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Zweiter Teil
V.
Zu welchem der Kardinal das Privilegium, welches er Souscarières gegeben, zu seinem Vorteile benützt

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Vorbereitet durch das von Rossignol aufgefundene und dechiffrierte Schriftstück, hatte der Kardinal in der Szene, welche bei der Herzogin von Longueville zwischen Marie, Monsieur und Vauthier stattfand und deren Verlauf ihm von Frau von Combalet mitgeteilt wurde, nur die Ausführung des zwischen seinen Feinden vereinbarten Planes und den Beginn des Kampfes durch die Königin-Mutter erblickt.

Marie von Medicis war in der Tat seine unerbittlichste Feindin, und auch die, welche er sowohl wegen des großen Einflusses, den sie auf ihren Sohn, den König, besaß, als auch wegen der finsteren Mittel am meisten zu, .fürchten hatte, über welche sie und ihr Minister Bérulle geboten.

Die Königin-Mutter also war es, die man zu Grunde richten, ihr verhängnisvoller Einfluss, den sie seit der Rückkehr aus der Verbannung mehr als je aus ihren Sohn übte, von dem man Ludwig XIII. befreien musste, und nicht jene üble Laune, welche Bouvard mit allen Mitteln zu bekämpfen suchte, und welche nicht zu bekämpfen war, weil sie das Leben des Königs ausmachte,

Es gab ein fürchterliches Mittel, dahin zu gelangen, und Richelieu hatte daher stets gezögert, es anzuwenden; jetzt aber schien ihm die Stunde zu rückhaltlosem Handeln gekommen zu sein. Es galt, Ludwig XIII. den Beweis für die unbestreitbare Mitschuld seiner Mutter bei der Ermordung Heinrichs IV. zu liefern.

Ludwig XIII. besaß die große Eigenschaft, für den König Heinrich IV. eine unbegrenzte Verehrung zu hegen.

Er hatte in Concini, den er eines Tages auf der Louvrebrücke ermorden ließ, mehr den Mitschuldigen des Königsmörders, als den Liebhaber seiner Mutter und Verschwender der französischen Staatsgelder strafen wollen.

Der Kardinal war demnach auch überzeugt, dass in dem Augenblicke, wo dem Könige Gewissheit würde, dass seine Mutter dem Tode seines Vaters nicht ferngestanden habe, diese sofort den Weg in die Verbannung abermals werde antreten müssen.

Als die Uhr auf seinem Schreibtische eine halbe Stunde vor Mitternacht zeigte, nahm Richelieu zwei im Voraus unterschriebene, und mit dem Siegel versehene Papiere, rief seinen Kammerdiener Guillemot, legte mit dessen Hilfe seinen roten Talar, seine Spitzenalba, sein Hermelinmäntelchen ab, und zog dafür eine einfache Kapuzinerkutte an, ähnlich der des Pater Josef, ließ eine Sänfte holen, streifte die Capuze über das Gesicht, verließ den Palast, stieg in die Sänfte und gab den Trägern den Befehl, ihn in die Aue de l'Homme Armé, in das Gasthaus »zum gefärbten Barte« zu bringen.

Bald war man an Ort und Stelle. Der Kardinal machte die Bemerkung und diese Bemerkung erfüllte ihn mit Achtung vor der Tätigkeit des Meister Soleil, dass, obwohl es so eben Mitternacht auf den Türmen der Carmeliter schlug, im Gasthause noch Licht wäre, und Jemand auf etwaige nächtliche Gäste wartete, um sie zu empfangen.

Der Kardinal befahl den Trägern, ihn an der Ecke der Rue du Plâtre zu erwarten; dann stieg er aus der Sänfte und trat in das Gasthaus »zum gefärbten Barte«, wo ihn der wachhaltende Kellnerbursche wegen seiner Capuze für den Bruder Josef hielt und ihn fragte, ob er vielleicht mit Latil, seinem Beichtkind, reden wolle.

Gerade einer solchen Unterredung wegen war der Kardinal gekommen.

