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Fünftes bis achtes Bändchen
XL
Colombau

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Das Herz des jungen Bretagners, den wir Colombau genannt haben, war ein reiner Diamant mit vier Kanten: die Güte, die Sanftmuth, die Unschuld und die Redlichkeit.

Einige starke Geister des Collége hatten ihm den Beinamen Colombau der Einfaltspinsel zum Andenken an gewisse gute Thaten gegeben, wobei er der Bethörte gewesen.

Seine herculische Stärke hätte ihm wohl erlaubt, die bösen Zungen zum Schweigen zu bringen, doch er hatte für alle diese Kläffer dieselbe Verachtung, welche die Neufundländer und die Molosseu auf dem St. Bernhard für einen türkischen Hund oder einen King-Charles haben.

Eines Tags jedoch fiel es einem armseligen, streitsüchtigen Bürschchen, einem jungen Creolen von Louisiana, der kürzlich erst ins Collége gekommen, als er sah, mit welcher unstörbaren Geduld Colombau, ohne das Gesicht zu verändern, die Schmähungen anhörte, mit denen er ihn seit einigen Augenblicken überhäufte; es fiel diesem Creolen ein, sagen wir, ihn, auf dem Rücken eines Großen reitend, von hinten an seinen blonden Haarlocken zu ziehen.

Wäre es eine Schäkerei gewesen, so würde Colombau nichts gesagt haben.

Doch es war ein Schmerz.

Es geschah dies während der Abendrecreation; Müde ging im Hofe der Tumanstalt umher.

Als er sich unter dem Gelächter der ganzen Recreation, so grausam an den Haaren gezogen fühlte und einen heftigen Schmerz empfand, wandte sich Colombau um und packte, ohne das geringste Zeichen von Anstrencarmegung oder Zorn von sich zu geben, den Creolen am Kragen seines Rockes, riß ihn von den Schultern des Großen und trug ihn unter das Klettergerüst, wo ein Seil von Knoten hing.

Hier befestigte er ihm das Seil um den Leib, und nachdem er sehr kalt diese Operation vollführt hatte, schleuderte er ihn, der Kopf und die Arme baumelnd, in den Raum, wo er sich nett einer wunderbaren Geschwindigkeit schaukelte.

Die anderen Schüler, welche nicht lachten, protestierten, doch sie protestierten vergebens.

Der Große, von dessen Schultern Camille Rozan – so hieß der Creole, – gerissen worden war, trat hinzu und forderte Colombau auf, seinen Kameraden zu befreien.

Colombau zog aber ganz einfach seine Uhr, schaute darauf und sagte, während er sie wieder in die Tasche steckte:

»Noch fünf Minuten!—«

Die Strafe währte schon fünf Minuten.

Der Große, der Colombau um einen Kopf überragte, sprang auf den Bretagner los, doch dieser faßte seinen Gegner um den Leibs hob ihn von der Erde auf, preßte ihn zusammen, um ihn zu ersticken, wie dies Hercules, nach dem, was man ihm in seinem Cursus der Mythologie gesagt, bei Antäus gethan, und legte ihn endlich auf den Boden, unter dem Beifallklatschen aller Schüler, welche schon im Collége sich immer auf die Seite des Stärkeren stellen lernten.

Colombau stützte sein Knie auf die Brußt des Großen; dieser der nicht athmen konnte, bat um Gnade; doch der hartnäckige Bretagne: zog abermals seine Uhr, und sagte einfach:

»Noch zwei Minuten!«

Da erscholl ein Hurrah des Triumphes durch den ganzen Hof.

Während dieses Jubels nahm die dem Körper von Camille Rozan verliehene Bewegung ab, dauerte jedoch nichtsdestoweniger immer fort.

