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Erster Teil
IX.
Ludwig XIII

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Wir glauben, dass die Zeit gekommen ist, unsern Lesern den König Ludwig XIII. vorzustellen, und sie werden uns verzeihen, wenn wir dieser eigentümlichen Persönlichkeit ein ganzes Capitel widmen.

Ludwig XIII., geboren am 27. September 1601, also zu der Zeit, von der wir erzählen, in einem Alter von 27 Jahren und drei Monaten, war eine lange, trübselige Figur von braunem Teint, mit einem großen schwarzen Schnurrbart. Kein Zug, weder seiner Physiognomie noch seines Charakters, erinnerte an Heinrich IV., ja nicht einmal an den Franzosen. Da war keine Spur von Fröhlichkeit, von Jugend. Die Spanier erzählen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass er der Sohn Virginio Orsini's, Herzogs von Bracciano, eines Cousins Marias von Medicis. sei. In der Tat hatte Maria von Medicis, als sie, bereits 27 Jahre zählend, nach Frankreich abreiste, von ihrem Oheim, dem Kardinal Ferdinand, welcher, um den Thron von Toscana zu besteigen, seinen Bruder Franz und seine Schwägerin Bianca Capello vergiftet hatte, ein Schreiben folgenden Inhaltes erhalten:

»Meine teure Nichte! Ihr seid im Begriffe, einen König zu heiraten, der seine erste Frau verstieß, weil sie ihm keine Kinder gebar. Ihr habt eine Reise vor Euch, die einen Monat währen wird; in Eurer Begleitung befinden sich drei hübsche Jungen; der Eine ist Virginio Orsini, der bereits Euer Cicisbeo ist. ferner Paolo Orsini, endlich Concino Concini. Sucht es so einzurichten, dass Ihr gesichert seid, von Eurem Gatten nicht verstoßen zu werden.«

Maria von Medicis hatte, wie die Spanier versicherten, den Rat ihres Oheims Punkt für Punkt befolgt. Sie hatte zehn Tage gebraucht, um von Genua nach Marseille zu gelangen, und obwohl Heinrich IV. nicht gerade sehr ungeduldig war, seine »dicke Banquiersfrau«, wie er sie nannte, zu sehen, fand er doch die Überfahrt etwas lang; der Dichter Malherbe aber hatte bald den Grund dieser Langsamkeit entdeckt; er schrieb sie der Liebe zu, welche Neptun für die königliche Braut fühlte, die er nicht sobald aus seinen Armen lassen wollte. Möglicher Weise war diese Entschuldigung nicht sehr logisch, aber Königin Margot hatte ihrem Gatten das Grübeln über ähnliche Entschuldigungen abgewöhnt.

Nach neun Monaten konnte der Großherzog Ferdinand sich beruhigen; er vernahm die Nachricht von der Geburt des Dauphins, dem man sofort den Beinamen »der Gerechte« beilegte, weil er unter dem Himmelszeichen der Wage zur Welt gekommen war.

Seit seiner Kindheit trug er den bei den Orsinis erblichen Trübsinn zur Schau, aber auch alle seine Anlagen verrieten seine italienische Abstammung; er war ein leidenschaftlicher Musiker, ein passabler Komponist und ein leidlicher Maler. Von schwächlichem Körperbau, wurde er in seiner Jugend den Experimenten von allerhand Ärzten und Quacksalbern ausgesetzt, woher es kam, dass er als junger Mann sehr kränklich war, und sogar zwei- oder dreimal dem Tode nahe kam. In einem Tagebuch, welches durch achtundzwanzig Jahre von seinem Arzte Hérouard geführt wurde, ist verzeichnet, was er Tag für Tag aß, womit er sich Stunde für Stunde beschäftigte. Seit seiner Kindheit verriet er wenig Herz, war hart, manchmal sogar grausam. Heinrich IV. züchtigte ihn zweimal mit seiner eigenen königlichen Hand, das erste Mal, als er gegen einen Edelmann so viel Abneigung gezeigt hatte, dass man, um ihm seinen Willen zu tun, eine blind geladene Pistole auf den Edelmann abschießen und den Dauphin glauben machen musste, derselbe sei todt auf dem Platze geblieben, das andere Mal, als er mit einem hölzernen Schlägel das Köpfchen eines Sperlings zerschmettert hatte.

