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Fünftes bis achtes Bändchen
XLI
Camille

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Beim Anblicke von Camille, den er nicht kannte, zog sich der Bruder Dominique, trotz der dringenden Bitten von Colombau, um ihn zum bleiben zu bewegen, discreter Weise zurück.

Camille folgte ihm mit den Augen, bis sich die Thüre hinter ihm geschlossen hatte.

»Ho! Ho!« sagte er mit einem komischen Ernst, »ein Römer hätte sich für gewarnt gehalten.«

»Wie so?«

»Hast Du das Sprichwort der Alten vergessen: »Solltest Du aus Deinem Hause tretend an einen Stein, stoßen oder einen Raben links sehen, so kehre in Deine Wohnung zurück!«

Eine Wolke der Traurigkeit zog rasch und fast schmerzlich über das so offene, so freie so heitere Gesicht von Colombau.

»Du bist also immer derselbe, mein armer Camille,« sagte er, »und Dein erstes Wort ist eine Entzauberung für den Freunde der Dich seit drei Jahren erwartet?«

»Und warum dies?«

»Weil dieser Rabe, wie Du ihn nennst . . . «

»Du hast Recht, ich mußte ihn eine Elster nennen. er ist halb weiß, halb schwarz.«

Ein zweiter Schlag schien Colombau ins Herz zu treffen.

»Weil dieser Rabe oder diese Elster, wie Du sagst, einer der besten Menschen, eine der erhabensten Intelligenzen, eines der redlichsten Herzen ist, die ich kenne. Wirst Du ihn selbst kennen, so ist es Dir gewiß ärgerlich, daß Du ihn einen Augenblick mit jenen Priestern vermengt hast, welche gegen Gott kämpfen, statt für ihn zu kämpfen, und Du wirst die kindische Benennung, mit der Du ihn begrüßt, bereuen.«

»Ho!ho! immer ernst und sententiös wie ein Missionär, mein lieber Colombau!« sagte lachend Camille. »Nun, es mag sein! ich habe Unrecht; Du weißt, daß dies meine Gewohnheit ist; ich bitte Dich um Verzeihung, wenn ich Deinen Freund verleumdet habe, —denn, nicht wahr, dieser schöne Mönch ist Dein Freund?« fügte der Americaner mit minder spöttischem Tone bei.

»Und ein aufrichtiger Freund, ja, Camille, sprach ernst der Bretagner.

»Ich bereue meinen Spottnamen oder mein Beiwort, wie Du willst: doch Du begreifst, da ich Dich im Collége als einen ziemlich lustig frommen Menschen verlassen hatte, so konnte ich ein wenig erstaunt scheinen,als ich Dich in Conferenz mit einem Mönche fand.«

»Dein Erstaunen wird aufhören, wenn Du Bruder Dominique kennen lernst. Aber,« sprach Colombau, indem er Ton und Gesicht veränderte und seiner Stimme ihre liebkosende Milde, seiner Physiognomie ihr freundschaftliches Ansehen gab, »aber es handelt sich nicht um Bruder Dominique, sondern um Bruder Camille, der Eine ist mein Bruder Kraft Gottes, der Andere mein Bruder Kraft der Menschen. Du bist also hier! Du bist es! Umarme mich noch einmal! Ich kann Dir nicht sagen, welche Freude mir Dein Brief bereitet hat, und welche Freude mir Deine Gegenwart gewährt und besonders gewähren wird, denn, nicht Wahr, wir werden in Gemeinschaft leben, wie im Collége?«

»Mehr noch als im Collége,« versetzte Carmelite fast so freudig als sein Freund.

»Im Collége waren unserem gemeinschaftlichen Leben auf allen Seiten Fesseln angelegte hier haben wir im Gegentheil weder tobenden noch verdrießliche Kameraden zu befürchten, und wir können unsere Tage damit zubringen, daß wir umherlaufen, Musik machen, ins Theater gehen, und unsere Nächte, daß wir plaudern, was uns im Collége sehr strenge verboten war.

