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Fünftes bis achtes Bändchen
XXXV
Suchet die Frau

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Herr Jackal, als er die zwei jungen Leute in seinem Wagen aufnahm, fing damit an, daß er seine Brille emporhob und auf Jean Robert einen von den Blicken warf, die ihm den moralischen und den physischen Menschen offenbarten.

Nach einer Secunde fiel seine Brille wieder nieder, mochte er nun Jean Robert als einen Dichter, der, wie gesagt, schon den erstern Kreis der Popularität überschritten, erkannt haben, oder hatten die redlichen Linien im Gesichte des jungen Mannes genügt, um ihm anzuzeigen, es werde nie etwas für ihn auf dieser Seite zuthun sein.

»Ah!« sprach er, als er es sich in einer der aufgepolsterten Ecken seines Wagens bequem gemacht, welche Ecke er Salvator hatte abtreten wollen, was aber dieser beharrlich ausgeschlagen, »wir sagen also, es handle sich um eine Entführung?«

Herr Jackal nahm seine Tabaksdose, – eine reizende, zarte, feine Bonbonnière, welche einst Pastillen für die Pompadour oder die Dubarry enthalten mußte, – und schlürfte mit Wollust eine starke Prise Tabak.

»Nun, so erzählen Sie mir das.«

Jeder Mensch hat seine schwache Seite, seine schlecht in den Stix getauchte Ferse, seinen verwundbaren Punkt.

Herr Jackal hatte den seinigen, und wir haben es – ein ungetreuer Geschichtschreiber, – unterlassen, desselben zu erwähnen.

Herr Jackal konnte das Essen, das Trinken, das Schlafen entbehren, doch er konnte das Schnupfen nicht entbehren.

Seine Tabatière und sein Tabak waren für ihn unerläßliche Dinge.

Man hätte glauben sollen, aus seiner Tabaksdose schöpfe er die zahllose Serie geistreicher Gedanken, durch deren augenblickliche und unablässige Produktion er seine Zeitgenossen in Erstaunen setzte.

Er schlürfte also seine Prise und sagte: »Nun, so erzählen Sie das.«

Was er zum zweiten Male hören sollte, hatte Herr Jackal schon ein erstes Mal gehört, doch schlecht, zwischen zwei Thüren, mit andern Ideen beschäftigt.

Es war für ihn Bedürfniß, die Sache noch einmal zu hören.

Diese zweite Anhörung änderte nichts in seinen Ansichten, obgleich die Erzählung mit den Einzelheiten vermehrt war, welche Salvator aus dem Munde der Brocante vernommen hatte.

»Und man hat die Frau nicht gesucht?« sagte er.

»Man hat nicht Zeit gehabt,« wir wissen die Sache erst seit sieben Uhr Morgens.«

»Teufel! sie werden das Zimmer umgekehrt und den Garten mit den Füßen zertreten haben.«

»Wer?«

»Ei! diese Dummköpfe!«

Unter diesen Dummköpfen verstand Herr Jackal die Vorsteherin der Pension, die Unterlehrerinnen, die Zöglinge.«

»Nein,« erwiderte Salvator, »es ist keine Gefahr.«

»Wie so?«

»Justin ist mit verhängten Zügeln auf dem Pferde dieses Herrn (Salvator deutete aus Jean Robert) nach Versailles geritten und wird sich als Schildwache vor die Thüre stellen.«

»Wenn er ankommt!«

»Wie, wenn er ankommt?«

»Kann ein Schulmeister reiten? Sie mußten mir das sagen, ich hätte Ihnen den Husaren gegeben.«

Der Husar war einer von den Leuten von Herrn Jackal, der sich durch seine Geschicklichkeit in der Reitkunst den eleganten und ausdrucksvollen Beinamen Husar erworben hatte.

»Ich habe ihm dieselbe Bemerkung gemacht,« versetzte Salvator, »doch er antwortete mir, als ein Pächterssohn sei er seit seiner Kindheit geritten.«

»Gut! Und wenn man nun die Frau findet, so wird Alles vortrefflich gehen.«

»Aber ich sehe keine Frau bei ihr, der man mißtrauen könnte,« entgegnete Salvator.

