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Erster Teil
XV.
Maria von Gonzaga

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Um zu dem Resultate zu gelangen, welches wir versprochen haben, das heißt, um unsere Erzählung da wieder Aufzunehmen, wo wir sie zu Ende des vierzehnten Capitels gelassen haben, müssen wir unsere Leier um die Gefälligkeit bitten, mit uns in das Hotel Longueville einzutreten, welches an das der Marquise von Rambouillet stieß. Nur hatte es seinen Eingang in der Rue Saint-Nicaise, während das der Marquise, wie wir erwähnten, an der Rue Saint-Thomas du Louvre lag.

Acht Tage sind seit den Ereignissen verflossen, welche bisher den Gegenstand unserer Erzählung bildeten.

Das Hotel, welches dem Prinzen Heinrich von Condé gehörte, eben dem, welcher Chapelain für einen Bildhauer hielt und welches von ihm und seiner Gemahlin, der Frau Prinzeß, bewohnt wurde, mit der wir in der Abendgesellschaft der Frau von Rambouillet Bekanntschaft machten, war 1612, zwei Jahre nach seiner Vermählung mit der Prinzeß von Montmorency, verlassen worden. Er kaufte damals in der Rue Neuve-Saint-Lambert ein prachtvolles Hotel, welches dieser Straße ihren alten Namen raubte, um ihr den neuen der Rue de Condé zu geben, den sie noch jetzt führt. Das Hotel Longueville wurde zu der Zeit, zu welcher wir gelangt sind, das heißt am 13, Dezember I628 – die Ereignisse jenes Zeitabschnittes sind von solcher Wichtigkeit, dass man sich die Daten genau merken muss – nur von der verwitweten Herzogin von Longueville bewohnt, sowie von deren Mündel, Ihrer Hoheit, der Prinzeß Maria, Tochter des Herzogs Franz von Gonzaga, deren Erbfolge so viele Unruhen bewirkte, nicht nur in Italien, sondern auch in Österreich und Spanien. Auch Margarethe von Savoyen, die Tochter Carl Emanuels, wohnte hier.

Maria von Gonzaga, geboren im Jahre 1612, hatte eben ihr sechzehntes Jahr erreicht; alle Geschichtsschreiber jener Zeit stimmen darin überein, dass sie von einer bezaubernden Schönheit war. Die Chronikenschreiber, welche in ihren Angaben genauer und ausführlicher sind, sagen uns, dass diese Schönheit in folgenden Eigenschaften bestand: In einem schönen Wuchs von Mittelgröße: in der matten Gesichtsfarbe der Frauen Mantua's, welche, wie bei den Frauen von Arles, die Folge der Ausdünstungen der sie umgebenden Sümpfe ist; in schwarzen Haaren, blauen Augen, seidenweichen Augenbrauen und Augenwimpern; Perlenzähnen und Corallenlippen; einer Nase von tadelloser Form über diesen Lippen, die des Beistandes ihrer lieblichen Stimme nicht bedurften, um die süßesten Eindrücke hervorzubringen. Wenn schon ihre äußeren Vorzüge genügt hätten, alle jungen Herren des Hofes ihr zu Füßen zu legen, so versammelte die Bedeutung der politischen Rolle, die sie als Verlobte des Herzogs von Rethellois zu spielen berufen war, auch die älteren Autoritäten um sie, so dass sie gewissermaßen einen der Fixsterne des Hoflebens bildete, um den die glänzendsten Planeten kreisten.

Man wusste vor Allem, dass sie vom Kardinal Richelieu eifrigst protegiert wurde, und es war also für alle Jene, denen an der Gunst des Kardinals etwas lag, eine unerläßliche Pflicht, ihr angelegentlich den Hof zu machen.

Dieser Protektion, von welcher die Anwesenheit der Frau von Combalet ein Beweis war, ist es wohl zu verdanken, dass gegen sieben Uhr Abends an dem vorerwähnten Tage die bedeutendsten Persönlichkeiten jener Zeit, und zwar die Einen aus ihren Wagen, die Anderen aus den seit dem vorigen Tage im Gebrauche befindlichen Sänften, vor dem Hotel Longueville ausstiegen, und sofort in einen prachtvollen Salon eingeführt wurden, dessen Decke Schilderungen der Taten des Bastards Dunois, Gründers des Hauses Longueville, zieren, während die Wände mit schweren Seidentapeten behängt sind.

