Читать книгу Die Mohicaner von Paris - Александр Дюма - Страница 22

Erstes bis viertes Bändchen
XXII
Flagrante Liebe

Оглавление

Justin blieb niedergeschmettert.

Also dieses Geheimnis, das er so tief in sein Innerstes versenkt. das er selbst vor seinem alten Freunde verborgen geglaubt hatte, wußte sein alter Freund! Und wenn er, der nicht im Hause wohnte, den Zustand seines Herzens kannte, so waren die Mutter, die Schwester und wer weißt vielleicht auch das Mädchen davon unterrichtet.

Die Gewißheit, daß sein Geheimnis entschleiert war, beunruhigte und lähmte ihn, und mit dem Anscheine eines Verbrechers, die Stirne gebeugt, die Zunge stammelnd, antwortete er:

»Das ist die Wahrheit.«

Der gute Professor schaute ihn an, zuckte die Achseln und sprach dann:

»Auf, erhebe das Haupt!«

Justin erhob das Haupt, unterwürfig und erröthend wie ein Kind.

»Schau mich an,« fuhr Müller fort.

Justin schaute ihn an und stammelte:

»Mein lieber Meister . . . «

»Ei mein lieber Zögling,« versetzte dieser. »warum solltest Du nicht verliebt sein?«

»Es ist . . . «

»Wer sollte denn,verliebt sein, wenn nicht Du? Ich denke ich nicht . . . Spiele nicht länger den Einfältigen! . . . Was verdrießt Dich bei dieser Liebe, und warum machst Du ein Geheimnis daraus? Bist Du nicht im Alter, zu lieben. und konntest Du in der ganzen Welt einen würdigeren Gegenstand Deiner Liebe finden? Liebe also, mein Junge, liebe, wie Du gearbeitet hast: liebe mit Ehre, mit Leidenschaft, mit Wahnsinn, wenn Du kannst! Es soll so gut sein, zu lieben.!«

»Sie haben also nicht geliebt?«

»Ich habe nie Zeit dazu gehabt . . . Es gibt tausend Dinge, die Du nicht weißt, und die Dir die Liebe erklären wird, wie man versichert. Mit der Arbeit und der Liebe klärt sich Alles um uns und in uns auf; man arbeitet:. man war stark: man liebt: man wird gut.«

Justin schüttelte aber trotz der väterlichen Worte seines Freundes den Kopf und antwortete nicht.

»Nun.« sagte der Professor mit dem Tone der tiefsten Zärtlichkeit, indem er seine Hände nahm, »was hindert Dich. zu sprechen, was hält Dich zurück? Wem, wenn nicht mir, wirst Du die ersten Freuden Deines Herzens anvertrauen? haben wir nicht mit einander gelitten und geweint? wo wirst Du ein Herz, das mitfühlender nie den meine wäre, ein Ohr, das aufmerksamer als das meine, finden? Vielleicht siehst Du nicht ganz klar in Deinem Herzen; dann entwirren wir Beide die Sache, werden wir wieder zehn Jahre jünger . . . Erinnerst Du Dich unserer Promenaden im Walde von Versailles? Wir gingen in der Nacht und schauten den Himmel an,– siehst Du, man schaut immer den Himmel an, wenn man etwas wünscht oder fürchtet; wir gingen also den Himmel anschauend und hielten und bei der Hand. Einst fragtest Du mich: ›Wenn ich mich in diesem Walde verirren würde, wie sollte ich meinen Weg wiederfinden?‹ und ich antwortete Dir: ›Sei ruhig nie wirst Du Dich mit mir verirren!‹ Nun denn, es ist ebenso heute . . . Gib mir die Hand und laß uns mit einander, den Weg machen; gleicht das Herz nicht ein wenig dem unentwirrbaren Walde, wo wir in der Finsternis gingen? Du, bist verirrt, gib mir die Hand, und wir Beide werden den Pfad wiederfinden!«

Justin fiel seinem alten Lehrer um den Hals und küßte ihn, während Thränen seinen Augen entrieselten.

