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Erster Teil
XIV.
Europa im Jahre 1628
ОглавлениеZu dem Punkte gelangt, auf welchem wir uns jetzt befinden, glauben wir, dass es nicht übel wäre, wenn der Leser, gleich dem Kardinal, eine Übersicht seines Schachbrettes gewänne.
Das fiat lux wird uns nach zweihundert siebenunddreißig Jahren leichter werden, als dem Kardinal, der von tausend verschiedenen Komplotten umgeben war, aus einer Verschwörung in die andere fiel, sich aus einer Schlinge nur frei machte, um in eine andere zu geraten, stets einen Schleier zwischen sich und den Horizonten ausgebreitet fand, die er überblicken musste, und der aus den Irrlichtern, welche über den Interessen jedes Einzelnen tanzten, ein Alles erhellendes Licht zu bilden gezwungen war.
Wenn dieses Buch einfach nur eines von jenen Werten wäre, die man auf der Tafel eines Salons zwischen die Keapsakes und die Album legt, damit die Besucher die Kupferstiche bewundern, oder die dazu bestimmt sind, nachdem sie die Boudoirs unterhalten haben, in den Vorzimmern Lachen oder Weinen zu erregen, dann würden wir über gewisse Einzelheiten hinweggehen, welche frivole oder flüchtige Geister langweilig nennen können; aber da wir Anspruch darauf machen, dass unsere Bücher, wenn auch nicht während unseres Lebens, doch wenigstens nach unserem Tode, einen Platz in den Bibliotheken erhalten, erbitten wir von unseren Lesern die Erlaubnis, ihnen zu Anfang dieses Capitels eine Übersicht von der Lage Europas vorzulegen, eine Übersicht, welche als Vorbereitung zu unserem zweiten Teile notwendig ist und welche durch die Rückblicke auch zum Verständnis des ersten nicht überflüssig sein wird.
Seit den letzten Jahren der Negierung Heinrichs IV. und seit den ersten der Regierung des Ministers Richelieu hatte Frankreich nicht nur einen Rang unter den Grußmächten eingenommen, sondern es war auch der Punkt geworden, auf den sich alle Blicke richteten und, durch seine Intelligenz schon an der Spitze der anderen Königreiche Europas, stand es am Vorabend, diesen Platz auch als materielle Macht einzunehmen.
Sagen wir nun m einigen Zeilen, wie die Lage des übrigen Europa war.
Beginnen wir mit dem großen religiösen Mittelpunkt, der seine Strahlen zugleich auf Österreich, Spanien und Frankreich warf; beginnen wir mit Rom.
Der, welcher weltlich über Rom, geistig über die ganze katholische Welt herrschte, war ein kleiner mürrischer Greis, sechzig Jahre alt, Florentiner und geizig wie alle Florentiner, vor Allem Italiener, vor Allem Fürst, ganz besonders aber vor Allem Onkel. Er dachte daran, Stücke Land für den heiligen Stuhl und Reichtümer für seine Neffen zu erringen. von denen drei Kardinäle waren: Franz und die beiden Anton, und für den vierten, Thaddäus, General der päpstlichen Truppen. Um die Anforderungen dieses Nepotismus zu befriedigen, wurde Rom der Plünderung preisgegeben.
»Was die Barbaren nicht taten,« sagt Morforio, dieser Cato der Censor für die Päpste, »das taten die Barberini.« – In der Tat hat Mattero Barberini, zum Papst unter dem Namen Urban VIII. erhoben, mit dem Patrimonium des heiligen Petrus das Herzogtum vereinigt, dessen Namen er trug. Unter ihm blühte die Gesellschaft Jesu und die Propaganda, begründet durch den Neffen Gregors XV., Monsignor Ludoviso, und unter dem Namen und der Fahne Ignaz Loyola die Polizei des Weltalls durch die Gesellschaft Jesu organisierend, sowie dessen Eroberung durch die Propaganda. Daraus entsprangen jene Heere von Predigern, welche zärtlich für die Chinesen und grausam für Europa waren. Für den Augenblick suchte Urban VIII., ohne sich persönlich voranstellen zu wollen, die Spanier in ihrem Herzogtum Mailand zurückzuhalten und die Österreicher zu verhindern, die Alpen zu überschreiten. Er trieb Frankreich an, Mantua zu unterstützen und Casale, welches belagert wurde, zu entsetzen; aber er weigerte sich, ihm dabei mit einem einzigen Mann oder mit einem einzigen Bajocco Hilfe zu leisten. In seinen freien Augenblicken verbesserte er die geistlichen Lobgesänge, oder er dichtete anacreontische Lieder.
