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Erster Teil
VI.
Was im Hotel Rambouillet vorging, während Souscarières sich seines dritten Buckligen entledigte

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An jenem Abend des 5. Dezember 1628, an welchem wir unsere Erzählung beginnen ließen, waren alle die Personen, die wir soeben nannten und noch viele andere, deren Namen aufzuzählen uns zu weit führen würde, im Hotel Rambouillet versammelt, und zwar nicht in ihrer Eigenschaft als häufige Besucher der Marquise, sondern als Eingeladene, denn jeder von ihnen hatte eine Karte erhalten, des Inhaltes, dass die Marquise heute eine außerordentliche Assemblée gebe.

Auf diese Einladung hin war man von allen Seiten herbei geströmt.

In jener glücklichen Zeit, wo die Frauen anfingen Einfluss auf die Gesellschaft zu erhalten, wurde eben Alles zum Ereignisse. Dieser Einfluss wurde im 17. Jahrhundert durch die Marquise von Rambouillet, die Frau Prinzeß Frau von Montausier, Fräulein Paulet, Fräulein von Scudéry geschaffen, sollte sich im 18. Jahrhunderte durch Ninon von L'Enclos, Frau von Sévigne, Frau von. Montespan, die Maintenon, Fräulein Lafayette, die Frauen Du Defund, Epinay und Genlis erhalten, und über die Revolution hinaus in Frau von Staël, Madame Roland sich fortpflanzen, um in der jüngsten Zeit seine Trägerinnen in der Königin Hortense, Frau von Girardin und der George Sand zu finden.

Das große Genie des sechzehnten Jahrhunderts, oder besser gesagt aller Jahrhunderte, William Shakespeare, war seit zwölf Jahren todt, und damals noch von den Engländern allein gekannt, denn, man darf sich darüber nicht täuschen, die europäische Popularität des großen Dichters gehört ganz der neueren Zeit an. Keiner der Schöngeister, welche bei der Marquise von Rambouillet zusammenkamen, hatte je auch nur den Namen des englischen Poeten aussprechen gehört, den Voltaire hundert Jahre später einen Barbaren nannte. Außerdem wären in jener Zeit, wo auf dem Theater Stücke wie »die Befreiung der Andromeda.« »der Tod des Bradamantes« gang und gäbe waren, Dramen wie »Hamlet,« »Macbeth.« »Othello,« »Romeo und Julie« eine ziemlich unverdauliche Kost für die französischen Magen gewesen.

Nein, aus Spanien kamen uns damals die Ligue durch die Guisen, die Moden durch die Königin und die Literatur durch Lopez de Vega, Alarcon, Tyrso von Molina Calderon war noch nicht erschienen.

Enden wir diese lange Parenthese, die sich durch das Interesse, das wir an der Sache finden, von selbst ergeben hat, und nehmen wir unsere Schilderung mit der Behauptung, wieder auf, dass in jener glücklichen Zeit Alles zum Ereignisse wurde, indem wir noch hinzufügen, dass eine von der Marquise von Rambouillet ausgegangene Einladung sogar als ein großes Ereignis betrachtet wurde.

