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Fünftes bis achtes Bändchen
XXXVII
Fra Dominico Sarranti

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Der junge Mann nahm Carmelite in seine Arme und trug sie, wie er es mit einem Kinde gethan hatte, in das anstoßende Zimmer, wo die zwei Frauen warteten.

Der Augenblick, sie auszukleiden und zu Bette zu legen, war gekommen.

Colombau kehrte in seine Wohnung zurück, nachdem er eine von den Nachbarinnen gebeten hatte, sich zu ihm zu begeben, sobald das Mädchen im Bette wäre.

Die Nachbarin trat zehn Minuten nachher bei ihm ein.

»Nun?« fragte er.

»Sie ist wieder zu sich gekommen,« antwortete die Nachbarin; »doch sie hält ihren Kopf mit beiden Händen und spricht Worte ohne Zusammenhang, als ob sie das Delirium hätte.«

»Hat sie Verwandte?« fragte der junge Mann.

»Wir kennen keine von ihr.«

»Freundinnen im Quartier?«

»Keine Freundin! es waren ruhige Leute, welche äußerst zurückgezogen lebten: das kannte Niemand in der Welt.«

»Was gedenken Sie mit ihr zu thun? Sie kann nicht in dieser Todtenwohnung bleiben. Man müßte sie das Zimmer wechseln lassen.«

»Ich würde Ihnen wohl das meinige anbieten,« sagte die Nachbarin; »doch wir haben nur ein Bett . . . Im Ganzen,« fügte die wackere Frau, wie mit sich selbstsprechend, bei: »ich werde meinen Mann zum Schlafen auf den Speicher schicken und die Nacht auf einem Stuhle zubringen.«

Diese Hingebungen für Unbekannte gehören ausschließlich gewissen Frauen aus der Arbeiterclasse: die Frau aus dem Volke bietet ihren Tisch, ihre Stube, ihr Bett mit mehr Uneigennützigkeit an, als der Handelsmann ein, Glas Wässer anbietet. Mag sie der moralische oder der physische Schmerz zu Hilfe rufen, mag es ein Mensch im Todeskampfe oder ein Mensch in der Verzweiflung sein, die Frau aus dem Volke bietet ihre Fürsorge, ihre Tröstungen, ihre Hilfeleistungen aller Art mit einer Großmuth und einer Selbstverleugnung, die eines ihrer schönsten Anrechte auf die Bewunderung des Philosophen und des Beobachters bilden.

»Nein,« sagte Colombau, »thun sie etwas Besseres: schleppen Sie das Bett der Waise in mein Zimmer, bringen Sie das meinige in ihren Alcoven; dann holen Sie einen Priester, um beim Todtenbette zu wachen: ich werde einen Arzt für sie holen.«

Die Nachbarin schien zu zögern.

»Was gibt es?« fragte Colombau.

»Es wäre mir lieber, ich würde den Arzt holen, und Sie würden den Priester holen.«

»Warum?«

»Weil die gute Frau plötzlich gestorben ist.«

»Ach! ja, sehr unvermuthet.«

»Und folglich gestorben . . . Sie begreifen?i«

»Nein, ich begreife nicht.«

»Gestorben ohne Beichte.«

»Wohl; doch Sie gestehen selbst, daß es eine Heilige war.«

»Ja, aber ein Priester . . . ein Priester hört nicht auf diesem Ohr!«

»Wie! ein Priester würde sich weigern, bei einer Todten zu wachen?«

»Eine Todte, die nicht gebeichtet hat . . . darauf kann man eine Wette eingehen.«

»Gut . . . So holen Sie den Arzt, ich übernehme den Priester.«

»Ah! der Arzt, der ist nicht sehr weit: er wohnt beinahe gegenüber.«

»Ich brauche nur Jemand, der mir einen Brief in die Rue du Poz-de-Fer trägt.«

»Geben Sie mir den Brief; ich werde wohl Jemand finden.

Colombau setzte sich au einen Tisch und schrieb:

»Kommen Sie, mein Freund! ein Lebender und ein Todter bedürfen Ihrer.«

Und er legte den Brief zusammen und schrieb darauf die Adresse:

»An den Bruder Dominique Sarranti, Dominicanermönch, Rue du Pot-de-Fer, No. 11.«

Dann übergab er den Brief der Nachbarin.

Die Nachbarin ging hinab.

Mittlerweile bewerkstelligte Colombau den beabsichtigten Auszug, indem er sein Bett in das Zimmer des Mädchens und das Bett des Mädchens in sein Zimmer brachte.