Seit 1624 hat Richelieu ihn gemessen und über seinen Kopf hinweg die Nichtigkeit Roms erkannt und jene zitternde Politik gewürdigt, welche ihren religiösen Zauber bereits verloren hatte und die geringe ihr noch bleibende materielle Macht bald von Österreich entlehnte, bald von Spanien.
Seit dem Tode Philipps II. verbirgt Spanien seinen Verfall durch große Worte und ein vornehmes Wesen. Es hat zum König Philipp IV., den Bruder Annas von Österreich, eine Art Müßiggänger-Monarch, der unter seinem Minister, dem Grafen von Olivarez, ebenso regiert, wie Ludwig XIII. unter dem Kardinal Herzog von Richelieu. Nur ist der französische Minister ein Mann von Genie, der spanische aber ein politischer Wagehals. Von seinem Westindien, welches unter den Regierungen Carls V. und Philipps II. Ströme von Gold ergoß, bezieht Philipp IV. kaum fünfmal-hunderttausend Taler. Hein, der Admiral der vereinigten Niederlande, hat soeben in dem Golf von Mexiko Schiffe in Grund gebohrt, welche an Bord Goldbarren führten, deren Werth mau auf mehr als zwölf Millionen schätzte.
Spanien ist so außer Atem, dass der kleine Savoyardenherzog, der bucklige Carl Emanuel, den man spottend den Fürsten der Murmeltiere nennt, schon zweimal in seiner Hand das Geschick dieses hochtrabenden Reiches hielt, von dem Carl V. rühmte, dass die Sonne in demselben nie unterginge. Gegenwärtig ist es nicht einmal mehr Cassirer Ferdinands II., dem es erklärt, dass es ihm kein Geld mehr geben kann. Die Scheiterhaufen Philipps II., des Königs der Flammen, haben das Menschenmark ausgetrocknet, welches während der vorhergehenden Jahrhunderte überreich vorhanden war, und Philipp III. bat durch die Vertreibung der Mauren die fremden Keime ausgerottet, durch die es wieder aufleben konnte. Einmal war Spanien gezwungen, sich mit Räubern zu verständigen, um Venedig niederzubrennen. Sein großer Feldherr ist Spinola, ein italienischer Condottieri, sein Gesandter ein flamändischer Maler, Rubens.
Deutschland ist seit dem Beginn des dreißigjährigen Krieges, das heißt seit 1618, ein Menschenmarkt, Im Osten, im Norden, im Westen und in dem Mittelpunkt sind drei oder vier Werbestellen errichtet, an denen man Menschenfleisch verkauft. Jeder Verzweifelnde, der sich nicht selbst umbringen oder Mönch werden will, was im Mittelalter Selbstmord war, braucht nur über den Rhein, die Weichsel oder die Donau zu gehen und er findet Gelegenheit, sich zu verkaufen, aus welchem Lande er auch sei.
Der Markt im Osten wird durch den alten Bethlen Gabor gehalten, der sterben wird, nachdem er in zweiundvierzig Schlachten gefochten hat, sich König nennen ließ und die militärischen Verkleidungen erfand: die Bärenmützen und die hängenden Ärmel der Husaren, durch die man sich gegenseitig Furcht einzuflößen sucht; seine Armee ist die Schule, aus welcher die leichte Kavallerie hervorging. Was verspricht er seinen Angeworbenen? Keinen Sold und keine Lebensmittel, denn es ist ihre Sache, zu essen und sich zu bereichern, wie sie können. Er gibt ihnen den Krieg ohne Gesetze: die Unendlichkeit des Zufalles!
