Читать книгу Der Graf von Moret - Александр Дюма - Страница 14
Erster Teil
XIII.
Worin der Kardinal sein Schachbrett klar zu übersehen beginnt
ОглавлениеKaum war dieser Ruf erschallt, als eine kleine Frau von fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren eintrat. Sie war munter, beweglich, das Näschen in der Luft und es schien durchaus nicht, als sei sie durch den Kardinal eingeschüchtert.
»Ihr habt mich gerufen, Monseigneur,« sagte sie, das Wort zuerst ergreifend und mit sehr ausgesprochenem Languedoc'schen Accent,, »Hier bin ich.«
»Gut; und Cavois sagte, Ihr würdet vielleicht nicht kommen wollen.«
»Ich nicht kommen, wenn Ihr mir die Ehre antut, .mich rufen zu lassen? Eher wäre ich gekommen, wenn mich Auch Euer Eminenz gar nicht hätte holen lassen,«
»Madame Cavois! Madame Cavois!« sagte der Gardecapitän mit einem Versuche, die Stimme zu erheben.
»Madame Cavois, so viel Du willst! Monseigneur lässt mich für Dies oder Jenes kommen. Will er mit mir sprechen, so möge er sprechen; will er, dass ich zu ihm spreche, so werde ich zu ihm sprechen.«
»Ich will Beides, Madame Cavois,« sagte der Kardinal, indem er seinem Gardecapitän winkte, sich nicht in das Gespräch zu mischen,
»Ah, Monseigneur brauchen ihm kein Stillschweigen aufzuerlegen. Es wird genügen, dass ich ihn schweigen heiße, und er wird schweigen, oder sollte er sich zufällig einmal den Anschein geben wollen, als sei er der Herr?«
»Monseigneur werden sie entschuldigen,« sagte Cavois; »sie ist nicht vom Hofe und . . .«
»Wie? Monseigneur soll mich entschuldigen? Das machst Du wahrhaft nicht übel, Cavois! Monseigneur hat sich bei mir zu entschuldigen.«
»Wie?« sagte der Kardinal lachend, »ich habe mich zu entschuldigen?«
»Gewiss. Oder ist es etwa christlich gehandelt, wenn man Leute, die sich lieben, ewig getrennt hält?«
»Ah, ah! Ihr betet also Euren Gatten an?«
»Wie sollte ich nicht? Wisst Ihr, wie ich ihn kennen gelernt habe, Monseigneur?«
»Nein, aber saget mir das, Madame Cavois, das interessiert mich ungeheuer.«
»Mireille, Mireille!« sagte Cavois, indem er Versuchte, seine Frau zur Ordnung zu rufen.
»Cavois, Cavois!« sagte der Kardinal, den Akzent seines Gardecapitäns nachahmend.
»Nun denn, wisst Ihr, ich bin die Tochter eines Edelmannes aus Languedoc, während Cavois der Sohn eines Krautjunkers aus der Picardie ist.«
Cavois machte eine Bewegung.
»Das will nicht sagen, dass ich Dich verachte, Louise Mein Vater hieß De Serignan, Er war General-Major in Catalonien, nicht mehr nicht minder. Ganz jung wurde ich schon die Witwe eines gewissen Lacroix; ich war kinderlos und hübsch, dessen darf ich mich rühmen.«
»Ihr seid es noch immer, Madame Cavois,« sagte der Kardinal.
»Ach, mein Gott ja! Ich war damals 16 Jahre und heute bin ich 26 und habe acht Kinder, Monseigneur.«
»Wie? Acht Kinder? Unglücklicher; und Du beklagst Dich noch, dass ich Dich hindere, viel zu Hause zu sein?«
»Wie, Du hast Dich darüber beklagt, mein kleiner Cavois?« rief Mireille, »O Du liebes Männchen, lass Dich umarmen.«
Und ohne sich an die Anwesenheit des Kardinals zu kehren, sprang sie ihrem Manne an den Hals und küsste ihn.
