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Stevie Kenna hatte ein Leben hinter sich, aus dem man einen Film hätte machen können.

Sein Vater war Rechtsanwalt in Los Angeles gewesen. Vorwiegend Scheidungsangelegenheiten. Aber immer im Rahmen der oberen Zehntausend. Kennas Mutter hatte in mehreren Hollywoodfilmen der sogenannten B-Serie mitgemacht, für die man auch Ronald Reagan so häufig verpflichtet hatte. Keine Kassenschlager, aber sie spielten zumeist die Produktionskosten und ein bisschen Gewinn dazu ein.

Das Geld war vorhanden, also ließ man Stevie Kenna Musik studieren. Nach dem Examen schrieb Stevie drei Filmmelodien, die sich auch auf Platte gut verkauften. Kenna kam allmählich besser ins Geschäft als seine Mutter, die sich damals bereits auf dem absteigenden Ast befand. Sie dachte, mit einem neuen Mann – einem aus der Filmbranche – wieder nach oben kommen zu können, und lachte sich Sam Harlock, den zu dieser Zeit berühmtesten Regisseur der Filmmetropole, an. Sam, selbst schon eine ganze Weile nicht mehr taufrisch, griff mit Begeisterung zu.

Doch der Anwalt, der selbst so viele Scheidungen befürwortet hatte, konnte den eigenen ehelichen Schiffbruch nicht verkraften. Er drehte durch, griff zur Pistole und fuhr zu Sam Harlock. Er erwischte seine Frau mit Sam in einer peinlichen, eindeutigen Situation. Sie hatten beide keine Zeit, sich zu rechtfertigen. Es knallte in Harlocks Schlafzimmer insgesamt dreimal. Dann gab es drei Leichen.

Und Stevie Kenna hatte keine Eltern mehr.

Er brauchte den Psychiater, um darüber hinwegzukommen, und zwei Jahre später, nach wöchentlich drei Sitzungen – also etwa dreihundert Sitzungen insgesamt – schien Stevie Kenna zumindest einigermaßen über den Schock hinweg zu sein. Er begann wieder zu arbeiten und hatte wieder Erfolg. Aber er begann auch zu trinken, um vergessen zu können, wenn ihn die Erinnerung plagte.

Als sich Amerika in Vietnam engagierte, flog Kenna nach Saigon, um da für die GIs in den Casinos am Klavier zu spielen.

Als er aus Saigon zurückkam, war er rauschgiftsüchtig und konnte nicht mal mehr einen Bleistift halten. Eine Entziehungskur folgte. Es war die Hölle. Trotzdem wurde Stevie Kenna rückfällig. Eine zweite Entziehungskur war nötig, und man sagte ihm, dass er eine dritte vermutlich nicht mehr überstehen würde.

Okay, sagte er sich. Dann lasse ich eben die Finger vom Schnee. Und er fing wieder zu trinken an.

Hollywood hatte ihn schon lange vergessen. Kein Musikverlag gab ihm heute noch einen Auftrag, und die Songs, die er anbot, waren so schlecht, dass keiner sie haben wollte.

Kenna war froh, nach langem Suchen eine Bar gefunden zu haben, in der er täglich für wenig Geld und ein bisschen Essen Klavier spielen durfte. Hier störte man sich nicht daran, dass er hin und wieder blau war. Im Gegenteil. Manchmal spendierte ihm einer der Gäste drei, vier Whiskys, weil Kenna, wenn er betrunken war, wie ein Gott musizierte.

Ab und zu hörte Kenna etwas. Wenn die Information was taugte, verkaufte er sie an Bount Reiniger oder an die Polizei. Auf diese Weise gelang es dem Lebenskünstler Stevie Kenna, sich seit Langem über Wasser und unter Whisky zu halten.

