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Erster Teil
VIII.
Treppen und Corridors

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Aus dem Wirtshaus »zum gefärbten Barte« kommend, durchschritt der Graf von Moret, dessen Inkognito wir nun nicht mehr aufrecht zu halten brauchen, die Rue d l'Homme Armé und wandte sich dann nach rechts in die Rue des Blancs Manteaux, wo er an das Thor des dem Herzog von Montmorency, Heinrich II., gehörigen Hotels klopfte. Dieses Hotel hatte noch einen andern Ausgang, der in die Rue St. Avoye führte.

Ohne Zweifel genoss der Sohn Heinrichs IV. ein großes Ansehen in diesem Hause, denn kaum war er erkannt worden, als ein Page von etwa fünfzehn Jahren einen Armleuchter ergriff, die vier Wachskerzen auf demselben anzündete, und ihm voran leuchtete.

Der Prinz folgte dem Pagen.

Die Wohnung des Grafen von Moret befand sich im ersten Stockwerke, der Page beleuchtete eines der Zimmer, indem er die wohlriechenden Kerzen zweier Candelaber anzündete, und fragte dann:

»Haben Eure Hoheit irgend einen Auftrag für mich?«

»Bist Du heute Abend bei deinem Herrn beschäftigte Galaor?« fragte der Graf von Moret.

»Nein, Monseigneur, ich habe Urlaub.«

»Willst Du mich begleiten?«

»Mit großem Vergnügen, Monseigneur!«

»In diesem Falle kleide Dich warm an und versieh Dich mit einem guten Mantel; die Nacht wird kalt werden.«

»O, o,« sagte der kleine Page, der durch seinen Herrn an dergleichen Abenteuer gewöhnt worden war, »ich werde, wie es scheint, irgendwo Wache zu stehen haben.«

»Ja, und zwar wird es eine Ehrenwache im Louvre sein, aber, Galaor, das; Du ja keine Silbe davon erwähnst, nicht einmal deinem Herrn gegenüber.«

»Das versteht sich!« sagte der Knabe lächelnd und einen Finger an seine Lippen legend.

Dann machte er eine Bewegung, um das Zimmer zu verlassen.

»Warte!« sagte der Graf von Moret, »ich habe Dir noch einige Verhaltungsbefehle zu geben.«

Der Page verbeugte sich.

»Du wirst selbst ein Pferd satteln und zwei geladene Pistolen in die Halfter stecken.«

»Ein Pferd bloß?«

»Ja, bloß ein Pferd, Du wirst hinter mir auf die Croupe steigen; würden wir ein zweites Pferd nehmen, so würden wir die Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«

»Die Befehle Monseigneurs werden pünktlich vollzogen werden.«

Es schlug zehn Uhr; der Graf horchte, indem er die Schläge zählte.

»Zehn Uhr!« sagte er, »beeile Dich, Galaor, damit in einer Viertelstunde Alles bereit ist.«

Der Page verbeugte sich und verließ das Zimmer, ganz stolz darüber, dass ihn der Graf von Moret zum Vertrauten gemacht hatte.

Dieser wählte unter seiner Garderobe einen einfachen, aber höchst eleganten Anzug aus und bekleidete sich damit. Das Wams war von granatbraunem, die weiten Beinkleider von blauem Samt. Die kostbarsten Brüsseler Spitzen bildeten den Kragen und die Manschetten eines feinen Hemdes, welches zwischen Wams und Beinkleidern sich ein wenig hervorbauschte; hohe Reiterstiefel von Büffelleder um, schlossen die Beine, und ein Schlaghut, an welchem zwei Straußenfedern ebenfalls in Granatbbraun und Blau durch eine Diamantenagraffe festgehalten wurden, bildete die Kopfbedeckung. In einem reichen Wehrgehänge stak ein Degen, dessen Griff fein ziseliert war, während die Klinge aus dem besten Stahl bestand, der also als Luxus-, wie als Verteidigungswaffe gleich trefflich diente.

