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Erstes bis viertes Bändchen
XIII
Der Zögling und sein Professor

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Und nun erlaube uns der Leser, unsere Erzählung an die Stelle von der den Violoncellisten zu setzen; die Erzählung wird vollständiger werden, da wir die Fähigkeit haben, von diesen vortrefflichen Manne, den wir in Scene gebracht, zu sagen, was seine Bescheidenheit ihm selbst zu sagen nie erlauben würde.

Sieben Jahre vor dem Tage, wo sich der Perstyl der riesigen Geschichte geöffnet hat, in welche einzugehen wir uns durchaus nicht gefürchtet, glich das Zimmer, das der Violoncellist bewohnte, und über das die zwei jungen Leute so sehr erstaunt gewesen waren, entfernt nicht dem, welchen wir in seiner reizenden Einfachheit beschrieben haben.

Statt den weißen Mousselinvorhanges, der das Bett umgab und dem Alcoven das Ansehen einer kleinen Kapelle verlieh; statt der auf dem Kantine stehenden Jungfrau von Stuck, die ihre beiden Arme über die Bewohner diesen Zimmern wie einen ewigen Segen ausstreckte; statt der zwei Leuchter mit ihren rosenfarbigen Kerzen, welche wie der Mousseline des Bettes und der Statuette der Jungfrau diesem Aufenthaltsorte einen Duft von Ruhe und Sammlung gaben, war es eine Art von niedriger, geplatteter, enger, kalter, feuchter Stube, ohne wohlriechende Blumen, ohne singende Vögel, Ihm Tapeten.

Die einzigen Zierathen der Wände bestanden in alten Stiche in geätzter Manier die Melancholie von Albrecht Dürer vorstellend, und dem Stiche gegenüber in einem kleinen Spiegel mit gelbem Holzrahmen, über dem zwei Buchszweige im Kreuze angebracht waren; der Hintergrund der Stube war verborgen durch einen großen Vorhang von grüner Sarsche, der mit Nägeln an den Balken der Decke befestigt, bis auf die Platten herabfiel, welche als Fußboden dienten: das war ohne Zweifel ein Schleier von befreundeten Händen vorgezogen, um vor dem Besuche das schmerzliche Schauspiel eines dürftigen Lagers zu verdecken.

Diese Stube war, mit einem Worte, die elendste traurigste Wohnung, die man sich möglicher Weise vorstellen kann; man fühlte sein Herz tief bewegt, wenn man umherschaute, denn man würde vergebens einen einzigen Punkt gesucht haben, wo das Auge angenehm hätte ausruhen können: die Wände schwitzten Nothdurft; die Balken der Stubendecke, die sich unter der Last bogen, welche sie vielleicht seit dreihundert Jahren trugen, drohten Untergang; die Atmosphäre war schwer, verdorben.

Erblickte man die Klappe, die man an der Thüre angebracht hatte, so schauerte man, wie wenn man einen Kerker besucht.«

Es war weniger die Zelle eines strengen Venobiten, als die Kammer eines armen Narren.«

Mit Ausnahme eines alten eichenen Tisches einer schwarz ungemalten hölzernen Tafel, um Demonstrationen mit der Kreide darauf zu machen, eines Pultes, auf dem ein dicker Band, ohne Zweifel die Werke von Händel oder die Psalmen von Marcello enthaltend. lag; mit Ausnahme einer ziemlich langen Bank, auf der acht bis zehn Personen Platz hatten, eines hohen Schemels und eines Strohstuhls, wer das Innere der Stube so kahl als die Wände.

Derjenige, welcher diese Stube bewohnte, war ein armer Schulmeister des Quartier Saint-Jacques.

Zu jener Zeit, nämlich im Jahre 1820, war es ihm durch große Geduld gelungen, eine kleine Kinderschule zu gründen.

Gegen die mäßige Summe von fünf Franken monatlich, die man ihm nicht immer pünktlich bezahlte lehrte er, nach seinem Programm, das Lesen. das Schreiben, die heilige Geschichte und die vier Species des Rechnens, in Wirklichkeit lehrte er aber viel mehr, als sein Programm versprach.