Man wusste, dass es zu den Lieblingsideen der Marquise gehörte, ihren Gästen Überraschungen zu bereiten. Sie hatte eines Tages dem Bischof von Lisieux, Philipp von Cospean, eine Überraschung bereitet, auf die sich ein Bischof am wenigsten gefasst machen konnte. In dem Parke von Rambouillet befand sich nämlich ein großer, kreisrunder Felsen, aus dessen Mitte, von einer hübschen Baumgruppe umgeben, ein Springbrunnen seinen glänzenden Strahl in die Lüfte sandte. Dieser Platz war durch die Erinnerung an Rabelais geheiligt, der aus demselben sein Arbeits- und manchmal auch sein Speisezimmer gemacht hatte. Als der Herr Bischof sich eines Morgens diesem Felsen näherte, strengte er schon von weitem seinen Blick an, um zu erkennen, was ihm zwischen den Zweigen der Bäume so hell entgegen schimmere. Erst als er in unmittelbarer Nähe war, konnte er sieben bis acht Frauen erkennen, die als Nymphen, das heißt, sehr wenig, gekleidet, in malerischer Gruppe um den Springbrunnen lagerten. Unter ihnen befand sich die Marquise im Kostüme der Diana, den Köcher auf der Schulter, den Bogen in der Hand und die glänzende Mondsichel über der Stirne. Ein Bischof unserer Tage hätte an einem solchen Schauspiele wahrscheinlich großes Ärgernis genommen, nicht so der Bischof von Lisieux, welcher späterhin nie mit der Marquise zusammentraf, ohne sie zu fragen, ob sie nichts Neues von dem Felsen im Parke von Rambouillet wüsste. – Als man gegen die Marquise die Bemerkung machte, dass in einem gleichen Falle der arme Actaon in einen Hirsch verwandelt und von den Hunden der Diana zerfleischt wurde, entgegnete sie, jener Fall stehe außerhalb alles Vergleiches mit dem gegebenen, da der arme Bischof so hässlich sei, dass die Nymphen wohl auf ihn Eindruck machen könnten, er aber ihre Herzen zu verwunden nicht im Stande wäre. Übrigens war der Bischof von Lisieux sich seiner Hässlichkeit genau bewusst, so dass er eines Tages, als er einen andern Prälaten, der ebenfalls vom Adonis sehr weit entfernt war, zum Bischof geweiht hatte und dieser ihm zu danken kam. sagte: »Im Gegenteile, Monseigneur, ich bin Euch Dank schuldig, denn ehe Ihr mein College wurdet, war ich der hässlichste Bischof in Frankreich.«

Vielleicht hoffte der männliche Teil der Gäste der Marquise, welcher noch bei weitem zahlreicher war, als der weibliche, dass die Wirtin ihm eine ähnliche Überraschung vorbehalten habe und war darum mit so großem Eifer herbeigekommen. Auch herrschte in der Gesellschaft jene unruhige Neugier, welche stets großen Ereignissen vorangeht, die man nicht kennt, von denen man aber eine unbestimmte Ahnung hat.

Das Gespräch drehte sich um Verschiedenes, um die Liebe und die Poesie, namentlich aber um das letzte Stück, das die Schauspieler im Hotel Burgund aufgeführt hatten, welche Vorstellungen die Aristokratie zu besuchen anfing, seitdem die Leitung des Theaters in den Händen von Bellerose, der Bauprés – seiner Frau, Mlle. Vaillot, la Villiers und Mondorn war.

Die Marquise von Rambouillet hatte die Gesellschaft dadurch in Mode gebracht, dass sie dieselbe in ihren Salons das Stück: »Fredcgonde, oder die keusche Liebe,« von Hardy, aufführen ließ. Seit damals war es entschieden, dass auch anständige Frauen, die bis dahin das Theater im Hotel Burgund niemals besuchten, daselbst erscheinen könnten.

Das Stück, mit dem man sich an jenem Abende beschäftigte, war das Erstlingswerk eines sehr jungen Mannes Namens Johann von Rotrou, den die Marquise protegierte; es hatte die Titel: »Der Hypochondrische, oder der verliebte Tod.« Obwohl von mittelmäßigem Wert, hatte es, Dank der Unterstützung, die ihm von Seite des Hotels Rambouillet wurde, dennoch so viel Erfolg gehabt, dass der Kardinal Richelieu den Verfasser in sein Haus berief und ihn daselbst der Zahl seiner gewöhnlichen Mitarbeiter Mayret, L'Etoile und Colletet hinzufügte, außer denen er übrigens noch zwei außerordentliche Mitarbeiter, Bois Robert und Desmarets, besoldete.