»Madame Cavois, Madame Cavois!« rief der Kapitän der Garde zitternd, wahrend der Kardinal, nunmehr im vollen Besitz seiner guten Laune, herzlich lachte.
»Ich fahre fort, Monseigneur,« sagte Madame Cavois, nachdem sie ihren Mann nach Herzenslust abgeküßt hatte. »Er war zu jener Zeit bei Herrn von Montmorency, und da war es denn nicht zu verwundern, dass er, obschon Picarde, dennoch nach Languedoc kam. Da sieht er mich und ist flugs in mich verliebt. Weil er jedoch nicht sehr reich war und ich etwas Vermögen hatte, so wagte der Einfaltspinsel nicht, sich zu erklären. Durch diesen Liebeshandel aber geräth er in einen Raufhandel und im Begriffe, sich Tags darauf zu schlagen, geht er zu einem Notar, macht sein Testament zu meinen Gunsten und gibt mir – was? Alles, was er bei Leib und Seele besitzt, nicht mehr, nicht minder, – mir, die nicht einmal wusste, dass er mich liebte. Da sehe ich denn plötzlich die Frau des Notars, meine Freundin, zu mir eintreten, die mir sagt: »Ihr wisst es doch schon, wenn Herr Cavois stirbt, beerbt Ihr ihn?« – »Herr Cavois? Ich kenne ihn nicht.« – »O,« erwiderte die Frau des Notars, »ein hübscher Junge,« denn er war ein hübscher Junge zu jener Zeit, Monseigneur; seitdem hat er etwas abgenommen; aber das macht nichts, ich liebe ihn deshalb nicht weniger. Nicht wahr, Cavois?«
»Monseigneur,« sagte Cavois in flehentlichem Tone, »nicht wahr. Ihr entschuldigt sie?«
»Was meint Ihr, Madame Cavois,« sagte Richelieu, »wenn wir diesen Plärrer vor die Tür setzten?«
»O nein, Monseigneur. Ich sehe ihn nicht oft genug, um das tun zu können. Das hat mir also die Frau erzählt. Er liebt mich daher wie ein Narr, er schlägt sich Tags darauf für mich, und wenn er stirbt, gehört sein Hab und Gut mir. Das rührt mich, wie Ihr begreifen werdet; ich erzähle das meinem Vater, meinen Brüdern, allen meinen Freunden. Ich lasse am frühen Morgen Alle zu Pferde steigen und die Gegend durchsuchen, um Cavois und seinen Gegner an dem Rencontre zu hindern. Sie kommen an, als er seinem Gegner bereits zwei Degenstiche gegeben hatte, und bringen mir ihn frisch und gesund nach Hause. Ich springe ihm an den Hals und sage: »Wenn Ihr mich liebt, müsst Ihr mich heiraten; es ist schlecht, wenn man hungrig bleibt« . . . und er hat mich geheiratet.«
»Und er ist nicht hungrig geblieben, wie es scheint,« sagte der Kardinal.
»Nein, denn, seht Ihr, Monseigneur, es gibt keinen glücklicheren Mann, als dieser Spitzbube da ist. Ich versehe alle häuslichen Geschäfte, er hat nichts zu tun, als seinen Dienst bei Euer Eminenz, was ein Amt für einen Faulpelz ist. Wenn er nach Hause kommt – unglücklicherweise ist es sehr selten – liebkose ich ihn – mein kleiner Cavois hier – mein kleines Männchen dort. Ich mache mich so hübsch als möglich, um ihm zu gefallen; in seiner Gegenwart wird von nichts Ärgerlichem gesprochen, da gibt es rein Geschrei, keine Klagen, kurz es ist, als hätte gar kein böser Geist die Hand im Spiele.
