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Erster Teil
VII.
Marina und Jaquelino

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Wenige Minuten, bevor Latil durch jene zwei Worte ein Lebenszeichen gegeben hatte, welche in der Regel jeder Verwundete hervorstößt, wenn er aus einer Ohnmacht erwacht, welche aber besonders unserem Raufbolde geläufig waren, kam in das Wirtshaus »zum gefärbten Barte« ein junger Mann, der sich angelegentlich erkundigte, ob das im ersten Stockwerke gelegene Zimmer Nr. 13 von einer Bäuerin aus der Umgegend von Pau, Namens Marina, in Beschlag genommen sei. »Dieselbe ist,« fügte er hinzu, »an ihren schönen Haaren und glänzenden schwarzen Augen kenntlich, die so gut zu ihrem roten Mieder passen, sowie zu ihrem ganzen Anzug, welcher an die Kleidung der öden Berge von Lorasse erinnert, die Heinrich IV. als kleines Kind so oft mit bloßem Kopf und barfuß erklettert hat.«

Frau Soleil ließ mit ihrem reizendsten Lächeln dem jungen Manne Zeit zu allen diesen Auseinandersetzungen, denn ohne Zweifel fand sie Gefallen an ihm und wollte sich Gelegenheit verschaffen, ihn länger betrachten zu können; als er zu Ende war, antwortete sie mit einem Blicke, der vollkommenes Verständnis ausdrückte, dass die junge Bäuerin, welche sich Marina nenne, indem bezeichneten Zimmer sei und daselbst schon länger als eine halbe Stunde warte.

Und mit einer graziösen Bewegung, wie sie Frauen von 30 bis 35 Jahren stets gegenüber von jungen Männern zwischen zwanzig und zweiundzwanzig anzuwenden pflegen, zeigte sie dem jungen Manne die Treppe, welche nach dem Zimmer Nr. 13 führte.

Der Ankömmling war ein hübscher Junge, der das Alter von zwanzig Jahren nicht weit hinter sich haben mochte; er war von mittlerer Statur, aber gut gewachsen, und jede seiner Bewegungen war voll Eleganz und verriet dabei männliche Kraft. Er hatte die blauen Augen des Nordens, die schwarzen Haare und Augenbrauen des Südens, einen gebräunten Teint, einen feinen Schnur-und einen im Entstehen begriffenen Vollbart. Ein paar feingeschwungene Lippen, welche, sich öffnend, zwei Reihen blendend weißer, kleiner Zähne sehen ließen, um die ihn manche Dame beneidet hätte, vervollständigten die bestechende Physiognomie des Jünglings.

Sein baskischer Bauernanzug war eben so bequem als hübsch. Er bestand aus einem blutroten Barett, aus dessen Mitte eine schwarze Quaste auf die Schulter herabfiel, und das mit roten und schwarzen Federn geziert war, einem Wams von derselben Farbe wie das Barett, mit hängenden Ärmeln, unter welchen man die Ärmel eines eng anschließenden Panzercollets gewahrte, bauschiger Pluderhose und hohen Stiefeln von grauem Büffelleder. Ein lederner Gürtel, in welchem neben einem langen Rappiere ein breiter Dolch stak, vervollständigte den Anzug des jungen Mannes, den wir nicht als Bauer betrachten dürfen, da ihm seine Waffen den Charakter eines Landedelmannes gaben.

Vor der Tür des bezeichneten Zimmers angekommen, überzeugte er sich, ob wirklich die Nummer 13 über derselben angeschrieben sei, und erst als er darüber außer Zweifel war, klopfte er in einer eigenthümlichen Weise, indem er zwei Schläge rasch hintereinander folgen ließ, denen er nach einer Pause zwei andere Schläge beifügte, während ein fünfter Schlag erst nach Verlauf einiger Sekunden den Schluß dieser Art von Signal bildet.«

Sofort nach dem fünften Schlage öffnete sich die Tür, zum Beweis, dass der Besucher erwartet wurde.

