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Einleitung

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Als David auf der Flucht vor den Nachstellungen Sauls zum König Achis gelangt, muss er um sein Leben fürchten. Um sich aus der bedrohlichen Situation zu retten, entwickelt er eine Strategie, die sein Überleben sichert:

Und David machte sich auf und floh an jenem Tage vor Saul und kam zu Achis, dem König von Gath. Aber die Großen des Achis sprachen zu ihm: Ist das nicht David, der König des Landes, von dem sie im Reigen sangen: Saul schlug tausend, David aber zehntausend? Und David nahm sich die Worte zu Herzen und fürchtete sich sehr vor Achis, dem König von Gath. Und er stellte sich wahnsinnig vor ihren Augen und tobte unter ihren Händen und rannte gegen die Pforte des Tores und ließ seinen Speichel in seinen Bart fließen. Da sprach Achis zu seinen Großen: Ihr seht ja, daß der Mann wahnsinnig ist; warum habt ihr ihn zu mir gebracht? Hab ich zu wenig Wahnsinnige, daß ihr diesen herbrachtet, bei mir zu toben? Sollte der in mein Haus kommen? (1. Samuel 21, 11–16)

Die Gefahr, die David auf der Flucht vor Saul droht, resultiert aus der Größe seines Ruhms, der bis zum König von Gath vorgedrungen ist: „Saul schlug tausend, David aber zehntausend?“, erinnern die Berater den König. Auf ihre Anschuldigung reagiert David mit einer Gegenstrategie. Sie besteht darin, den Anschein der Macht, den er in den Augen der anderen besitzt, zu verkleinern. David stellt sich wahnsinnig, um zu signalisieren, dass von ihm keine Gefahr ausgeht. Die Zeichen, die der Tobende aussendet, erfüllen ihren Zweck. Zwar wird er von Achis zunächst nicht in die Gemeinschaft von Gath aufgenommen, die ihm Schutz gegen Saul bieten könnte. Dafür kann er ungehindert ins Land Juda weiter ziehen. Wie das erste Buch Samuel berichtet, wird er am Ende seines langes Weges durch ein Bündnis mit Achis und den Philistern die Israeliten besiegen, um nach dem Tod Sauls zunächst König über Juda, dann über ganz Israel zu werden.

Die Technik, die David anwendet, um sein Überleben zu sichern, besteht in der Kunst der Verstellung. Der Begriff der Verstellung, der dissimulatio, die in der Ableitung von eiron, Schalk, auf das griechische eironeía zurückgeht,1 umfasst zwei eng miteinander verwobene Strategien: „das kluge Verbergen und Verschweigen der wahren Intention (Dissimulation) und das schauspielerische Vortäuschen einer fremden Rolle (Simulation)“2. Die Dissimulation besteht in der Täuschung über das Eigene, die Simulation in der täuschenden Aneignung des Fremden. Als bewusste Formen der Täuschung verknüpfen sich beide Aspekte der Verstellung miteinander. Auch in Davids Verhalten in Gath überlagern sich die beiden Momente, die die Verstellung kennzeichnen. Seine Strategie besteht in der Simulation des Wahnsinns, im schauspielerischen Vortäuschen einer Rolle, und zugleich in der Dissimulation seiner wahren Absicht, der Flucht vor Saul und der Sicherung des eigenen Überlebens.

Für den späteren König David scheint damit noch möglich zu sein, was das Neue Testament dem Menschen verwehren will: der Weg der Verstellung, der durch bewusste Täuschung zum Ziel gelangt. Den vielen Wegen, die die List kennt, steht in Christus der Ausschließlichkeitsanspruch des einen Erlösers entgegen. Das johannitische Wort „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Johannes, 14, 6) schließt die Umwege der Verstellung aus. Denkbar bleibt im Rahmen des Neuen Testaments zwar, dass der Jünger Petrus seine Identität aus Angst vor Nachstellungen dreimal verleugnet. Undenkbar ist jedoch, dass Jesus selbst die Rolle des Erlösers nur vortäuscht oder sie verleugnet, um den Häschern zu entkommen. Der unbedingte Wahrheitsanspruch, den das christliche Evangelium fordert, lässt der Kunst der Verstellung keinen Raum mehr.

Masken des Selbst

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