In dem Augenblicke, als man eben über die ziemlich zweifelhaften Verdienste des Stückes debattierte, und Scudéry und Chapelain dasselbe wie Pastetenfleisch zerhackten, trat ein junger Mann von neunzehn Jahren, elegant gekleidet und mit dem Aussehen eines Edelmannes, in den Saal, durchschritt denselben und grüßte nach den Regeln der Etiquette zuerst die Frau Prinzeß, welche in ihrer Eigenschaft als königliche Hoheit überall, wo sie sich befand, den Anspruch auf den ersten Gruß hatte, dann die Marquise, endlich die schöne Julie.

In seiner Begleitung war ein Mann, der um zwei oder drei Jahre älter sein mochte, und, ganz schwarz gekleidet, durch die imposante und gelehrte Gesellschaft mit einer Miene schritt, die eben soviel Schüchternheit zeigte, als das Auftreten seines Freundes Selbstvertrauen verriet.

»Ah, sich da,« sagte die Marquise, die beiden jungen Leute bemerkend und den Ersteren mit dem Finger bezeichnend, »da ist ja gerade der Triumphator, und es ist so schön, in seinem Alter schon zum Capitol hinanzusteigen, dass wohl Niemand den Mut haben wird, hinter ihm her zu rufen: »Cäsar, erinnere Dich daran, dass Du sterblich bist!«

»Ach, Frau Marquise,« erwiderte Rotrou, denn er selbst war es, »lasset der Rede immerhin freien Lauf. Der übelwollendste Kritiker kann meinem Stücke nichts so Schlechtes nachsagen, als ich selbst davon denke, und ohne den besonderen Befehl, der mir in dieser Beziehung vom Grafen von Soissons zukam, hätte ich meinen »verliebten Tod« wirklich todt sein lassen, und mit dem Lustspiel debutirt, an welchem ich soeben arbeite.«

»Gut, und was ist das Thema dieser Komödie, mein schöner Cavalier?« fragte Fräulein Paulet.

»Ein Ring, den Niemand an seinen Finger zu stecken Lust hätte, der Euch einmal gesehen hat, anbetungswürdige Löwin – der Ring der Vergessenheit nämlich.«

Ein beifälliges Gemurmel, so wie ein graziöses dankendes Kopfnicken von Seite Der, welcher sie gegolten hatte, folgten dieser Schmeichelei. Während dem hatte der andere junge Mann sich so viel als möglich hinter Rotrou versteckt gehalten. Da er jedoch von Niemand gekannt war und man der Marquise nur Personen vorstellte, die entweder bereits einen Namen von gutem Klang hatten, oder im Begriff waren, sich einen solchen zu machen, so konnte seine Haltung, so bescheiden sie auch sein mochte, nicht verhindern, dass sich Aller Blicke alsbald nach ihm richteten.,

»Und auf welche Weise,« fragte die schöne Julie, »findet Ihr Zeit, Herr von Rotrou, neue Komödien zu schreiben, da Ihr doch jetzt der Ehre teilhaftig seid, an denen des Herrn Kardinals mitzuarbeiten?«

»Dem Herrn Kardinal,« antwortete Rotrou, »machte in neuester Zeit die Belagerung von La Rochelle so viel zu schaffen, dass er uns etwas freie Zeit ließ, und ich benutzte dieselbe, um nach Kräften zu arbeiten.«

Während dieses Gespräches zog noch immer der in Schwarz gekleidete junge Mann jenen Teil der Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich, der nicht Rotrou zugewendet war.

»Das ist kein Mann des Degens!« sagte Fräulein von Scudéry zu ihrem Bruder.

»Er hat das Aussehen eines Schreibers bei irgend einem Procurator,« antwortete dieser.

Der junge Mann hatte dieses kurze Zwiegespräch gehört und grüßte lächelnd.

Auch Rotrou hatte gehört, was Herr von Scudéry gesagt.