Die Frau, welche auf Besuch bei der Nachbarin war, übernahm es, bis zur Ankunft des Arztes bei Carmelite zu bleiben und, wenn es sein wüßte, die Nacht an ihrem Bette zuzubringen.

Das Delirium vermehrte sich jeden Augenblick.

Die Frau nahm ihren Platz bei Carmelite; Colombau ging zum Specereihändler hinab, kaufte eine Kerze, stellte sie oben an das Bett der Todten und zündete sie an.

Während der Abwesenheit von Colombau war die Nachbarin mit dem Arzte zurückgekommen, und den Mann der Wissenschaft bei der Kranken lassend, hatte sie der Todten den frommen Dienst geleistet, ihr die Hände auf der Brust zu kreuzen und in die Hände ein Crucifix zu geben-.

Colombau zündete die Kerze an, kniete nieder und sprach die Todtengebete..

Es war nicht zu viel an zwei Frauen, um Carmelite zu pflegen; der Arzt hatte die ersten Symtome einer Gehirnentzündung erkannt; er hatte eine Verordnung zurückgelassen und sie strenge zu befolgen ermahnt: die Gehirnentzündung konnte von einfach, wie sie war, hitzig werden.

Was die Mutter betrifft, sie war am Bruche von einem der großen Gefäße des Herzens gestorben.

Viele starke Geister würden gelacht haben, hätten sie diesen schönen zweiundzwanzigjährigen jungen Mann auf den Knieen beim Bette einer unbekannten Frau und Todtengebete aus dem Gebetbuche mit dem Wappen seiner Familie lesend gesehen.

Colombau war aber ein religiöser Bretagner der alten Tage, der, wie seine Ahnen, Güter und Schlösser verkauft hätte, um Walten Habenichts nach Jerusalem mit den Worten: Diex le volt!15 zu folgen.

Er betete also mit einer wahren Inbrunst, indem er aus seinem Gebete jeden irdischen Gedanken zu verbannen suchte, als er hinter sich das Geräusch einer auf ihren Angeln knirschenden Thüre hörte.

Er wandte sich um.

Derjenige, welchen er hatte holen lassen, kam auf seinen Ruf: Bruder Dominique, mit seiner schönen weiß und schwarzen Tracht, stand auf der Schwelle.

Dieser junge Mönch, von kaum siebenundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren, war fast der einzige Freund, – die Collége-Kameraden ausgenommen, die man Freunde zu nennen übereingekommen ist, und die eine besondere Race bilden, – dieser junge Mönch, sagen wir, war fast der einzige Freund, den Colombau in Paris hatte.

Als Colombau eines Tags an der Kirche Saint-Jacques-du-Haut-Pas vorbeiging, sah er die Bevölkerung der Straße und der Vorstadt sich an der Thüre drängen; er fragte, was es sei, und man antwortete ihm, ein junger Mann, bekleidet mit einer langen weißen Robe, halte eine Predigt.

Er trat ein.

Es stand in der That ein Mönch, jung an Jahren, doch gealtert durch die strengen Uebungen oder durch den Schmerz, auf der Kanzel und predigte.

Seine Rede hatte zum Gegenstand die Resignation.

Der Mönch hatte sie in zwei sehr von einander abgesonderte Theile geteilt.

Bei den Mißgeschicken, weiche von Gott kommen, das heißt bei Todesfällen, bei erschrecklichen Unfällen, bei unheilbaren Gebrechen sagte er:

»Ja, ergebt Euch, meine Brüder, beuget Euch unter den Arm, der züchtigt; betet und betet an! Die Resignation ist eine Tugend!«

Bei allen Mißgeschicken aber, die von Menschen kommen, wie getäuschte Ambitionen, ruinierte Vermögensverhältnisse, gescheiterte Pläne, sagte er:

»Wirkt gegen das Unglück, meine Freunde, erhebet Euch stark durch Euer Vertrauen zum Herrn, zu Eurem Rechte und zu Euch selbst; beginnt den Streit und haltet den Kampf aus. Die Resignation ist eine Feigheit!«

»Colombau wartete, bis die Predigt beendigt war, und beim Ausgange aus der Kirche drückte er dem Mönche die Hand, wie er es, nicht einer mit einem geheiligten Charakter bekleidete Person, sondern jedem Menschen gethan hatte, in welchem er die drei Tugenden ehrte, die zu schätzen ihn sein eigener Charakter in den Stand setzte.

Die Einfalt des Herzens, die Redlichkeit, die Stärke.

