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Erstes bis viertes Bändchen
XVI
Vom Musiker Spielmann

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Justin erwartete seinen Professor, ohne einen Schritt zu thun. um ihm entgegen zu gehen; man hätte glauben sollen, seinen Platz verlassend, befürchte er seinen Gedanken zu verlieren.

Er erzählte dem Greise, was vorgefallen war.

»Ah! Ah!« sagte dieser, »eine erledigte Stelle!«

Und plötzlich kam ihm auch ein Gedanke: dieser Platz des Contrabassisten in einer Schenke, so widrig er wäre, hätte den Vortheil, daß er die Eintönigkeit des Lebens des jungen Mannes bräche.

Ueberdies wäre der Ertrag eine große Erleichterung für die arme Familie.

»Aber,« fügte er bei, »wird man ihn Dir geben wollen?«

»Ich hoffe es,« erwiderte bescheiden Justin.

»Ich glaube es,« sprach Müller, »aber sie müßten teufelsmäßig schwierig sein.«

»Nun, ich will hineingeben und mich erkundigen.«

»Ich gehe mit Dir hinein und erkundige mich mit Dir,« versetzte der gute Professor.

Justin hütete sich wohl, das Anerbieten auszuschlagen.«

Es läßt sich leicht begreifen, welche Wirkung in einer solchen Kneipe der Eintritt dieses ernsten jungen Mannes und dieses ruhigen Greises, – Beide schwarz gekleidet, – hervorbrachte.

Die Tänzer zeigten sie mit dem Finger ihren Tänzerinnen und schlugen ein Gelächter auf.

Die zwei Freunde bemerkten diese Heiterkeit nicht, so allgemein sie war, oder thaten nicht, als bemerkten sie dieselbe.

Sie fragten bei einem der Kellner nach dem Herrn der Anstalt.

Ein dicker Bursche von einem Schenkwirth, rund wie Silen, röther als der Wein, den er seinen Kunden vorsetzte, kam mit einer geschäftigen Miene herbei, ohne Zweifel im Glauben. es handle sich um eine bedeutende Bestellung.

Die zwei Freunde richteten schüchtern ihr Gesuch an ihn.

Und wenn man bedenkt, daß das Herz eines intelligenten Mannes, eines Künstlers, eines Sohnes, der seine Mutter ernährte, eines Bruders, der seine Schwester ernährte, eines nützlichen und kostbaren Bürgers heftig schlug aus Furcht, er könnte sich mit seiner Bitte,Spielmann in einer Schenke zu werden, abgewiesen sehen.

Ach! Alles ist relativ auf dieser Welt!

Die Bewilligung dieses Platzes übersetzte sich durch einen schwarzen Rock und Hosen für ihn, durch einen wattierten Rock für seine Mutter, durch ein Kleid für seine Schwester.

Oh! lacht, lacht, Ihr, die Ihr nie den Hunger und die Kälte für theure Wesen zu befürchten gehabt habt! doch für mich, der ich auch eine Mutter und eine Schwester mit hundert Franken monatlich zu ernähren hatte, ist das Lachen eine Ruchlosigkeit!«

Die zwei Freunde setzten also schüchtern ihr Gesuch auseinander.

Der Wirth erwiderte, das sei nicht seine Sache, das gebe den Orchesterchef an.

Er erbot sich übrigens, ihm die Bitte des jungen Mannes vorzulegen. was angenommen wurde, und nach fünf Minuten brachte er die befriedigende Antwort, Justin, wenn er die für das wichtige Geschäft eines Contrabassisten an den Barrière unerläßlichen wissenschaftlichen Bedingungen erfülle, könne sogleich gegen drei Franken für die Marke eintreten.

Es war dreimal in der Woche Ball, und er würde folglich sechsunddreißig Franken monatlich verdienen.

So viel hatten ihm ungefähr seine acht ersten Schüler eingetragen; es war also Peru, – im Jahre 1821 sagte man Peru, heute sagt man Californien, – es war also Peru für ihn, dieser Platz: er willigte auch ein und verlangte nur Zeit, um sein Violoncell im Faubourg Saint-Jacques zu holen.

