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Zweiter Teil
VII.
Die Erzählung

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Der Kardinal blieb also mit diesem armen, leblosen Geschöpfe allein, waches man ohne das nervöse Zucken, das von Zeit zu Zeit den Mantel von grobem Tuche, in den es eingeschlagen war, bewegte, hätte für todt halten können.

Aber nach und nach machte sich der wohltätige Einfluss des Feuers geltend; die krampfhaften Zuckungen hörten auf; zwei fleischlose Hände wie die eines Skelettes, wenn die übermäßig langen Nägel nicht angezeigt hätten, dass sie einem Körper gehörten, der das Maß irdischer Leiden noch nicht erschöpft hat, kamen aus den Ärmellöchern hervor, indem sie sich instinktmäßig gegen das Feuer ausstreckten; dann richtete sich ein geisterbleicher Kopf mit tiefliegenden Augen, zurückgefallenen Lippen und fest geschlossenen Zähnen empor, wie der einer Schildkröte, die sich unter dem schützenden Schilde hervorwagt; dann kam der ganze Körper durch eine automatenartige Bewegung in eine sitzende Stellung und dumpf, wie aus der Brusthöhle eines Gespenstes, tönten die Worte aus dem Munde der Unglücklichen:

»Feuer! Ach, wie gut doch das Feuer ist!«

Und wie ein Kind, das die Gefahr der Flamme nicht kennt, näherte sie sich derselben instinktmäßig und ließ ihre erstarrten Glieder fast durch die Hitze versengen.

»Gebt Acht, meine Schwester,« sagte der Kardinal, »Ihr werdet Euch verbrennen.«

Die Coëtman erbebte und drehte sich plötzlich nach der Seite um, woher die Stimme kam; sie hatte nicht gesehen, dass sich noch Jemand außer ihr im Zimmer befand, oder vielmehr, sie hatte gar nichts gesehen, als dieses Feuer, welches sie anzog und ihr einen Schwindel verursachte.

Sie blickte den Kardinal an, den sie in seinem Cavaliercostüm nicht erkannte, da sie ihn in der Mönchskutte gesehen hatte.

»Wer seid Ihr?« fragte sie ihn; »ich kenne wohl Eure Stimme, aber Euch selbst kenne ich nicht.«

»Ich bin Derjenige, der Euch bereits ein Kleid und Feuer gegeben hat, und der Euch nun auch Brot und die Freiheit geben will.«

Sie machte eine Anstrengung, um ihre zerrütteten Gedanken zu sammeln und schien sich endlich zu erinnern.

»O ja,« sagte sie, sich gegen den Kardinal wendend, »Ihr habt mir dies Alles versprochen, aber« – sie blickte um sich und senkte die Stimme – »aber werdet Ihr auch Alles halten können, was Ihr verspracht? Ich habe fürchterliche und mächtige Feinde.«

»Beruhigt Euch; Ihr habt einen Beschützer, der weit fürchterlicher und mächtiger ist, als sie.«

»Welchen?«

»Gott!«

Die Coëtman senkte das fahle Haupt.

»Er hat mich schon seit lange vergessen!« flüsterte sie.

»Ja! Aber wenn er sich einmal erinnert, dann vergisst er nicht mehr.«

»Ich habe großen Hunger!« sagte sie nach einer Pause.

In diesem Augenblicke und als ob sie einen Befehl ausgesprochen hätte, der nun befolgt wurde, öffnete sich die Tür und zwei Nonnen traten ein, welche Brot, Wein, eine Schale Suppe und ein kaltes Huhn brachten.

Bei ihrem Anblicke stieß das arme Geschöpf einen Schreckensruf aus.

»O, meine Peiniger, meine Henker!« rief sie aus, »verteidigt mich!« Und sie kauerte sich hinter dem Stuhle des Kardinals zusammen, wie um ihren unbekannten Beschützer zwischen sich und ihre Widersacher zu bringen.

»Wird das, was ich bringe, hinreichen?« fragte die Oberin, welche auf der Schwelle stand.

»Ja, aber seht, welchen Schrecken die Schwestern der Gefangenen einflößen; sie mögen daher das, was sie gebracht, auf den Tisch stellen und sich zurückziehen.«

Die Nonnen stellten sofort auf das von der Gefangenen entferntere Ende des Tisches das Huhn, die Suppe, den Wein und das Brot.

In der Suppentasse befand sich ein Löffel, bei dem Huhne lagen Messer und Gabel.

»Kommt!« sagte die Oberin zu ihren Nonnen.

Alle Drei gingen der Tür zu.

Der Kardinal machte ein Zeichen mit der Hand; die Oberin, welche bemerkte, dass dasselbe ihr galt, blieb stehen.