»Was ich aus alle dem ersehe, ist. dass Ihr Meister Cavois mehr liebt, als die ganze übrige Welt.«
»O ja, Monseigneur.«
»Mehr als den König?«
»Ich wünsche dem König alles mögliche Glück; aber wenn der König stürbe, stürbe ich nicht mit; wenn aber mein armer Cavois umkäme, könnte ich mir nichts Besseres wünschen, als mit ihm zu gehen.«
»Mehr als die Königin?«
»Ich verehre Ihre Majestät, aber ich finde, dass sie für eine Königin von Frankreich nicht genug Kinder hat; wenn ihr zum Unglück etwas zustieße, waren wir in der größten Verlegenheit. Deshalb bin ich ihr böse.«, »Mehr als mich?«
»Ich glaube wohl, Monseigneur. Ihr macht mir nichts als Plage, indem Ihr bald krank seid, bald mich von ihm entfernt, bald ihn in den Krieg fortführt, wie Ihr es fast ein Jahr lang bei La Rochelle tatet, während er mir nichts als Vergnügen macht.«
»Aber endlich,« sagte Richelieu, »wenn der König stürbe, wenn die Königin stürbe, wenn ich stürbe, wenn alle Welt stürbe, was tätet Ihr Zwei dann ganz allein?«
Madame Cavois brach in ein Gelächter aus und schaute ihren Gatten an.
»Nun,« sagte sie, »wir würden —«
»Was würdet Ihr denn tun?«
»Wir würden tun, was Adam und Eva taten, als sie auch allein waren.«
Der Kardinal stimmte in ihr Lachen ein.
»Also,« sagte er, »acht Kinder sind im Hause?«
»Entschuldigt Monseigneur, nur noch sechs. Es hat dem Herrn gefallen, uns zwei wieder zu nehmen.«
»O, er wird sie Euch zurückgeben, ich weiß es gewiss.«
»Ich will es hoffen; Du auch, nicht wahr, Cavois?«
»Da muss man dann wohl für die Existenz dieser armen Kleinen sorgen!«
»Gott sei Dank, Monseigneur, sie leiden keine Noch.«
»Ja, aber wenn ich sterbe, täten sie es.«
»Gott bewahre uns vor einem solchen Unglück,« riefen die beiden Gatten.
»Ich hoffe, er wird Euch davor bewahren und mich, auch. Indessen muss man sich für Alles vorsehen. Madame Cavois, ich gebe Euch in Compagnie mit Herrn Michel, genannt Peter von Bellegarde, Marquis von Montbrun, Herr von Souscarières, das Privilegium auf Tragsessel für ganz Paris.«
»Ah, Monseigneur!«
»Und nun, Cavois,« fuhr Richelieu fort, »führt Eure Frau weg, und dass Sie mit Euch zufrieden sei, sonst gebe ich Euch acht Tage Arrest in ihrem Schlafzimmer.«'
»O, Monseigneur,« riefen beiden Gatten, indem sie sich ihm zu Füßen warfen und ihm die Hände küssten.
Der Kardinal streckte beide Hände über sie aus.
»Was zum Teufel' murmelt Ihr denn da, Monseigneur?« fragte Madame Cavois, welche nicht Latein verstand.
»Die schönsten Worte des Evangeliums«, deren praktische Ausübung aber leider den Kardinälen verboten ist.«
Beide verließen hierauf das Kabinett, in welchem binnen zwei Stunden so viele Dinge vorgegangen waren.
Allein geblieben nahm das Gesicht des Kardinals seinen gewöhnlichen Ernst wieder an., .
»Sehen wir einmal,« sagte er, »wiederholen wir uns die Ereignisse des Abends.« Und er nahm einen Bleistift und schrieb in seine Schreibtafel:
»5. Dezember 1628.
»Der Graf von Moret vor acht Tagen ans Savoyen angekommen, verliebt in Frau von la Montagne. Rendezvous mit der Fargis im Hotel »zum gefärbten Barte«, er als Baske verkleidet, sie als Catalonierin, aller Wahrscheinlichkeit nach mit Briefen für die beiden Königinnen von Karl Emanuel betraut.
»Ermordung des Stephan Latil wegen Verweigerung der Ermordung des Grafen von Moret; Pisani, von Frau von Maugiron zurückgewiesen, durch Souscarières verwundet, durch seinen Höcker gerettet.