Doch man antwortete ihn, das sei unnötig; man hatte die Desertion des Contrabassisten vorhergesehen und war für einen Contrabaß besorgt gewesen, der, am Ende der zweite Violinist gespielt hätte. Ein Contrabassist bot sich an der Stelle des Abgegangenen an; Alles stand also aufs Beste wie in der Welt von Pangloß.

Justin war entzückt in der Tiefe des Herzens, daß sein Violoncell, ein jungfräuliches Instrument, fromm und einsiedlerisch, der Profanation entging, mit der es bedroht gewesen.

Der junge Mann dankte Herrn Müller und wollte ihn wegschicken, doch der gute Professor erklärte, er werde den Debuts seines Zöglings beiwohnen und um ihn durch seine Gegenwart zu ermuthigen, die Anstalt erst nach Beendigung des Balles verlassen.

Justin dankte seinem Professor die Hand, ließ sich den Contrabaß bringen und nahen seinen Platz im Orchesters zum großen Erstaunen der Zuschauer, welche ganz bereit ihn bei seinem Eintritt auszupfeifen, nun fast versucht waren, ihm Beifall zu klatschen.

Es war ein eines Genremalers würdiges Gemälde, dieses Orchester, – wenn es erlaubt ist, den anspruchsvollen Namen dem Vereine der acht Tauben zu geben, welche die höllischen Quadrillen spielten, bei deren Tönen die drei bis vierhundert, die Stammgäste genannter Schenke bildendem Personen tanzten; – es war, sagen wir, ein eines Genremalers würdiges Gemälde, dieses Orchester, in dessen Mitte, mit ihm vermengt, ein junger Mann, still und ernst wie der arme Justin saß.

Er hatte das Aussehen eines Märtyrer-Musikers, der mit dem Stricke um den Hals zur Belustigung eines Volkes von Heiden spielen würde.

Beleuchtet durch die über seinem Kopfe hängenden Lampen, erschien sein Gesicht in seinem vollen Ausdruck.

Justin war durchaus nicht schön. der arme Junge! doch man fühlte. daß die dürftige Luft. die dieser ganzen Physiognomie den Ton gab, die wahre oder vielmehr die einzige Ursache war, die sein Gesicht häßlich machte: zöge die Erleuchtung der einfachsten Freuden über diese Stirnes glänzte ein reines Gefühl des Glückes oder des Vergnügens in diesen Augen, öffnete ein Lächeln diese Lippen, so würde dieses Gesicht gewiß, in Ermangelung der Schönheit, alsbald das Gepräge einer engelischen Sanftmuth und einer seltenen Distinction annehmen.

Mit beiden Händen einen Contrabaß von der doppelten Höhe seines Violoncells bearbeitend, mit seinen langen blonden Haaren, welche auf seine Stirne fielen, wenn das Tempo eilig war, mit seinen großen. Blauen, schwimmenden Augen, mit dem über seine ganze Person, verbreiteten Aussehen von Traurigkeit mußte er nothwendig Jedem, der ihn in diesem Moment gesehen hätte, ein tiefes Interesse, eine mächtige Sympathie einflößten.

Stellt Euch Lißt vor, jung von Alter, schön von Begeisterung.

Nun! das war unser Schulmeister Justin.

Nach dem Contretanz machte ihm der Orchesterchef die aufrichtigsten Complimente und seine Collégen, die Instrumentisten, spendeten ihm lauten Beifall.

Tänzer und Tänzerinnen klatschten in die Hände.

Der gute alte Professor war außer sich vor Freude; er klatschte auch in die Hände und weinte vor Rührung.

So wahr ist es, daß der Triumph immer der Triumph bleibt, wer auch diejenigen sein mögen, welche ihn zuerkennen.

Um elf Uhr erkundigte sich Justin, wie lange der Ball dauern werde.

Man antwortete ihm: »Manchmal bis Morgens um zwei Uhr.«

Da winkte er dem guten Müller.

Dieser eilte herbei.

Die Mutter und die Schwester, welche in einer tödtlichen Angst sein mußten, sollten benachrichtigt werden: nie, gar nie war Justin über zehn Uhr auswärts geblieben.

