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Erstes bis viertes Bändchen
IX
Die zwei Freunde von Salvator

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Der Mond schien in der That herrlich, wie es der Commissionär der Rue aux Fers gesagt hatte.

Die Uhr der Tuchhalle deutete die zweite Stunde nach Mitternacht an.

Die Fontaine des Innocents, – dieses Meisterwerk von Jean Goujon, dem einzigen Bildhauer-Architekten, den wir gehabt haben, – erschien zur Rechten der jungen Leute, als sie die Schenke verließen, bewunderungswürdig beleuchtet von der glänzenden Lampe, welche die Hand Gottes selbst am Gewölbe des Firmamentes aufgehängt hat; ihre zierlichen verstäbten Pilaster, ein Wunder korinthischer Architektur, zeichneten sich in ihrer ganzen Gracie und in ihrer ganzen Reinheit; die Najaden, diese zu Frauen gemachten Wassertropfen, die der Chavalier Bernin so sehr angestaunt, die schönen Najaden mit den milden, lieblichen Umrissen schienen ihre Draperien von sich zu schieben und in das Bassin des Brunnens hinabzusteigen, um ihre kleinen Füße darin zu baden.

Die zwei jungen Leute nahmen sich trotz der socialen Entfernung, welche die Verschiedenheit der Rangstufen zwischen ihnen festzustellen schien, beim Arm und traten in die Rue Saint-Denis auf der Seite des Justizpalastes ein. Als sie auf dem Platze des Chatelei anlangten, blieben sie stehen; der Strom floß zu ihren Füßen; Notre-Dame erhob sich vor ihnen mit der Majestät der unbeweglichen Dinge; die Sainte-Chapelle ragte mit ihrem gezackten Kamme über den Häusern empor, wie Leviathan über den Wogen. Sie hätten sich mitten im Paris des fünfzehnten Jahrhunderts glauben können.

Um die Illusion zu vermehren, kam überdies ein Schwarm junger Leute in Costumen aus der Zeit von Karl VI. auf dem Quai de Gèvres herbei: sie schrien aus vollem Halse:

»Es ist zwei Uhr vierzehn Minuten; wir sind ruhig; Pariser, schlaft!«

Und in der That, nichts verhinderte, zu glauben, es sei eine von den Truppen Unzufriedener, welche die Bürgergemeinde, die oberlehensherrliche Eigenthümerin des Schlachthauses von Paris, von Zeit zu Zeit an König Karl VI. Absandte, um ihm neue Concessionen zu entreißen. Es waren die Gois, die Tibers, die Lhuillier, die Meulott, mit Cabache, dem furchtbaren Schinder, an ihrer Spitze.

Sie schienen spazieren zu gehen und, um die Unordnungen anzufangen, nur auf den Untergang des Mondes oder das Aufstehen des Königs zu warten.

Unsere zwei jungen Leute ließen die Maskerade an sich defilieren, gingen rasch über den Pont au Change und kamen auf den kleinen Platz. der zwischen dem Pont Saint-Michel und der Rue de la Harve liegt.

Etwa dreißig Studenten und Grisetten tanzten in fantastische Costumes, gekleidet, mit großem Freudengeschrei um fünf bis sechs brennende Strohbunde.

Jean Robert, welcher in seinen Arbeiten mitten im Studium der Geschichte von Frankreich begriffen, war suchte unwillkürlich mit den Augen den Weichstein, auf dem ein Kopf ausgehauen, der einen Beutel am Halse hängen hatte, und der, wie unsere alten Chronikschreiber sagen, auf diesem Platze bis zum siebzehnten Jahrhundert blieb.

Es schien, diese jungen Leute, welche fast alle das Costume des Mittelalters trugen, das sich großer Gunst zu erfreuen anfing, seien nur hierher gekommen, um vierhundert Jahre nach dem Ereigniß gegen den grässlichen Verrath zu protestieren, dessen Andenken dieser Platz zurückruft.

Es geschah in der That in einer friedlichen Nacht, in einer Nacht erleuchtet von einem Munde so glänzend als der, welcher in diesem Augenblick schimmerte, Morgens um zwei Uhr, das heißt zu derselben Stunde, daß am 12. Juni des Jahres 1487, Périnet Leclerc seinem Vater unter dem Kopfkissen seines Bettes hervor die Schlüssel des Saint-Germain-Thores stahl und die Stadt achthundert Leuten des Herzogs von Burgund öffnete, welche außerhalb der Mauern unter der Anführung von Villiers, Herrn der Isle-Adam, warteten.