Dann wendete er mit der der Jugend eigentümlichen und natürlichen Koketterie auf sein Gesicht einige Sorgfalt; er kämmte seine natürlich gelockten Haare zu beiden Seiten der Stirne herab, gab seinem Schnurrbart einen graziösen Schwung, strich seinen Vollbart gerade, der zu seinem Leidwesen gar zu langsam in die Länge wuchs, und nahm dann aus einer Schublade eine Börse, welche die an Latil verschenkte zu ersetzen bestimmt war. Durch diese Börse wurde er an das Abenteuer mit Latil erinnert, und er stellte sich wiederholt die Frage:

»Wer zum Teufel mag ein Interesse daran haben, mich aus der Welt zu schaffen?«

Da er sich jedoch aus diese Frage keine befriedigende Antwort zu erteilen vermochte, verwischte er die Erinnerung an Latil und seine Beichte mit der Sorglosigkeit der Jugend aus seinem Gedächtnisse, betastete sich, ob er nichts vergessen, warf noch einen Seitenblick in den Spiegel und stieg die Treppe hinab, indem er die letzte Strophe jenes Liedes summte, dessen erste Strophen er in dem Wirtshause »zum gefärbten Barte« gesungen hatte, als ihn der Anblick des Schwerverwundeten so unerwartet aus dem Concepte brachte.

Vor dem Thore des Hotels fand der Graf das Pferd und den Pagen, welche ihn erwarteten. Er schwang sich mit der Leichtigkeit und Eleganz eines vollendeten Reiters in den Sattel; auf seine Aufforderung sprang Galaor hinter ihm auf die Croupe des Pferdes. Nachdem der Graf sich überzeugt hatte, dass der Knabe sicher und bequem sitze, ließ er sein Pferd aus traben und befand sich eine kleine Viertelstunde nachher in der Rue des Poulies.

An der Ecke, welche die Rue des Poulies mit der Rue des Fosses St. Germain bildet, saß unter einem von einer Lampe beleuchteten Madonnenbilde ein junger Knabe, der, sobald er den Reiter erblickte, der hinter sich auf dem Pferde einen Pagen sitzen hatte, sofort erkannte, dass das der Edelmann sei, auf den zu warten ihm befohlen worden war, und seinen Mantel auseinander schlug.

Dieser Mantel bedeckte einen Anzug in Chamois und Blau, welche Farben die Livree der Frau Prinzeß bildeten.

Auch der Graf erkannte den Pagen, den man ihm bezeichnet hatte; er hieß Galaor absteigen, und nachdem auch er sich aus dem Sattel geschwungen, trat er auf den Knaben zu.

Dieser erhob sich von dem Ecksteine, auf dem er gesessen hatte, und nahm eine respektvolle Haltung an.

»Casale,« sagte der Graf.

»Mantua,« gab der Page zurück.

Der Graf machte Galaor ein Zeichen, sich zu entfernen, und sich wieder zu Dem wendend, der ihm als Führer dienen sollte, sagte er:

»Du bist es also, dem ich jetzt folgen soll, mein schöner Junge?«

»Ja, Herr Graf, wenn es Euch beliebt,« antwortete der Page mit einer so feinen und wohlklingenden Stimme, dass dem Grafen im Augenblicke die Idee kam, er habe eine Frau vor sich.

»Gut denn!« sagte der Graf, indem er aufhörte, seinen Führer zu duzen, »zeigt mir also den Weg, den ich zu gehen habe.«

Diese Veränderung in den Worten des Grasen entging keineswegs demjenigen oder derjenigen, an den oder an die sie gerichtet waren. Der Page warf einen schalkhaften Blick auf den Grafen, bemühte sich nicht einmal ein Lächeln zu verbergen, das auf seine Lippen trat, nickte mit dem Kopfe und setzte sich in Bewegung.

Sie überschritten, ohne angehalten zu werden, die Zugbrücke, Dank einem Worte, das der Page der Schildwache zugeflüstert hatte, kamen ebenso unangefochten durch das Thor des Louvre, und schlugen die Richtung nach dem nördlichen Flügel ein.

Als man zu dem Garten kam, nahm der Page den Mantel ab, damit man seine Livree sehen solle, und sagte mit einer Stimme, die er sich bemühte, so männlich als mir immer möglich ertönen zu lassen:

»Hofstaat der Frau Prinzeß!«

Aber in der Bewegung, welche er hierbei zu machen gezwungen war, musste der Page sein Gesicht bloß geben, ein Strahl der Laterne auf der Treppenflur beleuchtete dasselbe und ließ den Grafen von Moret an der üppigen Fülle goldblonder Haare, an den blauen Augen, in denen die Schalkhaftigkeit ihren Sitz hatte, an dem fein gezeichneten Munde, der ebenso freigebig Bosheiten wie Küsse austeilte, Marie de Rohan-Montbazon, Herzogin von Chevreuse, erkennen.