Die Person, welche öffnete, war eine Frau in dem Alter von etwa 30 Jahren und in dem vollen Glanz einer blendenden Schönheit; ihre Augen, welche in dem Signalement, das der junge Mann der Wirtin gegeben hatte, eine so große Rolle spielten, funkelten wie zwei Diamanten aus dem Schatten ihrer langen dunklen Wimpern hervor; ihre Haare waren von so tiefem Schwarz, dass alle üblichen Vergleiche mit der Kohle, mit den Rabenflügeln u.s.w. ihnen gegenüber als unzureichend erscheinen mussten; ihre Wangen waren von jener warmen Blässe – mit einem tieferen, das wallende Blut verratenden Farbtone, welche Leidenschaften andeutet, die häufiger stürmisch und vorübergehend, als tief und dauernd sind; ihr von einer vierfachen Corallenschnur umschlossener Hals war in kräftige Schultern eingefügt und verlief in einen Busen, dessen Conturen sowohl, als das stürmische Wogen, das ihn bewegte, wahrlich nicht den geringsten Reiz der ganzen junonischen Gestalt ausmachten; die Taille war fein, und erschien noch feiner, als sie wirklich war, durch die echt spanische Wölbung der Hüfte. Der kurze Rock, von demselben Roth wie das Mieder, ließ ein tadellos, fast aristokratisch geformtes Unterbein und einen Fuß sehen, dessen Kleinheit im Verhältnisse zu der ganzen kräftigen Gestalt wahrhaft staunenswert war.

Die Tür wurde zuerst ein klein wenig geöffnet, und erst nachdem der junge Mann den Namen Marina ausgesprochen, worauf die Öffnende wie bei dem Austausch einer Parole mit dem Namen Jaquelino geantwortet hatte, tat sich die Tür ganz auf und Marina trat von derselben weg, um den Erwarteten ins Zimmer eintreten zu lassen, worauf sie die Tür rasch ins Schloss drückte und den Riegel vorschob, dann aber sich schnell umwandte, gleich als drängte es sie, den Mann genauer zu besehen, der sie aufzusuchen gekommen war.

Beide blickten sich nun eine Zeit lang mit gleicher Neugier an; Jaquelino mit gekreuzten Armen, zurückgeworfenem Kopfe und lächelnden Lippen, Marina den Kopf vorgebeugt, die Hände rückwärts noch auf das Türschloss gestützt und in einer Stellung, die an die katzenartigen Raubtiere erinnern musste, die ihre Beute beschleichen, bereit, jede Sekunde auf dieselbe zuzuspringen.

»Ventre-Saint-Gris,« rief der junge Mann, »da habe ich, wie es scheint, eine reizende Cousine!«

»Und ich,« erwiderte die junge Frau, »einen sehr hübschen Vetter!«

»Meiner Treu,« fuhr Jaquelino fort, »wenn man so nahe mit einander verwandt ist, wie wir, und einander noch niemals gesehen hat, so sollte es mir scheinen, dass man die Bekanntschaft am besten damit anfängt, dass man einander umarmt.«

»Ich habe nichts gegen diese Art des Bewillkommmens,« erwiderte Marina und hielt dem jungen Manne ihre Wangen hin, welche sich mit einer flüchtigen Rothe bedeckten, die ein Kenner nicht der Schamhaftigkeit, sondern im Gegenteile einer leichten Erregbarkeit zuschreiben musste.

Die beiden jungen Leute umarmten sich.

»Es wäre doch, bei der Seele meines Vaters,« rief der junge Mann mit dem Ausdruck guter Laune, welche bei ihm gewöhnlich zu sein schien, »die angenehmste Sache von der Welt, eine schöne Frau zu umarmen, wenn es nicht noch angenehmer wäre, diese Umarmung zu wiederholen!«

Und er breitete nochmals seine Arme aus, um die Tat dem Worte folgen zu lassen.

»Mein schöner Vetter,« sagte aber Marina, ihn abwehrend, »wir werden davon später reden, wenn es Euch beliebt; nicht als ob es mir nicht ebenso angenehm schiene, als Euch, aber weil uns die Zeit dazu mangelt. Es ist dies Euer eigener Fehler; warum habt Ihr mich länger als eine halbe Stunde auf Euch warten lassen?«

»Das ist bei Gott eine schöne Frage! Weil ich glaubte,, von irgend einer dicken, deutschen Amme oder von einer vertrockneten spanischen Duenna erwartet zu werden. Aber sollte noch einmal die Gelegenheit kommen, dass wir Zwei zusammentreffen, so schwöre ich Euch, schöne Cousine, dass ich es sein werde, der Euch erwartet.«

»Ich nehme Notiz von diesem Versprechen,doch habe ich darum nicht mindere Eile, Der, die mich geschickt hat, die Nachricht zu hinterbringen, dass Ihr bereit seid, in allen Stücken ihren Befehlen so pünktlich zu gehorchen, wie es sich für einen höflichen Cavalier gegenüber einer großen Fürstin, geziemt.«

»Ich erwarte diese Befehle in Demut,« sagte der junge Mann, sich auf ein Knie niederlassend.