»Meine, mein Sohn, weine.« sprach der wackere Mann; »vor Freude oder vor Schmerz, es thut immer wohl. zu weinen; die Thränen erfrischen das Herz, wie die Sommerregen die gewitterschwülen Tage den Monats, August; doch nachdem Du geweint hast, erheitere Dich und laß und von Deinen Hoffnungen reden.«

»Oh! mein guter Meister. mein geliebter Meister!«

»Was denn?«

»Wenn sie mich nicht lieben würde?«

»Bist Du verrückt?« fragte der Greis; »und warum soll sie Dich denn nicht lieben? In ihrem Alter singt das Herz sein erstes Lied; warum sollte das ihrige es nicht für Dich singen. mein guter, würdiger Sohn?«

»Also, mein lieber Herr Müller,« fragte der junge Mann, .»Sie glauben, daß sie mich liebt?«

»Ich hin dessen sicher . . . so wahr Du ein redlicher Mensch bist und einfältig genug, um daran zu zweifeln.«

»Ich habe sie aber nie gefragt.«

»Und Du hast äußerst Recht gehabt, ist das eine Frage, die man thut? hatten wir, die wir Freunde sind, nötig, uns einander zu sagen, daß wir uns lieben? sieht sich das nicht?«

»Ja, Sie sprechen die Wahrheit, mein Freund, sie liebt mich.«

»Ich glaube es wohl! daran zweifeln heißt ihr eine Beleidigung anthun.«

»Oh! mein guter und verehrter.Meister, wenn Sie wüßten, wie glücklich mich diese Versicherung von Ihrer Seite macht, wenn Sie wüßten. wie sehr ich mich ganz ein Anderer finde, als ich vor einem Augenblicke war! ich bin aufgeheitert, verwandelt! ich werde, so zu sagen, mir selbst theurer; ich habe von meiner Person, das spreche ich nur gegen Sie aus, eine Meinung, die ganz verschieden von der, welche ich bis daher gehabt habe; ich liebe mich gewisser Maßen, daß ich mich geliebt fühle.«

Und in der That, erinnern Sie sich Ihrer ersten Liebe, Sie, der Sie mich lesen? hat es Ihnen nicht geschienen, Sie empfinden etwas Zärtlicheres für Sie selbst; nach dem ersten Geständniß einer Frau? hat es Ihnen nicht geschienen, Sie seien ein Anderer als Sie selbst, oder, besser, Sie werden mehr Sie selbst, als Sie es je gewesen!

Das Bewußtsein des Glückes macht stolz! Aber welchen Drang zum Ergusse hat der Stolz, den man fühlt! wie möchte man gern Arme voll Blumen haben, um sie mit vollen Händen allen Menschen auf den Kopf zu werfen!

Sie sprachen so lange mit einander, der junge Mann und der Greis, der junge Mann glühend und der Greis sich am Feuer der Liebe wieder erwärmend.

Und dennoch waren zuweilen die Blitze der Freude welche die Augen des jungen Mannes schleuderten, verschleiert durch die Wolken, die über seine Stirne zogen.

Während einer solchen Finsternis sagte er:

»Ach! ich bin bald dreißig Jahre alt; sie ist kaum sechzehn, ich könnte beinahe ihr Vater sein. Befürchten Sie nicht, mein Freund, daß wir die kindliche Pietät, die brüderliche Zärtlichkeit für wahre Liebe nehmen?«

»Vor Allem,« erwiderte der Greis, »Du zählst noch nicht dreißig Jahre, wenn ich ein gutes Gedächtniß habe, und hättest Du auch dreißig zurückgelegt, so siehst Du doch nicht aus, als wärest Du über fünf und zwanzig alt: Deine blonden Haare verjüngen Dich um zehn Jahre. Aengstige Dich also nicht wegen Deines Alters; laß sogar Mina ihr sechzehntes Jahr erreichen, und freue Dich ohne Furcht und ohne Scham Deiner Liebe, Du hast sie durch Deine exemplarische Tugend wohl verdient, mein Sohn.«

Nach diesen Worten umarmte der Greis Justin, wie er es wirklich mit seinem Sohne gethan hätte.