Der gute Professor begriff die Lager er lief über Hals und Kopf weg und fand Madame Corby, – dies war der Name der Mutter von Justin den wir zum ersten Male auszusprechen die Ehre haben. – und fand Madame Corby und ihre Tochter im Gebete.

»Nun,« sprach er eintretend. »Ihre Gebete sind erhört, tugendhafte Frau und fromme Mutter; Justin hat eine Stelle von sechsunddreißig Franken monatlich gefunden!«

Die zwei Frauen gaben einen Freudenschrei von sich.

Der Professor erzählte ihnen das Abenteuer.

Mit dem vollkommenen Zartgefühl, dass gewöhnlich die Frauen besitzen, begriffen Madame Corby und ihre Tochter den Umfang des Opfers, das ihr Sohn und ihr Bruder den Bedürfnissen der Lage brachte.

»Guter theurer Justin!« sprachen sie.

Und es lag in ihrem Tone ein so zärtlicher Ausdruck, daß er beinahe klagend war.

»Oh! bemitleiden Sie ihn nicht,« sprach der Professor. »Das ist ein Triumph! Er ist schön, er ist herrlich! er gleicht Weber, als er jung war.«

Und nachdem er so gesprochen, da er nicht mehr zu sagen gewußt hätte, nahm er Abschied von den zwei Frauen, um nach der Schenke zurückzukehren.

Er verließ die Barrière erst mit seinen Zögling Morgens um zwei Uhr.

Sie fanden die Riegel der Hausthüre durch die Sorge der Schwester von Justin zurückgezogen.

Am Ende des Monats hatte Justin zwölfmal gespielt, und er erhielt seine sechs und dreißig Franken.

Man konnte mit diesen sechs und dreißig Franken die nothwendigsten Gegenstände kaufen.

Und nun glauben wir unsern Lesern hinreichend gezeigt zu haben, was Alles gründlich Gutes und Redliches im Herzen unseres Helden war, wir werden daher nur noch ein. paar Worte beifügen, um das Gemälde seines Charakters zu vervollständigen.

Dieser Charakter war übrigens in seinem Gesammtwesen leicht durch ein einziges Wort zu definieren.

Es war das Wort, durch das Salvator Jean Robert die Melodie, welche Justin ausführte, bezeichnet hatte:

Resignation.

Setzen wir hinzu, daß, wenn diese Tugend, eine etwas negative Tugend, je eine menschliche Gestalt annähme, um auf die Erde herabzusteigen, sie gewiß keine andere als die des ergebenen Justin wählen würde.

Man erlaube uns, ein wenig Analyse zu machen: wir haben zehn Bände vor uns, – zwanzig, wenn uns zehn nicht genügen, – und überdies ist es nicht ein Abenteuer, was wir erzählen, sondern die Geschichte eines leidenden Herzens. Durchforschen wir dieses Herz bis in seine verborgensten Falten; sehen wir, was aus diesem durch das Unglück so wohl gestählten Charakter werden wird; sehen wir, was daraus werden wird vor einem ungeheuren Glück oder vor einem unermeßlichen Schmerz!

Wird es widerstehen oder brechen?

Die Leser mögen uns glauben. es ist hierbei ein Studium von ergreifendem Interesse.

Hier ist ein in der vollen Bedeutung des Wortes jungfräulicher Mann; er hat bis jetzt gelebt wie die Vögel des Himmels, von Luft zu Luft, von Ebene zu Ebene das Korn suchend, das er nach seinem Neste zurückbrachte; bis heute war es sein einziger Gedanke, seine einzige Sorge die materiellen Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen; um den Preis seiner Nachtwachen, um den Preis seines Schweißes um den Preis seines Blutes ist es ihm gelungen, seiner armen Familie immer die Existenz, manchmal sogar eine Art von Wohlstand zu geben.

Was hat er für sich selbst getan?

Nichts!!