Alles, was in die Hände der burgundischen Ritter fiel, Weiber, Kinder, Greise, wurde ohne Gnade und Barmherzigkeit umgebracht. Die Bischöfe von Coutances, von Saintes, von Bayeux, von Senlis, von Evreux wurden in ihrem Bette ermordet der Connetable und der Kanzler aus ihren Häusern gerissen und zusammengehauen, sodann ihre Glieder umhergestreut und ihre Köpfe durch die Straßen geschleppt.

Die Schlächterei dauerte acht Tage; nach acht Tagen vertrieben die Pariser die Burgunder und blieben Herren der Stadt. Man suchte dann den Verräther, die Ursache zugleich dieser Schande und dieses Unglücks; man durchwühlte ganz Paris von unten bis oben, um Périnet Leclerc zu finden.

Périnet Leclerc war verschwenden, und man hörte nie mehr etwas von ihm.

Ein Bildhauer-Meister verfertigte in der Eile ein plumpes Bild vom Verräther, und nachdem die Menge die Büste von Haus zu Haus, von Thüre zu Thüre getragen hatte, nachdem man sie an die Backen geschlagen und ihr ins Gesicht gespieen, haute derselbe Meister den Judas des fünfzehnten Jahrhunderts mit seinem Beutel am Halse auf diesem Weichsteine aus, wo ihn die alten Historiker gesehen.

Diese Erinnerung war es, was Jean Robert beschäftigte, dessen Augen die buntscheckige, muntere durch den vorübergehenden Reflex der Flammen beleuchtete Gruppe verlassen hatten, um im Halbschatten der Ecken und im Schatten der Straßen zu forschen; er fragte sich halblaut:

»Ich möchte wohl wissen wo dieser Weichstein war?«

»An der Ecke des Platzes und der Straße Sahn

»An des Ecke des Platzes und der Straße Saint-André-des Arcs,»erwiderte Salvator, als wäre er vom ersten bis zum letzten Worte im Geiste von Jean Robert dem Monolog gefolgt, dem seine Frage als Schluß diente.

»Woher wissen Sie eine Sache. die ich nicht weiß?« fragte Jean Robert.

»Vor Allem ist dieses Erstaunen ein wenig anmaßend!« versetzte Salvator lachend. »Glauben Sie, mein Herr Dichter, es seien immer die Leute, deren Handwert es ist, zu wissen, welche wirklich wissen? Mir schien die Unwissenheit Ihres Freundes Ludovic über den Baldrian hätte Ihnen als Lection dienen müssen.«

»Entschuldigen Sie mich,« erwiderte Jean Robert, »das Wort ist mir entschlüpft; es wird mir nicht mehr geschehen. Ich fange an wahrzunehmen, daß Sie alle Dinge wissen.«

»Ich weiß nicht alle Dinge,« entgegnete Salvator; »doch ich lebe mit dem Volke, das du ganze Welt ist, das die alte Fabel von Argus mit den hundert Augen, von Briareus mit den hundert Armen verwirklicht; das stärker ist als die Könige, und mehr Geist hat als Herr von Voltaire!« Nun denn, eine von den guten Eigenschaften oder von den Fehlern dieses Volkes ist das Gedächtniß, und besonders das Verräthereien rächende Gedächtniß. Ein Verräther, den die Könige wieder in Ehren eingesetzt und mit Ordensbändern bedeckt haben, dem die Aristokratie wieder ihre Thüre geöffnet hat. den die Bourgeoisie im Vorübergehen grüßt, ist immer ein Verräther für das Volk; für die übrige Gesellschaft wieder der Name eines ehrlichen Menschen geworden, ist sein Name für das Volk immer ein ehrloser Name, ein verfluchter Name, kurz ein Verräthername. Und die Zeit ist viel leicht nicht fern,« fügte Salvator mit einer düsteren Miene bei, weiche einen Augenblick seiner Physiognomie einen Ausdruck verlieh, dessen man sie nicht fähig gehalten hätte, »die Zeit ist vielleicht nicht fern, wo Sie ein Beispiel von dem, was ich Ihnen hier sage, haben werden. Nun wohl dieser Name von Périnet Leclerc, dessen sich nur die Gelehrten in den hohen Klassen der Gesellschaft erinnern, ohne daß das Volk viel, als Detail, von dem Verrathe weiß, den er ins Gedächtniß zurückruft, – ist eine der verfluchten Erinnerungen des Volks, um so mehr verflucht, als die Rache nicht befriedigt werden konnte, als die Strafe das Verbrechen nicht gesühnt hat, und als die Vorsehung, diesmal, wie ein eingeschlafener oder verkaufter Richter, die Augen geschlossen zu haben scheint, um den Schuldigen durchschlüpfen zu lassen . . . Kommen Sie!«

Salvator schlug den Weg durch die Rue Saint-André-des-Arcs ein.