Ein einziges Mal zeigte er seinen Willen, König zu sein, und betätigte denselben. Das war am Tage seiner Krönung. Man hatte ihm das Reichsscepter übergeben, welches sehr schwer war, da es aus massivem Gold und Silber bestand und mit Edelsteinen reich besetzt war. Seine Hand zitterte, als er es eine Weile hielt. Dies bemerkte der Prinz von Condé, der als der erste Prinz von Geblüt in seiner unmittelbaren Nahe stand, und wollte ihm die Hand unterstützen.

Aber Ludwig XIII. wandte sich lebhaft nach ihm um und sagte mit zornfunkelndem Blick:

»Ich habe die Absicht, das Scepter allein zu tragen, und brauche keinen Gehilfen!«

Seine Lieblingszerstreuung bestand darin, Elfenbeinkugeln zu drehen, Kupferstiche zu kolorieren, Kartenhäuser zu bauen oder in seinen Gemächern kleine Vögel durch einen gelben, abgerichteten Papagei jagen zu lassen. L'Etoile sagt von ihm mit Recht, dass er sich in allen seinen Handlungen allein sehr kindisches Kind erwies.

Seine beiden Hauptleidenschaften jedoch waren Musik und Gesang. In dem Tagebuch Hérouard's, einer sehr wenig gekannten Geschichtsquelle, heißt es: »Zu Mittag begibt er sich in die Galerie, um daselbst mit seinen Hunden Patelot und Grisette zu spielen.

»Um ein Uhr kehrt er nach seinen Zimmern zurück, lässt Ingret, seinen Lautenspieler, rufen, und macht gemeinschaftlich mit ihm Musik, indem er selbst zu seinem Spiele singt, denn er ist der Tonkunst leidenschaftlich ergeben.«

Manchmal reimte er, um sich zu zerstreuen, Sprichwörter und Sentenzen; hin und wieder forderte er auch seine Umgebung auf, Verse zu machen.

Wie alle melancholischen Charaktere, wusste er sich trefflich zu verstellen und gerade Denen, die er verderben wollte, zeigte er in dem Augenblicke, wo er seine Hand von ihnen abzog, sein gewinnendstes Lächeln.

Am 2. März, einem Montag des Jahres 1613, im Alter von zwölf Jahren, bediente er sich zum ersten Male der Lieblingsredensart Franz I., und schwor »auf Edelmanns Wort«. In eben diesem Jahre verlangte die Etiquette, dass man dem jungen Könige das Hemd reiche. Es war Courtauvaux, der es ihm übergab; einer seiner Genossen, wir können nicht sagen des Vergnügens, denn wir werden sogleich sehen, dass Ludwig XIII. sich nur zweimal in seinem Leben amüsirte.

Man erinnert sich, dass die Anklage gegen Chalais sagte: er hatte ihn vergiften wollen, indem er ihm das Hemd überwarf. In eben diesem Jahre wurde bei ihm durch den Marschall d'Ancre der junge Luynes eingeführt. Er hatte bisher zur Abwartung und Fütterung seiner Vögel nur einen einfachen Bauern gehabt; »einen Plattfuß von St. Germain Namens Pierrot,« sagt l'Etoile. Luynes wurde zum Oberfalconier ernannt, und Pierrot, der bis dahin allmächtig gewesen war, erhielt den Befehl, ihm zu gehorchen. Die Falken, Sperber, Weihen, Buntspechte und Papageien wurden zu Kabinettsvögeln ernannt, damit Luynes immer bei dem Könige bleiben könne, und aus jener Zeit datiert bei Ludwig XIII. eine solche Freundschaft für ihn, dass sein Oberfalconier ihn nicht nur vom Morgen bis zum Abend nicht verlassen durfte, sondern dass er sogar, wie Hérouard sagt, im Schlafe laut von ihm träumte, und seinen Namen rief, indem er ihn abwesend glaubte.

Wenn es Luynes nicht gelang, ihn zu unterhalten, so zerstreute er ihn doch wenigstens, indem er bei ihm die Neigung zur Jagd so sehr entwickelte, als dies die geringe Freiheit erlaubte, welche man den königlichen Kindern gewährt. Wir sahen, dass Ludwig in seinen Gemächern kleine Vögel mit einem gelben Papagei und Buntspechten jagte. Luynes ließ ihn in den Gräben des Louvre mit kleinen Windhunden Kaninchen jagen und auf der Ebene von Grenelle Weihe fliegen. Hier fing er – alle Daten sind von Wichtigkeit in dem Leben eines Königs von dem Charakter Ludwigs XIII. —. seinen ersten Reiher am 1. Januar, und am I. April desselben Jahres schoss er in Vaugirard sein erstes Rebhuhn.