»Souscarières, privilegiert zur Einführung von Tragfesseln und Chef meiner weltlichen Polizei als Seitenstück zu du Tremblay, dem Haupt der geistlichen Polizei.
»Die. Königin unter Vorwand von Migräne abwesend vom Ballett.
»Was gibt es denn noch?«
Und er suchte in seinem Gedächtnisse.
»Ah,« sagte er plötzlich; »und dieser Brief, der aus dem, Portefeuille des königlichen Arztes gestohlen und durch den Kammerdiener an du Tremblay verkauft worden ist; sehen wir einmal, was darin steht, da ja doch Rossignol den Schlüssel zu den Chiffren gefunden hat,« – und er rief:
»Rossignol! Rossignol!«
Das Männchen mit der Brille erschien.
»Den Brief und die Chiffren,« sagte der Kardinal.
»Hier, Monseigneur!«
Der Kardinal nahm Beides.
»Es ist gut,« sagte er, »auf morgen also; und wenn ich mit der Übertragung zufrieden bin, werdet Ihr einen Bon auf vierzig statt aus zwanzig Pistolen zu schreiben haben.«
»Ich hoffe, Euer Eminenz werden zufrieden sein.«
Rossignol entfernte sich; der Kardinal öffnete den Brief und las ihn.
Hier ist der wörtliche Inhalt desselben:
»Wenn Jupiter vom Olymp vertrieben ist, kann er sich nach Creta flüchten. Minos wird ihm mit größtem Vergnügen Gastfreundschaft gewähren. Aber die Gesundheit Kephalos kann nicht andauern; warum sollte man im Falle des Todes nicht Prokris mit Jupiter verheiraten? Das Gerücht geht um, dass das Orakel sich der Prokris entledigen will, um Venus mit Kephalos zu verheiraten. In der Erwartung, dass Jupiter fortfahren werde, Hebe den Hof zu machen, und wegen dieser Leidenschaft die größte Misshelligkeit mit Juno vorzuspiegeln, ist es wichtig, dass. so fein es auch ist, oder vielmehr sich glaubt, das Orakel sich irre, indem es Jupiter für verliebt in Hebe hält,
»Minos.«
»Jetzt,« sagte der Kardinal, »sehen wir die Chiffren.« Die Chiffren waren, wie wir gesagt haben, nicht aus Buchstaben gebildet, sondern so, wie wir sie unseren Lesern vorlegen:
Kephalos Der König.
Prokris Die Königin.
Jupiter Monsieur.
Juno Maria von Medicis.
Der Olymp Der Louvre.
Das Orakel Der Kardinal.
Venus Frau Combalet.
Hebe Maria von Gonzuga.
Minos Karl IV., Herzog von Lothringen.
Creta Lothringen.
Wurden die wirklichen Namen den falschen substituiert. so gaben sie die folgende Depesche, deren Wichtigkeit Rossignol, wie man sehen wird, nicht überschätzt hatte.
»Wenn Monsieur aus dem Louvre vertrieben wird, kann er sich nach Lothringen flüchten; der Herzog Carl IV. wird ihm mit größtem Vergnügen Gastfreundschaft anbieten, über die Gesundheit des Königs kann nicht dauernd sein. Warum sollte man im Falle des Todes nicht die Königin mit Monsieur verheiraten? Das Gerücht geht um, der Kardinal wolle Frau von Combalet an den König verheiraten. In der Erwartung, dass Monsieur fortfahren wird, Maria von Gonzaga den Hof zu machen und Wegen dieser Leidenschaft die größte Misshelligheit mit Maria von Medicis vorzuspiegeln, ist es wichtig, dass, so fein er auch sei oder zu sein glaubt, der Kardinal sich tausche, indem er Monsieur in Maria von Gonzaga verliebt wähnt.
»Carl IV.«
Richelieu las die Depesche ein zweites Mal durch; dann sagte er mit dem Lächeln eines triumphierenden Spielers
»Es geht; ich beginne mein Schachbrett deutlich zu überblicken!«