»Man muß der Frau immer mißtrauen.«

»Sind Sie nicht ein wenig absolut, Herr Jackal?«

»Sie sagen, ein junger Mann habe Ihre Mina entführt?«

»Meine Mina?« versetzte Salvator lächelnd.

»Die Mina des Schulmeisters, kurz die fragliche Mina.

»Ja; die Brocante, die sie Morgens um vier Uhr, wie ich Ihnen sagte, vorüberfahren sah, hat einen jungen Mann erkannt; sie behauptet sogar, er sei brünet gewesen.«

»Bei Nacht sind alle Katzen grau,« erwiderte Herr Jackal.

Und er schüttelte bei diesem Sprichworte den Kopf.

»Sie zweifeln?« fragte Salvator.

»Hören Sie . . . Mir scheint es nicht natürlich, daß ein junger Mann ein junges Mädchen entführt: das ist nicht mehr in unseren Sitten, wenn nicht etwas der junge Mann von einer großen, bei Hofe sehr mächtigen Familie ist, und im neunzehnten Jahrhundert gegen Lauzun und Richelieu abzustechen befürchtet; der Sohn eines Pair von Frankreich, der Neffe eines Cardinals oder-eines Erzbischofs . . . Die Greise verführen . . . – ich sage das für Sie, Herr Salvator, und besonders für diesen Herrn, der Stücke macht,« fügte der Polizeimann bei, indem er durch eine unmerkliche Bewegung mit dem Kopfe Jean Robert bezeichnete, »weil das Alter unmäßig und übersättigt ist; doch eine Entführung von Seiten eines jungen Mannes der die Schönheit und die Kraft hat, das ist ein monstruöses Verbrechen.«

»Es ist doch so.«

»Dann suchen wir die Frau! Offenbar ist eine Frau bei diesem Verbrechen betheiligt; in weichem Grade? das weiß ich nicht; doch eine Frau muß irgendeine Rolle bei dem Geheimnisvollen Drama spielen. Sie sagen, Sie sehen keine Frau bei ihr; ich, ich sehe dort nur Frauen Lehrerinnen, Unterlehrerinnen, Freundinnen aus der Pension, Kammerjungfern. Acht Sie wissen nicht, was das ist Pensionate, Sie naives Herz.«

Hier schlürfte Jackal eine zweite Prise.

»Sehen Sie, Herr Sltvator,« fuhr er fort, »alle diese Pensionate sind eben so viele Feuerherde, wo die fünfzehnjährigen Mädchen leben und sich zerarbeiten, den Salamandern ähnlich, von denen die alten Naturforscher sprechen. Ich, was mich betrifft, weiß Eines ganz wohl: hätte ich die Ehre, eine heirathsfähige Tochter zu besitzen, so würde ich sie eher in meinen Keller einsperren, als in eine Pension geben. Und Sie beiden keine Idee von den Klagen, die man im Bureau der Sitten über die Pensionate erhält, nicht als wären die Vorsteherinnen strafbar, doch die kleinen Mädchen sind immer verliebt: das ist die alte Fabel von Eva; Lehrerinnen, Unterlehrerinnen, Aufseherinnen sind beständig wach, wie Hunde um einen Pachthof oder die Leibwachen um den König. Doch wie soll man den Wolf verhindern, in den Schafstall einzudringen, wenn das Lamm selbst dem Wolfe die Thüre öffnet?«

»Das ist hier nicht der Fall: Mina betete Justin an.«

»Dann ist es eine Freundin, die das Geschäft gemacht hat; darum habe ich gesagt und ich wiederhole: ›Suhen wir die Frau!«

»Ich fange an mich Ihrer Meinung zu unterwerfen, Herr Jackal,« erwiderte Salvator, indem er die Stirne faltete, um seinen Geist zu zwingen, bei einem dunklen und verdächtigen Punkte stehen zu bleiben.