Nach Ablauf der fünf Minuten gab Colombau, der sein Wort so gewissenhaft hielt, als sein Landsmann Duguesclin, wieder den Athem dem Großen, welcher sich wohl hütete, seine Genugtuung zu nehmen, und band den streitsüchtigen Americaner los; dieser ging aus Wuth ins Krankenzimmer und blieb hier einen Monat mit Verrückung des Gehirns im Bette.

Das Gelächter begleitete, wie man leicht begreift, den Rückzug des Creolen; Jeder beeiferte sich, Colombau Glück zu wünschen; Colombau gab sich aber den Anschein, als hörte er diese Lobeserhebungen nicht, nahm ruhig seinen Spaziergang wieder auf und wandte seinen Mitschülern den Rücken zu, nachdem er ihnen die brüderliche Warnung gegeben:

»Ihr seht, was ich zu thun vermag! Dass erste Mal, daß Einer von Euch mich foppt, wird ihm dasselbe geschehen.«

Einen Monat lang hegte man ernste Besorgnisse für den kleinen Camille Rozan.

Derjenige aber, dessen Angst bis zur Verzweiflung ging, war der gute Colombau; er vergaß, daß ihn die Herausforderung in den Fall gerechter Selbstvertheidigung gesetzt hatte, und betrachtete sich als einzige Ursache diesen Fieber.

Seine Verzweiflung verwandelte sich ganz natürlich in tiefe Freundschaft während der Genesung des jungen Menschen; er fühlte bald für den kleinen Camille die lebhafte Zärtlichkeit, welche die Starken für die Schwachen, die Sieger für die Besiegten haben, – diese Zärtlichkeit, welche aus den göttlichsten Fibern des Herzens, auf der mildesten von allen Tugenden, dem Mitleid entspringt.

allmählich wurde diese zufällige Zärtlichkeit eine wahre Zuneigung, eine beschirmende Freundschaft, wie die eines älteren Bruders für einen jüngeren.

Camille Rozan schien sich seinerseits aufrichtig Colombau anzuschließen, nur waren bei seiner Zuneigung zugleich die Furcht, und die Sympathie beteiligt: seiner Schwäche war es angenehm, sich beschützt zu fühlen; zu gleicher Zeit setzte aber sein empörter Stolz eine unübersteigbare, obgleich unsichtbare Schranke zwischen ihn und seinen Beschützer.

Schwach und trotzig, war er jeden Tag der Gefahr ausgesetzt von seinen Kameraden Lectionen der ähnlich, weiche ihm Colombau gegeben, zu erhalten; doch dieser brauchte nur einen Schritt zu machen und mit einem ruhigen Tone zu fragen: »Nun! was gibt es? und die Drohung kehrte plötzlich wieder um.

Wie bei der Eiche, genügte es bei ihm, seine kräftigen Aeste auszustrecken, um das Rohr gegen den Sturm zu beschirmen.

Heranwachsend, schien Camille seinen Stolz zurückgedrängt und für Colombau nur noch eine aufrichtige Freundschaft bewahrt zu haben; er gab sie ihm unter tausend angenehmen Formen kund: Beide in abgesonderte Schlafsäle und getrennte Studienquartiere verwiesen, konnten sie sich nur in den Erholungsstunden sehen und sprechen; doch das Bedürfniß des Ergusses war so lebhaft bei dem Creolen, daß er, wenn er von seinem Freunde entfernt, sich nicht enthalten konnte, an ihn zu schreiben; sobald der, briefliche Verkehr eröffnet war, bildete sich zwischen ihnen eine thätige ununterbrochene Correspondes, welche beinahe so zärtlich als die zwischen zwei Liebenden.

