Читать книгу Die Mohicaner von Paris - Александр Дюма - Страница 11

Erstes bis viertes Bändchen
XI
Die Seele und der Leib

Оглавление

Während seines zehn Minuten langen Aufenthaltes im Schlafzimmer hatte Salvator völlig die Kleider gewechselt.

Er war, wie man sich erinnert, in einem Sammetanzug eingetreten und kam heraus mit einem lang haarigen weißen Ueberrock einer bis an den Hals zugeknöpften, übereinander gehenden Weste und einer dunkelfarbigen Hose. Bei dieser Kleidung war es nicht möglich, genau zu sagen, welcher Klasse der Gesellschaft er angehörte: die Art, wie er diese Kleider trüge, die Sprache, die er spräche, würden ihm einen Rang in der Gesellschaft anweisen.

Den Hut auf dem Ohr, war Salvator ein Arbeiter im Sonntagsstaat; den Hut gerade auf dem Kopf, war Salvator ein Mann der Welt im Negligé.

Jean Robert bemerkte Alles: er bemerkte diese fast ungreifbare Nuance.

»Wohin wollen wir gehen?« fragte Salvator, als er sich wieder mir dem Dichter auf der Straße fand, nachdem er die Thüre seines Ganges zugezogen.

»Wohin Sie wollen! Haben Sie mich nicht für diese Nacht übernommen?«

»Thun wir, was die Alten thaten,« versetzte Salvator: »werfen wir eine Feder in die Luft und folgen wir derselben.«

Sie gingen bis mitten auf die Place Saint-André-des-Arcs. Salvator riß ein Stückchen Papier aus einem kleinen Portefeullie. überließ es dem Winde, und dieser trug es in der Richtung der Rue Poupée fort.

Die zwei Freunde folgten dem Papier, das vor ihnen flatterte wie einer von den schönen Nachtschmetterlingen mit den weißen Flügeln; sie kamen in die Rue de la Harpe.

Ein zweites in die Luft geworfenes Papier deutete ihnen den Weg nach der Rue Saint-Jacques an.

Sie gingen vor sich hin, ohne zu wissen, wohin sie gingen; wohin die Plauderei geht, wohin der Traum geht: auf den Zufall, aufs Gerathewohl; sie gingen ohne ein Ziel, ohne eine bestimmte Richtung: wohl Wind und die Wolke in einer schönen Nacht gehen; sie gingen um die Schätze ihres Geistes auszutauschen. um die frischen Blüthen ihrer Seele einzuathmen.

Zwei oder dreimal hatte es Jean Robert versucht das Geheimnis des mysteriösen jungen Mannes zu ergattern, jedes Mal war aber Salvator seinen Fragen entwischt, wie der Fuchs durch eine geschickte Finte dem Windhunde entkommt, der ihn verfolgt. Zu unmittelbar angegriffen, sagte er endlich:

»Was wir suchen, ist ein zu machender Roman, nicht wahr? was ich Ihnen erzählen soll, ist ein beendigter Roman? Ihrem Wunsche nachgeben, hieße rückwärts gehen. Gehen wir vorwärts!«

Jean Robert sah, daß sein Gefährte unbekannt zu bleiben wünschte, und drang nicht weiter in ihn.

Ueberdies wurde der Ideengang der jungen Leute durch einen Zwischenfall gestört.

Mehrere Männer und einige Frauen waren um einen auf dem Pflaster ausgestreckten Menschen versammelt.

»Er ist betrunken,« sagten die Einen.

»Er stirbt,« sagten die Andern.

Der Mensch röchelte.

Salvator durchschnitt die Menge, kniete nieder hob den Kopf des Menschen auf, wandte sich sodann gegen Jean Robert um und sagte:

»Es ist Barthélemy Lelong, der von einer Gehirncongestion getroffen stirbt, wenn ich ihm nicht auf der Stelle zur Ader lasse . . . Es muß in der Gegend ein Apotheker sein: klopfen Sie an die Thüre: die Apotheker sind verpflichtet zu jeder Stunde der Nacht auszustehen.«

»Jeder Robert schaute umher; die zwei jungen Leute waren, ohne daran zu denken, in die Mitte des Faubourg Saint-Jacques, ungefähr auf die Hohe des Cochin-Hospitals gekommen.

