Читать книгу Vier besondere Krimis Januar 2019 - A. F. Morland - Страница 9
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TOBY ROGERS WARF DIE Münzen in den Kaffeeautomaten und begab sich anschließend mit zwei heißen Papierbechern in Lieutenant McLeans Office.
Kelly McLean, ein bulliger Mann mit Bürstenhaarschnitt und dem Gesicht einer zornigen Dogge, hob den Kopf, als der Captain eintrat.
„Na, Kelly. Immer noch fleißig?“ sagte Toby und stellte einen Becher vor den Lieutenant auf den Schreibtisch. „Ich habe unsere Portokasse geplündert. Es reichte gerade für zwei Kaffee.“
McLean lehnte sich seufzend zurück. „Für mich müsste der Tag achtundvierzig Stunden haben.“
„Das ist unser Los“, sagte Toby. „Vielleicht hätten wir besser daran getan, rechtzeitig auf Privatdetektiv umzusatteln.“
„Wie es Ihr Freund Bount Reiniger getan hat.“
„Genau“, sagte Toby und nickte. Er zog den Besucherstuhl heran und ließ sich nieder. Kelly McLean nahm den Papierbecher in beide Hände und trank mit kleinen Schlucken.
„Was führt Sie zu mir, Captain?“ fragte er schließlich. „Unweit von hier wurde ein Mexikaner ermordet. Erstochen. Ich war dabei, als er starb.“ Toby erzählte genau, was vorgefallen war.
Als er geendet hatte, sagte Kelly McLean: „Arme Teufel sind das. Sie tun mir leid. Mexiko ist ihre Heimat, aber das Land kann ihnen ihre Träume nicht erfüllen, deshalb wandern sie aus. Sie hoffen, bei uns wenigstens einen Zipfel vom Glück zu erwischen, geraten aber nun vom Regen in die Traufe. Da wir sie nicht alle aufnehmen können, kommen sie illegal in unser Land. Viele von ihnen sparen jahrelang auf diese Reise, und dann fallen sie gewissenlosen Schurken in die Hände, die ihnen ihre gesamten Ersparnisse abnehmen. Leute, die wir nicht kennen, machen mit diesen armen Schweinen das große Geschäft. Wenn sie in der freien Wirtschaft einen Job haben möchten, müssen sie sich verpflichten, die Hälfte ihres Lohnes abzuliefern. Wer sich an diese Vereinbarungen nicht hält, endet so wie dieser junge Mexikaner, den Sie heute sterben gesehen haben. Stinkt es nicht zum Himmel, Toby? Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert, im Zeitalter der Menschenrechtskommission - und immer noch wird mit Menschen gehandelt, als wären sie nichts weiter als billiges Arbeitsvieh. Vielen von diesen Mexikanern ging es zu Hause besser als in den Staaten. Aber sie können nicht mehr zurück. Erst wenn bei ihnen nichts mehr zu holen ist, lassen sie sie achtlos fallen und suchen sich neue, kräftige Opfer.“
„Kann man diesen Menschenhändlern denn nicht das Handwerk legen?“, fragte Captain Rogers. Was Kelly McLean ihm erzählt hatte, ging ihm unter die Haut.
„Wir schaffen es nicht“, gestand Lieutenant McLean. „Wir tun, was wir können. Wir veranstalten fast täglich Razzien, nehmen laufend illegale Einwanderer fest und schicken sie nach Hause, aber die Flut der neu Einwandernden reißt nicht ab. Weil es ein einträgliches Geschäft ist, mit diesen Menschen zu schachern.“
„Was sagen die Mexikaner, die Sie erwischen?“ „Nichts. Die haben nicht den Mut, den Mund aufzutun. Man hat sie wirksam eingeschüchtert. Aus denen ist oft nicht einmal ihr Name herauszukriegen, solche Angst haben sie.“
„Ich lasse Ihnen morgen einige Fotos von dem Toten schicken. Vielleicht können Sie herausfinden, wer er ist“, sagte Toby.
„Meinetwegen. Schicken Sie die Bilder getrost, aber erwarten Sie von mir nicht, dass ich Wunder wirke.“ „Bestimmt nicht“, sagte der Captain und erhob sich. „Wir bleiben in Verbindung, okay?“
„Okay, Toby.“
Am nächsten Morgen war trübes Wetter. Der Hochnebel hing über den Straßenschluchten der Stadt und ließ keinen freundlichen Sonnenstrahl durch. Bount Reiniger wurde jedoch durch das strahlende Lächeln seiner Mitarbeiterin June March reichlich entschädigt.
Das quirlige blonde Mädchen betrat das Büro mit der Morgenpost. Es blitzte vital in ihren veilchenblauen Augen, als stünde ihr zum Wochenende eine Traumreise nach Hawaii bevor. Dabei hatte sie den Urlaub längst hinter sich.
„Na, Chef, wie war der Abend mit Ron Myers und Toby Rogers?“, erkundigte sich June, während sie die Umschläge sichtete und die Spreu vom Weizen trennte. Reklame wanderte automatisch sofort in den Papierkorb.
