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Zweiter Teil
II.
Isabella und Marina

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Wie der Graf von Moret, ohne sie gesehen zu haben, ohne sie zu kennen, geahnt hatte, war Isabella von Lautrec vollkommen schön, aber diese Schönheit war von der der Prinzeß Marie ganz verschieden.

Die Prinzeß Marie war brünett und hatte blaue Augen. Isabella von Lautrec war im Gegenteil blond, hatte aber Augen, Wimpern und Brauen schwarz wie die Fittiche des Raben. Ihre blendend weiße, fast durchsichtige Haut hatte die Zartheit des Rosenblattes; ihr etwas langer Hals bewegte sich anmutig, feine weiße Händchen und eine wundervolle Taille harmonierten mit der Schönheit ihres Gesichts.

Als sie sich vor der Prinzeß wieder verbeugen wollte, schloss diese sie in ihre Arme und küsste sie auf die Stirn.

»Gott behüte,« sagte sie, »dass ich die Tochter eines der besten Diener meines Hauses, die mir eine gute Nachricht bringt, sich vor mir bücken ließe. Und nun, sehr teure Tochter meines Freundes, bitte ich Euch, mir zu sagen, ob Euer Vater die Nachrichten, die er Euch sendete, als für mich allein bestimmt bezeichnet, oder ob ich sie auch Denen, welche Uns lieben, mitteilen darf.«

»Ihr werdet aus der Nachschrift ersehen, Madame, dass er durch den Gesandten Sr. Majestät, La Saludie, ermächtigt ist, die Neuigkeiten, die er berichtet, in Italien zu Jedermanns Kenntnis zu bringen, woraus folgt, dass Madame sie auch in Frankreich verbreiten können.«

Die Prinzeß Marie warf einen fragenden Blick auf Frau von Combalet, welche durch ein bejahendes Kopfnicken die Wahrheit dessen, was die anmutige Botin soeben gesagt, bestätigte.

Marie las den Brief zuerst leise.

Während sie las, wandte das junge Mädchen, welches bis jetzt nur Augen für die Prinzeß gehabt und die übrigen dreißig Personen, die im Salon versammelt waren, nur so zu sagen durch eine Wolke gesehen hatte, den Kopf nach der Gesellschaft um und wagte es, dieselbe mit ihren Blicken zu überfliegen.

Bei dem Grafen von Moret angelangt, kreuzte sich ihr Blick mit dem seinigen, und aus beiden sprang jener elektrische Funke, welcher die Herzen unterwirft, so dass Beide zugleich den Schlag austheilten und empfingen.

Isabella erbleichte und stützte sich auf den Fauteuil der Prinzeß.

Der Graf von Moret sah ihre Erregung und hatte dabei die Empfindung, als höre er die Engel im Himmel Gloria singen.

Als der Huissier sie angemeldet hatte, war ihr Name genannt worden. Sie gehörte also jener alten und berühmten Familie der Lautrec an, deren Geschichte eben so umfang- und tatenreich war, wie die manches fürstlichen Hauses.

Sie liebte noch nie! Bis jetzt hatte er dies nur gehofft, nun war er dessen gewiss.

Die Prinzeß Marie war mit dem Lesen ihres Briefes zu Ende gekommen,

»Meine Herren!« sagte sie, »hier sind die Nachrichten, welche uns der Vater meiner teuren Isabella zukommen lässt. Er sah auf seiner Durchreise in Mantua Herrn von La Saludie, den außerordentlichen Gesandten Sr. Majestät bei den italienischen Mächten; Herr von La Saludie war beauftragt, dem Herzog von Mantua und dem Senate von Venedig im Namen des Kardinals die Einnahme von La Rochelle zu notifizieren. Außerdem hatte er zu erklären, dass Frankreich sich vorbereite, Casale zu erhalten und dem Herzog Carl von Nevers den Besitz seiner Staaten zu sichern; in Turin hatte er den Herzog von Savoyen, Carl Emanuel, im Namen seines königlichen Schwagers und des Kardinals aufgefordert, von seinen Unternehmungen bezüglich Montferrats abzustehen; er war beauftragt, dem Herzog von Savoyen im Austausche die Stadt Trino und zwölftausend Taler Renten in souveränen Ländereien anzubieten. Herr von Beautru ist mit denselben Aufträgen nach Spanien abgegangen, während Herr von Charnassé diese Mission in Österreich, Deutschland und Schweden zu erfüllen hat.«

»So?« sagte Monsieur. »Ich hoffe doch, dass der Kardinal uns nicht mit den Protestanten alliieren wird.«

»Nun,« sagte der Prinz, »wenn dies das einzige Mittel wäre, Wallenstein und seine Banditen in Deutschland zurückzuhalten, ich würde mich für meinen Teil nicht dagegen sträuben.«

»Das ist das hugenottische Blut, welches aus Euch redet, Prinz!« sagte Gaston.