»Ja.« erwiderte Colombau, »ich erinnere mich der Plaudereien des Schlafsaales, – gute, theure Plaudeereien.«

»Besonders die der Nächte vom Sonntag auf den Montag, nicht wahr?«

»Ja,« sprach Colombau, mit einem halb traurigen halb heiteren Lächeln der Erinnerung, »ja, die der Nächte vom Sonntag auf den Montag besonders. Ich ging wenig aus, ich hatte keine Verwandte in Paris, ich blieb den ganzen Tag im Hofe des Collége mir meinen Gedanken und, – ich rühme mich dessen, – mit meinen Träumen eingesperrt. Und Du, als ein Herumschwärmer, erwachtest an diesem Tage am frühen Morgen wie eine Lerche, entflogst munter singend wie sie, und Gott weiß, auf welche reizenden Nester Du niederfielst! Ich sah Dich immer ohne Neid, aber mit Bedauern weggehen und Du kamst doch zu mir beladen mit der Beute des Tages zurück, Du theiltest sie mit mir, und wir hatten für die ganze Nacht genug, Du, um die Erzählung Deiner leichtfertigen Freuden zu geben, ich, um sie anzuhören.«

»Wir werden diesen Leben wieder anfangen, Colombau, und sei ruhig, weise, wie Du bist! Thöricht, wie ich bin, werde ich noch mehr als eine Nacht damit zubringen, daß ich Dir die Abenteuer des Tages erzähle, denn ich habe dort gelebt wie ein wahrer Robinson, und ich hoffe wohl mein Pariser Leben wieder aufzunehmen, wo ich es verlassen habe.«

»Die Jahre haben Dich nicht verändert, sagte freundlich, aber besorgt der ernste Bretagner.

»Nein! und sie haben mir besondere meinen guten Appetit gelassen. Sage mir, wo ißt man hier, wenn man Hunger hat?«

»Man hätte im Speisezimmer gegessen, wenn ich benachrichtigt gewesen wäre.«

»Du hast also meinen Brief nicht erhalten?«

»Doch, aber erst vor einer Stunde.«

»Oh! es ist wahr, in der That, er ist mit demselben Packetboot wie ich abgegangen, er ist im Havre mit demselben Packetboot wie ich angekommen, und er hat vor mir nur den Vorsprung der Post vor der Diligence. Ein-Grund mehr, Dich zu fragen. ›Wo ißt man hier?«

.

»Mein lieber Camille, es ist mir nicht unangenehm, daß Du Dich mit Robinson verglichen hast; das beweist mir, daß Du an Entbehrungen gewöhnt bist.«

»Du machst mich schauern, Colombau, keine Scherze dieser Art; ich bin kein Romanheld: ich esse! Ich frage Dich noch einmal: wo ißt man hier?«

»Hier, mein Freund, trifft man seine Anordnungen mit der Portière oder mit einer guten Frau aus der Nachbarschaft, die und Kost in Bausch und Bogen gibt.«

»Ja, doch in außerordentlichen Fällen?«

»Man hat Flicoteaux.«

Oh! der wackere Flicoteaux, Place de la Sorbonne! Flicoteaux besteht also immer noch? er hat noch nicht alle Beefsteaks gegessen?«

Und der Amerikaner rief:

»Flicoteaux! ein Beefsteak mit ungeheuer viel Kartoffeln!«

Dann nahm er seinen Hut.

»Wohin gehst Du?« fragte Colombau.

»Ich gehe nicht, ich laufe! ich laufe zu Flicoteaux.

Läufst Du mit mir?«

»Nein.«

»Wie,nein?«

»Muß ich Dir nicht ein Bett zum Schlafen, einen Tisch zum Arbeiten, ein Canapé zum Rauchen kaufen?«

»Ah! was das Rauchen betrifft, – ich habe treffliche Cigarren von der Havanna! Das heißt, ich habe, wenn die Douane so gut sein will, sie mir zurückzugeben. Diese Herren Douaniers müssen hübsche Puros rauchen.«

»Ich beklage Dein Unglück, doch als Christ und nicht als Egoist: ich rauche nicht.«

»Du bist voller Laster, mein lieber Freund, und ich weiß nicht, wo Du eine Frau finden wirst, die Dich liebt.«

Colombau erröthete.

»Ist sie gefunden?« sagte Camille. »Gut!«

Und Colombau die Hand reichend:

»Theurer Freund, meinen aufrichtigen Glückwunsch! – Das ist also nicht wie bei der Kost? man findet Solches im Quartier! Colombau, Du kannst sicher sein, daß ich mich, sobald ich gefrühstückt, aufs Suchen lege. Ah! es thut mir leid, daß ich Dir nicht eine Negerin mitgebracht habe . . . Oh! verachte sie nicht, es gibt herrliche! doch die Donauiers hätten sie mir genommen; ausländisches Fabrikat, konfisziert! . . . Kommst Du mit?«

»Nein, sage ich Dir.«

»Ah! es ist wahr. Du hattest nein gesagt. Warum hattest Du nein gesagt?«

»Leeres Hirn!«

»Leer? Du bist nicht der Ansicht meines Vaters, mein Vater behauptete ich habe eine Krabbe im Hirn . . . Warum hattest Du nein gesagt?«

»Weil ich Deine Wohnung meubliren muß.«

»Das ist richtig. Meublire eiligst meine Wohnung, ich laufe, um meinen Magen zu meubliren. In einer Stunde Beide hier?«

»Ja.«

»Willst Du Geld?«

»Ich danke, ich habe.«

»Gut, wenn Du keines mehr hast, wirst Du nehmen.«

»Wo dies?« fragte Colombau lachend.