Einer der ersten Ankömmlinge ist der Prinz Heinrich II. von Condé.

Da der Herr Prinz eine gewisse Rolle in unserer Erzählung spielen wird, in der Zeit, welche dieser Rolle voranging und folgte, aber wirklich eine solche Rolle spielte, wenn auch eine traurige und düstere, bitten wir unsere Leser um die Erlaubnis, sie mit diesem sanften Sprössling des ersten Stammes der Condé näher bekannt machen zu dürfen.

Die ersten Condé's waren tapfer und fröhlich, dieser war feige und düster; er tröstete sich stets damit, dass der Herzog von Bendôme noch feiger sei, als er, und man kann keinen Charakter schon daraus beurteilen, dass ihm das ein Trost war.

Erklären wir diese Veränderung.

Bei Jarnac ermordet, hinterließ der liebenswürdige kleine Prinz von Condé, welcher zwar ein wenig verwachsen, dennoch der Günstling aller Frauen der damaligen Zeit war, einen Sohn, welcher neben dem jungen Heinrich von Navarra das Oberhaupt der protestantischen Partei wurde.

Dieser war der würdige Sohn seines Vaters, welcher bei Jarnac an der Spitze von fünfhundert Edelleuten die Feinde angriff, obgleich er einen Arm in der Binde trug und sein eines Bein gebrochen war, so dass die Knochensplitter durch den Stiefel stachen. Er war es, welcher in der Bartholomäusnacht, als Carl IX. ihm zurief: »Den Tod oder die Messe?« antwortete: »Den Tod!« während der klügere Heinrich entgegnete: »Die Messe

Der jetzige Condé war der Letzte von dem ersten Stamme der großen Condé's.

Er sollte nicht auf einem Schlachtfelde sterben, bedeckt mit glorreichen Wunden und ermordet durch einen andern Montmorency. Er starb ganz einfach, vergiftet durch seine Frau.

Nach einer Abwesenheit von fünf Monaten kehrte er in sein Schloss Andelys zurück. Seine Gemahlin, eine La Trémoville, war guter Hoffnung von einem gascognischen Pagen. Bei dem Nachtisch des Mahles, das sie zu Ehren seiner Rückkehr veranstaltete, reichte sie ihm eine Pfirsich.

Zwei Stunden daraus war er todt.

In der Nacht darauf entfloh der Page nach Spanien.

Durch die öffentliche Meinung, angeklagt, wurde die Giftmischerin verhaftet.

Das Kind des Ehebruches wurde in dem Gefängnisse geboren, in welchem seine Mutter acht Jahre blieb, weit man nicht wagte, ihr den Prozess zu machen, da man fürchtete, sie schuldig zu finden, Heinrich IV. wollte die Condé diesen herrlichen Ast vom Baume der Bourbons, nicht erlöschen lassen; er entließ daher ohne Untersuchung aus dem Kerker die Witwe, welche durch die königliche Gnade zwar freigesprochen, durch die öffentliche Meinung aber verurteilt wurde.

Sagen wir nun mit zwei Worten, wie dieser Heinrich, Prinz von Condé, seines Namens der Zweite, eben der, welcher Chapelain für einen Bildhauer hielt, dazu kam, die Prinzeß von Montmorency zu heiraten. Die Geschichte ist merkwürdig. und obgleich wir sie in einer Parenthese erzählen müssen, wird diese Parenthese ein wenig lang werden. Es liegt übrigens kein Uebel darin, durch die Romanschreiber gewisse Einzelheiten zu erfahren, welche die Geschichtschreiber zu erzählen vergessen, sei es, dass sie dieselben der Geschichte für unwürdig halten, sei es, dass sie ihnen selbst unbekannt sind. Das Letztere halten wir für wahrscheinlicher.