»Ei! gewiß,« fuhr der Polizeimann fort, »ich zweifle nicht an der Keuschheit Ihrer Mina . . . Wenn ich sage, Ihre Mina, so will ich sagen, die Mina Ihres Schulmeisters. Sie hat, dessen bin ich sicher, in die Pension eintretend keinen schlimmen Keim, um damit die Pflanzen zu verderben, die sie umgaben, mitgebracht; sorgfältig erzogen, konnte sie in sich nur die Schläge der Güte und der Unschuld tragen, die sie unter den Blicken ihrer Adovtivverwandten angehäuft hatte; doch wie viel schlechte Pflanzen verbreiten für eine reine Blume, die ihre Wohlgerüche gibt, ihre unheilvollen Dünste, mit denen, ihnen unbewußt, die Familie sie seit ihrer Kindheit vergiftet hat! Dsa Kind, das man für sorglos und leichtsinnig hält, vergißt nie etwas, Herr Salvator, erinnern Sie sich dessen wohl; derjenige, welcher mit zehn Jahren die unschuldigen Zauberstücke auf dem Theater den Ambingu-Comique oder der Gaieté hat geben sehen, wird, wenn es ein Knabe ist, mit fünfzehn Jahren die Lanze des Rittern verlangen, um die Riesen, die Verfolger und Hüter der Prinzessin seiner Wahl zu durchbohren; ist es eine weibliche Person, so wird sie sich vorstellen, sie sei diese von ihren Verwandten verfolgte Prinzessin, und sie wird, um sich mit dem Liebhaber, von dem man sie getrennt, wieder zu vereinigen, alle Mittel anwenden, die ihr der Zauberer Maugis oder die Fee Colibri enthüllt haben. Unsere Theather, unsere Museen, unsere Mauern, unsere Promenaden, Alles trägt dazu bei, in Herzen der Kinder tausend Neugierden zu erregen, die der erste der beste Vorübergehende auf eine Frage, in Ermangelung des Vaters und der Mutter, befriedigen wird; Alles trägt dazu bei, in ihm diesen Hunger, Alles kennen zu lernen, diesen Durst, Alles zu begreifen, der das Uebel des Kindes ist, entstehen zu machen und zu unterhalten; und die Mutter, welche ihrer Tochter nicht erklären kann, warum in die Kirche eintretend, ein schöner junger Mann Weihwasser einem Mädchen bot; warum an einem Sommertag ein Liebespaar sich auf dem Felde umarmte; warum man sich heirathet; warum der Eine in die Messe geht, während der Andere nicht dahin geht; die Mutter, die ihrer Tochter keines von den Mysterien enthüllen kann, die diese unbestimmt erschaut, schickt sie, erschrocken über ihre nach Maßgabe ihrer Jahre wachsende Neugierde. in ein Pensionat, wo sie von ihren älteren Schwestern diese die Gesundheit und die Tugend zerstörenden Geheimnisse lernt, welches sie sodann jüngeren Schwestern anvertraut. So mein lieber Herr Salvator, – ich sage Ihnen dies zu Ihrer Instruktion, wenn Sie je eine Frau nehmen, – so tritt, selbst wenn es aus der anständigsten, ehrbarsten Familie kommt, das Mädchen in das Pensionat den giftigen Samen, der später ein ganzes Feld vergiften soll, in sich tragend ein!«

.

»Aber,« fragte Salvator, während Jean Robert mit Erstaunen zuhörte, »aber es gibt ohne Zweifel ein Mittel hiergegen?«

»Ei! freilich gibt es ein Mittel hiergegen, wie gegen etwas Anderes; es gibt, bei Gott! für Alles ein Mittel! doch was wollen Sie? es ist eine Mauer stärker, höher, ausgebreiteter, als die von China umzureißen! Das ist die Gewohnheit, diese Geißel der Gesellschaften. So haben zum Beispiel seit einiger Zeit die jungen Leute eine traurige Gewohnheit angenommen, eine Gewohnheit, die um so trauriger, als es keine Mittel dagegen gibt.«

»Welche?«

»Das ist die, sich zu tödten. Ein junger Mann liebt ein Mädchen, das ihn nicht liebt; er nimmt sich nicht die Zeit, zu warten, daß es ihn liebe, und thötet sich! Ein Mädchen liebt einen jungen Manne der es nicht mehr liebte, und auf den es rechnete, daß er als Gatte die Uebelthaten des Liebhabers bedecke: es tödtet sich! Zwei junge Leute lieben sich und die Eltern erlauben nicht, das sie sich heirathen: sie tödten sich! Und wissen Sie, warum sie sich meistens tödten?«

»Ei! weil sie des Lebens müde sind,« erwiderte Jean Robert.