Und es wurde zwischen den zwei Freunden verabredet, daß man, da Mina erst fünfzehn Jahre alt sei, vor der Mutter,« der Schwester und dem Mädchen die Sache geheim halten sollte.«

Die Mutter und die Schwester würden nicht stark genug sein, um das Geheimnis zu bewahren, und es widerstrebte den zwei Freunden, in der unschuldigen Seele des Mädchens die Wünsche zu erwecken, welche im Herzen von Justin sprangen wie neugeborene Pferde.

Man nahm sich nur vor, so oft als möglich allein unter sich davon zu reden.

Mit welcher Vorsicht schießen auch die zwei Freunde die Thüre, aus Furcht, das Geheimnis könnte wie ein Wohlgeruch aus dem Zimmer entschlüpfen und bis zur Wohnung der Frauen hinaufsteigen.

Ast den Abenden. wo der alte Meister wiederkam, ging Alles gut; um zehn Uhr, zu welcher Stunde man sich unabänderlich im ersten Stocke zu Bette legte, trennte man sich von den Frauen, um hinabzugehen, und mehr als einmal bemerkte Herr Müller, daß er sich zum hundertsten Male die Erzählung der Liebeseindrücke des jungen Mannes anhörend, bis zur ungewohnten Stunde der Mitternacht verspätet hatte.

Wenn er aber nicht da war, der theure Professor mit wem konnte Justin von ihr reden? über wen konnte er die Schätze seiner inneren Freude ergießen?

Oh! wenn er es gewagt hätte, mit seinem Violoncell zu plaudern!

Zuweilen zog er diesen seit langer Zeit stummen Freund nicht nur aus seinem Schranke, sondern sogar aus seinem Kasten; er drückte ihn an sein Herz, preßte ihn zwischen seinen Knieen, ließ seine Finger in der ganzen Länge seines Griffbrettes hingleiten und strich in der Stille mit dem schwebenden Bogen über die Saiten.«

Dann lächelte er, denn mit dem Ohre der Einbildungskraft hörte er Alles, was ihm das Violoncell gesagt hätte, wenn diesem zu sprechen erlaubt gewesen wäre.

Andere Male genügte ihm dieser stumme Dialog nicht; dann« in den schönen Sommernächten, ging er sachte hinaus, zog den Riegel der Hausthüre, erreichte die Barrière, und gierig zugleich nach Geräusch, Einsamkeit, und Bewegung wandelte er durch die Ebene und recitirte dem Monde, dem nächtlichen Freunde der Liebe und des Unglücks, die schönsten Strophen der griechischen und lateinischen Dichter, welche die Liebe besungen haben.

In einer dieser Nächte, am Jahrestage seines Zusammentreffens mit dem Mädchen, hatte er sich unter den Aehren, den Klapperrosen und den Kornblumen ausgestreckt, unter denen wir ihn am Anfange des vorigen Kapitels entdeckten.

Dieser Abend war eine Feierlichkeit, ein Festabend; er war, wie gesagt, nur da, um dem Herrn für den Engel, den er ihm gesandt, zu danken.

Nachdem er ein paar Stunden im Getreide zugebracht, fiel es ihm, da es halb zehn Uhr in der Kirche Saint-Jacques-du-Haut-Pas schlug, auch ein, er habe noch Zeit, nach Hause zurückzukehren und Mina, ehe sie, schlafen gegangen wäre, gute Nacht zu sagen.

Er öffnete sogleich den Cirkel seiner großen Beine und lief in aller Eile zurück, um nach Hause zu kommen.