Robert folgte dem seltsamen Manne, den der Zufall zu seinem Führer gemacht hatte, und ging mit ihm durch die öde, düstere Straße.«

Zwischen der Rue Macon und der Place Saint-André-des Arcs blieb der Gefährte des Dichters vor einem kleinen, weißen, reinlichen, aber schmalen Hause, das nur drei Fenster in der Fronte hatte, stehen.

Eines eichenholzfarbig angemalte kleine Thüre gewährte den Eingang in dieses Haus.

Salvator zog einen Schlüssel aus der Tasche und schickte sich an, einzutreten.

»Es ist also ausgemacht, daß wir den Rest der Nacht miteinander zubringen?« sagte er zu Jean Robert.

»Sie haben es mir angeboten, ich habe es angenommen; wollen Sie Ihr Anerbieten zurücknehmen?«

»Nein. Gott sei Dankt Doch was wollen Sie? so wenig ich auch bin, ich habe zwei Wesen welche über meine Abwesenheit besorgt würden, wenn sich meine Abwesenheit über eine gewisse Grenze hinaus verlängerte: diese zwei Wesen sind eine Frau und ein Hund.«

»Beruhigen Sie dieselben; ich werde Sie hier erwarten.«

»Geschieht es aus Discretion, daß Sie es ausschlagen, hinaufzugehen? Dann hätten Sie Unrecht: ich bin einer von den Geheimnisvollen, welche nichts verbergen, und die der Sonne trotzend unbekannt bleiben. Ist es nicht ein Wort von Talleyrand, daß an dem Tage, wo ein Diplomat die Wahrheit sage, er alle Welt täuschen werde? Ich bin dieser Diplomat; nur habe ich nicht die Mühe, eine Welt zu täuschen die sich nicht um mich bekümmert.«

»Dann,« erwiderte Jean Robert, welcher vor Begierde, hinaufzugehen, um das Hauswesen des Commissärs zu sehen, brannte, »dann, wie die Italiener sagen Permesso

»Si,« antwortete Salvator in vortrefflichem Toskanisch:«sottante vederete il cane, ma nonla signora

Die Thüre öffnete sich, und die zwei jungen Leute traten in den Gang ein.

»Warum Sie, daß ich Ihnen Licht mache.« sagte Salvator.

Und er zog aus seiner Tasche ein Phosphor-Feuerzeug und schickte sich an, ein Zündhölzchen einzutauchen; plötzlich aber erschien oben auf der Treppe ein Licht und ließ seine Strahlen längs der Wand herabfallen.

Dann vernahm man eine sanfte Stimme, welche fragte:

»Bist Du es, Salvator?«

»Ja, ich bin es,« erwiderte der junge Mann. »Bei meiner Treue,« fügte er bei, indem er sich umwandte, »nicht Sie waren es, der sich täuschte, sondern ich: Sie werden die Frau und den Hund sehen.«

Der Hund war derjenige, welchen man zuerst erblickte; auf die Stimme seines Herrn war er nach der Treppe gesprungen, deren Stufen er wie ein Wetterwirbel herabkam.

Vor seinem Herrn angelangt, legte diesem das colossale Thier seine Vorderpfoten auf die Schultern, drückte schmeichelnd seinen Kopf an die Wangen des jungen Mannes, und fing an kleine Schreie der Zärtlichkeit auszustoßen, wie es ein King-Charles hätte thun können.

»Es ist gut. Roland, es ist gut!« sagte Salvator: »laß mich passieren; Du siehst wohl, daß mir Deine Herrin Fragola etwas zu sagen hat!«

Doch der Hund. der Jean Robert erblickte, streckte den Kopf über die Schulter seines Gebieters und ließ ein Knurren vernehmen, das übrigens mehr eine Frage als eine Drohung war.

»Es ist ein Freund, Roland; sei also vernünftig,« sagte Salvator.

Und nachdem er den Hund auf sein schwarzes Maul geküßt, wiederholte er:

»Vorwärts! laß mich passieren, Roland!«

Roland trat auf die Seite, ließ seinen Herrn passieren, beroch Jean Robert im Vorübergehen, leckte dem Dichter die Hand und nahm hinter ihm, als wollte er den Zug schließen, seinen Rang auf der Treppe.