Die Bar, in der Kenna spielte, hatte keinen Namen. Nur BAR stand über der Tür. Bount Reiniger trat ein. Stevie war immer noch ein begnadeter Musiker. Aber auch furchtbar unzuverlässig. Vor einem Jahr hatten sie’s mal mit ihm als Studiomusiker versucht. Drei Tage hintereinander hatte es mit ihm geklappt. Dann war er den Aufnahmen ferngeblieben, lag zu Hause – als Alkoholleiche, die kaum mehr wachzukriegen war. Klar, dass sie ihn auf der Stelle gefeuert hatten. Seither krähte aus der Musikbranche nicht einmal mehr der letzte Hahn nach ihm.

Niemand schien dem Klavierspieler zuzuhören.

Stevie Kenna störte das nicht. Er spielte sowieso nur für sich allein.

Bount steuerte das Klavier an.

Kenna spielte mit geschlossenen Augen. Er hatte ein Gesicht, grau wie ein Fußabstreifer. Sein Haar war stark gelichtet. Das Jackett spannte über den Nieren. Sein ganzer Körper war vom Alkohol mächtig aufgeschwemmt.

„Hallo, Stevie“, sagte Bount. Grinsend lehnte er sich ans schäbige Klavier.

Kenna machte die Augen nicht auf. „Welch hoher Besuch: Bount Reiniger!“

„Wie geht’s?“

„Schlecht.“

„Wieso schlecht?“

„Ich bin dazu verdammt, nüchtern zu sein.“

„Vom Arzt angeordnet?“

Kenna schüttelte – die Augen waren immer noch geschlossen – langsam den Kopf. „Ich geh’ zu keinem Arzt. Diese Kerle versuchen, einem doch nur einzureden, man wäre nicht gesund. Nein, Mr. Reiniger. Die Abstinenz wurde mir vom Besitzer dieser verdammten Bude hier auferlegt.“

„Hast du etwa im Suff randaliert?“, fragte Bount schmunzelnd.

„Schon wieder daneben. Sie wissen, dass ich, wenn ich betrunken, bin, wie ein Gott spiele, und dass ich dabei lammfromm bin. Nur wenn ich nüchtern bin, könnte ich verschiedene Leute erwürgen.“

„Warum kriegst du nichts mehr?“, fragte Bount.

Jetzt öffnete Kenna die Augen. Himmelblaue Augen waren es, jung geblieben, warm und intelligent. Ihnen hatte der Alkohol bis jetzt noch nichts anzuhaben vermocht.

„Kein Geld, Bount Reiniger“, seufzte Kenna mit leidender Miene. „Wenn Sie mich auf den Kopf stellen, und es fällt auch nur ein Cent aus meinen Taschen, dann können Sie in alle Welt hinausposaunen, Sie hätten ein Wunder zustande gebracht. Stellen Sie sich diese Katastrophe vor, Bount Reiniger: Ich, der One-Man-Säufer, ohne sein wichtigstes Requisit – den Whisky.“

„Darf ich dich zu so was einladen, Stevie?“

„Sie wissen, dass Sie dürfen“, grinste Kenna. „Ehrlich, Sie schickt mir der Teufel ..., vielleicht sogar der Himmel.“

Bount ging zum Tresen und kaufte vom Wirt eine Flasche Johnnie Reiniger. Mit zwei Gläsern kehrte er zum Klavier zurück. Kenna machte Augen wie ein Wallfahrer, dem ein Heiliger erschienen ist. „Ich bete ihn an, den Whisky“, sagte er grinsend. „Jede Karre braucht ’nen Treibstoff. Dies hier ist mein Treibstoff.“

Bount goss ein. „Möchtest du rauchen?“, fragte er den Pianisten.

Kenna kniff ein Auge zu. „He, Bount Reiniger, so bin ich von Ihnen ja noch nie verwöhnt worden.

Bount brannte zwei Pall Mall an. Er schob eine davon zwischen Kennas Lippen. Dann gab er ihm den Whisky. Kenna wälzte mit der Zunge die Zigarette zum rechten Mundwinkel und trank, während er mit einer Hand weiterspielte: Strangers in the night ...

„Ist Whisky nicht was Wunderbares? Eine Medizin ist das.“

„Mäßig genossen“, schränkte Bount ein.