Da Latil nicht auf der Stelle getödtet worden war, musste er davon kommen; übrigens hatte er in seinem Leben so viele Degenstöße empfangen, dass man mit ziemlicher Gewissheit sagen konnte, jede neue Wunde träfe eine alte, vernarbte.

Latil war noch sehr krank, aber er sah doch schon hoffnungsvoll dem Tage entgegen, wo er mit der Börse des Grafen von Moret in der Tasche sich würde nach dem Hotel Montmorency bringen lassen können.

Er hatte den Pater Josef nicht wiedergesehen, dem er beichtete, ohne ihn zu kennen, aber er war sehr erstaunt darüber, Besuche von dem Arzte des Kardinals zu erhalten, dem es vom Sekretär Sr. Eminenz eingeschärft worden war, sich die Pflege des Patienten angelegen sein zu lassen, so dass der arme Latil ganz erstaunt war, der Gegenstand so vieler Sorgfalt zu fein.

Man hatte ihn selbstverständlich nicht auf dem Tische in in dem Wirtshaussaale liegen lassen können, er war daher in ein Zimmer des ersten Stockwerkes getragen worden: man hatte ihm Nummer 11 gegeben, welches an das Zimmer Nummer 13 stieß, das von der schönen Marina, oder Frau von Fargis, in monatliche Miete genommen war.

Er erwachte beim Scheine der Kerze, mit welcher der Bursche dem Kardinal-Minister voran leuchtete, und die erste Gestalt. welche sich bei dem Scheine dieser Kerze seinen Blicken darbot, war die lange und hagere Figur eines Kapuziners.

Für Latil gab es tatsächlich keinen anderen Kapuziner in der Welt, als den, welchem er gebeichtet hatte, und wir müssen es gestehen, und sollte es selbst die Begriffe von Frömmigkeit schwachen, welche der Leser an unserem armen Verwundeten geknüpft haben mag, an jenem einzigen Abend der Beichte fingen die Beziehungen, welche Latil mit dieser Kaste' hatte, an und endigten auch zugleich.

Es kam ihm daher in den Sinn, dass der würdige Kapuziner ihn entweder für kränker halle und komme, seine Beichte nochmals zu hören, oder dass er glaube, er sei schon gestorben, und nun die Anstalten zu seinem Begräbnisse treffen wolle.

»Hollah!« rief er daher, »guter Vater, bemüht Euch nicht! Durch die Gnade Gottes und mit Hilfe Eurer Gebete ist meinethalben ein Wunder geschehen, und es scheint, dass der arme Stephan Latil wird fortfahren dürfen, ein ehrlicher Kerl auf seine Art zu sein, trotz der Marquis und Vicomtes, die ihn als Banditen behandelten und Vier gegen Einen mit ihm kämpften.«

»Ich kenne Eure gute Aufführung, mein Bruder, und komme, Euch ihretwegen zu beglückwünschen, indem ich mich mit Euch über Eure Wiedergenesung herzlich freue.«

»Teufel!« rief Latil, »war das so notwendig, dass Ihr mich zu einer solchen Stunde wecken musstet und konntet Ihr mit Euren Komplimenten nicht warten, bis es Tag war?«

»Nein,« antwortete der Kapuziner, »da ich Wichtiges insgeheim mit Euch zu reden habe, mein Bruder.«

»Sind es Staatsgeschäfte?« fragte Latil lachend.

»Es sind wirtlich Staatsgeschäfte.«

»Oho!« fuhr Latil noch immer lachend fort, »sollte ich etwa die »graue Eminenz« vor mir haben?«

»Ich bin mehr als das,« sagte der Kardinal, indem auch er die Lippen zu einem Lächeln verzog; »ich bin die rote Eminenz.«

Und er schlug die Capuze zurück, damit der Klopffechter sehe, mit wem er es zu tun habe.

