Читать книгу Vier besondere Krimis Januar 2019 - A. F. Morland - Страница 8

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WILKIE LENNING WAR zweiundzwanzig, und er verstand es, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Er spielte gern und gut Gitarre, und es bereitete ihm zumeist auch Vergnügen, von Bount Reiniger zur Mitarbeit herangezogen zu werden.

Der schlanke, beinahe hagere Bursche hatte viel Erfolg bei Mädchen. Er lief am liebsten in verwaschenen Jeans herum, verabscheute Krawatten und trug das dunkelblonde Haar modisch lang, ohne deswegen ungepflegt zu wirken.

Er stand mit Bount-Ann vor dem Haustor. Sie war Anfang zwanzig und kleidete sich im Greenwich-Village-Schick: Disco-Jeans und eine Bluse aus bunter Seide, eng, mit tiefem Ausschnitt. Unzählige Halskettchen rasselten, wenn sie sich bewegte.

Sie hatte etwas Katzenhaftes an sich, und sie konnte schnurren, dass es Wilkie wohlige Schauer durch die Glieder jagte.

Sie schüttelte ihre rabenschwarze Mähne, legte die Arme um Wilkies Nacken und flötete: „Vielen Dank, dass du mich nach Hause gefahren hast, Wilkie.“

„War doch selbstverständlich, Bount-Ann.“

„Sehen wir uns morgen wieder?“

„Selbe Zeit. Selbes Lokal.“

„Okay“, sagte Bount-Ann. Sie küsste Wilkie und er glaubte, den Geschmack von Erdbeeren zu spüren. „Vergiss mich nicht“, flüsterte Bount-Ann, als sie sich von ihm löste.

Er grinste. „Wie könnte ich das?“

Wilkie wünschte ihr eine gute Nacht, machte auf den Hacken kehrt und schlenderte zu seinem Wagen zurück. Er kannte Bount-Ann schon seit geraumer Zeit. Aber es hatte mit ihnen niemals klappen wollen. Mal war er vergeben gewesen. Mal hatte sie einen Freund gehabt. Doch nun schien alles bestens zu laufen, und das freute Wilkie Lenning ganz besonders.

Er setzte sich in seinen Wagen und fuhr zur „Blauen Eule“, seinem Stammlokal in Greenwich Village.

Er fand gleich um die Ecke einen Parkplatz. Eine Seltenheit. Rasch faltete sich der Junge aus dem Fahrzeug. Er versetzte der Tür einen leichten Stoß. Sie fiel ins Schloss.

Und im selben Augenblick erlebte Wilkie Lenning eine unliebsame Überraschung!

Sie waren zu dritt und schienen eine Lederfabrik ausgeraubt zu haben. Alles, was sie trugen, war aus schwarzem Nappaleder. Nieten und Gürtelschnallen blitzten.

Sie kamen von drei Seiten auf Wilkie zu, und sie hatten nicht im Sinn, ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter zu legen. Ihre Blicke verrieten, was sie vorhatten.

Sie mochten den blonden Jungen nicht leiden, deshalb würde es ihnen ganz besonders gefallen, ihm „die Fresse zu polieren“ - wie das in ihrem Fachjargon genannt wurde.

Ihr Anführer war Gabbo Borgese. Seine Großeltern hatten noch in Neapel gewohnt. Borgese war für einen Jungen italienischer Abstammung verhältnismäßig groß. Sein lackschwarzes Haar war kunstvoll gekämmt und glänzte ölig. Er hatte breite Schultern und bildete sich eine Menge darauf ein, dass es noch kein Mädchen gewagt hatte, ihm den Laufpass zu geben.

„Ich habe gewusst, dass du hier früher oder später aufkreuzen würdest, Lenning“, knurrte Borgese.

Wilkie versuchte, seinen Rücken freizubekommen. Er drehte die Schulterblätter zur Wand. „Was willst du von mir?“ fragte er kalt.

„Du spielst mit meinem Spielzeug“, sagte Gabbo Borgese.

„Ich weiß nicht, wovon du redest.“

„Ich rede von Bount-Ann!“, klärte ihn Borgese auf.