Im Norden wird der Markt von Gustav Adolf gehalten, dem guten, dem lustigen Gustav Adolf, der, ganz im Gegensatz zu Bethlen Gabor, die Plünderer hängen lässt; den berühmten Feldherrn, den Schüler des Franzosen Lagarde, und der soeben durch seine Siege über Polen die Festungen Lithauens und Polnisch-Preußens eingenommen hat. Er ist im Augenblick beschäftigt, sich mit den Protestanten Deutschlands gegen den Kaiser Ferdinand II. zu verbünden, den Todfeind der Protestanten, gegen die er das Restitutions-Edict erlassen hat, welches als Muster für das Edict von Nantes dienen könnte, welches Ludwig XIV. fünfzig Jahre später erlassen wird.
Gustav Adolf ist der Herr seiner Zeit; wir sprechen von ihm in militärischer Beziehung; er ist der Schöpfer des modernen Krieges; er hat weder das grämliche Genie Coligni's, noch den Ernst Wilhelms des Schweigsamen, noch die wilde Schärfe eines Moriz von Nassau; seine Heiterkeit ist unwandelbar und das Lächeln umspielt seine Lippen selbst mitten in der Schlacht. Sechs Fuß hoch und im Verhältnis wohlbeleibt, bedurfte er ungeheuer großer Pferde. Seine Dickleibigkeit war ihm zuweilen im Wege, aber sie leistete ihm auch zuweilen Dienste: eine Kugel, welche Spinola, den magern Genuesen, getödtet haben würde, drang in sein Fett ein, welches sich über ihr schloss und man hörte nicht wieder von ihr sprechen.
Den Markt des Westens hielt Holland, welches unter sich uneinig war. Es hatte zwei Köpfe: Barnevelt und Moriz, und es schlug sie ab. Barnevelt, Freund der Freiheit, besonders aber des Friedens, Oberhaupt der Partei der Provinzen, Anhänger der Decentralisation und folglich der Schwäche, Gesandter bei Elisabeth, bei Heinrich IV. und bei Jacob I., hatte durch den Letztern den vereinigten Staaten Briel, Flessingen und Ramekens zurückgeben lassen und starb als Ketzer und Verräther auf dem Schafott.
Moriz, der Holland zehnmal gerettet, aber Barnevelt getödtet hatte, und der durch diesen Mord seine Popularität verlor, hielt sich für geliebt, wurde aber gehasst. Eines Morgens ging er in Gorkum über den Markt und grüßte lächelnd das Volk, Er glaubte, dass nach diesem Gruß das Volk freudig den Hut in die Luft werfen und rufen würde: »Es lebe Nassau!« – aber das Volk blieb stumm und behielt den Hut aus dem Kopfe. Von diesem Augenblicke an tödtete ihn seine Unpopularität; der unermüdliche Wacher, der gegen die Gefahr fühllose Feldherr, der Mann mit dem festen Schlafe, mit der Wohlbeleibtheit, magerte ab, schlief nicht mehr und starb. Sein jüngerer Bruder, Friedrich Heinrich, folgte ihm und nahm als Teil der Erbschaft den Menschenmarkt wieder auf: Kleines Werbebureau, wenig Angeworbene, aber gewählt, gut bekleidet und verpflegt, regelmäßig bezahlt, führten sie einen ganz strategischen Krieg auf den Dämmen der Sümpfe und waren im Stande, um ein elendes Nest wissenschaftlich zu belagern, zwei Jahre lang bis an die Knie im Wasser zu stehen. Die braven Leute schonten sich, aber die sparsame Regierung Hollands scheute sie noch mehr, wie sie sich selbst. Denen, welche sich dem Feuer der Kanonen und der Musketen aussetzten, riefen die Führer zu: »He da! dort unten! Lasst Euch nicht tödten! Jeder von Euch vertritt für uns ein Capital von dreitausend Francs.«
Aber der Hauptmarkt ist weder im Osten, noch im Norden, noch im Westen: er ist im Mittelpunkt Deutschlands selbst; er wird von einem Manne zweifelhaften Stammes gehalten, von einem Führer der Plünderer und Banditen, aus dem Schiller einen Helden gemacht hat. Ist er Slave oder Deutscher? Sein runder Kopf und seine blauen Augen sagen: Ich bin ein Sklave. Sein rötlich-blondes Haar sagt: Ich bin ein Deutscher. Sein olivenfarbiges Gesicht sagt: Ich bin ein Böhme.