Die jungen Freundschaften, die sich zum ersten Male offenbaren, haben in der That die ganze Hitze einer ersten Liebe; wie eine Person, welche bis dahin, einsam gelebt hat, wartet das Herz nur auf die Stunde der Freiheit, um in der Sonne den Schatz seiner innersten Gedanken erblühen zu lassen; es kommt dann aus zwei Herzen, welche in derselben Lage, ein Concert von Plaudereien hervor, das ziemlich ähnlich dem Geschwätze der Vögel in den ersten Frühlingstagen. Derjenige,welcher gleichsam ebenen Fußes in das Leben eingetreten ist und die Zaubereien der jungen, keuschen Göttin, die man die Freundschaft nennt, nicht kennen gelernt hat, ist zu beklagen! denn weder die leidenschaftliche Liebe der Frau, noch die selbstsüchtige Zuneigung des Mannes werden ihm die reinen Freuden enthüllen, welche die zwischen zwei sechzehnjährigen Herzen ausgetauschten Geheimnisvollen Geständnisse geben.

Von diesem Augenblicke an waren also die zwei jungen Leute enge verbunden; und da Camille im nächsten Jahre in ein Quartier mit Colombau überging, so wurden sie Copains, nach dem technischen Ausdrucke des Collége, das heißt, sie bildeten eine Gemeinschaft von Allem, was sie besaßen, von den Federn und dem Papier bis zur Wäsche und das Geld.

Schickte die Familie des Americaners Confituren und Gojaven und Conserven von Ananas, so schob Camille die Hälfte davon in die Truhe von Colombau; schickte der Graf von Penhoël einige gesalzene Eßwaaren von der Küste der Bretagne, so legte Colombau die Hälfte in das Pult von Camille Rozan.

Diese täglich an Zärtlichkeit zunehmende Freundschaft wurde plötzlich gebrochen durch die Abreise von Camille, den seine Eltern nach Louisiana in dem Augenblick zurückriefen, wo er seine Philosophie beendigen sollte. Maus trennte sich unter zärtlichen Umarmungen, und versprach sich einander wenigstens einmal alle vierzehn Tage zu schreiben.

Die drei ersten Monate hielt Camille das gegebene Worte dann kamen seine Briefe nur noch von Monat zu Monat, dann von drei zu drei Monaten.

Was den treuen Bretagner betrifft, – er hielt gewissenhaft sein Versprechen, und nie gingen vierzehn Tage darüber, ohne daß er seinem Freunde schrieb.

Am Tage nach der Nacht, die wir im vorhergehenden Kapitel zu schildern versucht haben, Morgens um zehn Uhr, brachte die alte Portière dem jungen Manne einen Brief, dessen geliebten Stempel er sogleich erkannte.

Der Brief war von Camille.

Er kam nach Frankreich zurück.

Sein Schreiben ging ihm um einige Tage voran, Camille verlangte von Colombau, mit ihm in der Welt dasselbe gemeinschaftliche Leben wieder anzufangen, das sie im Collage geführt hatten.

Du hast drei Zimmer und eine Küche,« schrieb er: »mir die Hälfte Deiner Küche, mit die Hälfte Deiner drei Zimmer!«

»Bei Gott! ich glaube wohl!« antwortete laut der Bretagner, tief bewegt durch die unerwartete und unverhoffte Rückkunft des jungen Mannes.

Dann dachte er plötzlich, wenn sein teurer Camille komme, so brauche er ein Bett, eine Toilette, einen Tisch, und besonders ein Canapé, auf dem sich der träge Creole ausstrecken könne, um die schönen Cigarren zu rauchen, die er ohne Zweifel vom mexicanischen Meerbusen mitbringe, – und er stürzte aus dem Zimmer mit den zwei- bis dreihundert Franken Ersparnisse, die er besaß, um sich alle diese Dinge erster Notwendigkeit zu verschaffen.

Auf der Treppe begegnete er Carmelite.

»Oh! mein Gott! Wie glücklich sehen Sie diesen Morgen aus, Herr Colombau!« sagte Carmelite, als sie die Freude auf dem Antlitz ihres Nachbars strahlen sah.

»Oh! mein Fräulein, ich bin glücklich, sehr glücklich!« erwiderte Colombau; »es kommt ein Freund von mir von America, von Mexico, von Louisiana an! ein Freund aus dem Collége, der teuerste von allen meinen Freunden!« .