Von diesem Tage an hatten sich die zwei jungen Leute, – der Mönch war vier bis fünf Jahre älter als Colombau, – von diesem Tage an hatten sieh die zwei jungen Leute eine seltsame Gemeinschaft der Grundsätze und der Gefühle geoffenbart.

Dem zu Folge hatten sie eine enge Verbindung geschlossen, und es kam selten vor, daß sie nicht ein oder zweimal in der Woche ein paar Stunden mit einander zubrachten.

Werfen wir einen Blick rückwärts und sehen wir diesen jungen Mönch ernst und nachdenkend auf dem rauhen Wege der Vergangenheit auf uns zukommen.

Er nannte sich Dominique Sarranti und hatte mehr als eine Analogie mit dem finsteren Heiligen, den der Zufall zu seinem Patron gemacht.

Er war geboren in Vic-Denos, einem am Saume eines Waldes, sechs Meilen von Foix, einen Sprug von der spanischen Grenze liegenden Dörfchen im Departement der Arriège.

Sein Vater war Corse und seine Mutter Catalonierin; er hatte von Beiden in seinem Charakter, denn er besaß das düstere Gedächtniß des Corsen und die erschreckliche Zähigkeit des Cataloniers. Wer ihn auf der Kanzel mit seiner mächtigen Geberde gesehen hatte, wer ihn mit seinem ernsten und strengen Worte gehört hätte, würde ihn sogleich für einen in Mission in Frankreich begriffenen spanischen Mönch gehalten haben.

In Ajaccio in demselben Jahre wie Napoleon geboren an das Glück seines Landsmannes gebunden, hatte sein Vater alle Wechselfälle dieses Glückes erduldet; er hatte den besiegten Kaiser nach der Insel Elba begleitet; er war dem verrathenen Napoleon nach St. Helena gefolgt.

Im Jahre 1816 war er nach Frankreich zurückgekehrt. Warum hatte er so bald den erhabenen Gefangenen verlassen? Gaetano Sarranti hatte das ungesunde Klima, die verzehrende Sonnenhitze vorgeschützt.

Diejenigen, welche ihn kannten, glaubten nicht an diesen Beweggrund, und sie betrachteten Sarranti als einen von den geheimnisvollen Agenten, welche der Kaiser der Sage nach in Frankreich verbreitete, um eine Rückkehr von St. Helena zu versuchen, wie er eine Rückkehr von der Insel Elba versucht hatte, oder wenigstens, sollte diese Rückkehr unmöglich sein, über die Interessen seines Sohnes zu wachen.

Er war als Lehrer von zwei Kindern bei einem sehr reichen Manne, Herrn Gèrard eingetreten.

Diese Kinder waren nicht der Sohn und die Tochter von Herrn Gèrard, sondern sein Neffe und seine Nichte.

Dach plötzlich, im Jahre 1820, zur Zeit der Verschwörung Nantès und Bérard, war Gaetano Sarranti verschwunden, und man sagte, er habe sich nach Indien zu einem ehemaligen General von Napeleon begeben, der 1813 in den Dienst eines Fürsten von Lahore getreten.

Wir haben schon dieser Flucht von Gaetano Sarranti bei Gelegenheit des Verschwindens des Wagners der Rue Saint-Jacques, eines Bruders der Mutter Boivin, erwähnt, ein Verschwinden, in Folge dessen die kleine Mina die Thüre, an die sie geklopft, verschlossen gefunden hatte und vom Schulmeister und von seiner Familie aufgenommen worden war.

Wir sprachen bei dieser Gelegenheit auch von einem Sohne, den im Seminar Saint-Sulpice der flüchtige Corse hatte.

Dieser Sohn war der Mann, dessen Portrait wir zu zeichnen versucht haben; es war der Bruder Dominique Sarranti, den man wegen seines spanischen Ansehens allgemein den Fra Dominico nannte.

Der junge Mann hatte sich jeder Zeit für den geistlichen Stand bestimmt; als seine Mutter todt und sein Vater nach St. Helena abgegangen war, wurde er einem Seminar übergeben.

Bei seiner Rückkehr von St. Helena im Jahre 1816 machte sein Vater, – welcher sehr ungern diesen seltsamen Beruf bei einem jungen Manne sah, der etwas ganz Anderes als Priester werden konnte, – sein Vater, sagen wir, machte einen letzten Versuch, ihn zu bewegen, ins bürgerliche Leben zurückzukehren; er brachte eine ziemlich bedeutende Summe mit, um die Unabhängigkeit des jungen Mannes zu sichern; doch dieser weigerte sich beharrlich.