Er näherte sich ihr lebhaft und fragte sie, als man die Treppe hinan stieg:

»Theure Marie, erzeigt mir der Herr Herzog noch immer die Ehre, auf mich eifersüchtig zu sein?«

»Nein, mein lieber Graf, namentlich nicht, seitdem er weiß, dass Ihr in Frau von Montagne in dem Grade verliebt seid, dass Ihr ihretwegen Tollheiten begeht.«

»Gut geantwortet,« lachte der Graf, »und ich sehe hieraus, dass Ihr noch immer die geistreichste und hübscheste Frau von der Welt seid.«

»Wenn ich aus keiner andern Ursache aus Holland zurückgekehrt wäre, als um aus Eurem Munde Komplimente zu hören, mein Prinz,« sagte der Page, sich verneigend, »wahrhaftig, es würde mir um die Reisekosten nicht leid sein.«

»Aber ich glaubte, dass Ihr seit dem Abenteuer in den Gärten von Amiens verbannt wäret?«

»Man hat meine Unschuld, wie die Ihrer Majestät, anerkannt, und auf die Bitten der Königin hat der Herr Kardinal die Güte gehabt, mich zu pardonniren.«

»Ohne jede Bedingung?«

»Man verlangte von mir das heilige Versprechen, dass ich mich nicht mehr in die Intrigen des Hofes mischen würde.«

»Und Ihr haltet Euer gegebenes Wort?«

»Auf's Gewissenhafteste, wie Ihr seht.«

»Und euer Gewissen sagt Euch nichts darüber?«

»Ich habe einen päpstlichen Ablass.«

Der Graf lachte laut auf.

»Im Übrigen,« sagte der falsche Page, »heißt es wohl nicht intrigieren, wenn man Schwager und Schwägerin zusammenführt.«

»Teure Marie,« sagte der Graf von Moret, dem Pagen die Hand drückend und sie an seine Lippen pressend, mit jener leicht erregten Leidenschaftlichkeit, die er von seinem Vater geerbt hatte, »solltet Ihr mir die Überraschung aufgespart haben, dass sich auf meinem Wege zur Königin Euer Zimmer befindet?«

»O, man sieht wohl, dass Ihr der rechtmäßige Sohn Heinrichs IV. seid und dass die Anderen nur Bastarde sind.«

»Auch mein Bruder Ludwig XIII.?« fragte lächelnd der Graf von Moret.

»O, vor Allem dieser Ludwig XIII., den Gott in seinen Schutz nehmen möge. Warum hat er nicht ein wenig von Eurem Blute in seinen Adern?«

»Wir sind ja nicht von derselben Mutter, Herzogin!«

»Und vielleicht auch nicht einmal von demselben Vater —« .

»Marie, Ihr seid anbetungswürdig und ich, muss Euch umarmen.«

»Seid Ihr toll? Einen Pagen auf der Stiege zu umarmen; wollt Ihr Euch um Euren Ruf bringen, besonders da Ihr erst aus Italien zurückgekommen seid?«

»Ich bin entschieden heute Abend im Unglücke,« sagte der Graf, den Arm der Herzogin fahren lassend.

»Da sehe man! Die Königin schickt ihm eine unserer schönsten Frauen in das Wirtshaus »zum gefärbten Barte« und er wagt es noch, sich zu beklagen.«

»Meine Cousine Marina

»Ja, meine Cousine Marina,« spottete die Herzogin.

»Ah, Ventre-Saint-Gris, Ihr müsst mir wirklich sagen, wer diese reizende Hexe ist.«

»Wie? Ihr kennt sie nicht?«

»Nein!«

»Ihr kennt die Fargis nicht?«

»Fargis, die Frau unseres Gesandten in Spanien?«

»Dieselbe; man platzierte sie nach jener verhängnisvollen Szene in den Gärten von Amiens, von denen wir eben gesprochen haben, in die Nähe der Königin.«

»A la bonne heure!« lachte der Graf von Moret, »das ist einmal eine gut gehütete Königin, an deren Bette zu Häuptern die Herzogin von Chevreuse und zu Füßen Frau von Fargis Wache halten. Ach, mein armer Bruder Ludwig! Gesteht Ihr es, Frau Herzogin, dass er besser bedient sein könnte?«

»Aber wisst Ihr, Monseigneur, dass Ihr zum Entzücken unverschämt seid, und dass es ganz gut ist, dass wir bereits an Ort und Stelle uns befinden?«

»Wir sind also bereits angelangt?«

Die Herzogin zog einen Schlüssel aus ihrer Tasche und öffnete damit die Tür zu einem dunklen Korridor.