Vor der Thüre fand er einen etwa zwölfjährigen Straßenjungen, welcher auf ihn wartete, einen von den Pariser Knaben, deren Portrait Barbier, der große Dichter von 1830 drei Jahre später machen sollte.

Der Knabe hielt ihn an.

»Mein Herr,« sagte er, »hier ist Ihr Taschentuch, das Sie verloren haben.«

»Wie! mein Taschentuch?«

»Ja, es ist aus Ihrer Tasche gefallen, als Sie vor zwei Stunden weggingen.«

»Und Du hast es gefunden?«

»Ja.«

»Warum hast Du es nicht sogleich zurückgegeben?«

»Ich war nicht ganz sicher, daß es Ihnen gehörte; es gingen mehrere Herren zu gleicher Zeit vorüber. Ich rief: ›Oho! wer verliert sein Taschentuch?‹ man sagte mir: ›Es gehört dem Herrn, der dort geht, dort, dort!‹ Sie waren schon eine Viertelmeile entfernt. ›Gut!‹ erwiderte ich, ›ich will lieber warten, als ihm nachlaufen . . . Wird dieser Herr zurückkommen?‹ ›Gewiß.‹ ›Wo wohnt er?‹ ›Er wohnt hier.‹ ›Wer ist er?‹ »Er ist der Liebhaber der Kleinen.‹ ›Und die Kleine, wo wohnt sie?‹ ›Sie wohnt bei ihm.‹ ›Ah! gut!‹ sagte ich, ›wenn er der Liebhaber der Kleinen ist, und die Kleine bei ihm wohnt, so wird er bald zurückkommen!‹ Und ich habe auf Sie gewartet . . . Daran habe ich wohl gethan, da Sie da sind . . . Nun Sie nehmen Ihr Taschentuch nicht?‹

»Doch, mein kleiner Freund,« versetzte Justin, »Und hier ist etwas für Dritte Mühe.‹

Und er gab dem Knaben zehn Sous.«

»Gut! ein weißes Stück,« sagte dieser; »ich will es wechseln lassen: die Alte würde mir es ganz nehmen, statt daß ich ihr von zehn Sous fünf gebe und die andern fünf behalte.«

Der Knabe machte ein paar Schritte, indeß Justin nachdenkend mit einer zitternden Hand den Schlüssel ins Schloß steckte; doch der Straßenjunge kehrte wieder um, zog ihn an seinem Rock und fragte:

»Sagen Sie doch, mein Herr?«

»Wenn Sie wissen wollen, ob sie Sie liebt . . . «

»Wer?«

»Die Kleine, Ihre Geliebte.«

»Nun?«

»Sie müssen die Alte in der Rue Triperet No. 11. besuchen. Sollten Sie übrigens die Nummer vergessen die Alte ist in der ganzen Straße bekannte fragen Sie nach der Brocante, und Jedermann zeigt Ihnen ihre Wohnung. Sie wird Ihnen für zwanzig Sous das große Spiel machen.«

Justin hörte aber nicht mehr; er öffnete die Thüre und schloß sie wieder vor der Nase des Knaben, der bei einem Spezereihändler das Zehn-Sous-Stück gegen zehn Sous wechseln ließ oder vielmehr gegen neun und einen halben, denn unter dem Titel von Mäklergebühr ohne Zweifel kaufte er sich für zwei Liards Zuckersyrup.

Dann schlug er im Galopp den Weg nach der Rue Triperet ein.

Justin aber, statt zu den Frauen hinaufzugehen und seinen Abend vollends in Familie zuzubringen, ging in sein Zimmer, schloß sich ein, warf sich in einen Lehnstuhl und blieb hier unbeweglich und das Herz voll der finstersten Ahnungen.

Seine Liebe gehörte nicht ihm; sein Geheimnis war in Jedermanns Händen.

Er war für den ganzen Faubourg Saint-Jacques der Liebhaber der Kleinen!

Die Mohicaner von Paris

Подняться наверх