„Sie hat mir gesagt, dass es zwischen dir und ihr aus ist. Schon seit zwei Monaten.“

„Das denkt sie. Es stimmt aber nicht.“

„Sie hat dir den Laufpass gegeben.“

Gabbo Borgese packte Wilkie vorn beim Hemd. Er starrte ihm wütend in die Augen. „Idiot. So etwas hat es noch nie gegeben und wird es auch nie geben. Wir hatten vor zwei Monaten einen Streit. Einen Tag danach musste ich dringend geschäftlich für ein paar Wochen nach Boston ... Aber jetzt bin ich wieder da.“

„Bount-Ann hat damals gesagt, du sollst dich zum Teufel scheren.“

„Das hat sie nicht so gemeint. Sie ist immer noch meine Freundin.“

„Ich wäre dir dankbar, wenn du mein Hemd endlich wieder loslassen würdest. Ich besitze nur dieses eine.“ „Bist ein armer Schlucker. Wie kann sich ein Mädchen wie Bount-Ann nur an so etwas wie dich verschwenden?“

„Nun, vielleicht ist sie drauf gekommen, dass sie mit mir immer noch wesentlich besser dran ist als mit dir.“ Gabbo Borgese kniff die Augen zusammen. „He, Amico, du hast doch nicht etwa die Absicht, mich zu beleidigen, oder?“

„Warum bist du nicht in Boston geblieben? Du hast hier niemandem gefehlt.“

Gabbo Borgese wandte sich an seine Freunde. „Der Knilch riskiert eine verdammt große Lippe, was? Wer sitzt schon bis zum Hals in der Scheiße und schlägt auch noch Wellen?“

Wilkie Lenning beobachtete aus den Augenwinkeln, wie einer von Gabbo Borgeses Freunden einen Schlagring aus Messing über seine Finger streifte. Der andere holte eine Stahlrute aus der Gesäßtasche und ließ sie aufschnappen.

Borgese ließ Wilkies Hemd los. Höhnisch fragte er: „Hast du den Eindruck, dass du Bount-Ann gefällst?“

„Ich bin ihr Typ, zweifellos.“

„Glaubst du, dass du immer noch Chancen bei ihr haben wirst, wenn wir dich durch die Mangel gedreht haben?“

„Das würde ich mir an eurer Stelle noch mal gründlich überlegen. Der Schuss kann nämlich auch nach hinten losgehen!“

„Mal sehen!“, knurrte Gabbo Borgese.

Dann schlug er ansatzlos zu. Doch Wilkie Lenning hatte mit diesem Angriff gerechnet. Als er es in Borgeses Augen blitzen sah, wusste er, dass es so weit war.

Er stellte sich darauf ein, fing die Faust des Gegners geschickt ab und konterte. Gabbo Borgese stieß einen wütenden Fluch aus. Seine Freunde schalteten sich ein. Die Stahlrute pfiff durch die Luft. Wilkie Lenning sah sie kommen. Er neigte sich nach vorn. Die Rute traf seinen Rücken. Er schlug mit der Handkante zurück und versetzte dem Burschen mit dem Schlagring einen unerwarteten Tritt.

Der Knabe heulte auf. Sein Gesicht verzerrte sich. Wut und Hass spiegelten in seinen Augen. Wilkie wollte nachsetzen, doch dabei verlor er Gabbo Borgese aus dem Blickfeld.

Er musste einen Faustschlag einstecken, und in der nächsten Sekunde traf ihn auch die Stahlrute.

Er wehrte sich verbissen und hatte in diesem Kampf gute Momente, aber viele Hunde sind nun mal des Hasen Tod. Seine Linke stieß Borgese zurück.

Seine Rechte traf den Jungen mit der Stahlrute voll. Aber dann musste er einen Schwinger einstecken, den ihm der dritte Kerl verpasste und der ihn auf die Knie warf.

Gabbo Borgese bewies, dass er über einen gefährlichen Killerinstinkt verfügte. Zum Glück rechnete Wilkie Lenning auch mit dieser Gemeinheit. Deshalb gelang es Borgese nicht, seinen Schuh mitten in Wilkies Gesicht zu platzieren.