»O!« sagte Latil und fuhr mit einer unwillkürlichen Bewegung des Schreckens von seinem Lager empor, »bei der Seele meines an dem Thore von Jerusalem gesteinigten Schutzpatron, Ihr seid es selbst, Monseigneur!«

»Ja, und Ihr könnt Euch von der Wichtigkeit der Angelegenheit, über welche ich mit Euch sprechen will, nun einen Begriff machen, da Ihr seht, dass ich die Zufälle, denen ich bei einem nächtlichen Ausgang ohne Garden mich aussetze, nicht scheuend, hierher gekommen bin, um Euch auszusuchen.«

»Monseigneur werden, sobald meine Kräfte es zulassen, in mir einen gehorsamen Diener finden.«

»Nehmt Euch nur Zeit und sammelt Eure Erinnerungen.«

Es entstand nun ein augenblickliches Stillschweigen, wahrend der Kardinal seine Blicke so fest auf Latil richtete, dass es schien, er wolle bis auf den Grund seiner Seele sehen.

»Ihr müsst,« begann Richelieu, »obwohl noch jung, ein sehr guter Freund des verstorbenen Königs gewesen sein, da Ihr Euch weigertet, seinen Sohn zu tödten, trotz der großen Summe, die man Euch für diesen Mord anbot.«

»Ja, Monseigneur, und ich kann auch sagen, dass die Treue, die ich seinem Andenken bewahre, einer der Hauptgründe war, warum ich den Dienst des Herzogs von Epernon verließ.«

»Ihr standet, wie man mich versicherte, während der König ermordet wurde, auf dem Trittbrett seines Wagens. Könnt Ihr mir vielleicht sagen, was von dem Momente des Mordes an in Bezug auf den Mörder vorging und in wie weit der Herzog bei der Katastrophe beteiligt war?«

»Ich war mit dem Herrn Herzog von Epernon im Louvre, d. h. er war in den Appartements und ich wartete im Hofe. Schlag vier Uhr kam der König die Treppe herab.«

»Bemerktet Ihr damals,« fragte der Kardinal, »ob Se. Majestät traurig oder fröhlich war?«

»Sehr traurig, Monseigneur; aber muss ich auch über diesen Punkt Alles erzählen, was ich davon weiß?«

»Alles,« sagte der Kardinal, »wenn Ihr die Kraft dazu in Euch fühlt.«

Was den König betrübte, waren nicht nur Ahnungen, sondern auch Vorhersagungen; ohne Zweifel kennt Ihr deren Inhalt. Monseigneur?«

»Ich war zu jener Zeit nicht in Paris; ich kam erst fünf Jahre später her, weiß also nichts, und erwarte von Euch die Erzählung eines jeden Umstandes.«

»Nun gut, Monseigneur, ich will Alles ausführlich erzählen, denn es scheint mir in der Tat, dass die Anwesenheit Eurer Eminenz mir meine Kräfte wieder gibt und dass die Angelegenheit, über die Ihr mich befragt, dem Herrn gefällt, der es wohl zuließ, dass der große König ermordet wurde, der es aber nicht zulassen wird, dass seine Mörder straflos ausgehen.«

»Mut, mein Freund,« sagte der Kardinal, »Ihr habt den rechten Weg betreten.«

»Man verkaufte also im Jahre 1607 auf der großen Messe zu Frankfurt mehrere astrologische Bücher, in welchen geschrieben stand, dass der König von Frankreich im neunundfünfzigsten Jahre seines Lebens, d. i. im Jahre 1610, sterben würde. In demselben Jahre fand ein Prior zu Montargis auf dem Altar zu wiederholten Malen die Anzeige, dass der König ermordet werden würde. Eines Tages kam die Königin-Mutter in unser Hotel, um dem Herzog einen Besuch abzustatten. Sie schlossen sich in ein Zimmer ein, aber neugierig wie ein Page, schlüpfte ich in das anstoßende Kabinett und hörte die Königin sagen, ein Doktor der Theologie, Namens Olive, habe in einem Philipp III. gewidmeten Buche den Tod des Königs für das Jahr 1610, verkündet. Der König kenne diese Vorhersagung, welche auch versicherte, er werde in einem Wagen sterben; denn als bei dem Einzuge des spanischen Gesandten der königliche Wagen etwas schiefgegangen wäre, hätte der König sich so heftig auf die andere Seite, wo sie saß, geworfen, dass er ihr die Spitzen der Diamanten, die sie in ihren Haaren trug, tief in die Stirn drückte.«

»War in diesem Gespräche nicht auch von einem gewissen Lagarde die Rede?« fragte der Kardinal.