Jean Robert hatte auf Roland einen raschen Liebhaberblick geworfen.

Es war ein herrliches Thier von der Race der St. Bernhardshunde, halb Dogge, halb Neufundländer, das wenn es sich auf den Hinterpfoten erhob, fünf und einen halben Fuß hoch sein mochte; seine Haare hatten die Farbe des Löwen.

Diese Bemerkungen wurden zwischen dem Erdgeschoße und dem ersten Stocke gemacht; hier verließen alle Beobachtungen von Jean Robert den Hund und wandten sich gegen Fragola.

Es war eine junge Frau von ungefähr zwanzig Jahren, deren lange blonde Haare das bleiche und sanfte Gesicht umrahmten, unter dessen Haut man rosige Tinten von einer reizenden Feinheit erblickte; die Kerze die sie in einem Kristallleuchter in der Hand hielt»beleuchtete ihre großen, azurblauen Augen, und ihr lächeln der, halb geöffneter Mund ließ zwei Reihen Perlen unter Lippen so roth wie frische Kirschen sehen.

Ein kleinen Muttermahl unter dem rechten Auge, von den Frauen des Volkes ein Wunsch genannt, nahm in gewissen Jahreszeiten die Farbe einer kleinen Erdbeere an und hatte ihr wohl den poetischen Namen Fragola eingetragen, der ganz gemacht war, um Jean Robert zu ergreifen.

Die Gegenwart des Letzteren hatte ihr Anfangs, wie Roland, einige Besorgniß eingeflößt; doch sie war wie Roland, beruhigt worden durch die Antwort: »Es ist ein Freund.«

Sie fing also damit an, daß sie Salvator eine lächelnde Stirne darbot, auf die der junge Mann zärtlich, wir möchten beinahe sagen, ehrfurchtsvoll seine Lippen drückte.

Sie wandte sich sodann an Jean Robert und sagte mit einem reisenden Lächeln:

»Freund meines Freundes, seien Sie willkommen!«

Und während sie dem Dichter mit einer Hand leuchtete, kehrte sie. mit der anderen den Hals von Salvator umschlingend, ins Zimmer zurück.«

Jean Robert folgte ihnen.

Nur blieb er discret in einer ersten kleinen Stube stehen, die als Speisezimmer zu dienen schien.

»Ich hoffe, Du bist nicht aus Besorgniß nicht schlafen gegangen?« fragte Salvator; »ich würde mir das nie verzeihen, mein Kind.«

Der junge Mann sprach diese Worte mit einem Ausdruck, der etwas Väterliches hatte.

»Nein.‹ erwiderte das Mädchen mit einer sanften Stimme; »doch ich habe einen Brief von jener Freundin bekommen, von der ich zuweilen mit Dir sprach.«

»Von welcher?« versetzte Salvator; »Du hast drei Freundinnen, von denen Du oft sprichst.«

»Du könntest sagen, ich habe vier.«

»Ja, das ist wahr . . . Nun, von welcher ist im Augenblick die Rede?«

»Von Carmelite.«

»Sollte ihr ein Unglück zugestoßen sein?

»Das ahnet mir. Wir sollten uns, sie, Lydie, Regina und ich, morgen in der Messe von Notre-Dame zusammenfinden, wie wir dies alle Jahre zu thun pflegen, und statt dessen gibt sie uns aus sieben Uhr Morgens Rendez-vous.«

»Wo dies?«

Fragola lächelte

»Sie verlangt von uns Geheimhaltung, mein Freund.«

»Oh! bewahre das Geheimnis!« sagte Salvator. »Ein Geheimnis! Du kennst meine Ansicht hierüber: das ist die heilige Arche!«

Er wandte sich sodann gegen Jean Robert um und sprach:

»Ja einem Augenblick gehöre ich Ihnen . . . Kennen Sie Neapel?«

Nein; doch ich hoffe in den nächsten paar Jahren dahin zu gehen.«

»Nun. so unterhalten Sie sich damit, daß Sie dieses kleine Speisezimmer anschauen: es ist eine sehr genaue Erinnerung an das des Hauses vom Dichter in Pompeji, und wenn Sie zu Ende sind, plaudern Sie mit Roland.«

Nachdem er so gesprochen. trat Salvator mit Fragola in das zweite Zimmer ein, dessen Thüre er hinter sich schloß.«

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