»O, o! Ihr vor mir auf den Knien! Monseigneur, Monseigneur, denkt Ihr wirklich an so etwas?« rief Marina, ihn aufhebend.

Dann fügte sie mit ihrem herausforderndsten Lächeln hinzu:

»Es ist eigentlich schade; Ihr nehmt Euch so gut in dieser Stellung aus.«

»Vor Allem,« sagte der junge Mann, die Hand seiner angeblichen Cousine drückend und sie veranlassend, sich neben ihn zu setzen, »hat man die Nachricht von meiner Rückkehr mit Befriedigung aufgenommen?«

»Mit Freude sogar.«

»Und bewilligt man mir gern diese Audienz?«

»Mit Entzücken.«

»Und wird die Botschaft, mit der ich betraut bin, gut aufgenommen werden?«

»Enthusiastisch!«

»Und dennoch sind bereits acht Tage verflossen, dass ich zurückgekehrt bin, und zwei Tage, dass ich warte.«

»Ihr seid in der Tat köstlich. Monseigneur! Und wie lange ist es denn, dass wir selbst von La Rochelle zurückgekehrt sind? Zwei Tage und ein halber.«

»Das ist wahr!«

»Und womit ist diese Zeit zugebracht worden?«

»Mit Festlichkeiten; ich weiß es, denn ich habe sie gesehen.

»Von wo aus?«

»Mein Gott, von der Straße aus, wie ein anderer einfacher Sterblicher.«

»Wie habt Ihr dieselben gefunden?«

»Entzückend!«

»Nicht wahr? Er besitzt Einbildungskraft, unser treuerer Kardinal. Seine Majestät Ludwig XIII. als Jupiter.«

»Ja, als Jupiter Stator

»Stator oder ein anderer, darauf kommt es wohl nicht an.«

»O, es kommt wohl darauf an, meine schöne Cousine: der Schwerpunkt der Frage liegt vielmehr in diesem Worte.«

»In welchem Worte?«

»In dem Worte Stator; wisst Ihr, was es bedeutet?«

»Nein!«

»Es will sagen, Jupiter, welcher aufhält oder auch welcher sich aufhält, mit andern Worten, welcher stehen bleibt.«

»Nehmen wir an, es hieße: Jupiter, welcher stehen bleibt.«

»Am Fuße der Alpen, nicht wahr?«

»Wir wenigstens werden unser Bestes tun, trotz des Blitzes, den Jupiter in der Hand hielt, und mit welchem er Österreich und Spanien zugleich bedrohte.«

»Ein Blitz von Holz —«

»Und ungeflügelt; die Flügel des Blitzes sind in Bezug auf den Krieg stets die Geldkassen, und ich halte weder den König noch den Kardinal für besonders reich. Jupiter Stator wird also, nachdem er dem Osten und dem Westen genug drohte, wahrscheinlich den Blitz aus der Hand legen, ohne ihn geschleudert zu haben.«

»O, sagt Ihr das heute Abend unseren armen Königinnen und Ihr werdet sie glücklich machen.«

»Ich habe ihnen Besseres als das zu sagen; ich habe ihnen, wie ich es bereits Ihre Majestäten wissen ließ, einen Brief des Fürsten von Piemont zu übergeben, welcher schwört, dass die französische Armee die Alpen nicht überschreiten wird.«

»Wenn er nur diesmal Wort hält; es ist, Ihr wisst es, sonst nicht seine Gewohnheit.«

»Aber diesmal hat er alles Interesse dabei, Wort zu halten.«

»Wir plaudern, Vetter, wir plaudern und lassen die Zeit unnütz verstreichen.«

»Das ist Eure Schuld, Cousine,« sagte der junge Mann mit einem Lächeln, das seine schönen Zähne sehen ließ, »Ihr wollt die Zeit nicht mit nützlichen Dingen ausfüllen.«

»Da sei einmal Jemand seiner Herrschaft ergeben und nehme sich ihretwegen das Brot aus dem Munde; nichts als Vorwürfe werden diese Ergebenheit belohnen. Mein Gott, wie undankbar ist doch die Welt!«

»Nun, ich höre Euch an, Cousine!«

Und der junge Mann gab seiner Miene den ernstesten Ausdruck, den er hervorzubringen vermochte.