Der blonde Junge schnappte sich mit beiden Händen das vorschnellende Bein des Gegners. Er nützte Borgeses Schwung gekonnt aus, riss das Bein nach oben, und der Bursche fiel mit voller Wucht aufs Kreuz.

Das verschlug ihm die Sprache.

Wilkie federte hoch und widmete sich sofort wieder Borgeses Freunden. Aber als wenig später Gabbo Borgese wieder mitmischte, sah es sehr bald schon ziemlich bedenklich für Wilkie Lenning aus.

Doch plötzlich erhielt Wilkie unerwartete Hilfe.

Gabbo Borgese landete nach einem kassierten Schwinger an der Wand. Der Bursche mit der Stahlrute wandte sich irritiert um und drehte sich mitten in die Flugbahn eines Aufwärtshakens hinein.

Den Kerl mit dem Schlagring lehrte nun Wilkie Lenning das Fürchten. Mit mehreren Karateattacken setzte er diesem Gegner so zu, dass der Bursche sich hastig umdrehte und mit langen Sätzen das Weite suchte.

Auch Gabbo Borgese und sein zweiter Freund erkannten, dass es für sie hier keinen Blumentopf mehr zu gewinnen gab und nahmen gleichfalls Reißaus.

Wilkie war ziemlich außer Atem. Mit einem Papiertaschentuch wischte er sich das Blut aus seinem Mundwinkel. Dann grinste er den Jungen, der ihm zu Hilfe geeilt war, schief an.

„Ich habe mich noch nie so sehr darüber gefreut, dich zu sehen, wie heute, Juan“, sagte Wilkie Lenning.

„Bist du okay?“

„In fünfzehn Minuten bin ich wieder voll da.“

„Du siehst aus, als hättest du versucht, eine Bärin umzubringen.“

„Du hast mir einiges erspart. Ich möchte dich dafür auf einen Drink einladen. Aber gib mir keinen Korb, sonst sorge ich dafür, dass du so aussiehst wie ich.“

Sie begaben sich in die „Blaue Eule“. Als der Wirt Wilkie sah, fragte er: „Sag mal, bist du frontal mit der U-Bahn zusammengestoßen?“

„Frag Juan, was er trinken möchte und bring mir dasselbe“, erwiderte Wilkie. Dann begab er sich in den Waschraum. Als er von dort zurückkam, sah er etwas besser aus, und die Schwellungen würden auch bald vergehen.

Auf dem Tisch, an dem Juan Cortez saß, standen zwei Tequillas. Der Mexikaner hatte seinen Schnaps noch nicht angerührt.

Juan war dreiundzwanzig. Er hatte pechschwarzes Haar und eine olivfarbene Haut. Sein Blick war offen und ehrlich. Wilkie war davon überzeugt, dass dieser Mann keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Außerdem verfügte Juan Cortez über ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Er konnte es nicht ausstehen, wenn jemandem Unrecht geschah.

Wilkie setzte sich zu ihm. Er griff nach seinem Schnapsglas, hob es hoch, sagte „Cheerio“ und trank es aus.

„Auf dein Wohl“, sagte der Mexikaner.

„Der Himmel hat dich geschickt“, behauptete Wilkie.

Juan Cortez schüttelte den Kopf. „Ich wollte dich sehen, deshalb war ich auf dem Weg zur ,Blauen Eule“. Als mir dann auffiel, was gleich um die Ecke lief, griff ich ein.“

„Dafür kriegst du von mir bei Gelegenheit einen Orden.“

„Darauf kann ich verzichten. Du weißt, was ich dringender brauche, Wilkie. Darüber wollte ich mit dir reden. Hast du mit diesem Sägewerksbesitzer gesprochen?“

„Gleich nachdem ich’s dir zugesagt hatte.“

„Und?“ Juans Blick war gespannt auf Wilkies Lippen gerichtet.

Wilkie Lenning nickte langsam. „Du hast den Job.“

Juan Cortez ergriff blitzschnell Wilkies Hand. Er schüttelte sie begeistert. „Danke, Wilkie. Danke. Das werde ich dir nie vergessen!“

Wilkie grinste. „Nun hör’ schon auf, meine Hand zu schütteln. Wie soll ich denn da einen zweiten Tequilla trinken?“

Vier besondere Krimis Januar 2019

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