„Der Abend war nicht schlecht“, sagte Bount. „Nur die Nacht war nicht nach unserem Geschmack.“
„Hat es Ärger gegeben?“
„Schlimmer. Es hat einen Toten gegeben“, erwiderte Bount Reiniger.
Bount berichtete seiner Mitarbeiterin, was er mit Ron und Toby erlebt hatte.
„Das ist ja schrecklich“, sagte June March, als Bount geendet hatte. „Wirst du dich dieses Falles annehmen? Du müsstest es nicht. Du könntest die Polizei die Arbeit tun lassen, schließlich bezahlt dich keiner dafür, wenn du möglicherweise Kopf und Kragen riskierst.“
„Ich werde mich darum kümmern, auch wenn ich dafür niemandem meine Honorarrechnung präsentieren kann“, sagte Bount ernst.
„Noch ein paar solche Fälle und wir müssen ans Eingemachte gehen.“
„Vergiss nicht, diese beiden Killer haben versucht, mir das Lebenslicht auszublasen.“
„Damit machst du die Sache zu deinem persönlichen Fall.“
„So könnte man es sehen. Ich gehöre nicht zu jenen, die auch die linke Backe hinhalten, wenn man sie auf die rechte geschlagen hat. Ich schlage zurück.“
„Das ist dein gutes Recht.“
„Wovon ich auch Gebrauch machen werde!“, sagte Bount Reiniger bestimmt.
Die Tür ging auf, und Wilkie Lenning trat ein. Deutlich stand ihm noch ins Gesicht geschrieben, was er in der vergangenen Nacht erlebt hatte. Er grinste schief und fragte: „Warum seht ihr mich so an?“
„Hattest du Streit mit Muhammad Ali?“, erkundigte sich Bount grinsend.
„Hatte ich schon jemals mit irgendjemandem Streit? Ich bin eine friedliebende Natur ...“
„Jedoch der Friedliebendste kann nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, fiel June March Wilkie ins Wort.
„Wer hat dich vermöbelt?“, wollte Bount Reiniger wissen.
Wilkie erzählte es und nannte auch den Grund für Gabbo Borgeses Attacke.
Bount schüttelte den Kopf. „Deine Weibergeschichten werden dich noch mal um Kopf und Kragen bringen.“
Wilkie hob die Schultern. „Jeder hat eben ein anderes Hobby.“
„Der Mexikaner, der dir zu Hilfe kam - wie hieß der doch gleich?“, fragte Bount.
„Juan Cortez.“
„Wo hast du ihn kennengelernt?“
„In der ,Blauen Eule‘. Warum fragst du?“
„Ist er schon lange in New York?“
„Ich glaube nicht. Er war auf der Suche nach Arbeit. Ich habe ihm versprochen, mich für ihn umzuhören und konnte ihm einen Job in einem Sägewerk verschaffen.“
„Sind seine Papiere in Ordnung, oder kam er illegal in die Staaten?“
„Keine Ahnung, Bount. Warum fragst du das alles?“
„Gestern Nacht wurde ein Mexikaner gekillt. Er hatte keine Papiere bei sich. Toby Rogers vermutet, dass der Mann auf Schleichwegen in die USA gekommen ist. Ich würde gern die beiden Killer ausfindig machen, die den Jungen umgelegt haben. Toby sagt, dass seit einiger Zeit diese Art von Menschenhandel sprunghaft angestiegen ist. Man sollte dem einen Riegel vorschieben.“
„Wer hat dich darum gebeten?“, fragte Wilkie. „Niemand“, antwortete Bount. „Die Killer haben auf mich geschossen. Das ist eine Herausforderung, die ich annehme.“
„Ich möchte festhalten, dass diesmal nicht ich schuld daran bin, wenn kein Geld in die Kasse kommt!“, betonte Wilkie Lenning. Es war ein unmissverständlicher Seitenhieb, den Bount Reiniger und June March sehr gut verstanden. In letzter Zeit hatten sich nämlich mal wieder Wilkies sogenannte „Caritas“-Fälle gehäuft. Er hatte sie an Bount herangetragen, und Reiniger hatte sie erledigt, ohne bei den finanzschwachen Klienten auch nur einen müden Dollar zu kassieren.
„Angenommen, Juan Cortez wüsste etwas über diese illegalen Einreisen“, sagte Bount, „glaubst du, er würde es uns sagen?“
„Davon bin ich überzeugt“, erwiderte Wilkie Lenning. „Er ist mir wegen des Jobs, den ich ihm verschafft habe, äußerst dankbar.“
„Okay“, sagte Reiniger. „Dann lass uns gleich mal zu ihm fahren. Das Eisen gehört geschmiedet, solange es noch warm ist.“ Bount wandte sich an June. „Telefoniere inzwischen ein bisschen in der Gegend herum. Lass ein paar von unseren V-Männern wissen, was uns im Augenblick am brennendsten interessiert. Vielleicht hast du damit Glück.“
„Und wenn die Information Geld kosten sollte“, warf Wilkie Lenning feixend ein, „kannst du getrost anschreiben lassen. Reiniger ist noch eine ganze Weile kreditwürdig.“