Am Eingange des Pont dormant endlich, nahe dem Louvre, jagte er den ersten Menschen und tödtete Concini.

Wir wollen hier ein Blatt aus dem Tagebuch Hérouard's einflechten; es ist dadurch merkwürdig für den Philosophen, sowie für den Geschichtsschreiber, dass es angibt, was Ludwig XIN. Während des Montags, den 24. April 1617, tat, dem Tage, an welchem er statt der Kaninchen, der Reiher und der Rebhühner Menschen jagte.

Wir schreiben buchstäblich ab. Unsere Leser, besonders aber unsere Leserinnen, mögen sich dies gesagt sein lassen.

»Montag, den 24. April 1617. Aufgewacht um siebeneinhalb Uhr Morgens. Voller, gleichmäßiger Puls, leichte Wärme; aufgestanden, gutes Gesicht, gelber Urin, seine Geschäfte verrichtet, gekämmt, angekleidet, zu Gott gebetet; um acht ein halb Uhr gefrühstückt, vier Löffel Gelee, nichts getrunken, außer leichtem Wein und sehr gemischt.

»Den Marschall d'Ancre aus der Brücke des Louvre, zwischen zehn und elf Uhr des Morgens ermorden lassen.

»Um die Mittagsstunde gegessen; Spargel-köpfe als Salat, zwölf; vier Hahnenkämme in weißer Brühe; Löffel Suppe, zehn; Spargel-köpfe an einem gekochten Kapaun – gekochtes Kalbfleisch; das Mark eines Knochens; Sprossen, zwölf; die Flügel von zwei gebratenen Tauben; zwei Schnitt junges, gebratenes Huhn mit Prot; Gelee; Feigen, fünf; süße, getrocknete Kirschen, vierzehn; Quittenbrot; Brot wenig; getrunken sehr gewässerten Clairetwein; Fencheldragee – einen kleinen Löffel voll; unterhalten bis sieben ein halb Uhr.

»Seine Geschäfte verrichtet, gelb, weich, viel.

»Unterhalten bis neun ein halb Uhr.

»Tisane getrunken, entkleidet, zu Bett gegangen; voller, gleichmäßiger Puls; leichte, milde Wärme; zu Gott gebetet; um zehn Uhr eingeschlafen bis sieben Uhr.«

Nicht wahr, jetzt sind unsere Leser beruhigt über das arme Königskind; sie konnten befürchten und wir auch, dass die Ermordung des Geliebten seiner Mutter, des mehr als wahrscheinlichen Vaters seines Bruders Gaston, eines Connetable von Frankreich endlich, d. h. nach ihm, und vielleicht sogar vor ihm, eines der angesehensten Männer des Königreiches, ihm den Appetit oder die Heiterkeit geraubt hätte und dass er – die Hände von Blut gerötet – zögerte, zu Gott zu beten.

Doch keineswegs; sein Mittagessen wurde freilich um eine Stunde verzögert; aber er konnte nicht um elf Uhr zu gleicher Zeit am Tische sitzen und aus einem Fenster des Louvre zusehen, wie Vitry den Marschall d'Ancre ermordete. Sein Magen wurde zwar ziemlich erleichtert, doch das war eben die Wirkung, welche der Anblick des Feindes bei Heinrich IV. hervorbrachte. Dagegen aber hat er sich unterhalten von sieben bis sieben ein halb Uhr und dann: wieder von neun bis neun ein halb Uhr, was keineswegs in seinen Gewohnheiten lag.

Während der achtundzwanzig Jahre, während welcher der Doktor Hérouard ihn beobachtete, hat er sich nur diese beiden Male unterhalten.

Außerdem legte er sich mit einem vollen, gleichmäßigen Puls und einer leichten, milden Wärme zu Bett. Er betete zu Gott um zehn Uhr und schlief bis sieben Uhr Morgens, d. h. zehn Stunden. Das arme Kind!

Am nächsten Tage erwachte er daher auch als König. Dieser gesunde Schlaf verlieh ihm Kräfte und nachdem er am Tage zuvor eine männliche Tat vollbracht, übte er am Tage darauf eine königliche Tat aus.

Die Königin-Mutter fiel nicht nur in Ungnade, sondern wurde nach Blois verwiesen und durfte weder ihre Töchter, noch ihren viel geliebten Sohn, Gaston von Orleans, sehen; ihre Minister wurden entlassen und nur allein der Bischof von Lyon, welcher später der große Kardinal sein wird, erhielt die Erlaubnis;, ihr in das Exil zu folgen, wo er sich in das Herz, das nie leer bleiben konnte, einschlich und der Nachfolger Concini's wurde.