In der Tat ist dieser magere Soldat, dieser Feldherr mit dem finsteren Gesicht, der Wallenstein unterzeichnet, in Prag geboren; er ist unter Trümmern, unter Brandstiftung und Gemetzel geboren und besitzt daher auch weder Treue noch Glauben. Und dennoch hat er einen Glauben oder vielmehr drei: er glaubt an die Sterne, an den Zufall, an das Geld. Er hat die Soldatenherrschaft in Europa eingeführt, wie die Sünde die Herrschaft des Todes über die Welt einführte. Bereichert durch den Krieg, begünstigt durch Ferdinand II., der ihn ermorden lassen wird, gehüllt in einen Fürstenmantel, besitzt er weder die Heiterkeit Gustav Adolfs, noch die bewegliche Physiognomie Spinola's; durch das Geschrei, die Klagen, die Tränen der Weiber, durch die Anklagen, die Drohungen, die Verwünschungen der Männer wird er weder gerührt noch erzürnt. Er ist ein blindes und taubes Gespenst, ja noch Schlimmeres: er ist ein Spieler, der erriet, die Königin der Welt sei die Lotterie. Er lässt die Soldaten um Alles spielen: um das Leben der Männer, die Ehre der Frauen, das Blut der Völker, Wer eine Peitsche in der Hand hat, ist Fürst; wer ein Schwert an der Seite trägt, ist König. Richelieu hat längere Zeit diesen Dämon studiert; er zählt in einer Lobrede auf ihn die Reihe der Verbrechen auf, die er nicht beging, aber begehen ließ, und um seine teuflische Gleichgültigkeit zu charakterisieren, sagte er sehr bezeichnend von ihm: »Und bei alle dem nicht boshaft!«
Um mit Deutschland.zu Ende zu kommen, so geht der dreißigjährige Krieg seinen Gang; seine erste Periode, die der Pfalz, endet 1623, Der Kurfürst von der Pfalz, Friedrich V., von dem Kaiser geschlagen, hat durch eine Niederlage die Krone Böhmens verloren. Die dänische Periode ist dem Ende nahe; Christian IV., König von Dänemark, ist im Kampfe gegen Wallenstein und Tilly und in einem Jahre wird die schwedische Periode beginnen.
Gehen wir daher zu England über.
Obgleich reicher wie Spanien, ist England doch nicht weniger krank wie dieses. Der König liegt zugleich im Streite mit seinem Lande und mit seiner Gemahlin; er ist halb entzweit mit seinem Parlamente, das er auflösen will, und ganz entzweit mit seiner Frau, die er uns zurückzuschicken beabsichtigt.
Carl I. hatte Henriette von Frankreich geheiratet, das einzige der legitimen Kinder Heinrichs IV., welches zuverlässig von ihm war. Madame Henriette war eine kleine Brünette, lebhaft, geistreich, mehr angenehm als verführerisch, mehr hübsch als schön! zänkisch und starrköpfig, sinnlich und galant; sie hatte eine sehr bewegte Jugend gehabt.
Als Bérulle sie mit siebzehn Jahren nach England führte, riet er ihr, sich die büßende Magdalena zum Muster zu nehmen. Aus Frankreich kommend, fand sie England traurig und wild; an unser lärmendes und lustiges Volk gewöhnt, erschienen die Engländer ihr finster und kalt; ihr Mann gefiel ihr sehr wenig; sie betrachtete als eine Buße ihre Heirat mit einem mürrischen und heftigen Könige, der ein starres, hochmütiges und kaltes Gesicht hatte; Carl I., der durch seine Mutter Däne war, hatte in den Adern etwas von dem Eis des Poles; bei diesem ehrenhaften Manne versuchte sie ihre Herrschaft durch kleine Zwistigkeiten, und da sie sah, dass der König ihr immer zuerst wieder kam. versuchte sie größere.