»Ich hätte geglaubt,« bemerkte lachend der Prinz, »dass in den Adern Eurer Hoheit fast eben so viel hugenottisches Mut fließt, als in den meinen. Zwischen Heinrich von Navarra und Heinrich von Condé ist der einzige Unterschied, dass die Messe dem Einen ein Königreich und dem Anderen nichts eingetragen hat.«

»Das ist einerlei, meine Herren!« sagte der Herzog von Montmorency; »wir haben hier eine große Neuigkeit gehört; hat man schon einen Entschluss gefasst, welchem Generale die Armee anvertraut werden soll, die man nach Italien schickt?«

»Noch nicht,« sagte Monsieur, »aber es ist wahrscheinlich, dass der Kardinal, der Euch, Herzog, euren Admiralsrang um eine Million abkaufte, um die Belagerung von La Rochelle nach seinem Sinne führen zu können, eine weitere Million, vielleicht auch zwei Millionen, opfern wird, um das Recht zu haben, den Feldzug in Italien in eigener Person zu befehligen.«

»Gesteht nur, Monseigneur,« sagte Frau von Combalet, »dass, wenn er ihn so befehligt, wie die Belagerung von La Rochelle, weder der König noch Frankreich sich zu beklagen haben werden, und dass Viele, die eine Million begehren, statt sie zu geben, sich nicht so glücklich aus der Affaire zu ziehen im Stande wären.«

Gaston biss sich auf die Lippen; er war nicht einen Augenblick bei der Belagerung von La Rochelle erschienen, hatte sich aber fünfhunderttausend Francs für angebliche Ausrüstungskosten zahlen lassen.

»Ich hoffe, Monseigneur,« sagte der Herzog von Guise, »dass Ihr Euch diese Gelegenheit, Eure Rechte geltend zu machen, nicht entschlüpfen lassen werdet.«

»Wenn ich dabei sein werde,« sagte Gaston, »sollt Ihr es auch sein; ich habe aus den Händen der Guise durch Fräulein von Montpensier so viel erhalten, dass ich glücklich sein werde. Euch beweisen zu können, dass ich kein Undankbarer bin. Und auch Ihr, Herzog!« fuhr Gaston fort, indem er auf Montmorency zuging und ihm die Hand schüttelte. »Ich werde mich glücklich schätzen, die Gelegenheit zu ergreifen, um die vielen Ungerechtigkeiten, die an Euch begangen worden sind, einigermaßen gut zu machen. Unter den Waffentrophäen Eures Paters befindet sich ein Connetableschwert, welches mir für die Hand des Sohnes nicht zu schwer zu sein scheint. Sollte es aber dazu kommen, Herzog, dann müsst Ihr auch mir den Gefallen tun, meinen lieben Vetter, den Grafen von Moret, unter Eurer Leitung seine ersten Waffentaten ausführen zu lassen.«

Der Graf von Moret verneigte sich, der Herzog aber, dessen Ehrgeiz durch die Worte Gastons aufgestachelt war. sagte:

»Diese Worte, Hoheit, sind nicht in den Wind gesprochen, und wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, werden Eure Hoheit sich überzeugen, dass die Montmorency ein gutes Gedächtnis, haben.«

Durch eine Seitentür des Salons trat in diesem Augenblicke ein Lakai ein und sagte der Herzogin von Langueville leise einige Worte, worauf diese sich erhob und durch dieselbe Tür den Salon verließ.

Die Männer bildeten um Monsieur eine Gruppe; die Gewissheit eines bevorstehenden Krieges – und diese Gewissheit hatte man soeben erhalten, denn man setzte voraus, dass der Savoyarde ebenso wenig von der Blokade Casale's ablassen, als der Spanier Montferrat aus der Hand geben werde – verlieh dem Herzog von Orleans für den Augenblick eine große Wichtigkeit. Es war unmöglich, dass eine derartige Expedition ohne ihn unternommen werden konnte, und in diesem Falle musste seine hohe Stellung ihm das Verfügungsrecht über irgend ein Kommando verleihen.

Der Lakai trat wieder durch die Seitentür ein, flüsterte der Prinzeß Marie einige Worte zu und diese verließ, ihm folgend, dm Salon durch dieselbe Tür, durch welche kurz vorher die Herzogin-Witwe hinausgegangen war.