Im Jahre 1609 ordnete Maria von Medicis ein Ballet an, und Heinrich IV. schmollte, weil die Königin sich geweigert hatte, unter die Tänzerinnen dieses Ballett zu denen die schönsten Damen des Hofes gewählt wurden waren, Jacqueline von Beuil aufzunehmen, die Mutter des Helden unserer Geschichte, des Grafen von Moret.

Da die hohen Tänzerinnen, welche in dem Ballett mitwirken sollten, um die Proben in dem Theatersaale des Louvre abzuhalten, vor der Tür Heinrichs IV. Vorübergehen mussten, hielt der König dieselbe geschlossen, um dadurch seine üble Laune zu zeigen.

Eines Tages ließ er sie halbgeöffnet.

Durch den Spalt der Tür sah er die Prinzeß Charlotte von Montmorency vorübergehen.

»Nun konnte es aber,« sagt Bassompierre in seinen Memoiren, »unter dem Himmel nichts Schöneres geben, als die Prinzeß von Montmorency, nichts Anmutigeres, nichts Vollendeteres.«

Diese Erscheinung kam Heinrich IV. so strahlend vor, dass seine üble Laune augenblicklich Schmetterlingsflügel bekam und davonflatterte. Er erhob sich aus dem Armsessel, in welchem er schmollte, und folgte der Erscheinung, in eine Wolke gehüllt, wie Aeneas der Venus folgte.

Diesen Tag wohnte er zum ersten Male dem Ballett bei.

Es erschien in dem Ballett ein Augenblick, in welchem die Damen als Nymphen auftraten; und so leicht auch in unseren Tagen das Costüm der Nymphen ist, war es doch im siebzehnten Jahrhundert noch leichter. In diesem Kostüme erhoben alle die Nymphen zugleich ihre Jagdspeere, als hätten sie dieselben auf irgend Jemand schleudern wollen. Indem die Prinzeß von Montmorency ihren Speer erhob, wendete sie sich gegen den König, als wollte sie denselben durchbohren; er hatte keine Gefahr geahnt und war daher ohne Harnisch gekommen; er fühlte daher die Waffe der schönen Charlotte tief in sein Herz dringen, mit solcher Anmut machte sie die Bewegung.

Frau von Rambouillet und Fräulein Paulet gehörten ebenfalls zu dem Ballett und von diesem Tage an schlossen sie Freundschaft mit der Prinzeß von Montmorency, obgleich sie fünf oder sechs Jahre älter waren, wie dieselbe.

Seit diesem Tage vergaß der gute König Heinrich, Jacqueline von Beuil; er war, wie man weiß, sehr vergesslich und dachte nur noch daran, sich den Besitz der schönen Montmorency zu sichern. Dazu war nur erforderlich, für die reizende Charlotte einen gefälligen Ehemann zu finden, der gegen eine Mitgift von vier- oder fünfmal hunderttausend Francs die Augen um so mehr schlösse, je mehr der König sie öffnen würde.

Eben so war es auch bei der Gräfin von Moret gewesen, die Heinrich IV. mit Herrn von Cesy verheiratete, welcher an seinem Hochzeitsabend zu einer Gesandtschaft abreiste.

Der König glaubte seinen Mann zur Hand zu haben.

Ar richtete seine Augen auf das Kind des Ehebruches und des Meuchelmordes. Von der Hand des Königs mit der Tochter eines Connetable vermählt, verschwand der Flecken seiner Geburt.

Es wurden alle Bedingungen mit ihm verabredet, Er versprach Alles, was man von ihm verlangte. Der Connetable gab seiner Tochter hunderttausend Taler der König eine halbe Million, und Heinrich II. von Condé, welcher den Tag zuvor zehntausend Livres Einkünfte hatte, besaß am Tage nach seiner Hochzeit fünfzigtausend.

Freilich sollte er am Abend abreisen! er tat es indes; nicht.

Er hielt jedoch den Punkt des Abkommens, welcher verlangte, dass er in seiner ersten Hochzeitsnacht in einem Zimmer bleiben sollte, das von dem seiner Frau getrennt war; und der arme fünfzigjährige Verliebte erlangte es von der jungen Frau, dass sie sich zum Beweise, sie sei allein, auf ihrem Balkon zeigte, mit aufgelösten Haaren zwischen zwei brennenden Fackeln stehend.