»Vortrefflich! sagte das Mädchen. »Und wann kommt er an?«

»Ich kann Ihnen den Tag nicht genau sagen; doch ich wollte, er wäre schon hier.«

Carmelite lächelte.

»Ah! ich wollte, er wäre schon da, wiederhole ich Ihnen, denn ich bin überzeugt, es würde Ihnen Vergnügen gewähren, ihn zu sehen und zu hören; es ist die lebendige Schönheit und Heiterkeit; nie, selbst in den Träumen der Maler, habe ich ein schöneres Gesicht gesehen . . . ein wenig weibisch vielleicht,« fügte er bei, nicht um die Schönheit des Freunden zu vermindern, dessen Portrait er so offenherzig gemacht hatte, sondern einzig und allein, um in den Grenzen der Wahrheit zu bleiben; – »ein wenig weibisch; doch gerade diese Miene steht seiner ganzen Person bewunderungswürdig. Die Prinzen der Feenmährchen haben keinen anmutigeren Kopf, die Studenten von Salamanca keinen so cavalièren Gang, und unsere Studenten in Paris keine so sorglose Leichtigkeit! Überdies . . . ah! das ist für Sie, die Sie die Musik lieben: überdies hat er eine bezaubernde Tenorstimme, und er bedient sich derselben wundervoll! Oh! Sie werden die alten Duette hören, die wir im Collége sangen . . . Und was die Musik betrifft, es kam mir heute Nacht, als ich Sie verließ, der Gedanke, Ihnen einen Vorschlag zu machen: Sie sagten mir, Sie haben in Saint-Denis die Musik studiert?«

»Ja, ich solfeggirte leidlich, und ich hatte, wie man mir sagte, eine schöne Altstimme. Als ich Saint-Denis verließ, bedauerte ich es auch, einmal, weil ich Mich von drei guten Freundinnen trennen mußte, woran mich Ihre Freundschaft für Herrn Camille Rozan erinnert, und sodann wegen meiner musikalischen Studien, die ich nicht fortsetzen konnte; mir scheint, durch Arbeit wäre ich eine gewisse Stärke zu erlangen im Stande gewesen.«

»Nun, wenn Sie wollen,« versetzte Colombau, »ich sage nicht, ich werde Ihnen Lectionen geben, ich bin nicht eitel genug hierzu, aber ich werde Sie studieren lassen: ohne selbst sehr stark zu sein, habe ich noch im Collége vortreffliche Grundsätze den einem alten deutschen Meister, Herrn Müller, erhalten; ich habe seitdem viel studiert, und ich stelle das Resultat meiner Kenntnisse zu ihrer Verfügung.«

Colombau hielt erschrocken inne: er hatte nie so viel gesagt; doch der, in seinem friedlichen Leben außerordentliche, Umstand der Ankunft seines Freundes Camille hatte ihn gewisser Maßen außer sich gebracht; er war entzückt, strahlend, berauscht, und das hatte ihm diese Kühnheit und Redseligkeit verliehen.

Carmelite nahm mit großer Dankbarkeit an; das Anbieten eines Vermögens wäre ihr nicht so angenehm gewesen, als dieser Vorschlag ihren jungen Nachbars, und sie war im Begriffe, ihm zu danken, als sie, die ersten Stufen der Treppe hinaufsteigend, den Dominicaner erblickte, der die Todtenwache bei ihrer Mutter vollzogen, und den sie seit jenem unglücklichen Tage schon mehrere Male zu seinem Freunde hatte kommen sehen.

Sie kehrte errötend in ihr Zimmer zurück.

Colombau. seinerseits, schien ganz verlegen.