»Hier ist Euer Weg, Monseigneur!« sagte sie.

»Ich hoffe, dass Ihr nicht die Absicht habt, mich da hineingehen zu lassen.«

»Und warum nicht? Ihr werdet wirklich da hineingehen, und das ganz allein.«

»Gut! Man hat meinen Tod beschlossen; ich werde da, plötzlich eine offene Falltür unter meinen Füßen haben, und dann, gute Nacht Anton von Bourbon. Ich werde eigentlich nicht viel dabei verlieren, da mich die Frauen so schlecht behandeln.«

»Undankbarer! Wenn Ihr Diejenige kennen würdet, die Euch am anderen Ende dieses Korridors erwartet!«

»Wie!« rief der Graf, »ich werde jenseits dieses Korridors von einer Frau erwartet?«

»Das wird die Dritte an diesem Abende sein, trotzdem hört Ihr nicht auf, Euch zu beklagen, schöner Amadis.«

»Ich beklage mich nicht mehr; auf Wiedersehen, Herzogin!«

»Gebt auf die Falltüren Acht!«

»Die sind mir jetzt gleichgültig; ich wage Alles!«

Die Herzogin verschloss die Tür hinter dem Grafen, welcher sich nun in der vollkommensten Dunkelheit befand.

Einen Augenblick zögerte er; er wusste durchaus nicht, wo er sich befand; einen Moment ging er wirklich mit dem Gedanken um, zurückzugehen, doch das Geräusch des Schlüssels, der die Tür hinter ihm abschloss, hielt ihn auf seinem Platze.

Nach wenigen Sekunden hatte er sich entschlossen, das Abenteuer bis an sein Ende zu verfolgen.

»Ventre-Saint-Gris!« rief er, »die schöne Herzogin behauptet, ich sei der echte Sohn Heinrichs IV.; strafen wir sie nicht Lügen!«

Und er schlich, den Atem anhaltend und mit den Händen vor sich hin tastend, durch den Korridor.

Kaum hatte er zwanzig Schritte mit jenem Zaudern gemacht, das selbst der Mutigste nicht überwinden kann, wenn er sich im Finstern befindet, als er das Rauschen eines Frauenkleides zu hören glaubte, das ihm immer näher kam.

Er blieb stehen, das Rauschen hörte auf.

Er überlegte noch, wie er die Person anreden sollte, von der das Geräusch ausging, als eine sanfte und zitternde Stimme fragte:

»Seid Ihr es, Monseigneur?«

Die Inhaberin der Stimme konnte kaum zwei Schritte vom Grafen entfernt sein.

»Ich bin es!« antwortete der Graf.

Und er trat einen Schritt vorwärts. Seine Hand berührte dabei eine andere, weiche Hand, welche ausgestreckt worden zu sein schien, um ihn zu suchen, die sich aber nach der erfolgten Berührung schüchtern zurückzog.

Zugleich ließ sich ein leichter Schrei hören, der von Überraschung und Angst hervorgerufen sein mochte, aber so einschmeichelnd und melodisch klang, wie der Seufzer einer Sylphe oder das Vieriren einer Aeolsharfe.

Der Graf erbebte; er empfand bei dem Anhören dieses Tones ein Gefühl, das er bisher noch nicht gekannt hatte.

Tiefes Gefühl war köstlich.

»Wo seid Ihr?« flüsterte er.

»Hier!« wurde zögernd geantwortet.

»Man hat mir gesagt, dass ich eine Hand finden würde, die mich führt, da ich den Weg nicht kenne; werdet Ihr mir diese Hand verweigern?«

Eine Pause folgte, während welcher die Person, an welche die Frage gerichtet war, zu überlegen schien; dann erfolgte die Antwort:

»Hier ist meine Hand.«

Mit beiden Händen erfasste der Graf das Händchen, das ihm gereicht wurde, und machte eine Bewegung, um es an seine Lippen zu drücken, aber diese Bewegung wurde durch ein einziges Wort vereitelt, dessen bittende Betonung nur als ein Schmerzensruf verletzter Schamhaftigkeit gedeutet werden konnte.

»Monseigneur!«

»Verzeihung, mein Fräulein!« sagte der Graf, und der Ausdruck, mit dem er diese Worte sprach, war so achtungsvoll, als ob er sie an die Königin selbst gerichtet hätte.