Dem Hospital gegenüber las Jean Robert an einer Art von Laden:

Apotheke von Louis Rentaud

Es war ihm wenig am Namen des Apothekers gelegen, wenn nur der Apotheker öffnete. Er klopfte wie ein Mensch, der die Nothwendigkeit der Eile begreiflich machen will.

Nach fünf Minuten ächzte die Thüre auf ihren Angeln. Herr Louis Renaud erschien auf der Schwelle seines Magazins mit einer Barchenthose bekleidet eine baumwollene Mühe auf dem Kopfe, und fragte, was man wolle.

»Halten Sie Binden und ein Waschbecken bereit; es muß einem Menschen der von einer Gehirncongestion bedroht ist. zur Ader gelassen werden.«

Man brachte den armen Zimmermann: er war völlig ohne Bewußtsein.

»Ist ein Arzt da, um den Kranken zu behandeln?« fragte Herr Louis Renaud. »Ich kann nicht zur Ader lassen und bin mehr Kräuterhändler als Apotheter.«

»Bekümmern Sie sich um nichts,« erwiderte Salvator; »ich habe Chirurgie studiert und werde die Operation übernehmen.«

»Ich besitze keine Lancette,« sagte der Apotheker.

»Ich habe mein Besteck bei mir,« versetzte Salvator.

Die Menge füllte das Magazin.

»Meine Herren« rief Salvator, »wollen Sie diesem Menschen nützlich sein?«

»Gewiß, Herr Salvator,« antwortete einer der Anwesenden, indem er dem jungen Manne die Hand reichte.

Salvator nahm die Hand, die sich gegen ihn ausstreckte, und Jean Robert glaubte den Commissionär ein Maurerzeichen mit dem ihm Unbekannten wechseln zu sehen.

Einige Stimmen wiederholten leise:

»Herr Salvator!«

»Nun,« sagte der junge Mann, der mehr als je Jean Robert seinen prädestinierten Namen zu verdienen schien, »während ich diesem Unglücklichen zur Ader lasse, klopft am Hospital an und meldet die Ankunft eines Kranken.«

Drei oder vier Personen entfernten sich, geführt von dem Manne, der mit Salvator gesprochen, und klopften an die Thüre des Hospitals.

Unterstützt von den Zurückgebliebenen nahm mittlerweile der Apotheker dem armen Jean Taureau die Halsbinde ab, entkleidete ihn seines Wammses und zog ihm den Arm aus seinem Hemde.

Die Halsadern waren zum Bersten angeschwollen.

»Muß man den Arm umbinden?« fragte Jean Robert.

»Haben Sie Binden bereit?« fragte Salvator den Apotheker.

»Ich will holen,« erwiderte Louis Renaud.

»Pressen Sie den Arm kräftig über der Ader, Herr Robert; ich hoffe, das wird genügen,« sagte Salvator.

Robert gehorchte; Einer der Anwesenden nahm das Ende des Armes, ein Anderer nahm das Becken, ein Dritter die Lampe.

»Geben Sie wohl auf die Arterie Acht!« sagte Jean Robert ein wenig beunruhigt.

»Ah! seien Sie unbesorgt,« erwiderte Salvator »mehr als elfmal habe ich bei Nacht zur Ader gelassen, ohne ein« anderes Licht, als den Mondschein oder das der Laterne. Solche Unfälle sind gewöhnlich bei diesen armen Teufeln und begegnen ihnen immer, wenn sie aus der Schenke weggehen.«

Er hatte nicht geendigt, als, ehe man seine mit der Lancette bewaffnete Hand sich dein Arme von Barthélemy hatte nähern sehen, das Blut schwarz und schaumig hervorsprang.

»Teufel!« sagte er, den Kopf schüttelnd, »es war Zeit.«

Die Operation war mit der Leichtigkeit und Handfertigkeit eines vollendeten Praktikers gemacht worden.