Der Sohn eines armen Pächters der Provinz, war er in einem Alter von zehn Jahren in das Collége Louis-le-Grund geschickt worden; kaum hatte man die Bücher vor ihm geöffnet, da erkannte der verständige Professor, dessen Sorge er anvertraut worden; in dem Knaben ungewöhnliches Geschick und seltene Anlagen.

Dieser Professor, ein bescheidener, wackerer Mann, alt an Jahren, jung an Herz, ein Baum, der in der Sonne der Welt steige getrieben und Früchte getragen hätte, der aber, der warmen Luft und der belebenden Säfte beraubt, hinter den feuchten, bemoosten Mauern seines Collége verkrüppelt war. faßte nach Verlauf eines Jahres Freundschaft für ihn und schloß sich ihm so zärtlich an, als sich nur ein Vater seinem letzten Kinde anschließen könnte.

Er war auch vor dreißig Jahren aus seiner Provinz nach Paris gekommen; gleichsam in fremder Sphäre inmitten dieser Gesellschaft in verjüngtem Maßstabe, die man das Collége nennt, umgeben von Familiensöhnen, reichen jungen Leuten, hatte er, ein armer Knabe, wie sein junger Schüler, in dem er sich wiederaufleben sah, sich mehr als einmal nach dem grünen Fußpfade zurückgesehnt, der nach dem väterlichen Pachthofe führte; mehr als einmal hatte er bittere Thränen bei der Erinnerung an die Freiheit geweint die man in der Luft seiner Heimath athmete, wie sein Zögling endlich, hätte er die Augen geschlossen, um die Vergangenheit zu vergessen, und er hatte sich blindlings auf den rauhen, holprigen Weg der Wissenschaft geworfen, wo der Hellsehendste sich immer an irgend einem unauflösbaren Problem, an einer unbekannten Theorie stößt.

Diese sympathetische Aehnlichkeit der Armuth, des Verstandes und der Vereinzelung gab von Anfang an, wir glauben dies schon gesagt zu haben. dem alten Professor die tiefste Zuneigung für den kleinen Justin. So hieß der Knabe.

Indem er ihm die erstere Tropfen der Wissenschaft einflößte, bemühte er sich. für ihn ihre Bitterkeit zu mildern;; er reichte ihm die Hand in den dichten Gestrüppen, welche die ersten Zugänge des Studiums versperren; er hielt von ihm die scharfen Dornen, die brennenden Nesseln ab; seine Sorgsamkeit scheute keine Mühe. um ihm unter seinen Schritten einen leichten Pfad durch das Dickicht dieses unbekannten Landes zu bahnen.

Justin seinerseits faßte für seinen alten Lehrer eine Zärtlichkeit so reich wie die eines Sohnes. so dankbar und ehrfurchtsvoll wie die eines Schülers.

Sobald die Erholungsstunde geschlagen hatte, durchschritt er, nachdem er Bücher und Hefte in seine Baracke eingeschlossen, wie man im Collége sagt, mit ein paar Sprüngen den Hof, und mochte er nun kein Vergnügen an den Spielen finden, hatte er keinen Freund von seinem Alter, oder war sein einziger Kamerad, sein einziger Freund sein alter Professor, sobald die Erholungsstunde geschlagen hatte, sagen wir, suchte er ihn in seinem Zimmer auf, und nun begann die süßeste Plauderei unter ihnen.

Bald war es die Geschichte, bald waren es die Mythologien oder die Reisen, die den Gegenstand dieses Gespräches bildeten; bald waren es die Werke der alten Dichter oder der großen Künstler, die man die Revue passieren ließ.

Drang plötzlich ein heiterer Sonnenstrahl, etwas wie eine Erinnerung an die Fluren, wie einen Wohlgeruch der Wälder mit sich bringend, ins Zimmer ein, da trieben die Verse von Virgil und Homer, diesen großen Priestern der Natur,, auf ihren Lippen, wie die Blumen im Monat April aus der Erde hervorkommen; der Greis bewunderte die Dichter durch die Natur und ließ den Knaben die Natur durch die Dichter anschauen.