Würde er nicht allein in der Welt, wenn er weder Schwester, noch Mutter gehabt hätte, Mittel gefunden haben, seine Studien fortzusetzen, Baccalaureus, Licentiat zu werden, wer weiß? vielleicht Doktors und nun, statt des Lehrstuhles einer Fakultät auf den ihn seine Arbeit gebracht hätte, statt des ehrenvollen Ranges, zu dem er durch die Beharrlichkeit gelangt wäre, welche einer der unterscheidenden Charaktere seiner ergebenen Natur ist, liegt er begraben in einer Art von Casematte, wo ihn die Pflicht fest genagelt hat, wo ihn die kindliche Frömmigkeit gefesselt hält.

Oh! wir, die mir unsere Mutter so sehr geliebt haben und so zärtlich von ihr geliebt worden sind, werden uns gewiß nie über die Familie beklagen.

Absorbiert aber die Familie, – welche in Folge eines großen Unglücks Unterstützung von der Gesellschaft erhalten sollte, – von ihr dem Elend überlassen, einer Luftpumpe ähnlich, die Luft von einem ihrer Mitglieder, wenn wir uns dann nicht laut beklagen, so vermöchte uns doch Niemand zu verhindern, daß wir leise seufzen.

Von seiner Familie kam also das ganze Unglück von Justin;«und dennoch würde ihm, dem Goldherzen, nichts eine so tiefe Verzweiflung verursacht haben, als nur der Gedanke, seine Familie hätte nicht mehr existieren können.

Wie konnte er also da herauskommen?

Justin wollte nicht herauskommen: er wollte fortfahren; morgen zu leben, wie er gestern gelebt; wie er seine Jünglingszeit geopfert hatte, so würde er sein reiferes Alter, sein Leben opfern.

Doch es würde für ihn das Alter, sich zu verheirathen, eintretend eine Frau würde ihm mitten in dieser Einöde, statt dieser Dürre, alle Heiterkeiten, alle Freuden, alle Berauschungen der Jugend bringen . . .

Acht wo sie finden, diese gesegnete Frau, diese angebetete Rachel?

Hatte man Laban zehn Jahre Zeit und Arbeit zu geben?

Welche Gesellschaft sah man?

Genügte es, sich ans Fenster zu stellen, um in der Ferne das gelobte Land der jungen Leute zu sehen, das man ein Mädchen nennt?

Und dann, im Grunde, würde er es wagen, zu heirathen, der ehrliche und ängstliche Justin?

Sagte ihm sein Gewissen nicht, die Heirath sei ein Vertrag, der die Seelen ebenso binde, wie die Hände?

Und gehörte seine Seele ihm?

Gehörten seine Hände ihm?

Stand es ihm frei, eine Fremde an den mütterlichen Herd zu führen? würde er nicht das, was er an Zärtlichkeit einer Gattin gegeben hätte seiner Mutter, seiner Schwester genommen haben?

Dies, was die Seele betrifft.

»Würde die Frau, die Gattin nicht in den Ansprüchen ihrer Jugend, der Coquetterie ihres Putzes einen Theil von dem geringen Einkommen verzehren?

Dies, was die Hände betrifft.

Nein, die Heirath war kein Mittel, diesem tiefen Unglück abzuhelfen.

Man mußte also die Selbstverleugnung ewig fortsetzen.

Das war es was Justin that.

Vielleicht in den Drangsalen sterben!

Das war er zu thun bereit.

Oder Alles von der Güte Gottes erwarten.

Ach! Gott hatte bis jetzt die arme Familie nicht verwöhnt und ohne eine Ruchlosigkeit war es ihm wohl erlaubt, zu zweifeln.

Dennoch war es die Hand Gottes, welche Justin aus diesem Abgrunde zog.

Eines Abends im Monat Juni, als nach einem der Sonnentage, da in der Natur ein Fest ist, Justin mit seinem alten Lehrer von einem Spaziergange nach der Ebene von Montrouge zurückkam, erblickte der junge Mann unter dem Getreide, den Klapperrosen und den Kornblumen ein Mädchen von neun bis zehn Jahren, das in tiefem Schlafe zu liegen schien.

Gott sandte ihm unter der Gestalt dieses Mädchens einen seiner Engel zur Belohnung seiner hohen Tugend.

Die Mohicaner von Paris

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