Ist aber Ludwig XIII. König, so ist er deshalb noch nicht Mann. Seit zwei Jahren mit der Infantin von Spanien, Anna von Österreich, vermählt, ist er nur dem Namen nach ihr Gatte.

Duraut, Provinzial-Kriegscommissär, mochte für ihn immerhin Ballette Komponieren, in welchen der König den Dämon des Feuers darstellte und der Königin die zärtlichsten Verse sang, so beschränkte sich doch auf diese seine ganze Galanterie.

In der Tat trug Ludwig XIII. ein mit Flammen bedecktes Gewand, aber wenn er dieses ablegte, um schlafen zu gehen, legte er die Flammen zugleich mit ab.

Da das Ballett: »Die Befreiung Renaud's« nichts bewirkt hatte, versuchte man es mit einem anderen Ballett unter dem Titel: »Die Abenteuer Tancred's in dem Zauberwalde.«

Diesmal erweckte die Choreographie des Herrn von Porchére den König ein wenig und seine Neugier ging so weit, dass er wünschte zu erfahren, wie die Dinge in einer Hochzeitsnacht zwischen wirklichen Ehegatten vorgehen. Herr d'Elbeuf und Fräulein von Vendôme führten für den König eine Probe von dem Stücke auf, welches er selbst noch nicht gespielt hatte. Aber nichts half. Der König blieb zwei Stunden lang in dem Zimmer der Eheleute auf deren Bett sitzen und kehrte dann ruhig in sein Junggesellengemach zurück.

Endlich war es Luynes, der, gedrängt durch den Gesandten Spaniens und den Nuntius des Papstes, die wichtige Sache übernahm, wobei er aber Denen, die ihn dazu bewogen, nicht verhehlte, dass er Gefahr liefe, dabei seinen Einfluss zu verlieren.

. Der Tag wurde auf den 25. Januar 1619 festgesetzt.

Das Tagebuch Hérouard's wird uns wieder die Verwendung dieses Tages sagen.

»Am 25. Januar 1619 stand der König, der nicht wusste, was seiner am Ende des Tages wartete, in vortrefflicher Gesundheit auf, mit gutem Gesicht und relativ heiter; er frühstückte um neun ein viertel Uhr; hörte die Messe in der Capelle von Latour; präsidierte dem Ministerrate; aß um zwölf Uhr zu Mittag; machte einen Besuch bei der Königin; ging durch die Galerie nach den Tuilerien; kehrte um vier ein halb Uhr auf demselben Wege in den Ministerrat!) zurück; ging zu Herrn von Luynes, um sein Ballett zu probieren; aß um acht Uhr zu Abend; machte wieder einen Besuch bei der Königin, verließ sie um zehn Uhr; kehrte in seine Gemächer zurück und legte sich zu Bett; kaum aber lag er, als Luynes in sein Zimmer trat und ihn ersuchte, wieder aufzustehen. Der König sah ihn so verwundert an, als hätte er ihm den Vorschlag gemacht, eine Reise nach China zu unternehmen. Aber Luynes bestand auf seinem Willen, sagte ihm, Europa fange an sich darüber zu beunruhigen, den Thron Frankreichs ohne Erben zu sehen, und es würde für ihn eine Schande sein, wenn seine Schwester, Madame Christine, welche soeben den Sohn des Herzogs von Piemont, den Prinzen Amadeus von Savoyen, geheiratet hatte, ein Kind bekäme, bevor die Königin einen Dauphin geboren. Aber da, alle diese Gründe, obgleich der König sie durch ein Kopfnicken billigte, noch nicht hinreichend waren, ihn zu bestimmen, nahm Luynes ihn ganz einfach auf die Arme und trug ihn dahin, wohin er nicht gehen wollte.«

Zweifelt man im Geringsten von der Welt an diesen Einzelheiten, die noch kein Geschichtsschreiber erzählt Hat und die jetzt ein Romanschreiber mitteilt, so lese man die Depeschedes Nuntius vom 30.Januar 1619 und man wird darin die folgende Phrase finden, die uns überzeugend zu sein scheint: »Luynes nahm ihn um den Leib und trug ihn sozusagen mit Gewalt zu dem Bette der Königin.«