Ihre Verheiratung war eine katholische Invasion. Bérulle, der sie ihrem Gemahl zuführte und ihr dm guten Rat erteilte, bei ihrer Reue die der büßenden Magdalena zum Muster zu nehmen, wusste durchaus nichts von dem Hasse der englischen Nation gegen den Papismus, und war erfüllt von den Hoffnungen, welche bei ihm ein französischer Bischof erweckt hatte, den der schwache Jacob in London das Hochamt halten ließ, wo er an einem Tage achtzehn hundert Katholiken firmierte. Er glaubte daher, dass man Alles fordern könnte, und verlangte, dass die Kinder, selbst wenn sie katholisch wären, auf dem Throne folgten, dass sie bis zum Alter von dreizehn Jahren in den Händen ihrer Mutter blieben, dass die junge Königin einen Bischof erhielte, dass dieser Bischof und sein Clerus sich in ihren Gewändern in den Straßen Londons zeigen durften, und aus der Bewilligung aller dieser Forderungen entsprang das Resultat, dass die Königin den Boden verkannte, auf welchem sie sich bewegte und dass Carl I. in ihr statt einer liebenden, anmutigen und unterwürfigen Gemahlin eine trockene und traurige Katholikin fand, die das eheliche Lager in einen theologischen Lehrstuhl verwandelte und die Begierden des Königs den Fasten unterwarf, nicht nur denen der Kirche, sondern auch denen, der Controverse.
Das war noch nicht Alles. An einem schönen Morgen durchzog sie London seiner ganze Länge nach,, um mit ihrem Bischof, ihren Almosenieren, ihren Frauen, an dem Fuße des Galgens von Tyburn niederzuknien, wo zwanzig Jahre zuvor, nach der Pulververschwörung, der Pater Garnet und dessen Jesuiten gehängt worden waren; und vor den Augen des empörten London verrichtete sie hier ihre Gebete für die Seelenruhe dieser erhabenen Mörder, welche mit Hilfe von sechsunddreißig Fässern Pulver mit einem einzigen Schlage den König, die Minister und das Parlament in die Luft sprengen wollten.
Der König konnte nicht an diese Beleidigung glauben, die der öffentlichen Moral und der Staatsreligion zugefügt morden war; er geriet in einen jener heftigen Zornanfälle, die Alles vergessen lassen oder die vielmehr an Alles erinnern, Er schrieb:
»Man jage wie wilde Tiere diese Priester fort und diese Weiber, die am Galgen für die Mörder beten.«
Die Königin schrie und weinte, ihre Bischöfe und ihre Almoseniere excommunicirten und verfluchten, die Frauen klagten wie die Töchter Sions, die man in die Sclaverei schleppte, wahrend sie im Grunde ihres Herzens vor Verlangen starben, nach Frankreich zurückzukehren.
Die Königin eilte an das Fenster, um ihnen ein Lebewohl zuzuwinken. Carl I., der in diesem Augenblicke in ihr Zimmer trat, bat sie, nicht dies Ärgernis zu geben, und die Königin schrie nur noch lauter. Der König fasste sie um den Leib, um sie von dem Fenster zu entfernen; sie klammerte sich an die Gitterstab; Carl riß sie mit Gewalt davon los; die Königin wurde ohnmächtig, indem sie ihre blutenden Hände zum Himmel erhob, um die Rache Gottes auf ihren Gemahl herabzuflehen. Gott antwortete darauf an dem Tage, an welchem Carl durch ein anderes Fenster, das von White-Hall, auf das Schafott schritt.
Aus diesem Zwiste zwischen Mann und Frau entstand unsere Veruneinigung mit England; Carl I. wurde von allen Königinnen der Christenheit wie ein britischer Blaubart in den Bann getan, und Urban VIII. sagte auf die zweifelhafte Angabe einer schmerzlichen Hautverletzung hin zu dem spanischen Gesandten:
»Ihr Gebieter ist verpflichtet, für eine trauernde Fürstin das Schwert zu ziehen, oder er ist weder Katholik noch Ritter.«
Die junge Königin von Spanien, die Schwester Henriettens, schrieb ihrerseits an den Kardinal Richelieu, um dessen Galanterie zur Hilfe einer unterdrückten Königin anzurufen; die Infantin von Brüssel und die Königin-Mutter schrieben an den König und Bérulle wirkte auf das Alles ein; man hatte keine Mühe, Ludwig XIII,, der schwach war, wie alle kleinen Geister, zu überreden, dass die Vertreibung dieser Franzosen eine Beschimpfung seiner Krone sei: Richelieu allein blieb fest. Daher der Beistand, welchen England La Rochelle leistete, die Ermordung Buckingham's, die Herzenstrauer Annas von Österreich und jenes allgemeine Bündnis der Königinnen und der Prinzessinnen gegen Richelieu.