»In meiner Börse, wenn sich darin findet, mein Lieber. Ich bin sehr reich: Rothschild ist nicht mein Oheim, Laffitte ist nicht mein Pathe! Ich habe sechstausend Livres jährlich, fünfhundert Livres monatlich, sechzehn Franken dreizehn Saus und anderthalb Centimes täglich. Willst Du die Tuilerien, Saint-Cloud oder Rambouillet kaufen? In meiner Börse sind drei Monate Vorschuß.

Hier zog Camille aus seiner Tasche eine Börse, durch deren Maschen man das Gold konnte funkeln sehen.

»Wir werden später hiervon sprechen,« sagte Colombau.

»In einer Stunde komm hierher zurück.«

»Ja einer Stunde, abgemacht.«

»Dann:

»Va mourir pour ton prince, et moi pour mon pays!16« rief Camille.

Und er eilte die Stufen hinab, nicht in der Absicht, für seinen Fürsten zu sterben, wie so poetisch der Vers von Casimir Delavigne sagte, sondern um bei Flicoteaux zu frühstücken.

Colombau ging mit einem ruhigerem mehr mit seinem Charakter harmonierenden Schritte hinab.

Sie sehen lieber Leser, der spöttische Leichtsinn, mit dem Camille die wichtigsten Gegenstände behandelte, hatte sich sogleich bei seinem Eintritt bei Colombau durch das erste Wort, das er in Beziehung auf den Bruder Dominique gesprochen, geoffenbart.

Man beschuldigt die Franzosen, sie seien herzlos, leichtfertig, spöttisch.

Hier war es der Franzose, der den ganzen britischen Ernst zeigte, und der Americaner, der den ganzen französischen Leichtsinn hatte.

Wären nicht sein Alter, sein Gesicht, seine elegante Kleidung, seine ausgezeichnete Haltung gewesen, man hätte Camille für einen Pariser Gamin gehalten; er hatte den Witz, die Lebhaftigteit, das treuherzige Gelächter und die Redeweise eines Solchen.

Man mochte ihn immerhin in die Ecke eines Zimmers schieben, in eine Fenstervertiefung einsperren, zwischen zwei Thüren mauern und es hier versuchen, vernünftig mit ihm zu reden, eine ernste Idee in seinen Kopf zu bringen, – die erste Fliege riß ihn mit sich fort, und er war so wenig mehr beim Gespräche, als der auf der Straße Vorübergehende.

Er bot indessen den Vortheil, daß man nicht lange mit ihm zu sprechen brauchte, um seinen Charakter zu kennen; nach einer Conversation von fünf Minuten, wenn man nicht etwa ein Sieb im Geiste hatte, kannte man ihn durch und durch.

Sein Gesicht, seine Sprache, sein Gang, seine ganze Person enthüllten ihn.

Es war übrigens ein reizender Cavalier, wie ihn Colombau Carmelite angekündigt hatte.

Er hatte vor Allem einen herrlichen Kopf auf einem, ohne mager oder groß zu sein, schlanken Leibe von scheinbar zarter Complexion, weil er geschmeidig und anmuthig.

Seine Augen waren lang, lebhaft, von einem in das Kastanienbraune fallenden Schwarz, wahre Creolenaugen, sammelartig mit sechs Linien langen Wimpern.

Sein wundervoll schwarzes Haar umgab, wie ein Rahmen von Ebenholz mit bläulichen Reflexen, sein feines, leicht bräunlich gefärbtes Gesicht.

Die Nase war gerade, gut proportioniert, an die Stirne wie die Nase einer griechischen Statue angeschlossen.

Der Mund war klein, schön, frisch, mit ein wenig gegen außen gebogenen Lippen. Lippen, denen ein Kuß immer zu entschlüpfen bereit ist.

In seinem ganzen Aeußeren, in seiner Haltung, in seinen Manieren, sogar in seinem Anzuge, obgleich dieser reizende Vogel der Tropengegenden, dieser herrliche Schmetterling des Aequators vielleicht zu schreiende Halsbinden, zu bunte Westen trug, Alles, bis auf seine Kleidung, sagen wir, hatte ein solches Ansehen von Distinction. daß ihn die ältesten Marquisen für einen Edelmann von altem Geschlechte gehalten hätten.