»Bedenkt,« sagte Richelieu, »dass ich vor Allem, was diese Frau isst und trinkt, einen Teil versuchen werde.«

»Ihr könnt es ohne Furcht, Monseigneur,« erwiderte die Oberin und entfernte sich mit einer tiefen Verbeugung.

Die Gefangene wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte; dann streckte sie ihren fleischlosen Arm nach dem Tische aus, den sie zugleich mit lüsternen und gierigen Blicken betrachtete.

Aber Kardinal kam ihr zuvor; er bemächtigte sich der Tasse und trank ein oder zwei Löffel Suppe.

»Es sind bereits zwei Tage, seit Ihr nichts gegessen, habt, wie Ihr mir sagtet?«

»Drei Tage, Monseigneur!«

»Warum nennt Ihr mich Monseigneur?«

»Ich hörte, dass die Oberin Euch so nannte, und dann müsst Ihr ein Großer der Erde sein, da Ihr es wagen konntet, meine Verteidigung zu übernehmen.«

»Wenn es schon drei Tage sind, dass Ihr nichts gegessen habt,« sagte der Kardinal, ohne auf diese Bemerkung zu antworten, »so ist das ein Grund mehr, im Essen äußerst vorsichtig zu sein; nehmt diese Tasse, aber verzehrt die Suppe bloß löffelweise.«

»Ich werde tun, was Ihr befehlt, Monseigneur!«

Sie nahm gierig die Tasse aus der Hand des Kardinals und brachte den ersten Löffel Suppe zum Munde.

Aber ihr Hals war wie zugeschnürt; die Suppe konnte nur mit Anstrengung und nach vorausgegangenem heftigen Schmerze geschluckt werden.

Dabei war die Schwäche der Armen so groß, dass ein kalter Schweiß aus ihre Stirne trat und sie einer Ohnmacht nahe kam.

Der Kardinal schenkte ihr ein wenig Wein in ein Glas und nachdem er selbst davon gekostet hatte, empfahl er ihr, ihn in kleinen Zügen zu trinken.

Sie trank ihre Wangen färbten sich mit fieberhafter Röte, und die Hand auf die Brust pressend, sagte sie:

»O, das ist ja Feuer, was ich trinke!«

»Und nun,« sagte der Kardinal, »setzt Tuch ein wenig! und erholt Euch; wir wollen sprechen.«

Und ihr ein Fauteuil in die Kaminecke rückend, half er ihr, sich darauf niederzulassen.

Niemand, der diesen Edelmann gesehen hätte, wie er ein einem hilflosen Weibe mit großer Sorgfalt Krankenwärterdienste verrichtete, würde in ihm den fürchterlichen Prälaten, den Schrecken von Frankreichs Adel, Den erkannt haben, der die Köpfe wie reife Ähren abmähen ließ, wenn sie sich nicht seinem Willen beugten.

Vielleicht wird man einwerfen, dass sein Interesse sich hinter seiner Barmherzigkeit verbarg.

Aber dann würden wir antworten, dass die Grausamkeit in der Politik zur Gerechtigkeit wird, wenn sie sich als notwendig erweist.

»Ich habe noch immer sehr großen Hunger,« sagte das arme Weib, einen heiß verlangenden Blick auf die noch auf dem Tische stehenden Speisen werfend. .

»Sogleich werdet Ihr etwas essen dürfen; Ihr seht, ich habe mein Wort gehalten; Ihr seid erwärmt, habet ein Kleid, habt gegessen, seid frei; nun haltet auch Ihr Euer Versprechen.«

»Was wollt Ihr wissen, Monseigneur?«

»Wie habt Ihr Ravaillac kennen gelernt und wo war es, dass Ihr ihn das erste Mal saht?«

»In Paris, bei mir! Ich war in allen Dingen die Vertraute der Frau Henriette d'Entragues. Ravaillac war aus Angoulème und wohnte daselbst; er hatte eine Stelle im Dienste des Herzogs von Epernon. Er bestand dort zwei schlimme Abenteuer. Eines Mordes wegen war er ein Jahr im Gefängnis und kaum hatte er es verlassen, als er Schulden halber wieder hinein wandern musste.«

»Habt Ihr jemals von seinen Visionen gehört?«

»Er erzählte sie mir selbst. Die erste und bedeutendste war folgende: Einst, als er mit gesenktem Kopfe Feuer anzündete, sah er eine Weinrebe, die er in der Hand hielt, sich verlängern und die Gestalt verändern. Die Rebe wurde zu der geheiligten Posaune des Erzengels, setzte sich von selbst an Ravaillac's Lippen, und ohne dass derselbe nöthig hatte, hineinzublasen, blies sie die Fanfare zu dem heiligen Kriege, wahrend links und rechts aus seinem Munde Ströme von Hostien quollen.« .