»Ja, Monseigneur,« sagte Latil, »und Ihr ruft mir da eine Einzelheit ins Gedächtnis zurück, die ich ganz vergessen halte, eine Einzelheit übrigens, die den Herzog von Epernon einigermaßen in Verwirrung brachte. Dieser Lagarde hatte sich, nachdem er aus den Türkenkriegen zurückgekehrt war, in Neapel aufgehalten und lebte daselbst in Gesellschaft eines gewissen Hebert, welcher der Sekretär Biron's gewesen war. Da dieser Letztere erst zwei Jahre zuvor starb, waren noch alle in seine Verschwörung verwickelten Personen verbannt. Hebert und Lagarde saßen eines Tages bei Tische, als ein großer, in violettes Tuch gekleideter Mensch eintrat und ihnen sagte, dass die französischen Verbannten bald nach ihrer Heimat zurückkehren könnten, da er im Jahre 1610 den König ermorden würde. Lagarde hatte um seinen Namen gefragt, und der Mann in Violett antwortete, er heiße Ravaillac und sei von den Leuten des Herzogs von Epernon.«

»Ja,« sagte der Kardinal, »ich habe die Sache beinahe ebenso gehört.«

»Wünschen Monseigneur, dass ich meine Erzählung abkürze?« fragte Latil.

»Nein, lasset mir beileibe kein Wort weg,« sagte Richelieu eifrig; »besser zu viel, als nicht genug.«

»Während er in Neapel war, führte man Lagarde zu einem Jesuiten, Namens Alagon; dieser hatte ihn sofort gedungen, den König zu tödten; er sollte das Wagstück zugleich mit Ravaillac ausführen und einen Jagdtag dazu wählen. Auf dem Wege nach Paris erhielt er einen Brief, in welchem ihm derselbe Vorschlag gemacht wurde. Kaum in Paris angelangt, übergab er diesen Brief dem Könige; die Namen Ravaillac's und Epernon's waren in demselben genannt.«

»Hörtet Ihr nichts davon, dass der König durch diese Mitteilung schmerzlich berührt war?«

»O, sehr schmerzlich! Niemand im Louvre wusste, woher seine Traurigkeit kam. Während acht Tage bewahrte er sein peinliches Geheimnis, dann verließ er den Hof und wohnte allein in Livry, in einem kleinen Hause, welches seinem Gardecapitän gehörte. Dann kam er in das Arsenal und bat Sully, ihm eine kleine Wohnung einzurichten, vier Zimmer, damit er mit denselben wechseln könne.«

»So war also,« murmelte Richelieu, »dieser gute König, der beste vielleicht, den Frankreich jemals hatte, dahin gekommen, wie Tiberius, die Geißel der Welt, aus Furcht vor Meuchelmördern jede Nacht in einem andern Zimmer zubringen zu müssen, und da wage ich es, mich zu beklagen – ich!«

»Eines Tages endlich,« fuhr Latil fort, »rief ein Mann in einem grünen Gewand und von finsterer Miene, dem Könige auf der Straße zu: »Im Namen des Herrn und der heiligen Jungfrau, Sire, ich muss mit Euch reden; ist es wahr, dass Ihr dem, Papst den Krieg erklärt?« Der König wollte stehen bleiben, um mit dem Manne zu sprechen, aber man hinderte ihn daran. Das Alles war ihm in den Sinn gekommen, und hatte ihn an jenem verhängnisvollen 14. Mai, der auf einen Freitag fiel, so traurig gemacht, wie einen Menschen, der zum Tode verurteilt ist und auf Gnade nicht zu rechnen hat. Mit solchen Gefühlen stieg er die große Treppe hinab und in seinen Wagen. Da war es, dass mich der Herzog von Epernon rief und mir befahl, mich auf das Trittbrett zu stellen.«

»Erinnert Ihr Euch,« fragte der Kardinal, »wie viele Personen sich damals im Wagen befanden und wie dieselben verteilt waren?«