»Gut! Am heutigen Abende gegen elf Uhr werdet Ihr im Louvre erwartet.«

»Wie? Heute Abend schon soll ich die Ehre haben, von Ihren Majestäten empfangen zu werden?«,

»Heute Abend!«

»Ich dachte, dass heute Schauspiel und Gelegenheitsballett bei Hofe ist?«

»Ja, aber als die Königin dies hörte, hat sie sich sofort über große Müdigkeit und unerträglichen Kopfschmerz beklagt; sie sagte, dass nur der Schlaf sie wieder herstellen könne. Man holte Bouvard; dieser erkannte alle Symptome einer heftigen Migräne; Bouvard gehört nämlich uns, obwohl er Arzt des Königs ist, mit Leib und Seele. Er verordnete die absoluteste Ruhe und die Königin ruht aus, indem sie Euch erwartet.«

»Aber auf welche Weise gelange ich in den Louvre? Ich setze voraus, dass dies nicht dadurch geschehen soll, dass ich meinen Namen nenne.«

»Seid ruhig, es ist für Alles gesorgt. Ihr werdet Euch heute Abend in der Kleidung eines Edelmannes in die Rue des Fosses St. Germain begeben. Ein Page, in die Farben der Prinzeß – chamois und blau – gekleidet, wird Euch an der Ecke der Rue des Poulies erwarten; er wird das Losungswort haben und Euch bis an den Eingang des Corridors geleiten, wo die Ehrendame vom Dienst Euch in Empfang nehmen wird, um Euch sogleich zu Ihrer Majestät zu führen, wenn dieselbe Euch sofort empfangen kann, oder Euch in einem benachbarten Kabinett warten zu lassen, bis der Augenblick der Audienz gekommen sein wird.«

»Und warum gebt Ihr, teure Cousine, Euch nicht selbst die Mühe, mich während des Wartens geduldig zu erhalten; ich gestehe Euch, dass das mir außerordentlich angenehm wäre.«

»Weil die Woche meines Dienstes zu Ende ist, und ich, wie Ihr seht, meinen Dienst außerhalb des Schlosses verrichte.«

»Und Ihr habt mir ganz das Aussehen, als wüsstet Ihr Euch diesen äußeren Dienst möglichst angenehm einzurichten.«

»Was wollt Ihr, lieber Vetter, man lebt nur einmal!«

In diesem Augenblicke hörte man die Uhr vom Turme der Carmeliter schlagen. ^

»Neun Uhr!« . rief Marina, »umarmt mich schnell, lieber Vetter, und lasst mich hinaus; ich habe kaum noch Zeit, in den Louvre zurückzukehren und daselbst zu erzählen, dass ich einen sehr liebenswürdigen Mann zum Vetter habe, welcher – was würdet Ihr wohl für die Königin geben?«

»Mein Leben! Ist das genug?«

»Es ist Zuviel! gebt nur immer das, was Ihr zurücknehmen könnt, und nie das, was, einmal gegeben, auf ewig, verloren ist. Auf Wiedersehen, Cousin!«

»Apropos!« rief der junge Mann, sie zurückhaltend, »gibt es kein Erkennungszeichen, keine Parole, die mit dem Pagen ausgetauscht werden müsste?« .,

»Es ist wahr! ich vergaß; Ihr werdet ihm Casale sagen und er wird Mantua antworten.«

Und die junge Frau bot dem jungen Manne jetzt nicht ihre Wangen, sondern ihre frischen, vollen Lippen zu einem Kusse, den er auch recht herzlich darauf drückte.

Dann lief sie die Treppe mit einer Schnelligkeit hinab, als ob sie gefürchtet hätte, nicht widerstehen zu können, wenn man den Versuch machen sollte, sie zurückzuhalten.

Jaquelino sah ihr eine Weile nach, setzte dann seine rote Kappe wieder auf seinen Kopf und stieg, ein Liedchen trällernd, langsam genug die Stiege hinab, um der Botin aus dem Louvre Zeit zu lassen, sich indessen aus dem Hause zu entfernen.

Er war bei der dritten Strophe seines Liedes und auf der letzten Stufe der Stiege angelangt, als ihm ein Blick in den Saal des Erdgeschosses, dessen Tür offen stand, einen bleichen und blutigen Mann zeigte, der ausgestreckt auf einem Tische lag und an dessen Seite ein Kapuziner kniete, der die Beichte des Sterbenden zu hören schien. An den Fenstern und der Tür drängten sich Neugierige, welche jedoch durch die Gegenwart des Mönches und die Feierlichkeit der Szene abgehalten wurden, den Saal zu betreten.