Aber wenn Luynes bei dieser Angelegenheit nicht nur seinen Einfuß nicht verlor, sondern sogar den Titel eines Connetable gewann, so verlor er doch wenigstens seine Mühe, oder wurde nur sehr spät dafür belohnt. Der Dauphin, der um den Preis der Schnelligkeit mit dem Erstgeborene der Herzogin wetteifern sollte, und der so glühend gewünscht wurde, erblickte das Licht des Tages erst neunzehn Jahre darauf, d. h. 1638, und Luynes, der nicht des Glückes genießen sollte, den Baum, welchen er gepflanzt hatte, Früchte tragen zu sehen, starb zwei Jahre darauf an dem roten Friesel. Dieser Tod ließ Maria von Medicis freies Spiel. Sie kam nach Paris zurück und brachte Richelieu mit sich, der mittlerweile Kardinal geworden war, den sie in den Staatsrat einführte und der in einem Jahre Premierminister werden sollte.

Von diesem Zeitpunkte an ist es Richelieu, der regiert, und der, indem er sich sowohl gegen die spanische, als auch gegen die österreichische Politik erklärt, sich zu gleicher Zeit mit der Königin-Mutter, Maria von Medicis, und mit der Königin, Anna von Österreich, verfeindet. Der Hass verfolgt ihn von nun an, die Intrigen umgeben ihn, die Königin-Mutter hat ihr Ministerium, so gut wie der König und auch dieses ist von einem Kardinal prasidirt, dem Kardinal Bérulle, mit dem Unterschiede, dass Richelieu ein Genie und Bérulle ein unfähiger Mensch ist. Monsieur, den der Kardinal Richelieu verheiratete und dem er, um sich eine Stütze aus ihm zu machen, das ungeheure Vermögen des Fräulein von Montpensier verschaffte, konspiriert nun gegen ihn, ein Geheimrat wird gebildet, der Arzt Bouvard, der Nachfolger Hérouard's, eine der Königin ergebene Creatur, wird diesem bei gezogen, und Monsieur, welcher der Nachfolger Ludwigs XIII. werden soll, hält durch diesen Arzt gewissermaßen die eigene Hand am Puls des kranken Königs, denn Bouvard, ein Mann von echt spanischer Frömmigkeit, lebte in den Kirchen und war der böse Geist der Königinnen. Man begreift es bei Hofe, dass dieser düstere König, den die Langweile verzehrt, den die Sorgen aufreiben, welcher sich von Niemandem geliebt, von Vielen jedoch gehasst weiß, dem die Ärzte mit den energischen Heilmitteln damaliger Zeit zusetzten, der kein Mut hat, und dennoch in jedem Monate einen Aderlass erdulden muss, dass dieser König von einem Augenblick zum anderen von der Bühne des Lebens verschwinden kann. Wenn der König stirbt, hängt Richelieu von der Gnade seiner Feinde ab, das heißt, er ist in den nächsten vierundzwanzig Stunden verloren, und dennoch wollen diese Feinde nicht warten; man macht den Vorschlug, den Kardinal ermorden zu lassen; die Königin-Mutter unterstützt diesen Vorschlug; Frau von Conti kauft Dolche und die sanfte Anna von Österreich macht keine andere Einwendung, als die drei Worte: »Er ist Priester!«

Der König, welcher seit der Ermordung Heinrichs IV. seine Mutter hasst, seit Chalais Verschwörung seinem Bruder misstraut, seit ihren Liebeleien mit Buckingham, und besonders seit den Ärgernissen in den Gärten von Amiens, die Königin verachtet; der König, welcher seine Frau, und die Frauen überhaupt, nicht liebt, und wenn er auch keine von den Tugenden der Bourbons hat, doch auch nur halb die Laster der Valois besitzt, ist kälter und misstrauischer gegen seine Familie, wie je. Er weiß es, dass der italienische Krieg, den er, oder vielmehr den der Kardinal beginnen will, sowohl Maria von Medicis als auch seinem Bruder Gaston von Orleans missfällt, und dass er namentlich der Königin ein Gräuel ist, weil es eigentlich ein Krieg mit Ferdinand II. und Philipp IV. werden soll, und Anna zur Hälfte Österreicherin, zur Hälfte Spanierin ist.