»Ja, ja,« sagte er. »allerdings ist dies ein Procuratorsschreiber, und ein Schreiber, der eines Tages unser Aller Meister sein wird, das prophezeie ich Euch!«

Es war nun die Reihe an den umstehenden Männern, zu lächeln; die Einen taten es aus Ungläubigkeit, die Anderen aus Verachtung; die Frauen betrachteten mit verdoppelter Neugier den Mann, der ihnen mit einem so kühnen Versprechen vorgestellt wurde.

Trotz seiner großen Jugend musste er durch sein ernstes Gesicht, durch die Furche auf seiner Stirne, welche durch die Wucht des Gedankens gegraben zu sein schien, und durch seinen Flammenblick, auffallen. Der andere Teil seines Gesichts war gewöhnlich, die Nase dick, die Lippen wulstig und von einem keimenden Schnurrbart beschattet.

Rotrou dachte, dass es an der Zeit sei, die allgemeine Neugier zu befriedigen und fuhr fort:

»Frau Marquise, erlaubt mir. Euch meinen lieben Landsmann, Peter Corneille, vorzustellen, welcher der Sohn eines Generaladvokaten in Rouen ist, in Kurzem aber auch Sohn seines eigenen Genies sein wird.«

Der Name war völlig unbekannt.

»Corneille,« wiederholte Scudéry, »das ist der Name eines Vogels von schlechter Vorbedeutung.

»Ja, für seine Nebenbuhler Herr von Scudéry,« erwiderte Rotrou.

»Corneille?« wiederholte auch die Marquise, aber in einem Tone des Wohlwollens.

»Ab illice cornix!« flüsterte Chapelain dem Bischof von Veme zu.

»Frau Marquise!« sagte Rotrou. »Ihr sucht vergebens diesen Namen an der Spitze eines Gedichtes, hinter dem Titel einer Tragödie; weder da noch dort ist er zu finden; er figuriert bis jetzt bloß als Unterschrift einer Komödie, mit der dieser gute Mensch, der gestern von Rouen ankam, heute Nacht meine Gastfreundschaft bezahlte. Morgen führe ich ihn in das Hotel Burgund, wo ich ihn der Gesellschaft vorstellen will, und in einem Monate schon werden wir ihm Beifall klatschen.«

Der junge Mann erhob die Augen zum Himmel wie Giner, der sagt: »Wollte Gott!«

Man näherte sich nun den beiden jungen Leuten mit gesteigerter Neugier. Namentlich schien die Frau Prinzeß, die auf Lobspenden außerordentlich erpicht war, und in jedem neuen Poeten einen neuen Herold ihrer Schönheit sah, die eben die Blüten abzustreifen anfing, außergewöhnlich neugierig zu sein. Sie ließ ihr Fauteuil in die Nähe der Gruppe rollen, die sich um Rotrou und seinen Gefährten gebildet hatte, und während sich die Männer, besonders aber die Dichter, zumeist geringschätzig abseits hielten, fragte sie:

»Und darf man den Titel Eures Stückes wissen, Herr Corneille

»Es heißt »Melita«.« antwortete er, »wenn anders Ew. Hoheit es nicht mit einem besseren Namen zu taufen belieben sollten.«

»Melita, Melita,« wiederholte die Prinzeß, »ich finde den Titel reizend und wenn die Fabel des Stückes ihm entspricht —«

»Was aber am reizendsten daran ist,« sagte Rotrou, »das ist der Umstand, dass es eben keine Fabel, sondern eine wahre Geschichte ist.«

»Wie? Eine Geschichte?« fragte Fräulein Paulet, »und sie sollte wahr sein?«

»Nun, erzähle doch den Damen die Sache – Du schlechtes Subject,« sagte Rotrou.

Corneille errötete bis an die Ohrenspitzen; Niemand hatte in der Tat weniger das Aussehen eines schlechten Subjectes, als er.

»Natürlich nur, wenn die Geschichte sich in Prosa erzählen lässt,« sagte Frau von Combales, sich im Voraus für den Fall, als Corneille erzählen sollte, das Gesicht mit dem Fächer bedeckend. Frau von Combales, die viel geliebte Nichte des Kardinals, war eine von den gewöhnlichen Besucherinnen des Salons der Marquise von Rambouillet.