Der Mönch schaute Colombau erstaunt und mit einem Auge voller Vorwürfe an. Dieser Blick wollte besagen: »Ich glaubte alle Ihre Geheimnisse zu wissen, da ich Ihnen meine ganze Freundschaft gegeben habe; hier ist, aber ein ziemlich wichtigen Geheimnil, von dem Sie nur nichts gestanden!«

Colombau errötete wie das Mädchen; und den Ankauf des Zimmergeräthes auf später verschiebend, hieß er den jungen Mönch in seine Wohnung eintreten.

Nach fünf Minuten sah Dominique tiefer im Herzen seines Freundes, als dieser selbst darin sah.

Colombau hatte ihm übrigens Alles erzählt, – Alles, bis auf die letzte Nacht mit den reizenden Einzelheiten, wovon sein Herz noch ganz berauscht war.

Colombau wegen dieser redlichen und keuschen Liebe tadelnd, wäre der Mönch im Widerspruche mit seinen Theorien über die allgemeine Liebe gewesen: denn emannte die Liebe den Sinn für die Anderen, unter welcher Form sie sich auch offenbarte, den Knoten des Lebens, in dem er so das Leben mit einem Baume, die Liebe mit dem Knoten, aus dem das Blatt entsteht, und die Menschheit mit den Früchten, welche die Krone bilden, verglich.

Bruder Dominique sah also in dieser entstehenden-bis dahin dem jungen Manne unbekannten, Leidenschaft nur ein belebendes Fieber; dessen Symptome mehr beruhigend, als erschreckend waren.

Andererseits verzieh er Colombau, daß er nicht mit ihm von seiner Liebe gesprochen, da Colombau selbst den Zustand seines Herzens nicht kannte.

In dem Augenblicke, wo er erfuhr, er liebe, war der junge Bretagner darüber fast erschrocken.

Der Mönch lächelte,nahm ihn bei der Hand und sprach:

»Sie bedürfen dieser Liebe, mein Freund: sonst würde sich Ihre Jugend in einer apathischen Indolenz verzehren. Eine edle Leidenschaft, wie die, welche Ihr redliches Herz fassen muß, kann Ihnen nur Kräfte geben und Sie wiedergebären. Sehen Sie diese Gärten,« fügte der Mönch auf die Pflanzschule deutend bei: »gestern um diese Stunde war die Erde vertrocknet, die Pflanzenschienen gelähmt, die Vegetation gehemmt; da ist der Sturm losgebrochen und die Ambrosien sind aus der Erde hervorgekommen, die Wurzeln sind zu Stängeln, die Knospen sind zu Blumen und Blättern geworden. Liede also, junger Mann! blühe und trage Früchte, junger Baum! nie werden glänzende Blumen, reife Früchte auf einem so grünen und kräftigen Baume gekeimt haben.«

»Also, weit entfernt, mich zu tadeln, fordern Sie mich vielmehr auf, den Ratschlägen meinen Herzens Gehör zu gehen?i«

»Ich lobe Sie, daß Sie lieben, Colombau! Ich tadelte Sie, daß Sie Ihre Liede vor mir verbargen, weil gewöhnlich die Liebe, die man verbirgt, eine strafbare Liebe ist. Ich kenne nichts Schöneres bei einem freien Menschen, als von seinem Herzen abzuhängen; denn eben so sehr als die Leidenschaft in einer gemeinen Seele den Menschen erniedrigen und entwürdigen kann, erhebt und heiligt sie die Menschheit. Wenden Sie die Augen gegen alle Punkte der Erde, mein Freund, und Sie werden sehen, daß es vielmehr die lebendigen Kräfte der Leidenschaft, als die Combinationen des Geistes sind, welche die Federn der Reiche in Bewegung gesetzt und die Welt erschüttert oder wieder befestigt haben. So groß, so weit umfassend auch die Vernunft sein mag, sie ist immer ängstlich, besorgt, schläfrig und bereit, vor den ersten Hindernissen des Weges ihren Marsch einzustellen: unablässig bewegt, ist das Herz im Gegenteil rasch in seinen Plänen, fest in seinen Entschließungen, und kein Damm vermöchte sich dem Ungestüm seines Laufes zu widersetzen. Die Vernunft ist die Ruhe, das Herz ist das Leben. Die Ruhe in Ihrem Alter, Colombau, ist eher eine gefährliche Untätigkeit, und eher als ich meine Kräfte in der Untätigkeit, im Müßiggang verzehren und die kostbare Tätigkeit, die in mir kocht, nicht beschäftigen würde, würde ich wie Simson die Säulen des Tempels erschüttern, und sollte ich unter seinen Trümmern zermalmt werden.«