Kehren wir jetzt nach Italien zurück, wo wir die Erklärung aller der Briefe, welche wir den Grafen von Moret der Königin-Mutter und Gaston von Orleans überbringen sahen, finden werden, und eben so auch die Erklärung der politischen Lage von Montferrat und von Piemont und zwar durch die Auseinandersetzung der einander widersprechenden Interessen des Herzogs von Mantua und des Herzogs von Savoyen.
Der Herzog von Savoyen, Carl Emanuel, um so ehrgeiziger, je kleiner sein Gebiet war, hatte dieses gewalttätig durch das Marquisat Saluzzo vergrößert. Er ging nach Frankreich, um die Rechtmäßigkeit seiner Eroberung zu verteidigen; da er aber in dieser Beziehung nichts von Heinrich IV. erlangen konnte, nahm er Teil an der Verschwörung Biron's, welche nicht nur ein Hochverrat an dem Könige war, sondern auch ein Hochverrat an dem Vaterlande, da es sich darum handelte, Frankreich zu zerstückeln.
Alle Provinzen des Südens sollten Philipp III. gehören.
Biron erhielt Burgund, die Franche-Comté und eine spanische Infantin zur Gemahlin.
Der Herzog von Savoyen empfing das Gebiet von Lyon, die Provence und die Dauphinée.
Die Verschwörung wurde entdeckt; Biron's Kopf fiel.
Heinrich IV. würde den Herzog von Savoyen in dessen Staaten in Ruhe gelassen haben, wäre dieser nicht durch Österreich zum Kriege getrieben worden. Es galt, Heinrich zu zwingen, wegen Geldmangel Maria von Medicis zu heiraten.
Heinrich entschloss sich dazu, empfing die Mitgift, schlug den Herzog von Savoyen auf's Haupt, zwang ihn zu Friedensunterhandlungen und ließ ihm zwar das Marquisat Saluzzo, nahm ihm aber ganz Bresse, Busay, Valromay, das Land Gex, die beiden Ufer der Rhone, von Genf bis Saint-Genix und endlich das Schloss Dauphin, welches auf dem Gipfel des Tales von Vraita liegt.
Außer Chateau-Dauphin hatte Carl Emanuel in Piemont nichts verloren; statt auf beiden Seiten der Alpen Besitzungen zu haben, bewahrte er nur noch die östliche Seite, aber er blieb Herr der Pässe, welche von Frankreich nach Italien führten.
Bei dieser Gelegenheit taufte der geistreiche Bearner den Herzog Carl Emanuel mit dem Titel: »Fürst der Murmeltiere,« weil diese ihm blieben.
Von da ab musste der »Fürst der Murmeltiere« sich als einen italienischen Fürsten betrachten.
Es handelte sich für ihn nur noch darum, sich in Italien zu vergrößern.
Er unternahm hier mehrere fruchtlose Versuche, als sich ihm eine Gelegenheit bot, die er nicht nur für günstig, sondern sogar für unfehlbar hielt.
Franz von Gonzaga, Herzog von Mantua und von Montferrat, starb und hinterließ aus seiner Ehe mit Margarethe von Savoyen, der Tochter Carl Emanuels, nur eine einzige Tochter,
Der Großvater verlangte die Vormundschaft über das Kind für die Witwe Montferrat's. Er rechnete darauf, die Erbin später mit seinem ältesten Sohne, Victor Amadeus, zu verheiraten und so Mantua und Montferrat mit Piemont zu vereinigen. Aber der Herzog Ferdinand von Gonzaga, der Bruder des verstorbenen Herzogs, eilte von Rom herbei, bemächtigte sich der Regentschaft und ließ seine Nichte in dem Schlosse Goito einsperren, um zu verhindern, dass sie in die Gewalt ihres mütterlichen Oheims fiele.