»Ich würde es vorziehen,« sagte Corneille schüchtern, »einige Verse des Stückes zu rezitieren, als die Handlung zu erzählen.«

»Nun,« sagte Rotrou, »das ist doch zu viel Verlegenheit wegen einer kleinen Galanterie. Ich will Euch nur selbst die Handlung in zwei Worten erzählen. In ihr liegt auch nicht der Werth des Stückes, da mein Freund selbst der Held der ihr zu Grunde liegenden Geschichte war, ihr also das Verdienst der Erfindung vollständig abgeht. Stellt Euch vor, meine Damen, dass ein Freund dieses Lebemannes hier . . . .«

»Rotrou, Rotrou,« drohte Corneille.

»Ich fahre trotz dieser Unterbrechung fort,« sagte Rotrou. »Stellt Euch vor, meine Damen, dass ein Freund dieses Lebemannes ihn in einem achtbaren Hause von Ronen, einführt, wo bereits Alles angeordnet ist. um dessen Hochzeit mit einem schönen Mädchen, der Tochter des Hauses, zu feiern. Was glaubt Ihr wohl, dass Herr Corneille tut? Wartet er vielleicht diese Hochzeit ab, und begnügt sich indessen mit der Rolle eines Brautführers, um später die Rolle eines – Ihr versteht mich, nicht wahr?«

»Herr Rotrou!« schmollte Frau von Combales und zog die Spitzen ihrer Carmeliterhaube tiefer in ihre Stirne.

»Um später die Rolle wessen zu übernehmen?« fragte Fräulein von Scudéry mit einer erstaunten Miene; »wenn die Anderen verstanden, haben, ich meinerseits habe nichts verstanden.«

»Ich hoffe es, schöne Sappho (das war der Name, welchen man dem Fräulein von Scudéry in dem Wörterbuch der Zieraffen beilegte), ich sprach für den Herrn Bischof von Vence und Fräulein Paulet, die mich hoffentlich verstanden haben.«

Fräulein Paulet führte mit herausfordernder Grazie' einen leichten Schlag mit dem Fächer nach den Fingern Rotrou's und sagte: »Fahrt fort, Ihr Taugenichts; je eher Ihr zu Ende seid, desto besser.«

»Ja, ad eventum festina! wie es Horaz vorschreibt; nun, auch Herr Corneille befolgte in seiner Eigenschaft als werdender Poet diesen Rat. Er wartete nicht, sondern besuchte die Dame allein, schoß Bresche in die Festung, von deren Mauern, wie es scheint, nicht das Banner der Treue wehte, und baute auf den Trümmern der Glückseligkeit seines Freundes sein eigenes Glück auf, und dieses Glück ist so groß, dass es in seinem Herzen einen Quell entspringen ließ, der kein anderer ist, als jener, an welchem Pegasus und die neun Jungfrauen, die man die Musen nennt, ihren Durst löschten.«

»Da seht einmal,« sagte die Prinzeß, »wo Hippocrene sich überall ansiedelt, in dem Herzen eines Procuratorschreibers – es ist wirklich nicht zu glauben.«

»Bis auf den Beweis des Gegenteils; nicht wahr, Frau Prinzeß? Diesen Beweis wird mein Freund Corneille Euch geben.«

»Das ist eine sehr glückliche Dame,« sagte Fräulein Paulet; »wenn das Stück des Herrn Corneille den Erfolg hat, den Herr Rotrou ihm prophezeit, so ist sie unsterblich gemacht.«

»Ja,« erwiderte Fräulein von Scudéry mit ihrer gewöhnlichen Trockenheit, »aber ich zweifle fast, dass sie während dieser Unsterblichkeit und sollte sie auch so lange dauern, als die der Sybille von Cumä, einen Mann bekommen wird.«

»Und haltet Ihr es wirklich für ein solches Unglück,« sagte Fräulein Paulet, »unvermählt zu bleiben, namentlich wenn man hübsch ist? Fragt doch Frau von Combales, ob es ein gar so großes Vergnügen ist, verheiratet zu sein.« Frau von Combales begnügte sich, einen Seufzer auszustoßen, indem sie die Augen zum Himmel erhob und traurig den Kopf schüttelte.