»Drei Personen, Monseigneur: der König, Herr von Montbazon und der Herzog von Epernon. Montbazon saß zur Rechten, mein Herr zur Linken und der König in der Mitte. Ich konnte schon bei der Abfahrt recht gut einen Mann bemerken, welcher an die Mauer des Louvre gelehnt stand und wartete, als ob er gewusst hätte, der König werde ausfahren. Als er den offenen Wagen, welcher ihm gestattete, den König. zu erkennen, abfahren sah, verließ er seinen Platz an der Mauer und folgte uns.«

»Das war der Mörder?«

»Ja, aber ich kannte ihn nicht. Der König war nicht von seinen Garden begleitet. Er hatte zuerst gesagt, er wolle zu Sully fahren, welcher krank war, aber in der Rue de l'Arbre Sec besann er sich anders und befahl, ihn zu Fräulein Paulet zu fahren, indem er bemerkte, er wolle sie ersuchen, sie möge die Erziehung seines Sohnes Vendôme leiten, der schlechte italienische Neigungen angenommen habe,«

»Fahrt fort, fahrt fort!« drängte der Kardinal, »und vergeht mir auch das geringste Detail nicht.«

»O, Monseigneur, es kommt mir vor, als ob ich noch dabei wäre; es war ein schöner Tag, gegen ein Viertel auf fünf Uhr Nachmittags. Obwohl man überall Heinrich IV. in seinem Wagen erkannte, schrie man doch nirgends: »Es lebe der König!« Das Volk war niedergeschlagen und misstrauisch«

»Als man in die Rue de Bourdonnais kam, suchte da nicht der Herzog von Epernon den König mit irgend etwas zu beschäftigen?«

»Monseigneur,« sagte Latil erstaunt, »ich fange an. zu glauben, dass Ihr von der Sache ebenso viel wisst, als ich!«

»Ich habe Euch im Gegenteile gesagt, dass ich leider gar nichts weiß; fahrt nur fort!«

»Ja, Monseigneur! d'Epernon gab Sr. Majestät einen Brief; der König las eifrig und beschäftigte sich nun nicht mehr mit dem, was um ihn her vorging.«

»Also doch!« flüsterte der Kardinal.

»Als man ungefähr in der Mitte der Rue de la Ferronnerie angelangt war, kreuzten ein Wein- und ein Heuwagen den Weg. Es gab einen Aufenthalt. Der Kutscher des königlichen Wagens bog nach links ein, um auszuweichen, und das Rad streifte fast die Mauer des in dieser Straße befindlichen Klosters; ich presste mich gegen den Wagenschlag, um nicht zerquetscht zu werden. Der Wagen musste halten. In diesem Augenblicke stieg ein Mann auf einen Eckstein, schob mich mit der Hand zur Seite, und vorbei an der Brust des Herzogs von Epernon, der sich zurückbog, wie um ihm Platz zu machen, führte er nach dem Könige den ersten Stich. »Zu Hilfe!« rief der König, »ich bin verwundet!« und, erhob den linken Arm, in welchem er den Brief hielt; dies verschaffte dem Mörder Gelegenheit, einen zweiten Stich zu führen, und er tat es. Diesmal stieß der König nur einen Seufzer aus; dann war er todt. »Der König ist nur verwundet,« rief da der Herzog von Epernon, und warf seinen Mantel über den Körper des Ermordeten. Ich sah davon nichts mehr, ich kämpfte in diesem Augenblicke mit dem Mörder, den ich bei seinem Wams gefasst hatte, und der mir die Hände mit Messerstichen zerfleischte, aber ich ließ ihn erst los, als ich ihn erfasst und in sichere Verwahrung genommen sah. »Tödtet ihn nicht,« schrie der Herzog von Epernon, »bringt ihn nach dem Louvre!«

Richelieu legte seine Hand auf die Schulter des Verwundeten, wie um ihn zu unterbrechen.

»Der Herzog rief das wirklich?« fragte er.