Ein Stillschweigen folgte; der Graf behielt die Hand der Dame in der seinigen, und diese versuchte es nicht mehr, sie zurückzuziehen, aber sie ruhte unbeweglich in der sie umschließenden Hand, und es war, als ob ein fester Wille alles Leben aus ihr entfernt hätte.

Es war, wenn man sich dieses Ausdruckes bedienen darf, eine stumme Hand.

Aber die Ausdruckslosigkeit dieser Hand hinderte den Grafen nicht, zu bemerken, dass sie klein, zart, aristokratisch gebaut und vor Allem von jungfräulicher Frische sei.

Nicht an seine Lippen hatte er jetzt das Verlangen sie zu pressen, sondern gegen sein Herz.

Seit er diese Hand berührt hatte, war er unbeweglich geblieben, als ob er den Zweck seines Hierseins völlig vergessen hätte.

»Kommt Ihr, Monseigneur?« fragte die sanfte Stimme.

»Wohin wollet Ihr, dass ich gehe?« sagte der Graf, ohne sonderlich zu wissen, was er sprach.

»Dorthin, wo die Königin Euch erwartet; zu Ihrer Majestät!«

»Es ist wahr,« erwiderte er seufzend, »ich hatte es vergessen; gehen wir!«

Und ein moderner Theseus tappte er durch ein weniger kompliziertes. aber viel finstereres Labyrinth als das von Creta, und nicht durch den Faden Ariadne's, sondern von Ariadne selbst geführt.

Nachdem einige Schritte gemacht worden waren, wandte sich Ariadne nach rechts.

»Wir sind gleich zur Stelle!« sagte sie.

»Leider!« flüsterte der Graf.

Man langte in der Tat vor einer Glastür an, welche in das Vorzimmer der Königin führte; aber da die Majestät in Folge ihrer Unpässlichkeit sich bereits zur Ruhe begeben hatte, waren in diesen! Vorzimmer alle Lichter bis auf eine Ampel ausgelöscht, welche von der Decke herabhing und durch ihre matt geschliffene Schale nur ein sehr schwaches Dämmerlicht verbreitete.

Bei diesem geringen Scheine versuchte es der Graf, seine Führerin zu betrachten, aber er konnte nichts als die Umrisse ihrer Gestalt gewahren.

Das junge Mädchen blieb stehen.

»Monseigneur,« sagte sie, »da Ihr hier genug seht, um allein geben zu können, so folgt mir.«

Und trotz einer leichten Anstrengung, die der Graf machte, um ihre Hand festzuhalten, befreite sie dieselbe, schritt voran, öffnete die Tür und trat in das Vorzimmer der Königin.

Der Graf von Moret folgte ihr.

Schweigend und auf den Fußspitzen durchschritten Beide das Vorzimmer, um die dem Korridor gegenüberliegende Tür zu erreichen, welche in die Gemächer Anna's von Österreich führte.

Plötzlich blieben sie stehen, denn sie vernahmen ein Geräusch, welches mit jeder Sekunde näher kam.

Dieses Geräusch rührte von mehreren Personen her, welche die große Treppe hinan stiegen.

»Mein Gott,« flüsterte das Mädchen bestürzt, »sollte es der König sein, der, vom Ballet kommend, sich nach dem Befinden Ihrer Majestät erkundigen, oder vielmehr sich überzeugen will, ob sie wirklich krank ist?«

»Man kommt in der Tat von dieser Seite!« sagte der Graf.

»Wartet,« sagte die junge Dame, »ich will nachsehen.«

Sie ging aus die Tür zu, welche auf die Haupttreppe führte, öffnete sie ein wenig und kehrte schnell zum Grafen zurück.

»Er ist es wirklich,« sagte sie; »schnell, schnell in dieses Kabinett!«

Und eine Tapetentür öffnend, stieß sie den Grafen durch dieselbe, und trat nach ihm in das Kabinett.

Es war hohe Zeit gewesen. Kaum hatte sich die Tür des Kabinetts geschlossen, als sich die andere schon öffnete, und unter Vorantritt zweier Pagen, welche Fackeln trugen, und in Begleitung seiner Lieblinge, Baradas und St. Simon, denen der erste Kammerdiener, Beringhen, folgte, trat der König Ludwig XIII. in das Vorzimmer, und verfügte sich, nachdem er seinem Gefolge ein Zeichen gegeben hatte, zu warten, in die Gemächer der Königin.

Der Graf von Moret

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