„Mäßig“, sagte Kenna mit zusammengezogenen Brauen. „Das ist eine sehr relative Angelegenheit. Mir kann eine ganze Pulle nichts anhaben.“ Er kicherte. „Im Übrigen bin ich beim Trinken ja mäßig – und zwar übermäßig.“ Er wurde ernst. „Womit kann ich mich erkenntlich zeigen, Bount Reiniger?“

„Ich bin mal wieder auf eine Auskunft von dir angewiesen, Stevie.“

„Sie können von mir verlangen, was Sie wollen. Soll ich was für Sie spielen? Haben Sie einen besonderen Musikwunsch?“

„Spiel was von dir“, sagte Bount.

Kennas Blick wurde gerührt. „Sie wollen wirklich was von mir hören?“

„Du hast hervorragende Songs geschrieben.“

Kenna nickte mit entrücktem Blick. „O ja, das hab ich. Hab ich wirklich. Damals. Alle wollten sie meine Songs singen. Ich konnte mir die Interpreten aussuchen.“ Kenna seufzte. „Verdammt, das war eine schöne Zeit, Bount Reiniger.“ Er fing die Nummer zu spielen an, die ihn über Nacht bekannt gemacht hatte.

Bount goss in Kennas Glas Whisky nach. „Und nun zum Geschäft, Stevie. Ich suche Delmer Wood.“

„Aha.“

„Du kennst ihn?“

Kenna griente. „Er ist nicht mein Freund.“

„Ein Glück für uns beide. Er hat hier in Tremont gewohnt.“

„Das tut er jetzt nicht mehr.“

„Du weißt wahrscheinlich selber, dass diese Antwort keinen Whisky wert ist“, sagte Bount.

„Ist weggezogen aus Tremont“, bemerkte Kenna.

„Kannst du mir nicht mal was sagen, das ich nicht weiß?“, fragte Reiniger brummig. „Weggezogen – wohin?“

„Keine Ahnung. Das könnte ich Ihnen nicht mal für eine ganze Whiskyfabrik sagen. Ist ’n gefährlicher Bursche, was?“

„Ja.“

„’n Revolvermann, so sagt man. Natürlich können ihm die Bullen das nicht beweisen.“

„Sonst säße er längst da, wohin er gehört“, sagte Bount. „Für wen hat er in letzter Zeit den Kaltmacher gespielt, Stevie?“

Kenna spielte wieder nur mit einer Hand. Mit der zweiten griff er nach dem Whiskyglas. „Es gibt so viele Menschen, die sich selbst die Hände nicht schmutzig machen möchten ... Die Welt ist ja so schlecht.“

„Fang jetzt nicht zu philosophieren an!“, knurrte Bount.

„Weswegen sind Sie hinter, ihm her?“

„Auftrag.“

„Was hat er denn ausgefressen?“, wollte Kenna wissen.

„Sagt dir der Name Robert Vicker was?“

„Klar.“

Bount nickte mit grimmiger Miene. „Den hat er umgebracht. Hör dich ein bisschen um für mich, ja? Ich will wissen, wo Wood steckt und für wen er Vicker über den Jordan geschickt hat. Wenn du das für mich herauskriegst, komme ich mit ’ner Kiste Whisky wieder. Dann kannst du dich zum ersten Mal in deinem Leben zu Tode saufen.“

Kenna lachte. „Einen schöneren Tod könnte ich mir gar nicht vorstellen. Im Whisky ertrinken ... Da fällt mir ein, Wood war vor ungefähr zwei Monaten zum letzten Mal hier. In Begleitung.“

„Ein Mädchen, das du kennst?“, fragte Bount sofort hoffnungsvoll.

Kenna schüttelte den Kopf. „Es war ein Mann. Gefiel mir ganz und gar nicht, der Bruder. Hatte so ein gefährliches Glitzern in den Augen. Trug an der Rechten ’nen verdammt protzigen silbernen Siegelring.“

In Bounts Kopf machte es sofort klick ...

Drei Mörder im Paket: Sammelband 3 Krimis

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