»Ja, Monseigneur, aber der Mörder war bereits festgenommen, die Gefahr, dass er getödtet werde, war vorüber. Man schleppte ihn nach dem Louvre; ich folgte ihm; es schien mir, dass er meine Beute sei; ich deutete auf ihn mit meinen blutenden Händen und schrie fortwährend: »Der ist's, der den König getödtet hat!« – »Welcher?« rief man zurück. – »Der im grünen Wams!« gab ich vielleicht hundertmal zur Antwort. Man weinte, man schrie, man drohte dem Mörder. Der Wagen des Königs konnte kaum vorwärts kommen, so groß war die Menschenmenge, die von allen Seiten herbeiströmte. Ich erkannte in der Menge den Marschall d'Ancre; man erzählte ihm die traurige Neuigkeit und er lief sofort ins Schloss, wo er sich in das Gemach der Königin begab, und ohne einen Namen zu nennen, als wenn die Königin ohnehin hätte wissen müssen, um was es sich handle, ihr ankündigte: »E,amazzato!«

»Er ist getödtet!« wiederholte der Kardinal, »das stimmt so ziemlich mit dem überein, was ich gehört habe; das Ende?«

»Man brachte den Mörder ins Hotel Retz, man stellte Wachen vor seine Tür, aber man verschloss dieselbe nicht, damit Jedermann eintreten könne; auch ich fand mich ein; es schien mir, als ob der Elende mir gehörte. Unter den Besuchern befand sich auch Pater Cotton, der Beichtvater des Königs.«

»Seid Ihr sicher, ihn dort gesehen zu haben?«

»Er kam dahin, ja, Monseigneur!«

»Sprach er mit Ravaillac?«

»Er sprach mit ihm.«

»Habt Ihr gehört, was er sagte?«

»Gewiss, und ich kann es Wort für Wort wiederholen.«

»Tut dies!«

»Er sagte mit väterlichem Tone zu ihm: Mein Freund —«

»Er nannte Ravaillac seinen Freund?«

»Ja, er sagte also zu ihm: »Wein Freund, hütet Euch wohl, gute Menschen beunruhigen zu lassen!«

»Und wie benahm sich der Mörder?«

»Sehr ruhig, und wie ein Mensch, der sich geborgen weiß.«

»Blieb er im Hotel Retz?«

»Nein, der Herzog von Epernon ließ ihn zu sich bringen, wo er vom 14. bis zum 17. blieb, und wo er allerhand Unterredungen mit ihm gehabt haben soll. Am 17. brachte man Ravaillac in die Conciergerie.«

»Um wie viel Uhr wurde der König ermordet?«

»Genau um vier Uhr und zwanzig Minuten!«

»Und um welche Stunde wurde das Ereignis in der Stadt bekannt?«

»Um neun Uhr erst; doch war um sechs Uhr bereits die Königin zur Regentin proklamiert.«

»Das heißt, eine Ausländerin, die damals nur noch italienisch sprach,« rief Richelieu voll Bitterkeit; »eine Österreicherin, die Großnichte Carl's V., die Cousine Philipps II. – das heißt also.die Ligue! – Doch kommen wir mit Ravaillac zu Ende!«

»Niemand kann Euch besser sagen, als ich, wie Alles zuging, denn ich verließ ihn erst, als er auf dem Rade lag. Ich besaß ein Privilegium, denn man sagte: »Das ist der Page des Herzogs von Epernon; er ist es, der den Mörder festgehalten hat!« – Die Frauen umarmten mich und die Männer schrien wie rasend: »Es lebe der König!« – der war aber todt. Das Volk, welches zu Anfang bei der Neuigkeit ruhig und wie betäubt gewesen war, wurde dann wie toll vor Wut. Es rottete sich vor der Conciergerie zusammen und da es den Verbrecher nicht steinigen konnte, warf es mit Steinen gegen die Mauer.«