Der Kardinal Ferdinand starb auch und es entstand ein Augenblick der Hoffnung für Carl Emanuel; aber der dritte Bruder, Vincenz von Gonzaga, nahm die Erbschaft in Anspruch und bemächtigte sich derselben.
Carl Emanuel fasste Geduld; der neue Herzog war kränklich und konnte nicht lange leben. Er wurde in der Tat krank und Carl Emanuel hielt sich diesmal für gewiss, Montferrat und Mantua zu erlangen.
Aber er sah das Gewitter nicht, welches sich über seinem Haupt auf dieser Seite der Berge zusammenzog.
Es gab in Frankreich einen gewissen Ludwig von Gonzaga, Herzog von Nevers, das Haupt einer jüngeren Linie; er hatte einen Sohn gehabt, Carl von Nevers, der Oheim der drei letzten Herrscher von Montferrat war; dessen Sohn,, der Herzog von Rethellois, war folglich der Vetter Marias von Gonzaga, der Erbin von Mantua und Montferrat.
Das Interesse des Kardinal Richelieu— und dessen Interesse war immer gleichbedeutend mit dem Frankreichs – das Interesse des Kardinal Richelieu verlangte, dass sich unter den Mächten der Lombardei, die stets bereit waren, sich für Spanien oder Österreich zu erklären, jederzeit auch ein eifriger Anhänger der Lilien befände. Der Marquis von Saint-Chamont, der französische Gesandte bei Vincenz von Gonzaga, empfing seine Instruktionen und Vincenz von Gonzaga ernannte sterbend den Herzog von Nevers zu seinem Universalerben.
Der Herzog von Rethellois nahm im Namen seines Vaters die Erbschaft unter dem Titel eines Generalvicars in Besitz und die Prinzeß Maria wurde nach Frankreich geschickt, wo man sie unter die Aufsicht Katharinens von Gonzaga stellte, verwitwete Herzogin von Longueville, Gemahlin Heinrichs I. von Orleans und daher Tante Maria's, da sie die Tochter eben jenes Carl von Gonzaga war, der zum Herzog von Mantua berufen wurde.
Zu den Mitbewerbern Carls von Nevers gehörte Cäsar von Gonzaga, Herzog von Guastalla, dessen Großvater angeklagt worden war, den Dauphin, älteren Bruder Heinrichs II., vergiftet und den nichtswürdigen Peter Ludwig Farnese ermordet zu haben, Herzog von Parma und Sohn des Papstes Paul III.
Den andern Mitbewerber kennen wir; es war der Herzog von Savoyen,
Diesen näherte die Politik Frankreichs augenblicklich an Österreich und Spanien. Die Österreicher hielten das Mantuanischc besetzt und Don Gonzales von Cordova verpflichtete sich, den Franzosen die von ihnen besetzten Plätze Casale, Nizza, Monte Calvo und die Brücke über den Stura wieder abzunehmen.
Die Spanier eroberten Alles, ausgenommen Casale, und der Herzog von Savoyen war binnen zwei Monaten Herr des ganzen Gebietes zwischen dem Po, dem Tanaro und dem Belbo.
Das Alles geschah während der Belagerung von Rochelle.
Da schickte Frankreich für den Grafen von Rethellois jene 16,000 Mann ab, welche der Marquis von Uxelles commandirte, und die zum großen Verdruss des Kardinals durch Carl Emanuel zurückgetrieben wurden, da es ihnen durch die Nachlässigkeit oder vielmehr durch die Verrätherei Créqui's an Lebensmitteln und Sold mangelte.
Aber es blieb dem Kardinal im Mittelpunkt Piemonts noch eine Stadt, welche sich tapfer gehalten hatte und in der noch immer die Fahne Frankreichs wehte; das war Casale, verteidigt durch einen braven und treuen Führer, welcher sich Chevalier von Gurron nannte.
Ungeachtet der ganz entschiedenen Erklärung Richelieus, dass Frankreich die Rechte Carls von Nevers vertreten wollte, hegte der Herzog von Savoyen große Hoffnungen, dass dieser Prätendent eines oder des andern Tages von dem Könige Ludwig XIII. verlassen werden würde, denn er kannte den Hass, den Maria von Medicis gegen ihn hegte, weil er sich einst geweigert hatte, sie zu heiraten und zwar unter dem Vorwand, die Medicis wären durch ihre Geburt nicht geeignet, sich mit den Gonzaga's zu vermählen, welche bereits Fürsten waren, bevor die Medicis Edelleute wurden.