»Studirte er nicht Theologie'?« fragte der Kardinal.

»Er begnügte sich damit, die einzige Frage zu studieren: »Von dem Rechte, welches jeder Christ hat, einen König umzubringen, der ein Feind des Papstes ist.« – Der Herzog von Epernon wusste, dass Ravaillac ein religiös gesinnter Mensch sei und dass er von dem Geiste des Herrn heimgesucht würde; er wusste ebenso auch, dass er Schreiber bei seinem Vater, einem Sollicitator, gewesen war; als er aus dem Gefängnisse entlassen wurde, schickte ihn der Herzog daher nach Paris, um dort für ihn einen Prozess zu verfolgen, den er zu führen hatte. Da Ravaillac auf der Reise nach Paris durch Orleans kommen musste, gab der Herzog von Epernon ihm ein Empfehlungsschreiben an Herrn von Entragues und dessen Tochter Henriette mit, und von diesen erhielt er au mich einen Brief, durch den sie mich baten, ihn bei mir wohnen zu lassen.«

»Welchen Eindruck machte er auf Euch, als Ihr ihn das erste Mal sahet?« fragte der Kardinal.

»Ich erschrak vor ihm; er war ein großer, stark gebauter Mann mit einem verschlagenen Gesicht; ich glaubte Judas vor mir zu sehen; aber als ich den Brief Henriettens gelesen hatte, welche ihn als einen frommen Mann schilderte, als ich mich selbst von seiner Sanftmut überzeugt hatte, da verlor ich alle Furcht vor ihm.«

»Ging er nicht von Euch aus nach Neapel?«

»Ja, für den Herzog von Epernon; er wohnte dort bei einem gewissen Hebert, dem Sekretär des Herzogs von Guise, und diesem kündigte er zuerst an, dass er den König ermorden würde.«

»Ja, ich weiß das schon; ein gewisser Latil hat es mir umständlich erzählt; kennt Ihr vielleicht diesen Latil?«

»O ja, er war Page des Herzogs; er muss auch sehr viel von diesen Undingen zu erzählen wissen.«

»Was er wusste, das hat er mir gesagt. Fahrt fort.«

»Ich habe großen Hunger.«

Der Kardinal schenkte ihr ein zweites Glas Wein ein und erlaubte ihr, ein wenig Brot in dasselbe zu tauchen. Nachdem sie von dem Weine getrunken und von dem Brote gegessen hatte, fühlte sie sich bedeutend gekräftigt.

»Ihr saht ihn bei seiner Rückkehr von Neapel?« fuhr der Kardinal in seinem Verhöre fort.

»Wen? Ravaillac? Ja! Er sagte mir zweimal, am Tage der Himmelfahrt Christi und am Frohnleichnamstage, dass er fest entschlossen sei, den König zu tödten.«

»Was für eine Miene hatte er, als er Euch dieses Geständnis machte?«

»Er weinte,« indem er sagte, »dass sich Zweifel in ihm erhöben, dass er aber gezwungen würde.«

»Durch wen?«

»Durch die Erkenntlichkeit, die er dem Herzog von Epernon schulde, der den König tödten lassen wollte, um die Königin-Mutter aus der Gefahr zu ziehen, in der sie sich befände.«

»Und in welcher Gefahr befand sich die Königin-Mutter?«

»Der König wollte Concini und seiner Gattin den Prozess wegen Ehebruch machen, und Erstern hängen lassen. Letztere aber nach Florenz zurückschicken.«

»Und was beschlosst Ihr, nachdem er Euch dieses Geständnis gemacht hatte?«

»Da Ravaillac damals noch nicht wusste, dass auch die Königin im Komplott sei, so dachte ich daran, ihr Alles zu sagen. Der König, an den ich mich zu wiederholten Malen wegen einer Audienz gewendet, hatte nicht geantwortet; er dachte damals an andere Dinge, da er zu jener Zeit auf das Heftigste in die Prinzeß von Condé verliebt war. Ich schrieb also an die Königin, und zwar dreimal, dass ich ihr eine für das Wohl des Königs wichtige Nachricht mitzuteilen hätte. und mich erböte, dafür alle Beweise zu liefern. Die Königin ließ mir antworten, dass sie mich hören wolle, dass ich jedoch drei Tage warten solle. Die drei Tage gingen vorüber; am vierten reiste sie nach St. Cloud.«

»Durch wen ließ sie Euch dies sagen?«

»Durch Vauthier, der zu jener Zeit ihr Apotheker war.«

»Was für eine Idee kam Euch sodann?«

»Dass Ravaillac sich täusche, und die Königin selber im Komplott sei.«

Der Graf von Moret

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