»Ravaillac beschuldigte Niemand?«

»Nein, während der Verhöre nicht. Ich zweifle meinesteils nicht daran, dass er fest darauf rechnete, im letzten Augenblick gerettet zu werden. Er behauptete aber, die Priester in Angoulème, denen er das Geständnis ablegte, er wollte einen ketzerischen König umbringen, und die ihm die Absolution erteilten, statt ihm von seinem Plane abzureden, hätten der Absolution ein kleines Reliquienkästchen hinzugefügt, in welchem sich, ihrer Versicherung nach, ein Stückchen von dem wahren Kreuze Christi befände. Das Reliquienkästchen, welches in seiner Gegenwart durch den Gerichtshof geöffnet wurde, enthielt indes gar nichts. – Gott sei Dank hatten die Menschen es nicht gewagt, den Herrn Jesus zum Mitschuldigen eines so abscheulichen Verbrechens zu machen.«

»Was sagte er, als er sah, dass er betrogen worden war?«

»Er begnügte sich damit, zu sagen: »Der Betrug wird auf die Betrüger zurückfallen.

Der Kardinal sagte darauf:

»Ich sah einen Auszug des Protokolls, welches veröffentlicht wurde. Es heißt darin: »Was bei der Tortur vorging, ist das Geheimnis des Hofes

»Ich war bei der Tortur nicht zugegen,« antwortete Latil, »aber ich stand bei dem Rade an der Seite des Scharfrichters. Das Urteil lautete, der Verbrecher sollte mit glühenden Zangen gezwickt und gevierteilt werden. Aber man blieb dabei nicht stehen. Der königliche Procurator, Herr Lagarde, trug darauf an, der Vierteilung auch noch geschmolzenes Blei hinzuzufügen, sowie siedendes Oel und Pech, gemischt mit Wachs und Schwefel. Das Alles wurde mit Enthusiasmus genehmigt. Hätte man es dem Volke überlassen, die Sache in die Hand zu nehmen, so wäre sie binnen fünf Minuten zu Ende gewesen: es hätte Ravaillac in Stücke gerissen. – Als er das Gefängnis verließ, um nach dem Gréveplatze zu gehen, erhob sich ein solcher Sturm des Wutgeschreies, der Verwünschungen, der Drohungen, dass der Mörder da erst die Größe des von ihm begangenen Verbrechens erkannte. Auf dem Schafott wendete er sich zu dein Volke und bat mit kläglicher Stimme um die Gnade, dass man ihm, der so viel erdulden sollte, den Trost eines Salve Regina gewähren möchte.«

»Wurde die Bitte erfüllt?«

»Ei ja doch! Wie mit einer Stimme heulte es auf dem ganzen Gréveplatze: »Zur ewigen Verdammniß mit dem Judas

»Fahrt fort!« sagte Richelieu. »Ihr waret also, wie Ihr sagtet, neben dem Scharfrichter auf.dem Blutgerüst?«

»Ja. Man erwies mir diese Gunst,« erwiderte Latil, »weil ich den Mörder festgenommen, oder doch wenigstens zu seiner Festnehmung wesentlich beigetragen hatte.«

»Nun wohl,« bemerkte der Kardinal, »man hat mir die Versicherung gegeben, dass er gerade auf dem Schafott Geständnisse ablegte.«

»Höret, Monseigneur, was geschah: Eure Eminenz begreifen wohl, wenn man einem solchen Schauspiele beigewohnt hat, so können viele Tage, Monate und Jahre vergehen und man erinnert sich desselben doch noch immer mit der größten Deutlichkeit. – Nach dem ersten Anziehen der Pferde, welches fruchtlos blieb, da die Tiere kein Glied loszureißen vermochten, goss mau fortwährend in die Wunden, welche die glühenden Zangen in die Arme, die Brust, die Schenkel des Verurteilten gerissen hatten, geschmolzenes Blei, siedendes Öl, brennenden Schwefel. Da konnte der Körper, der nur noch eine einzige blutende Wunde war, dem Schmerze nicht länger widerstehen, Er rief dem Henker zu: »Halt ein! Halt ein! Ich will sprechen!«

»Der Henker hielt an. Der Gerichtsschreiber, welcher am Fuße des Schafotts stand, erstieg dasselbe und schrieb auf ein abgesondertes Blatt Papier das, was der Verurteilte ihm diktierte.«

»Und was gestand er in diesem äußersten Augenblicke?« fragte der Kardinal lebhaft.