»Abgesehen von Allem,« sagte die Prinzeß, »hat uns Herr Corneille versprochen, uns Verse aus seinem Stücke zu rezitieren.«

»O, er ist sehr bereit dazu,« sagte Rotrou; »Verse von einem Dichter verlangen, das ist eben so viel, als ob man Wasser von einer Quelle verlangte. Vorwärts also, Corneille

Corneille erröthete, stotterte eine verlegene Entschuldigung, legte die Hand an seine Stirn, und rezitierte in einem Tone, der eher für das Trauerspiel als für die Komödie passte, einige schöne, tiefempfundene Verse aus seinem Stücke.

Ein beifälliges Gemurmel begleitete stellenweise seinen Vortrag, und brach bei einem besonders gefühlvollen und poetisch gedachten Verse in einen lauten Beifallsruf aus, zu welchem die Marquise das Zeichen gegeben hatte. Nur einige Männer, darunter der jüngere Montausier, welche dieser Gattung Poesie abhold waren, protestierten durch ihr Stillschweigen.

Als nun gar Corneille seinem Vortrage noch ein Sonett hinzugefügt hatte, welche Dichtungsart sich damals der höchsten Beliebtheit erfreute, obwohl der Spruch Boileau's, dass ein gutes Sonett eine ganze Dichtung auswiege, noch nicht existiere, hatte das Applaudiren kein Ende; selbst Fräulein von Scudéry näherte ihre Fingerspitzen einander.

Rotrou mit seinem loyalen Herzen erfreute sich besonders an dem Triumphe seines Freundes.

»In der Tat,« sagte die Prinzeß, »Herr Rotrou, Ihr habt Recht; Euer Freund ist ein junger Mann, der würdig ist, dass man ihn tatkräftig unterstütze.«

»Wenn das Eure Ansicht ist. Frau Prinzeß,« sagte Rotrou, die Stimme senkend, »dass ihn nur Frau von Condé hören konnte, wäre es da nicht möglich, ihm durch Seine Hoheit, den Herrn Prinzen, Euren Gemahl, irgend eine kleine Stelle zu verschaffen, denn er ist ohne Vermögen, und Ihr begreift gewiss, dass es schade wäre, wegen einiger Francs ein solches Genie untergehen zu lassen.«

»Da habt Ihr den Nagel auf den Kopf getroffen; der Herr Prinz! Das ist gerade der Mann, mit dem man von Dichtern und Gedichten reden kann! Eines Tages besuchte er mich, als ich gerade Herrn Chapelain zum Essen bei mir hatte; er rief mich abseits, um mir etwas zu sagen, dann fragte er mich: »Wer ist denn der kleine, schäbige Mann, der bei Euch speist, Madame?« – »Das ist Chapelain!« erwiderte ich und glaubte, damit genug gesagt zu haben. – »Chapelain, wer ist das?« – »Nun, der, welcher die »Jungfrau« gemacht hat.« – »So? Dann ist er also ein Bildhauer?« – »Nein!« – Ihr sehet aus diesem kleinen Beispiele genug, mein lieber Rotrou, aber ich will von Eurem Freunde mit Frau von Combales reden, welche ihrerseits den Herrn Kardinal aufmerksam machen wird. – Glaubt Ihr, dass Herr Corneille sich dazu versteht, an den Tragödien Seiner Eminenz mitzuarbeiten?«

»Er wird mit Allem einverstanden sein, vorausgesetzt, dass er in Paris bleiben kann. Bedenket nur, wenn er in einer Advocatenstube solche Verse gemacht hat, was er leisten wird, wenn es ihm einmal gegönnt ist, sich in einer Welt zu bewegen, deren Königin Ihr seid, Madame, während die Frau Marquise den ersten Minister vorstellt.«

»Gut! Lasset »Melita« zur Aufführung kommen und gefallen; für das Übrige wird gesorgt werden.«

Und sie reichte Rotrou ihre feine Hand, welcher sie in die seinige nahm und anblickte, als ob er ihre Schönheit betrachtete.