Als daher die Königin unter dem Vorgeben heftiger Kopfschmerzen sich geweigert hatte, dem Ballett beizuwohnen, welches zu Ehren der Einnahme von La Rochelle, aus Anlass des Sieges ihres Gatten über ihren Liebhaber, getanzt wurde, war in dem Könige sofort der Verdacht aufgestiegen, sie sei nur zu Hause geblieben, um irgend eine neue Cabale anzuknüpfen. Während des Balletts hat er keinen Blick für die Tänzer und Tänzerinnen, wohl aber verwandte er kein Auge von der Königin-Mutter, die sich in ihrer Loge gewiss nicht von Dingen unterhielt, die ein choreographisches Interesse hatten. Als das Ballett zu Ende war, kam dem Könige die Idee, unangemeldet bei der Königin einzutreten, um sie wo möglich auf der frischen Tat der Konspiration zu ertappen.

So kam es, dass er, wie wir gesehen haben, höchst unerwartet in das Vorzimmer der Königin eintrat, und dem Grafen von Moret mit seiner Führerin kaum Zeit ließ, sich in das Kabinett zurückzuziehen.

Der König hielt sich nur fünf Minuten in dem Zimmer der Königin aus.

In diesen fünf Minuten ging Folgendes vor:

Eine Hofetiquette verbot, wenn der König und die Königin unter demselben Dach schliefen, die Zimmer der Königin während der Nacht zu verschließen. Der König hatte daher trotz der herrschenden Dunkelheit ohne Schwierigkeit die drei Türen geöffnet, welche zwischen dem Vorzimmer und dem Schlafgemache der Königin lagen.

In das Schlafgemach eintretend, hatte er den ganzen Raum mit scharfem, durchdringendem Blicke gemustert.

Überall war Alles in der gewöhnlichen Ordnung.

Die Königin schlief ruhig und ein leichter, regelmäßiger Atem hob ihre Brust, als Ludwig XIII., eifersüchtiger auf seine Königs- als auf seine Gattenrechte, sich dem Bette näherte.

Aber die Königinnen haben einen leisen Schlummer, und obwohl ein dichter flandrischer Teppich die Schritte, des Königs dämpfte, stockte der leise, regelmäßige Atem plötzlich, eine wundervoll geformte Hand schob die Bettvorhänge auseinander, die Königin öffnete die Augen, und als sie den nächtlichen Besucher erkannt hatte, rief sie mit vor Überraschung bebender Stimme:

»Wie? Ihr seid es. Sire?«

»Ich selbst, Madame,« sagte der König kalt.

»Und welchem glücklichen Zufalle,« fuhr die Königin fort, »verdanke ich die Gunst Eures Besuches?«

»Ihr ließt mir sagen, Madame, dass Ihr Euch unwohl befändet; beunruhigt durch diese Nachricht, wollte ich mich persönlich von Eurem Befinden überzeugen, und Euch außerdem sagen, dass ich weder morgen noch übermorgen, die Ehre haben kann, Euch zu besuchen.«

»Gehen Ew. Majestät auf die Jagd?« fragte die Königin.

»Nein, Madame; aber Bouvard hat angeordnet, dass ich nach allen diesen Festlichkeiten, die für mich nur Beschwerden sind, um meine Kräfte herzustellen, purgiren und zur Ader lassen muss; dies wird nun morgen und übermorgen stattfinden. Gute Nacht, Madame, und entschuldigt mich, Euch geweckt zu haben. Apropos! Wer hat heute den Nachtdienst bei Euch! Frau von Fargis oder Frau von Chevreuse

»Weder die Eine noch die Andere, Sire, sondern Fräulein Isabelle von Lautrec

»Ah, sehr gut,« sagte der König, als ob dieser Name ihm eine weitere Beruhigung gewährt hätte, »aber wo ist sie denn?«

»In einem Seitenzimmer, wo sie angekleidet schläft; befehlen Ew. Majestät, dass ich sie rufe?«

»Nein, ich danke; auf Wiedersehen, Madame!«

»Auf Wiedersehen, Sire!«

Und mit einem wahren oder geheuchelten Seufzer des Bedauerns ließ Anna von Österreich die Vorhänge ihres Bettes wieder zusammenfallen.

Ludwig XIII. bedeckte sein Haupt, welches er bei dem Antritte in das Gemach entblößt hatte, warf einen raschen Blick, der noch einen Rest von Misstrauen verriet, durchs Zimmer und ging dann hinaus, indem er sagte:, »Dieses Mal hat der Kardinal sich entschieden geirrt.«

In das Vorzimmer gelangend, wo ihn sein Gefolge erwartete, sagte er:

»Die Königin ist in der Tat sehr leidend; folgt mir, meine Herren!«

Und der kleine Zug setzte sich in derselben Ordnung, in der er gekommen war, wieder in Bewegung, um in die Gemächer des Königs zurückzukehren.

Der Graf von Moret

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