Barthélemy athmete.

»Wenn er genug Blut verloren hat. werden Sie es sagen,« sprach der Apotheker, der mit einer Binde herbeikam.

»Ah!« erwiderte Salvator, »wir können ihm ohne Nachtheil entziehen: es fehlt ihm nicht daran . . . Lassen Sie fließen!«

Als der Kranke zwei Schälchen Blut verloren hatte, schlug er die Augen auf.

Der erste Blick war trübe, glasig, unverständig; allmählich aber hellte sich sein Auge auf, der göttliche Strahl erschien darin. Der Blick von Barthélemy heftete sich aus den Liebhaber-Wundarzt.

»Oh! gut Herr Salvator,« sagte er, »denn wahrhaftigen Gott! es freut mich, daß ich Sie sehe.«

»Desto besser, mein lieber Barthélemy!« versetzte der junge Mann. »und ich bin auch erfreut, Sie zu sehen. Es fehlte wenig, daß ich dieses Vergnügen nicht mehr gehabt hätte.«

»Ah! ah,« sagte Barthélemy, der allmählich wieder zum Bewußtsein kam; »Sie haben mich also zur Ader gelassen?«

»Ja, ich,« erwiderte Salvator, während sorgfältig seine Lancette abtrocknete, und in sein Besteck schob.

»Sie wollten also nicht meinen Tod?«

»Ich? Aus welchem Grunde sollte ich Ihren Tod wollen?«

»Ah! da Sie mich die Treppe hinabwarfen, glaubte ich, man thue das nur, wenn man einen Menschen tödten wolle.«

»Sie sind ein Narr!«

»Nein, ich begreife, daß man die Leute tödtet, die einen in Zorn bringen, und ich habe Sie dadurch in Zorn gebracht. daß ich mich weigerte, das Fenster zu öffnen. Doch nachdem ich es hatte schließen wollen . . . ei! Sie begreifen, da konnte ich es selbst aus Ihren Befehl nicht mehr öffnen, ohne in meinen eigenen Augen entehrt zu sein . . . und dabei halte dieser Muscadin eine so hoffärtige Miene!«

»Dieser Muscadin hat mir so eben Ihnen das Leben retten helfen, Barthélemy; Sie sehen also, daß er Ihnen ebenso wenig als ich gehässig war.«

Barthélemy wandte sich um und sah Jean Robert der ihn lächelnd anschaute.

»Ah! es ist bei meiner Treue wahr!« sagte er.

Jean Robert reichte ihm die Hand und sprach:

»Ohne Groll, mein Freund!«

»Oh!« erwiderte Barthélemy, »ich bin kein Trotzkopf, und sobald Sie mir die Hand bieten . . . «

»Ich hätte gern hiermit angefangen,« sagte der Dichter; »Sie werden mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß Sie das nicht wollten.«

»Das ist wahr,« versetzte Barthélemy, die Stirne faltend . . . »Ein Mann muß sehr dumm sein, daß er sich so viel Beschwerde macht, weil ein Weib . . . Aber begreifen Sie. Herr Salvator . . . Sie ist abermals mit diesem kleinen Schmächtling von Bobino zurückgekommen. Ich kann doch das Lumpenkerlchen nicht zerbrechen, und darauf zählte sie . . . Ah! sie weiß wohl, was sie thut, die Unglückliche, daß sie keinen Mann annimmt!«

»Stille, beruhigen wir uns Barthélemy.«

»Das ist für Sie leicht zu sagen, für Sie, der Sie ein Engel das gut im Hotels leben, Herr Salvator. Doch Sie verdienen das, in Betracht, daß Sie nur leben, um Guten zu thun; und man müßte von Gott verlassen sein, um Ihnen Böses anzuthun! . . . Gleich viel! so alt ich bin, ich bin ein guter Vater, und ich verdiene nicht, daß man mir meine Tochter entführt! Seit drei Tagen suche ich sie wie ein Narr; sie wird sich irgendwo bei ihrer schuftigen alten Mutter verborgen haben; doch bei ihr kann ich sie unmöglich holen: sie schreite ›Mörder!‹ sobald sie mich erblickt, so daß ich ihr schon zwei Nächte in der Salle Saint-Martin verdanke . . . Oh! ich würde wohl vier, und dann sechs, und dann acht Nächte dort zubringen. um meine Tochter meine kleine Fisine, wiederzusehen . . . Armee Cherub! . . . sie wird an Sommer Johanni zwei Jahre alt sein.«

Und der Coloß fing an, zu weinen wie ein Weib.