»Nun, woran denkt Ihr jetzt wieder?« fragte ihn die Prinzeß.

»Ich denke darüber nach, ob auf dieser Hand für Hie Lippen zweier Dichter Platz ist. Ich meine, sie ist zu klein dazu!«

»Zum Glücke,« lachte Frau von Condé, »hat mir Gott zwei Hände gegeben; die eine für Euch, und die andere für einen Andern, den Ihr zum Handkusse zulassen wollt.«

»Corneille, Corneille!« rief Rotrou, »komm schnell hierher, die Prinzeß erlaubt Dir für dein Sonett, dass Du ihre Hand küssest!«

Corneille blieb ganz verdutzt stehen; es wirbelte ihm vor den Augen. An einem und demselben Abende, am ersten Abende seines Eintrittes in die Welt, die Hand der Prinzeß küssen zu dürfen, und von der Marquise von Rambouillet applaudirt worden zu sein, das waren zwei Gunstbezeigungen des Schicksals, die sein höchster Ehrgeiz nicht einmal einzeln zu träumen gewagt hatte.

Auf wessen Seite war der Ruhm und die Ehre? Waren sie auf Seite der zwei jungen Männer, welche zu gleicher Zeit die Hände der Gemahlin des ersten Prinzen von Geblüt küssen durften, oder auf Seite der Prinzeß, deren Hände zu gleicher Zeit von zwei Jünglingen geküßt wurden, die sich in der Zukunft die Unsterblichkeit erringen sollten?

Die Nachwelt hat entschieden; die Ehre war auf Seite der Prinzeß.

Unterdessen war Meister Claude, den Stab in der Hand, wie der Polonius des »Hamlet« in den Saal gekommen, hatte der Marquise leise etwas zugeflüstert, und nachdem sie ihm ebenso leise geantwortet, und dem Anscheine nach verschiedene Befehle ertheilt hatte, erhob sie das Haupt und sagte lächelnd:

»Sehr edle und sehr, werte Herren; geschätzte und liebe Freundinnen! Wenn ich Euch zu nichts Anderem berufen hätte, als um die Verse des Herrn Corneille anzuhören, so würdet Ihr Euch wahrlich nicht zu beklagen haben; ich habe Euch aber in einer materiellen Absicht und zu einem minder ätherischen Zwecke geladen. Ich habe oft mit Euch über den Vorzug des italienischen Sorbet vor dem französischen gesprochen. Ich habe so lange gesucht, bis ich einen Eisbereiter entdeckte der eben von Neapel angekommen ist. Ich sage nicht: »Wer mich liebt, der folge mir!« sondern: »Wer das Gefrorene liebt, dem zeige ich den Weg!« – Herr Corneille, gebt mir Euren Arm!«

»Hier ist mein Arm, Herr Rotrou,« sagte die Prinzeß, welche beschlossen hatte, in Allem dem Beispiele der Marquise zu folgen.

Zitternd und linkisch, wie die Männer von Genie zu, sein pflegen, die eben aus der Provinz kommen, reichte Corneille seinen Arm der Marquise, während Rotrou in galanter Weise und mit der Manier eines vollendeten Cavaliers den seinigen der Prinzeß von Condé reichte; der Graf von Salles, der jüngere der Brüder Montausier, bot sich der schönen Julie zum Cavalier an, der Marquis von Montausier reichte seinen Arm dem Fräulein Paulet und Gambault bequemte sich zu Fräulein von Scudéry.