Der Sonntag war es besonders, der im Flügel seines weißen Kleides die süßesten Stunden der Woche brachte.

An der Ecke des Kamins im Winter, in den Wäldern von Versailles, von Meudon und von Montmorency im Sommer war man einen ganzen Tag mit einander zuzubringen berechtigt.

Oh! diesen sechs Tage lang so sehr ersehnten Tag, wie benützte man ihn, indem man eine lange Diskussion über irgend einen streitigen Punkt in Angriff nahm.

An einem Tag war es ein alter Kamerad des Professors, der ihm einen Besuch gemacht, an einem andern Tag war es der Brief von der Familie, den man zehnmal las; kurz es war immer eine lehrreiche oder interessante Plauderei.

Wenn zufällig, – ein Zufall, der sich nicht nur einmal im Jahre wiederholte, – der Lehrer zu einer Feierlichkeit, zu einem offiziellen Mallet zum Obervorsteher oder zu einem hohen Funktionär der Universität gerufen wurde, wohin er Justin nicht mitnehmen konnte. so brachte dieser die Recreationen des Sonntags damit zu, daß er spazieren ging mit einem Knaben seines Alters, der arm und vereinzelt wie er, aber von einer Intelligenz, welche so widerspenstig war, als die seine leicht erfassend.

Es war dies fast der einzige Kamerad, den er im Collége hatte, nicht als wären ihm die an dem Zöglinge widerwärtig gewesen: im Gegentheil, er hätte Jedermann geliebt; doch ery war von Allen verlassen.

Die Ungleichheit des Vermögens trennt schon die Kinder in der Lehranstalt, wie sie die Männer später in der Gesellschaft trennen wird, und die zwei Schüler, deren Schatten man vereinigt sich auf die großen Wände der Pallisade im Recreactionshofe werfen sieht, sind immer zwei Arme oder zwei Reiche.

Eines Tage offenbarte sich der alte Lehrer von Justin diesem unter einer ganz neuen Form.

Längst hatte er ihm eine ebenso angenehme, als unerwartete Ueberraschung vorbehalten. Das Zimmer, das der gute Herr Müller, – dies war der Name des alten Professors, – bewohnte, lag über der Krankenstube; man war also zur äußersten Behutsamkeit genötigt, und der Boden war so dünn, daß man die leichtesten Tritte schallen hörte. Bei seiner Seelengüte hatte der alte Professor bange, die geringste Störung in der Ruhe der Kranken zu verursachen; aus diesem Grunde hatte er darauf Verzichtet, die einzige Leidenschaft, weiche je sein Herz schlagen gemacht, zu befriedigen: er betete die Musik an und spielte Violoncell mit der Wissenschaft und der Liebe eines deutschen Vinloncellisten.

Seit den drei Jahren, die er dieses unglückliche Zimmer bewohnte, – ein Datum, das ungefähr mit dem Eintritt von Justin ins Collége zusammenfiel, – hatte er weder seinen Bogen, noch sein Violoncell berührt, und dennoch wartete er, ohne sich zu beklagen, auf den Augenblick, wo er in dem neuen Zimmer. das man für ihn bestimmte und ihm seit achtzehn Monaten versprach, seine Lieblingsbeschäftigung wieder aufnehmen könnte.

Dieser sehnsüchtig erwartete Tag kam endlich.

Es war eine süße Ueberraschung für Justin, als er den in seine neue Wohnung eingesetzten, geliebten Meister die ersten Arcorde dem Violoncell, diesem Instrumente so ernst und schwermüthtig wie eine Klage der Wälder, entlocken hörte.

Justin gerieth in eine tiefe Extase, und so lange Herr Müller spielte, hörte er mit gefalteten Händen zu.

Von diesem Augenblick an ließ Justin nicht eine Minute seinem alten Professor Ruhe, bin er ihm von diesen so lange eingeschlafenen Harmonieschätzen mitgetheilt, welche erwachend alle Fibern seiner Seele in Bewegung gesetzt hatten.