Frau von Combalet, welche in der Nähe der Prinzeß saß, hatte aus dem Munde des Lakaien den Namen Vauthier gehört und dieser machte sie erbeben. Man erinnert sich wohl, dass Vauthier der Geheimsekretär und Ratgeber der Königin-Mutter war.

Fünf Minuten später forderte derselbe Lakai den Herzog Gaston von Orleans auf, sich zu der Herzogin von Longueville und der Prinzeß Marie zu begeben.

»Meine Herren,« sagte dieser mit einer leichten Verneigung gegen Die, mit denen er soeben gesprochen hatte, »vergesst nicht, dass ich gar nichts bin, dass mein einziger Ehrgeiz darin besteht, der Ritter der liebenswürdigen Prinzeß Marie zu sein, und dass, da ich nichts bin, ich auch Niemandem etwas versprochen habe.«

Mit diesen Worten ging er, den Hut auf dem Kopfe, tänzelnd und beide Hände in die Taschen seines Beinkleides steckend, wie dies seine Gewohnheit war.

Kaum war er hinausgegangen, als der Graf von Moret das allgemeine Erstaunen, welches das Verschwinden der drei bedeutendsten Persönlichkeiten aus dem Salon in der Gesellschaft hervorgerufen hatte, benützend, gerade auf Isabella von Lautrec zuschritt und zu dem errötenden und befangenen Mädchen sagte:

»Mein Fräulein, haltet Euch fortan überzeugt, dass es in der Welt einen Menschen gibt, der in jener Nacht, wo er Euch begegnete, ohne Euch sehen zu können den Schwur tat, Euch im Leben und im Tode anzugehören und der heute Abend, nachdem er Euch gesehen hat, diesen Schwur erneuert und dass dieser Mensch der Graf von Moret ist.«

Ohne die Antwort des jungen, nun noch tiefer errötenden, noch mehr befangenen Mädchens abzuwarten, grüßte er und verließ den Salon.

Als er durch einen dunklen Corridor schritt, der nach dem Vorzimmer führte, das nach der Unsitte der damaligen Zeit ebenfalls schlecht erleuchtet war, fühlte er einen vollen, weichen Arm sich in den seinigen legen, dann streifte ein flammenheißer Atem seine Wangen und eine Stimme sagte im Tone des Vorwurfs:

»Also ist die arme Marina nun geopfert?«

Er erkannte die Stimme, aber noch besser diesen glühenden Atem, der ihn schon einmal in dem Gasthaus »zum gefärbten Barte« beinahe versengt hatte.

»Der Graf von Moret entschlüpft ihr,« sagte er, sich zu der Sprecherin neigend, »aber—«

»Aber was?« fragte die Dame, sich ihrerseits auf die Fußspitzen stellend, so dass trotz der Dunkelheit der junge Mann aus der Capuze zwei Augen hervorleuchten sehen konnte, die wie Diamanten glänzten, und eine weiße Zahnreihe ihm wie eine Perlenschnur entgegen blitzte.

»Aber,« fuhr der Graf fort, »es bleibt ihr Jacquelino, und wenn sie sich mit ihm.begnügt —«

»Sie wird sich mit ihm begnügen,« lautete die Antwort.

Und der junge Mann fühlte auf seinen Lippen den hastigen und glühenden Kuß jener Liebe, welche die Alten, die für jedes Ding ein Wort, für jedes Gefühl einen Namen hatten, Eros nannten.

Während Anton von Bourbon, noch bebend unter dem Feuer dieses Kusses, das verführerische Weib umschlingen wollte, machte Marina, oder Frau von Fargis, behende ihren Arm aus dem seinigen los, eilte die wenigen Stufen des Vestibules hinab, schwang sich in eine Sanfte und rief den Trägern zu:

»Nach dem Louvre!«

»Meiner Treu!« rief der Gras von Moret, nachdem er sich einigermaßen gesammelt hatte, »es gibt doch nur ein Frankreich für die Liebe. Man hat sie nach Auswahl. Vierzehn Tage ist es kaum, dass ich. wieder hier bin, und schon fühle ich mich an drei Personen gebunden, obwohl ich nur Eine davon liebe; aber Ventre-Saint-Gris! Man ist nicht umsonst der Sohn Heinrichs IV., und hätte ich zehn Geliebte statt drei, ich würde nicht erschrecken.«

Er rief die Träger seiner Sänfte und ließ sich nach dem Hotel Montmorency bringen.

Der Graf von Moret

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