Frau von Combales, welche mit ihrem klösterlichen Anzuge, dessen Strenge bloß durch ein Bouquet von frischen Veilchen und Rosenknospen in etwas gemildert wurde, ihren Arm keinem Manne geben konnte, ging gleich nach der Prinzeß an der Seite der Frau von St. Etienne, der zweiten Tochter vom Hause, welche wie sie der Kirche angehörte, mit dem Unterschiede, dass Frau von St. Etienne jeden Tag einen Schritt vorwärts in ihrem geistlichen Berufe machte, Frau von Combales hingegen sich täglich um einen Schritt weiter daraus entfernte.

Bis jetzt war die Gesellschaft in den Salons der Marquise noch durch nichts überrascht worden, aber das allgemeine Erstaunen war groß, als die Marquise, welche in ihrer Eigenschaft als Führerin den Vortritt vor der Prinzeß genommen hatte, vor einer Wand stehen blieb, in welcher es, wie man wusste, weder eine Türe noch einen sonstigen Ausgang gab.

Die Marquise aber klopfte mit ihrem Fächer einige Male an die Mauer.

Sofort öffnete sich dieselbe wie durch Zauberei und man befand sich auf der Schwelle eines herrlichen Zimmers, das mit blauen, goldgestickten Samtmöbeln versehen war. Die Tapeten waren in ihrer Grundfarbe den Möbeln ähnlich, und hatten auch die gleichen Verzierungen. In der Mitte befand sich eine vierseitige Etagere, welche mit Blumen, Früchten, Kuchen und Eis beladen war, und an welcher zwei als Genien gekleidete Mädchen, die jüngsten Schwestern der schönen Julie, die Honneurs machten.

Der Schrei der Bewunderung, welchen die Gesellschaft ausstieß, war ein einstimmiger. Man wusste, dass sich hinter der Mauer der Garten des Hospitals der Dreihundert befinde, und sah nun plötzlich ein so wohl eingerichtetes, so herrlich tapeziertes und so schön gemaltes Zimmer, dass man glauben musste, es sei von Feenhänden erbaut und von einem Zauberer ausgeschmückt worden.

Während die Gesellschaft noch mit extatischen Ausrufungen über den Geschmack und Reichtum dieses Gemaches beschäftigt war, welches in der Folge unter dem Namen »blaues Zimmer« eine Berühmtheit erlangte, drängte sich Voiture bleich, atemlos und mit Blut bedeckt durch die Versammlung.

»Ist ein Arzt zugegen?« schrie er, »der Graf Pisani hat sich soeben mit Souscarières geschlagen und ist gefährlich verwundet.«

Zur selben Zeit konnte man im Hintergrunde des Saales den bewusstlosen und leichenähnlichen Körper Pisani's sehen, der auf den Armen von Brancas und Chavaroche ruhte.

»Mein Sohn! mein Bruder! der Marquis!« waren die drei Schreie, welche zu gleicher Zeit ausgestoßen wurden, und ohne sich weiter um das »blaue Zimmer« zu bekümmern, welches aus eine so traurige Art eingeweiht worden war, drängte sich Jedermann in die Nähe des Verwundeten.

In demselben Augenblicke, in welchem der Graf Pisani bewusstlos in das Hotel Rambouillet getragen wurde, setzte ein unerwartetes Ereignis, welches die Situation in eigentümlicher Weise verwickeln sollte, die Bewohner des Gasthauses »zum gefärbten Barte« in nicht geringes Erstaunen'.

Stephan Latil, welchen man todt glaubte und auf einen Tisch gelegt hatte, um ihn daselbst zu lassen, bis Bretter zu einer Tragbahre zusammengefügt waren, stieß plötzlich einen schweren Seufzer aus, schlug die Augen auf und sagte mit schwacher, doch vollkommen vernehmbarer Stimme:

»Ich habe Durst!«

Der Graf von Moret

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