Dieser Anblick ließ das Lied auf den Lippen des jungen Mannes ersterben und da der Wirt sich im Bereiche seiner Stimme befand, rief er:

»He. Meister Soteil

Meister Soleil kam, die Mütze in der Hand, herbei.

»Was steht denn zu Diensten, mein schöner junger Herr?« fragte er.

»Was zum Teufel tut dort jener Mann auf dem Tische, mit dem Mönche an seiner Seite?«

»Er beichtet.«

»Ich sehe wohl, dass er beichtet, aber wer ist er und warum beichtet er?«

»Wer er ist?« sagte der Wirt mit einem Seufzer; »er ist ein braver und rechtschaffener Bursche Namens Stephan Latil und gehört zu den besten Kunden meines Hauses. Warum er beichtet? Weil er aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch wenige Stunden zu leben hat. Da er ein religiöses Gemüt hat und mit großem Geschrei nach einem Priester verlangte, hat meine Frau diesen würdigen Kapuziner herbeigeholt, der eben von den Carmelitern kam.«

»Und woran stirbt Euer rechtschaffener Bursche?«

»O, mein Herr! Ein Anderer wäre schon zehnmal daran gestorben, Er stirbt an zwei fürchterlichen Degenstößen, wovon der eine in den Rücken hinein und bei der Brust hinausging, während der andere gerade den entgegengesetzten Weg nahm.«

»Ihr kämpfte also mit mehreren Leuten?«

»Mit vieren, mein Herr, mit vieren!«

»Ein Duell?«

»Nein, ein Racheakt.«

»Ein Racheakt?«

»Ja, man fürchtete,dass er reden würde.«

»Und wenn er geredet hätte, was hätte er sagen können?«

»Dass man ihm tausend Pistolen angeboten hätte, damit er den Grafen von Moret tödte, und dass er dieses Anerbieten ausgeschlagen habe.«

Der junge Mann erbebte bei der Nennung dieses Namens und sah den Gastwirt scharf an.

»Damit er den Grafen von Moret tödte,« wiederholte der junge Mann, »seid Ihr dessen auch vollkommen sicher, was Ihr da behauptet, guter Mann?«

»Ich habe es aus seinem eigenen Munde; es ist das Erste, was er gesagt hat, nachdem er zu trinken verlangte.«

»Den Grafen von Moret,« sagte der junge Mann vor sich hin sinnend, »Anton von Bourbon

»Anton von Bourbon, so ist es!«

»Den Sohn des Königs Heinrich IV.«

»Und der Frau Jaqueline von Beuil, Gräfin von Moret

»Das ist sonderbar!« flüsterte der junge Mann.

»So sonderbar es auch sein mag, verhält es sich doch nicht anders.«

Nach einem Stillschweigen, welches einige Augenblicke gewährt hatte, schritt der junge Mann zum großen Erstaunen Soleil's und trotz seiner Rufe: »Wohin geht Ihr?« durch die Neugierigen, welche die Tür belagerten, sich Bahn machend, in den Saal und gerade auf den Tisch zu, auf welchem Latil sich vor Schmerzen krümmte, und eine reichlich gefüllte Börse auf den Tisch werfend, sagte er:

»Stephan Latil! Wenn Ihr von Euren Wunden genesen solltet, so begebt Euch nach dem Hotel des Herzogs von Montmorency in der Rue des Blancs Manteaux; solltet Ihr aber sterben, so sterbt ruhig im Vertrauen auf den Herrn; die Messen sollen der Ruhe Eurer Seele nicht fehlen!«

Bei der Annäherung des jungen Mannes hatte sich Latil auf seinem Ellbogen aufgerichtet und verharrte in dieser Stellung mit starrem Blicke, gerunzelten Augenbraunen und geöffnetem Munde, als ob er ein Gespenst sähe.

Als der junge Mann aber wiederum den Rücken gekehrt hatte, flüsterte er:

»Der Graf von Moret!« und ließ sich wieder auf die Tischplatte zurückfallen.

Der Kapuziner aber zog, als er des falschen Jaquelino ansichtig geworden, schnell die Capuze tief ins Gesicht, gleich als ob er gefürchtet hätte, von dem jungen Manne erkannt zu werden.

Der Graf von Moret

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