Jetzt kennt man die Ursachen der Feindseligkeiten, durch die der Herzog von Richelieu verfolgt wurde und über welche er sich seiner Nichte gegenüber so bitter beschwerte.
Die Königin-Mutter hasste den Kardinal aus vielen Gründen; der erste und wichtigste war, dass er einst ihr Geliebter gewesen, aber aufgehört hatte, es zu sein; dass er ihr anfangs in allen Dingen gehorchte, jetzt aber ihr überall entgegenstand; dass Richelieu die Erhöhung Frankreichs und die Erniedrigung Österreichs wollte, sie aber die Erhöhung Österreichs und die Erniedrigung Frankreichs; und endlich dass Richelieu einen Herzog von Mantua aus dem Herzog von Nevers zu machen beabsichtigte, aus dem ihrem Willen nach wegen des alten Grolles, den sie gegen denselben hegte, nichts gemacht werden sollte.
Die Königin Anna von Österreich hasste den Kardinal, weil er ihre Liebschaft mit Buckingham gestört, die ärgerlichen Auftritte in den Gärten von Amiens veröffentlicht, Frau von Chevreuse, ihre gefällige Freundin, von ihr vertrieben und die Engländer geschlagen hatte, mit denen ihr Herz war, welches Frankreich niemals liebte; weil sie ihn, wenn sie es nicht laut zu sagen wagte, in dem Verdacht hatte, dass er das Messer Fultons, gegen die Brust des schönen Herzogs lenkte, und endlich, weil er beständig ihre neuen Liebschaften überwachte und weil sie wusste, dass ihre verborgensten Handlungen für ihn kein Geheimnis blieben.
Der Herzog von Orleans hasst den Kardinal von Richelieu, weil er weiß, dass dieser ihn als ehrgeizig, feig und boshaft kennt, dass er mit Ungeduld auf den Tode seines Bruders wartet, und dass er fähig ist, denselben bei Gelegenheit zu beschleunigen; weil er ihm dm Zutritt zu dem Conseil genommen hat; weil er seinen Lehrer Ornano einkerkern und seinen Mitschuldigen Chalais enthaupten ließ und weil er ihn, zur einzigen Strafe dafür, ihm nach dem Leben zu streben, bereichert und entehrt hat, Übrigens liebte der Herzog von Orleans Niemand, als sich selbst und er rechnete darauf, wenn sein Bruder sterben sollte, die Königin, welche sieben Jahre alter war, in dem Falle zu heiraten, wenn sie guter Hoffnung wäre.
Der König endlich hasste den Kardinal, weil er fühlte, dass an demselben Alles Genie, Patriotismus, wahre Liebe zu Frankreich sei, während bei ihm Alles nur Egoismus, Gleichgültigkeit, Untergeordnetheit war und weil er, so lange der Kardinal lebte, gar nicht regieren würde, schlecht aber nach dem Tode des Kardinals; Eines jedoch führte ihn beständig wieder zu dem Kardinal zurück, von welchem man ihn unablässig zu entfernen strebte.
Man fragt sich, welches der Liebestrank war, den er ihm reichte, der Talisman den er ihm um den Hals hing, der Zauberring, den er ihm an den Finger steckte! – Dieses Zaubermittel ist seine stets mit Gold gefüllte, stets für den König geöffnete Kasse, Concini hatte ihn im Elend gelassen, Maria von Medicis in Verlegenheit und Ludwig XIII. besaß niemals Geld; der Zauberer berührte mit seinem Stab die Erde und der Pactolus sprang empor vor den Augen des Königs, der von da ab stets Geld hatte, sogar wenn Richelieu selbst keines besaß.
In der Hoffnung, dass es jetzt für unsere Leser auf ihrem Schachbrett eben so deutlich ist, wie auf dem Richelieus, wollen wir unsere Erzählung da wieder ausnehmen, wo wir sie zu Ende des vorigen Capitels fallen ließen.