Als Gaetano Sarranti verschwunden war, wurde sein Sohn, der damals, wie gesagt, Pensionär bei Saint-Sulpice, mehrere Male auf die Polizei gerufen.

Einmal sahen ihn seine Kameraden düsterer und bleicher als gewöhnlich zurückkommen.

Eine Anklage viel schwerer als die eines Complottes gegen den Staat lastete auf seinem Vater.

Nicht nur war er angeklagt, er habe mit Hilfe gewaltsamer Mittel die bestehende Regierung umstürzen wollen, sondern man verfolgte auch eine Untersuchung – gegen ihn als bezichtigt der Entwendung einer Summe von dreimal hunderttausend Franken eben diesem Herrn Gèrard gehörig, bei dem er Lehrer seines Neffen und seiner Nichte war, und man legte ihm sogar das Verschwinden, wie man Anfange sagte, und sodann die Ermordung dieses Neffen und dieser Nichte zur Last.

Allerdings wurde bald nachher die angefangene Untersuchung wieder aufgegeben; doch der Verbannte blieb nichtsdestoweniger unter dem Gewichte dieser entsetzlichen Anklage.

Alle diese Ereignisse machten Dominique immer düsterer als Menschen, immer strenger als Priester.

In dein Augenblicke, wo er sein Gelübde ablegen sollte, erklärte er auch, er wolle in einen der strengsten Orden eintreten, und er wählte den Orden des heiligen Dominique, der in Frankreich den Namen Jacobiner-Orden angenommen hat, weil das erste Kloster dieses Ordens in der Rue Saint-Jacques erbaut wurde.

Er legte sein Gelübde ab und wurde zum Priester am Tage nach seiner Volljährigkeit, das heißt am 7. März 1821, geweiht.

In der Zeit, zu der wir gelangt sind, war Bruder Dominique schon etwas über zwei Jahre im Orden.

Er war zu dieser Stunde ein Mann von siebenundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren, mit großen, lebhaften, klaren, durchdringenden schwarzen Augen, mit tiefem Blicke, sorgenvoller Stirne, bleichem, strengem Gesichte und stolzer, energischer, entschlossener Haltung; er war groß von Gestalt, mächtig in Geberden, kurz in Worten; sein Gang war edel, langsam, ernst, gewisser Maßen rhythmisch; sah man ihn auf der Straße gehen, den Schatten der Häuser suchend, um seine träumerische-Stirne, welche unablässig die Spur eines finsteren Kummers an sich trug, darein zu versenken, so hätte man ihn für einen von jenen schönen Mönchen von Zurbaran gehalten, der, von der Leinwand herabgestiegen, ein Flüchtling des Grabes, mit dem gleichmäßigen, sonoren Schritte des der Einladung von Don Juan folgenden steinernen Gastes auf die Erde zurückgekehrt wäre.

Der unbeugsame Wille und die tiefe Energie, die sich in diesem Gesichte ausgeprägt fand, offenbarten indessen mehr die Strenge eherner Grundsätze, als den Kampf ehrgeiziger Leidenschaften.

Es war überdies das redlichste Urtheil, die gesundeste Vernunft, das reichste Herz der Welt.

Das einzige unverzeihliche Verbrechen, dessen sich ein Mensch in seinen Augen schuldig machen konnte, war die Gleichgültigkeit in Betreff der Menschheit; denn die Liebe für die Menschheit schien ihm das Hauptelement des Lebens der Völker; er gerieth zuweilen in eine bewunderungswürdige Begeisterung, wenn er in der Zukunft, so fern sie war, jene allgemeine Harmonie gegründet auf die Verbrüderung der Nationen erschaute, welche das Seitenstück der Harmonie der Welten bilden soll.

Sprach er von der zukünftigen Unabhängigkeit der Nationen, so geschah es mit einer ergreifenden Beredtsamkeit; man fühlte sieh dann zu ihm und mit ihm hingerissen durch einen Aufschwung unwiderstehlicher Sympathie; sein Wort hinterließ in Euch Etwas wie einen Reflex seines Herzens; seine Rede theilte Euch seine Stärke mit; man war im Begriffe, einen Flügel seines Rockes zu nehmen und zu sagen: »Voran, Prophet; ich folge Dir.«

Nur nagte ein furchtbarer Wurm an dieser köstlichen Frucht: das war die Bezichtigung des Diebstahls und des Mordes, die auf seinem Vater lastete.

15

Gott will es!

Die Mohicaner von Paris

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