Als der König sie erblickte, wäre er beinahe vor Freude gestorben.

W würde zu weit führen, Heinrich IV. in all den Torheiten zu folgen, welche ihn diese letzte Liebe begehen ließ, in deren Mitte das Messer Ravaillac's ihn in eben dem Augenblick traf, in welchem er bei der holden Paulet den Trost suchen wollte, den die Schöne ihm gewährte und der ihn gleichwohl nicht tröstete.

Nach dem Tode des Königs kehrte Condé nach Frankreich mit seiner Frau zurück, welche noch immer Prinzeß von Montmorency war, und Prinzeß Condé erst wahrend der drei Jahre wurde, welche ihr Gemahl in der Bastille zubrachte. Es ist wahrscheinlich, dass bei den bekannten Neigungen des Prinzen von Condé für die Schüler von Bourges ohne diese drei Jahre der Gefangenschaft sowohl der große Condé, wie die Prinzeß von Longueville, niemals das Licht der Welt erblickt haben würden.

Der Prinz war hauptsächlich seines Geizes wegen viel geschmäht. Er ritt durch die Straßen der Stadt auf einer elenden Mähre und begleitet von einem einzigen Diener. Le Martellier, einer der berühmtesten Advokaten jener Zeit, hatte Tage, an welchen er umsonst konsultierte; der Prinz, welcher häufig Prozesse zu führen hatte, besuchte ihn stets an diesen Tagen. Immer schlicht gekleidet, hatte er diesen Abend eine sorgfältigere Toilette als gewöhnlich gemacht: vielleicht wusste er, er werde bei der Prinzessin Marie den Herzog von Montmorency finden, welcher ihm versprochen hatte, ihn als einen vollkommen Unbekannten zu behandeln, wofern er ihn jemals in einem Anzuge treffen würde, der eines Prinzen von Geblüt unwürdig sei.

Heinrich II., Herzog von Montmorency, war das gerade Gegenteil von Heinrich II., Prinzen von Condé, er war eben so elegant, wie Condé nachlässig, eben so freigebig, wie dieser geizig und habsüchtig. Eines Tages hörte er von einem Edelmanne sagen, dass dessen Glück gemacht sein würde, wenn er 20.000 Taler auf die Dauer von zwei Jahren entlehnen könnte.

»Sucht nicht lange,« sagte er ihm, »die zwanzigtausend Taler sind gefunden.«

Und er gab ihm einen Bon auf diese Summe und schickte ihn damit zu seinem Intendanten.

Zwei Jahn später brachte der Edelmann dem Herzog von Montmorency das geliehene Geld zurück; dieser nahm es jedoch nicht an und machte es dem ehrlichen Zahler zum Geschenke.

Er war in die Königin sehr verliebt gewesen, zugleich mit dem Herzog von Bellegarde, mit dem er sich darüber beinahe duelliert hätte. Die Königin, welche mit Beiden kokettierte, wusste nicht, welchen von ihnen sie erhören sollte, als Buckingham an den Hof kam und sie mit einander versöhnte, obgleich der Herzog von Montmorency damals erst dreißig Jahre alt war, der Herzog von Bellegarde aber sechzig. Es scheint, als ob der alte Herr damals eben so viel Lärm gemacht hätte, wie der junge Prinz; wenigstens ließ dies ein Spottlied schließen, welches damals allgemein gesungen wurde.

Wenn, die Könige vermählt sind, zeigen sie sich nicht hellsehender, als die übrigen Ehemänner; Ludwig XIII. verbannte daher auch den Herzog von Montmorency nach Chantilly. Durch den Einfluss Maria's von Medicis wieder zu Gnaden angenommen, kehrte er zurück, um einen Monat am Hofe zuzubringen und begab sich dann nach seinem Gouvernement des Languedoc. Hier erfuhr er die Nachricht, dass sein Vetter, Franz von Montmorency, Graf von Bouteville, sich duelliert hätte und dafür auf dem Gréveplatze hingerichtet worden sei.