»Nun, was sagte ich Ihnen? fragte Salvator Jean Robert, der dieses seltsame Schauspiel neugierig betrachtete.

»Es ist wahr,« erwiderte der Dichter.

»Ah! man wird Dir Deine Tochter zurückgeben,« sprach Salvator.

»Sie werden das thun, Herr Salvator?«

»Wenn ich es Dir verspreche!«

»Ja, Sie haben Recht, und ich habe Unrecht: so bald Sie versprechen, ist es klar, daß Sie halten werden . . . Ah! thun Sie das, Herr Salvator; und wenn es sein muß . . . nun. sehen Sie . . . ich werde Ihnen nicht mehr die Mühe machen, mich die Treppe hinabzuwerfen. Sie sagen mir: ›Jean Taureau, wirf Dich!‹ und ich werde mich von selbst hinabwerfen.«

»Herr Salvator,« sprach zurückkehrend der Mann, der es übernommen hatte, am Hospital anzuklopfen, »es ist gegenüber offen.«

»Nicht für mich, hoffentlich?« versetzte Barthélemy.

»Und für wen denn? fragte Salvator.

»Ah! Ich gehe nicht dahin.«

»Wie Du gehst nicht?«

»Ich liebe das Spital nicht, das Spital, das ist gut für die Bettler, und man ist, Gott sei Dankt noch reich genug, um sich zu Hause verpflegen zu lassen.«

»Ja, nur wird man zu Hause schlecht gepflegt; zu Hause ißt man vor der Zeit, man trinkt vor der Stunde, und wenn man sich zwei oder dreimal zu Hause gepflegt hat, wie Du Dich pflegst so geht man an einem schönen Morgen ins Hospital, um nur bei Nacht wieder herauszukommen . . . Auf, Barthélemy, vorwärts.«

»Ich will nichts vom Spital, sage ich Ihnen.«

»Wohl, es sei! Kehre nach Hause zurück und suche selbst Deine Tochter; Du fängst an mich verdrießlich zu machen.«

»Herr Salvator, ich werde gehen, wohin Sie wollen . . . Herr Salvator, wo ist das Spital? . . . ich verehre das Spital.«

»So ist es gut«

»Doch nicht wahr, Sie werden ihr meine kleine Fisine wieder nehmen?««

»Ich verspreche Dir, ehe drei Tage vergehen, hast Du Nachricht von ihr.«

»Was werde ich aber während dieser drei Tage machen.«

»Du wirst Dich ruhig verhalten.«

»So bald als möglich, nicht wahr, Herr Salvator?«

»Man wird thun, was matt kann. Gehe!«

»Ja, ja, ich gehe, Herr Salvator . . . Ah! das ist drollig! wo sind denn meine Beine? ich kann nicht mehr gehen.«

Salvator winkte; zwei Männer näherten sich Barthélemy; er stützte sich auf sie und sagte, während er wegging:,

»Sie haben mir versprochen, mir spätestens in drei Tagen Nachricht von meiner Tochter zu geben, Herr Salvator; vergessen Sie das nicht.«

Und von der andern Seite der Straße, an der Thüre des Hospitals, die sich hinter ihm schließen sollte, rief der Zimmermann noch einmal:.

»Vergessen Sie nicht meine arme kleine Fisine, Herr Salvator.«

»Sie haben Recht,« sprach Jean Robert, »nicht in der Schenke muß man die Leute sehen.«

Die Mohicaner von Paris

Подняться наверх