Seine launenhafte, coquette, glühende Schönheit bildete einen seltsamen Contrast mit der ernsten, strengen, ich möchte beinahe sagen, granitartigen Schönheit von Colombau.

Der Eine hatte die Stärke und die Schönheit des antiken Hercules, der Andere die Weichheit, die jugendliche Gracie, die Morbidezza von Castor, von Antinons und sogar von Hermaphroditos.

Wer immer Beide sich umschlungen haltend gesehen hätte, würde nicht begriffen haben, durch welche geheime Sympathien, durch welche mysteriöse Verwandtschaften dieser starke Mann und dieser schwache Jüngling sich gegenseitig in die Arme gezogen fanden; es waren nicht zwei Brüder, denn die Natur hat ein Grauen vor Unähnlichkeiten; – es waren also zwei Freunde.

Doch durch weiche unbekannte Bande schlossen sich ihre zwei Herzen an einander an?

Wir haben es im vorhergehenden Kapitel gesagte; der Schutz, mit dem Colombau den jungen Menschen bedeckt hatte, war unmerklich eine tiefe Freundschaft geworden; statt sie auf die Einen und die Anderen zu zerstreuen, hatte Colombau in seinem Meer die Reichthümer der Zuneigung vergraben, die er im Collége für Camille Rozan angehäuft.

Er nahm ihn also auf, man hat dies gesehen, wie ein Bruder seinen vielgeliebien Bruder aufnimmt, und was die Macht seiner Freundschaft beweist, ist der Umstand, daß er den ganzen Tag hindurch die neue Zuneigung vergaß, die ihm Bruder Dominique enthüllt hatte.

Er machte aus dem kleinen Salon wo er die wenigen Kameraden aus dem Collége empfing, die ihn besuchten, das Schlafzimmer von Camille.

Da Colombau im Alcoven des anstoßenden Zimmers schlief, so waren sie nur durch eine Scheidewand getrennt, welche so dünn, daß man aus einer Stube Alles hörte, was in der anderen geschah oder gesagt wurde.

Colombau hatte zuerst die Tapezierer des Quartier Saint-Jacques besucht, hier aber hatte er, wie man weiß, nur nußbaumene Meubles gefunden, und Colombau, der auf einer angemalten Lagerstätte schlief, hatte begriffen, sein aristokratischer Freund werde nur Mahagonimeubles annehmen.

Er war allmählich die Rue Saint-Jacques hinabgegangen, hatte die zwei Arme der Seine überschritten und so die Rue de Cléry erreicht.

Dort hatte er gefunden, was er brauchte; ein Bett von Mahagoni, einen Schreibtisch von Mahagoni, ein Canapé und sechs Stuhle ebenso.

Das kostete fünfhundert Franken.

Da dies gerade das Doppelte der Summe, die er besaß, so war er genötigt, die Differenz zu entlehnen.

Was das Bettgeräth betrifft, so nahm er die zwei Matraßen, den Hauptfühl und die Decke von seinem Bette, und behielt für sich den Strohsack ein Kissen, das Leintuch und seinen Wintermantel.

Colombau kehrte ganz in Verzweiflung darüber zurück, daß er zwei Stunden später, als er gesagt nach Hause komme. Seit zwei Stunden mußte Camille auf ihn warten.

Camille war zum Glücke nicht nach Hause gekommen.

»Ah! desto besser!« sagte Colombau zu sich selbst. »Der liebe Camille er wird sein Zimmer bereit finden!«

Colombau wartete den ganzen Tag auf Camille.

Camille kam erst Abends um elf Uhr.

Colombau führte ihn ganz strahlend in sein Zimmer ein: er lächelte zum Voraus über das, was sein theurer Camille sagen würde.

»Ah!« sagte dieser, indem er in ein Gelächter ausbrach, »Mahagonimeubles? Mein Lieber, nur die Neger haben bei uns solche Meubles.«

Colombau fühlte sich zum dritten Male im Herzen getroffen.

.

»Doch gleichviel, lieber Colombau,« fügte Camille bei, »Da hast Dein Bestes gethan. Umarme mich und empfange Meinen Dank.«

Und er umarmte Colombau, ohne zu ahnen, wie wehe ihm die Anrede gethan, noch wie wohl ihm der Kuß thun sollte.

16

Stirb für Deinen Fürsten, ich sterbe für mein Vaterland!

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