Jeden Tag kam Justin, um seine Lection zu nehmen, das heißt, jeden Tag widmete der junge Mensch der Musik die Zeit, die er vorher der Recreation gewidmet, welche übrigens nie etwas Anderes, als eine unter dem Anscheine des Vergnügens verkleidete Arbeit gewesen war.

Dann entzifferte man die Werke der Meister, man verglich die Alten mit den Neuen, Porpora mit Weber, Bach mit Mozart, Haydn mit Cimarosa; man brandmarkte die Plagiatoren, man machte die Geschichte der Musik seit ihrem Anfange beim Gregorianischen Gesang bis auf Gui von Arezzo und von Gui von Arezzo bis auf unsere Tage; – sodann kam man von der Musik, – jedoch nur in der Art der Episode, – aus die Malerei und die Poesie, diese zwei Schwestern. zurück; kurz, wie der Lehrer einst seinen Zögling auf die grünen Ebenen der Wissenschaft geführt hatte, führte er ihn nun auf die azurblauen Ebenen der Kunst.

Aber diese durch eine sanfte und zugleich geschickte Hand in das Herz des Knaben geworfenen Samen keimten, blühten und trugen Früchte in der Vereinzelung Beider.

Die Vereinzelung hat das Gute, daß sie den Menschen zwingt, die unaussprechliche Zartheit zu begreifen, welche in ihm ist, eine Zartheit, von der er, verloren in dieser egoistischen Gesellschaft. die uns die Hälfte unseres Lebens, raubt, nie etwas müßte; die Vereinzelung gewöhnt den Menschen daran, eine beständige Rückkehr zu sich selbst zu machen: das ist die tägliche Sammlung.

Es ist eine ganze Religion in der Einsamkeit! die Vereinzelung macht die Schlechten gut, die Guten besser. Ja der Stille spricht Gott zum Herzen der Menschen; in der Einsamkeit spricht der Mensch zum Herzen Gottes.

Die Vereinzelung zu zwei ist noch besser, als die alleinige Vereinzelung! die Vereinzelung zu zwei ist ein Traum, ein Feenmährchen.

Das war der Traum des alten Lehrers und seines Zöglings, ein Traum von sieben Jahren, dem sie der Kummer plötzlich entzog.

Eines Morgens, an einem Sonntag im Februar 1814, kam der wöchentliche Brief, der Familienbrief.

Er war schwarz gesiegelt.

Das war nicht die Handschrift des Vaters, das war nicht die Handschrift der Mutter.

War der Vater gestorben? war die Mutter gestorben?

Wenn der Vater oder die Mutter lebte, warum verkündigte nicht der überlebende Theil die erschreckliche Nachricht?

Justin entsiegelte zitternd den Brief.

Das Unglück ging weiter, als die traurige Ahnung hatte vorhersehen können

Die Kosaken hatten die Ernte verwüstet, die Speicher geplündert, den Pachthof in Brand gesteckt; der Mutter, die sich auf das Bett ihrer Tochter geworfen, um sie den Flammen zu entreißen waren, die Augen verbrannt worden.

Die Mutter war blind!

Doch der Vaters warum hatte der Vater nicht geschrieben?

Der Vater, ein alter Soldat der Republik hatte, als er den Umfang seines Unglücks gesehen, den Kopf verloren; er hatte seine Flinte genommen und eine Jagd auf Kosaken angefangen.

Er tödtete neun derselben.

In dem Augenblick aber, wo er auf den zehnten anlegte, ohne zu bemerken, daß er selbst in einen Hinterhalt gefallen war, gingen ein Dutzend Schüsse zugleich los: zwei Kugeln durchbohrten seine Brust; eine dritte zerschmetterte ihm den Schädel!

Er stürzte todt zu Boden.

Der Lehrer theilte den Gram des Schülers; die Thränen des Greises und die des Kindes vermengten sich; aber Thränen und Klagen Vermochten nichts: man mußte sich verlassen.

Justin umarmte seinen zweiten Vater; – der Professor verdiente wohl diesen Namen, denn hatte der junge Mensch vom Ersten das Leben des Körpers empfangen, so hatte er vom Zweiten das Leben der Seele erhalten; und die zwei Freunde trennten sich.

Die Mohicaner von Paris

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