarzes Raubtier raste der Wagen heran. Genau auf Bount Reiniger zu.
Bounts Kopfhaut zog sich zusammen. Er spannte die Muskeln und hechtete zur Seite. Seine Reaktionsschnelligkeit rettete ihm das Leben. Er hätte keinen Sekundenbruchteil langsamer sein dürfen.
Bount rollte über die Schulter ab. Er spürte den kalten Luftpolster, den der schwarze Wagen vor sich herschob, kam mit Schwung auf die Beine und drehte sich in Gedankenschnelle um.
Die Automatic schwang mit.
Das Killerfahrzeug war bereits an Bount Reiniger vorbei und hielt auf die Abfahrt zu. Bount zog den Stecher durch. Mehrmals. Die Schüsse peitschten kurz hintereinander.
Reiniger versuchte, den Wagen zu stoppen. Seine Kugeln bohrten sich ins Blech und zertrümmerten die Heckscheibe. Aber das Fahrzeug blieb nicht stehen. Es raste mit unverminderter Geschwindigkeit die Abfahrt hinunter, krachte links und rechts gegen die Leitplanken und zertrümmerte unten die Ausfahrtschranke.
Augenblicke später war der Spuk vorbei.
Den Killern war es gelungen zu entkommen.
„Shit!“, knirschte Bount Reiniger. Er fand, dass dieser Kraftausdruck in diesem verfluchten Moment seine volle Berechtigung hatte.
Als Bount zu Ron Myers und Toby Rogers zurückkehrte, lebte der Mexikaner nicht mehr. „Der arme Teufel hatte es verdammt schwer mit dem Sterben“, sagte Captain Rogers grimmig.
„Hat er noch irgendetwas gesagt, bevor er starb?“, erkundigte sich Bount.
Toby schüttelte den Kopf. „Kein Wort. Die Klinge saß zu genau. Das war die Arbeit eines Profis.“
„Es waren zwei“, sagte Bount und berichtete dem Captain, was sich zugetragen hatte.
„Würdest du die beiden wiedererkennen?“, wollte Toby wissen.
„Dazu ließen sie mich nicht nahe genug an sich herankommen“, antwortete Bount. Er blickte sich um. Die Fenster der umliegenden Häuser waren erhellt. Männer und Frauen in Schlafanzügen und Nachthemden schauten auf die Straße herunter.
Ron Myers eilte in die Bar, in der die Freunde den netten Abend verbracht hatten, der nun mit so einem unangenehmen Paukenschlag geendet hatte. Während der Lieutenant alles Nötige veranlasste, fingerte Bount Reiniger seine zerknautschte Pall-Mall-Packung heraus und hielt sie Toby hin.
Der Captain bediente sich. Bount nahm sich gleichfalls ein Stäbchen. Er gab zuerst dem Captain Feuer und brannte dann seine Zigarette an.
„Hatte er Papiere bei sich?“, fragte Bount.
„Nein. Es wird nicht leicht sein, ihn zu identifizieren. Wahrscheinlich ist er illegal eingewandert. Ich werde in diesem Fall mit Lieutenant Kelly McLean von der Einwanderungsbehörde zusammenarbeiten. Vielleicht kriegt er heraus, wer dieser Bursche ist und woher er kommt. In letzter Zeit erlebt New York einen Mexikaner-Boom, wie es ihn nie zuvor gegeben hat. Diese Burschen tauchen aus irgendeiner Versenkung auf, die die Behörden nicht kennen. Kelly McLean hat mit diesen Leuten aus Mexiko alle Hände voll zu tun. Er wird dieser Flut kaum noch Herr.“
Ron Myers kehrte aus der Bar zurück. „Unsere Kollegen werden in wenigen Augenblicken hier eintreffen.“
„Lass das Messer auf Fingerabdrücke untersuchen“, sagte Toby. „Und sieh zu, dass die Neugierigen nicht über den Toten stolpern.“
„Das hört sich so an, als wolltest du nicht hierbleiben“, sagte Ron.
„Ich weiß, warum ich dich zu meinem Stellvertreter gemacht habe: Weil du ungemein clever bist.“
„Wohin gehst du?“
„Ins Police Headquarters. Ich muss mich mit Kelly McLean unterhalten“, sagte Toby Rogers. Und zu Bount: „Tut mir leid, Alter, aber aus unserem Besuch bei ,Lizzys‘ wird nun nichts. Das hier hat Vorrang.“ Bount Reiniger hob die Schultern und erwiderte gleichmütig: „Die Sache bei ,Lizzys‘ wäre für dich ohnedies zu einem Reinfall geworden.“
Der Captain wollte etwas entgegnen, doch er kam nicht dazu. Polizeisirenen schnitten ihm das Wort ab.
Kurz darauf wimmelte es am Tatort vor Polizisten. Bount Reiniger war ihnen im Wege, deshalb fuhr er nach Hause.