Durch seine Gemahlin, Maria Felicia Orsini, Tochter jenes Virginio Orsini, welcher Maria von Medicis nach Frankreich begleitet hatte, war er der Neffe der Königin-Mutter; daher rührte die Protektion, durch die sie ihn ehrte.

Eifersüchtig wie eine Italienerin, hatte Maria Orsini anfangs ihren Gemahl sehr gequält, der bei den Damen so beliebt war, dass jede Frau, die nur irgend etwas Galanterie im Kopfe hatte, durchaus seine Huldigungen empfangen wollte.

Endlich schlossen der Herzog und seine Frau einen Vertrag; diese gestattete ihm dadurch so viele Galanterien, als ihm gefallen würden, jedoch unter der Bedingung, dass er sie ihr erzählte. Eine ihrer Freundinnen sagte ihr eines Tages, sie begriffe nicht, wie sie ihrem Manne eine solche Freiheit gewähren könnte, noch weniger aber, dass sie die Erzählung: von ihm verlangte.

»Nun,« sagte sie, »ich behalte mir diese Mitteilungen immer vor, bis wir einen Streit haben, und das Recht ist dann stets auf meiner Seite.«

Der Herzog war der Liebling der Frauen; es ist dies, namentlich bei den Frauen jener Zeit, nicht zu wundern. Er war dreiunddreißig Jahre alt, schön, von reicher und angesehener Familie, Statthalter einer Provinz, Admiral von Frankreich, Herzog und Pair, Ritter vom heiligen Geiste, und zählte unter seinen Vorfahren vier Connetables und sechs Marschälle. Sein gewöhnliches Gefolge bestand aus etwa hundert Edelleuten und dreißig Pagen.

Als er an jenem Abende, schöner und strahlender als jemals, in den Saal trat, richteten sich Aller Blicke aus ihn. und das Erstaunen war groß und allgemein, als man ihn, nachdem er die Prinzeß Marie gegrüßt hatte, auf Frau von Combalet zugehen und ihr die Hand küssen sah.

Seit dem Tode seines Vetters Bouteville, dessen Hinrichtung einesteils seinen Stolz verletzte, denn es war ja das Haupt eines Montmorency, das unter dem Beile des Henkers fiel, anderseits aber sein Herz, das Vetter Bouteville sehr geliebt, tief getroffen hatte, war dies der erste Schritt des Entgegenkommens, den er dem Kardinal gegenüber machte.

Es ließ sich dadurch aber Niemand täuschen, denn der Krieg mit Savoyen, Spanien und Österreich stand nahe bevor und Montmorency wollte in demselben Créqui den Stab des Connetable streitig machen, welchen sein Vater und Großvater dem Könige bei allen großen Zeremonien vorgetragen hatten.

Der, welcher die Absichten des Herzogs am meisten durchschaute und der dadurch in seinen Hoffnungen am stärksten beeinträchtigt wurde, war Carl von Lothringen, Herzog von Guise, der Sohn des Narbigen, des Urhebers der Bartholomäusnacht. Er war 1571 geboren, das heißt ein Jahr vor jener Blutnacht.

Er war durch seine Liebesabenteuer bekannter wie durch seine Kriegstaten, wenn er auch in dieser letzteren Beziehung seine Tapferkeit bei der Belagerung von La Rochelle bewiesen hatte, wo er auf einem in Flammen stehenden Schiffe den Kampf fortsetzte. Dieses geringen Kriegsruhmes ungeachtet machte er Ansprüche auf die Würde des Connetable, oder wenigstens auf einen hohen Rang in der Armee. Kommandierten in dieser Männer wie Bassompierre, Bellegarde, Cramail und selbst wie Schomberg, so konnte er wohl über sie gestellt werden; aber neben einem Herzog von Montmorency konnte er nur die zweite Stelle einnehmen. Dessen Siege über die Calvinisten, deren Flotte, welche der Herzog von Soubise führte, er vernichtet hatte, und denen er die Inseln Oleron und Ré abnahm, verliehen ihm noch mehr als seine Geburt den Rang über allen anderen Feldherren jener Zeit,