»Oh! Nein, mein Herr Dichter,« entgegnete der Polizeimann; »man ist nie des Lebens müde, und zum Beweise dient, daß man, je älter man wird, desto mehr daran hängt. Es gibt hundert Selbstmorde von jungen Leuten unter fünfundzwanzig Jahren gegen einen Selbstmord einen Greises über sechzig. Man tötet sich – es ist erbärmlich, dies sagen zu müssen! – der junge Mann, um seiner Geliebten einen Possen zu spielen, die Geliebte, um dem Liebhaber einen Possen zu spielen, der Liebhaber und die Geliebte, um den Eltern einen Possen zu spielen; ein erschrecklicher Possen, der, um ein Jahr, um sechs Monate, und acht Tages um eine Stunde verschoben, durch dies Liebe der Frau, durch die Rückkehr des jungen Mannes, durch die Einwilligung der Eltern unnötig geworden wäre. Früher war es nicht so: man kannte den Selbstmord nicht, oder man kannte ihn kannte das Mittelalter, das heißt ein Zeitraum von drei bis vier Jahrhunderten, zählt nicht zehn erwiesene Selbstmorde.

»Im Mittelalter,« bemerkte Jean Robert, »hatte man Klöster.«

»Vortrefflich! Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, junger Mann. Man hatte eine große Trübsal, man fühlte einen großen Schmerz, man faßte einen Ekel gegen das Leben: der Mann wurde Mönch, die Frau Nonne: das war die Art, sich zu erschießen, sich zu ersticken, sich zu ertränken. Hören Sie, heute soll ich im Bas-Meudon den Selbstmord von Mademoiselle Carmelite und Herrn Colombau constatiren. Nun woh . . . «

Die zwei jungen Leute bebten.

»Verzeihen Sie,« sagten sie gleichzeitig, Herrn Jackal unterbrechend.

»Was?«

»War Mademoiselle Carmelite nicht eine Schülerin von Saint-Denis?« fragte Salvator.

»Ganz richtig.«

»War Herr Colombau nicht ein junger bretonischer Edelmann?« fragte Jean Robert.

»Gewiß.«

»Dann begreife ich den Brief, den diesen Morgen Fragola erhalten hat,« murmelte Salvator.

»Oh! armer Junge,« sagte Jean Robert, »ich habe seinen Namen von Ludovic nennen hören.«

»Das Mädchen war aber ein Engel!« sprach Salvator.

»Der junge Mann war aber ein Heiliger!« rief Jean Robert.

»Ei! Freilich,« erwiderte der alte Voltairianer, »darum sind sie zum Himmel aufgestiegen; die armen Kinder fanden sich auf der Erde nicht an ihrem Platze.«

Und er sprach diese Worte mit einer seltsamen Mischung von Spott und Rührung.

»Oh! mein Gott!« sagte Jean Robert, »der arme Ludovic wird in Verzweiflung sein.«

»Oh! mein Gott!« murmelte Salvator, »die arme Fragola wird sehr traurig sein.«

Doch sind Ursachen dieses Todes ein Geheimnis oder können Sie uns dieselben mitteilen?« fragte Jean Robert.

»Die Katastrophe in allen ihren Einzelheiten? Oh! mein Gott, ja; Sie werden nur die Namen zu ändern haben, um ein Gedicht oder einen Roman daraus zu machen; ich stehe Ihnen dafür, daß Stoff dazu vorhanden ist.«

Und während man vom Quai de la Conférence nach dem Pont de Sèvres fuhr, gab Herr Jackal den aufmerksamen jungen Leuten folgende Erzählung, welche indeß sie beim ersten Anblick ganz außerhalb der Ereignisse, die wir mitteilen, zu sein scheint, sich doch am Ende, ein wenig früher oder ein wenig später, mit ihnen verbinden wird.

Unsere Leser mögen sich also gedulden; wir sind erst beim Prologe des Buches, das wir schreiben, und wir müssen nothwendig unsern Personen ihre Stellung geben.

Die Mohicaner von Paris

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