»Und Sie können doch nicht lieben, mein Bruder,« sagte Colombau.

Der junge Mönch lächelte traurig und erwiderte:

»Nein, ich kann nicht mit Ihrer irdischen fleischlichen Liebe lieben, denn Gott hat mich für sich genommen, doch indem er mich der individuellen Liebe entzogen, hat er mir eine viel mächtigere Liebe gegebene die Liebe für Alle! Sie lieben eine Frau glühend mein Freund, ich, ich liebe die Menschheit leidenschaftlich! Damit Sie lieben, muß der Gegenstand Ihrer Liebe jung, reich sein und Sie durch Gegenliebe belohnen; ich, ich liebe im Gegentheil über Alles die Armen, die Schwachen, die Leidenden, und habe ich nicht die Stärke, diejenigen zu lieben, welche mich hassen, so beklage ich sie wenigstens! . . . Oh! Sie täuschen sich, Colombau,wenn Sie mir sagen, es sei mir verboten, zu lieben; der Gott, dem ich mich gegeben habe, ist die Quelle aller Liebe, und es gibt Augenblicke, wo ich, wie die heilige Therese, nahe daran bin, über Satan zu weinen, weil er das einzige Geschöpf, dem es nicht zu lieben erlaubt ist.«

Das Gespräch ging lange auf diesem fruchtbaren Boden fort, auf den es den Bruder Dominique geführt hattet man ließ alle Eroberungen, die der Mensch den edlen Leidenschaften des Herzens verdankte, die Revue passieren, und nachdenkend ahnte Colombau allmählich, der Mönch habe zu dieser Stunde erst eine Ecke vom Schleier des Lebens vor seinen Augen aufgehoben: unter diesem Worte, das so befruchtend rote die großen Tropfen eines Sommerregens, fühlte er sich besser und würdiger, geliebt zu sein. Der Gedanke, das Mädchen theilteit vielleicht nicht seine Liebes bot sich nicht einmal seinem Geister unter diesem Hauche der Wahrheit fühlte er seine Lunge behaglichen und den ernsten, träumerischen Bretagner abstreifend, erschien er dem Mönche als ein enthusiastischer, leidenschaftlicher junger Mann; man hätte ihn für einen Dichter oder für einen-Maler gehalten; für einen Dichter, so sehr entlehnten seine Ausdrücke Bilder von der großen allgemeinen Poesie; für einen Maler, so sehr malte er eher, als daß er sie erzählte, seine Liebe mit den warmen Farben, die er aus seinem entflammten Herzen schöpfte.

Und ohne Zweifel würden sie den Tag mit dem Auspressen der Brüste dieser fruchtbaren Isis, die man die Liebe nennt, zugebracht haben, wäre nicht der Name Colombau, zweimal von einer frischen Stimme wiederholt, auf der Treppe ertönt.

»Oh!« rief Colombau, das ist die Stimme von Camille!«

Der fromme Bretagner hatte diese Stimme seit drei Jahren nicht gehört, und dennoch hatte erste wiedererkannt.

Colombau! Colombau!« wiederholte die freudige Stimme.«

»Colombau öffnete die Thüre und empfing Camille seinen Armen.

Nie schloß ein Blinder, es für seinen Freund haltend, das Unglück in einer so brüderlichen Umarmung an seine Brust.

Die Mohicaner von Paris

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