Es bestand zwischen dem Herzog von Guise und dem Herzog von Montmorency auch noch eine andere Nebenbuhlerschaft: die der Liebestriumphe. Obgleich der Herzog von Guise eine aufgeworfene Nase hatte und nur klein war, erbte er von seinem Vater ein gewisses königliches Wesen, welches stets gewiss ist, Glück bei den Frauen zu machen Diese machten ihm nur einen großen Fehler zum Vorwurf, aber Viele setzten sich über diesen Fehler hinweg, der zu einer vorzüglichen Eigenschaft wurde, indem er ihn in die Mode brachte.

Der Herzog von Guise war nämlich sehr zerstreut und verdankte dieser Zerstreutheit viele seiner Liebesabenteuer. Eines Abends, als er sich bei Herrn von Créqui durch das Spiel verspätet und seine Kutsche fortgeschickt hatte, wollte Créqui ihn nicht allein nach dem Hotel Guise zurückkehren lassen, welches ziemlich weit entfernt war. Er befahl daher, für den Prinzen sein eigenes Pferd zu satteln. Guise bestieg es; statt aber das Pferd zu leiten, versank er in Träumereien und ließ sich von dem Pferde führen. Dieses war gewöhnt, Herrn von Créqui um diese Stunde zu seiner Geliebten zu tragen, brachte Guise dorthin und hielt erst vor der Tür an. Ohne die Tür zu kennen, erwartete der Herzog, hinter derselben irgend ein Liebesabenteuer zu finden; er stieg daher vom Pferde, hüllte sich in seinen Mantel und trat ein.

Eine hübsche Zofe öffnete ihm und gab dem Pferde einen Schlag, nach welchem es geradewegs zum Stall lief, wo es seinen gewohnten Hafer fand. Auf einer Treppe, die eben hell genug beleuchtet war, um sich nicht den Hals aus derselben zu brechen, wurde darauf der Herzog von Guise nach einem Zimmer geführt, das nicht heller beleuchtet war, wie die Treppe. Der Reiter schien für gewöhnlich in diesem Hause eben so gut empfangen zu werden, wie sein Pferd. Der Reiter wurde in die Arme geschlossen; man sprach leise zu ihm; man handelte im Dunkeln. Der Herzog von Guise, welcher ein Freund Créqui's war, hatte ohne Zweifel in dem vertrauten Umgang mit diesem dessen Gewohnheiten angenommen; die Dame bemerkte daher den Irrtum nicht, in welchem sie sich befand. Am Morgen jedoch wurde sie durch den Herzog von Guise erweckt, der sich unruhig hin und her warf.

»Was ist Dir denn, mein Freund?« fragte sie ihn.

Guise war aber so unbescheiden wie zerstreut; er antwortete daher:

»Ich möchte ausstehen, um allen meinen Freunden mitzuteilen. dass Ihr die Nacht in den Armen des Herzogs von Guise zugebracht habt, während Ihr in denen Créqui's zu ruhen glaubtet.«

Bei allen seinen Fehlern hatte der Herzog von Guise doch die gute Eigenschaft, sehr freigebig zu sein.

Eines Morgens schickte ihm der Präsident von Chivry durch Raphael Corbinelli, den Vater Johann Corbinelli's, welcher durch die Teilnahme der Frau von Sévigne bekannt war, fünfzigtausend Livres, die er am Abend zuvor im Spiel verloren hatte. Das Geld war in vier größeren Beuteln und in einem kleineren enthalten. In jedem der größeren befanden sich zehntausend Livres in Silber, in dem kleineren zehntausend in Gold.

Corbinelli wollte zählen, aber der Herzog gab es nicht zu.

Er deutete auf den kleineren Beutel und ohne zu wissen, was er enthielt, sagte er:

»Nehmt das für Eure Mühe, mein Freund.«

Corbinelli kehrte nach Haus zurück, öffnete den Beutel und fand darin die zehntausend Livres in Gold,

Sogleich kehrte er zu dem Herzog von Guise zurück. »Monseigneur,« sagte er, »Ihr müsst Euch geirrt haben, denn Ihr gäbet mir einen Beutel mit Gold.«

Doch der Herzog richtete sich in der ganzen Höhe seiner kleinen Gestalt empor.

»Behaltet, behaltet, mein Herr; die Prinzen meines Hauses haben nicht die Gewohnheit, das zurückzunehmen, was sie verschenkten.«

Und Corbinelli behielt die zehntausend Livres.

In dem Augenblick, als man den Herzog von Montmorency meldete, suchte er mit dem Grafen von Grammont Händel auf jene Weise, wie nur er sie zu suchen verstand.

»Mein Lieber,« redete er ihn an, »lasset mich Euch sagen, dass ich mich sehr über Euch zu beklagen habe.«

»Doch nicht wegen des Spieles, Herzog?« entgegnete Grammont. »Ihr gewinnt mir, ein Jahr in das andere gerechnet, jährlich hunderttausend Livres ab, so dass meine Gemahlin sich gegen Euch erboten hat, Euch eine jährliche Rente von zehntausend Livres zu verschreiben, wenn Ihr das Wort geben wollt, nicht mehr gegen mich zu spielen.«

»Ich weise diese Rente zurück; ich würde dabei zu viel verlieren. Nein, darum handelt es sich keineswegs.«

»Und um was denn?«

»Da ich weiß, dass Ihr der schwatzhafteste Mensch,von der Welt seid, vertraute ich Euch vor acht Tagen an, dass ich die letzten Gunstbezeigungen der Frau von Sablé gewonnen hätte. Ihr solltet das aller Welt mitteilen, und Ihr habt bis jetzt noch kein Wort davon gesagt.«

»Ich fürchtete,« entgegnete lachend der Graf von Grammont, »ich würde Euch dadurch mit dem Herzog von Montmorency entzweien.«

»So!« sagte Guise. »Ich dachte, es wäre zwischen ihnen zu Ende.«

»Ihr seht wohl, dass dies nicht der Fall ist, da sie sich miteinander streiten.«

In der Tat stritten sich die Marquise und der Herzog.

»Trachtet zu erfahren, mein lieber Graf, worüber sie sich streiten.«

Der Graf näherte sich ihnen.

»Mein Herr,« sagte die Marquise, »das ist unerträglich. Ich habe erfahren, dass Ihr auf dem letzten Balle des Louvre, meine Krankheit benutzend, nur mit den schönsten Damen getanzt habt.«

»Ei, teure Marquise,« fragte der Herzog, »was wolltet Ihr denn, dass ich tun sollte?«

»Dass Ihr nur mit den hässlichen tanztet.«

Der Graf Grammont, der eben zu rechter Zeit gekommen war, um dieses Gespräch zu hören, teilte es dem Herzog von Guise mit.

»Mein lieber Graf,« sagte der Herzog, jetzt ist, wie ich glaube, der Augenblick gekommen, dem Herzog von Montmorency zu sagen, was ich Euch anvertraute. Das heißt, ihm einen Dienst leisten!«

»Meiner Treu,« entgegnete der Gras; »das würde ich einem Ehemanne nicht sagen, viel weniger also einem Liebhaber.«

»Nun,« sagte der Herzog seufzend, »so muss ich es ihm denn wohl selbst anvertrauen.«

Er tat wirklich die ersten Schritte auf den Herzog zu, als beide Flügel der Eingangstür aufgerissen wurden und der Kammerdiener mit lauter Stimme meldete:

»Seine königliche Hoheit, Monseigneur, Gaston von Orleans.«

In allen Teilen des weiten Saales stockte das Gespräch, die Sitzenden erhoben sich, auch die Prinzeß Marie.

»Gut,« sagte Frau von Combalet, die Vertraute des Kardinals, für sich, indem sie sich ebenfalls erhob, und sich noch tiefer als die Anderen verneigte, »gut, die Komödie beginnt. Verlieren wir ja kein Wort von dem, was auf dem Theater gesprochen wird, beobachten wir, wenn es möglich ist, auch das, was hinter den Kulissen vorgeht!«

Der Graf von Moret

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