»Ich wollte nähertreten,« entgegnete Latil, »doch man hinderte mich daran und es kam mir nur vor, als hörte ich den Namen des Herzogs von Epernon und den der Königin.«

»Habt Ihr von dem Protokoll und diesem fliegenden Blatt niemals bei dem Herzog sprechen hören?«

»Im Gegenteil, Monseigneur; es war davon sehr oft die Rede.«

»Was sagte man darüber?«

»Was das Protokoll über die Hinrichtung betrifft, so sagte man, dass der Berichterstatter es in ein Kästchen getan hätte, welches er am Kopfende seines Bettes in einer Mauervertiefung aufbewahrte; das fliegende Blatt, hieß es, sollte von der Familie Joly von Fleury in Verwahrung genommen sein, die den Besitz zwar ableugnete, die es jedoch zur großen Verzweiflung des Herzogs von Epernon einigen befreundeten Personen zeigte, welche wegen der schlechten Handschrift des Gerichtsschreibers große Mühe hatten, es zu entchiffren. die zuletzt aber doch die Namen des Herzogs und der Königin herauslasen.«

»Und nachdem das fliegende Blatt geschrieben war?«

»Das Verfahren hatte darauf seinen Fortgang. Die Pferde, welche die Prevotei geliefert hatte, waren elende, magere Mähren und hatten nicht die Kraft, ein Glied von dem Körper zu trennen. Ein Edelmann bot das Pferd an, auf dem er saß, und es riß dem Verurteilten gleich auf den ersten Ruck einen Schenkel aus. Da der Mörder noch immer lebte, wollte der Scharfrichter ihm den Gnadenstoß geben; aber die Lakaien all der vornehmen Herren, welche der Hinrichtung beiwohnten, und die ringe um die Schranke herstanden, übersprangen dieselbe, stürzten sich auf den verstümmelten Körper und durchbohrten ihn mit Degenstößen. Nun warf auch das Volk sich auf den Königsmörder, zerriss ihn in kleine Stücke und verbrannte das Fleisch auf allen Kreuzstraßen. – Als ich nach dem Louvre zurückkehrte, sah ich die Schweizer, welche unter den Fenstern der Königin einen Schenkel rösteten. Und nun bin ich zu Ende.«

»Das ist Alles, was Ihr wisst?«

»Ja, Monseigneur; außer dass ich oft erzählen hörte, wie der Schatz geteilt wurde, den Sully mit so großer Mühe angesammelt hatte.«

»Ich weiß! Der Prinz von Condé erhielt für sich davon allein vier Millionen; doch das interessiert mich nur sehr wenig. Kommen wir also zu unserer eigentlichen Angelegenheit zurück und saget mir, ob Ihr bei all' diesen Dingen nicht von einer Marquise von Escoman man habt sprechen hören?«

»O, das will ich meinen!« sagte Latil. »Sie war eine kleine Frau, ein wenig verwaschen, nannte sich mit ihrem Mädchennamen Jacqueline la Boyer, und hieß nicht Escoman, sondern Coëtman. Sie war nicht Marquise, obgleich man ihr diesen Titel zu geben pflegte; ihr Mann hieß kurzweg Isaac von Varenne. Sie war die Mätresse des Herzogs; Ravaillac wohnte sechs Monate bei ihr. Man beschuldigte sie, mit ihm bei der Ermordung des Königs im Einverständnis gewesen zu sein. Sie sagte Jedem, der es hören wollte, die Königin-Mutter wäre mit in dem Komplott gewesen, aber Ravaillac hätte das nicht gewusst.«

»Was ist aus dieser Frau geworden?« fragte der Kardinal.

»Sie wurde einige Tage vor dem Tode des Königs verhaftet«

»Das weiß ich; sie blieb sogar bis 1619 im Gefängnis; aber in diesem Jahre wurde sie nach einem andern Kerker gebracht. Nach welchem, das habe ich nicht erfahren können. – Wisst Ihr es vielleicht« «

»Monseigneur, Ihr werdet Euch erinnern, dass 1613 von dem Parlamente ein Befehl erlassen wurde, welcher alle weiteren Nachforschungen verbot, und zwar wegen des Standes der Angeklagten. Dieses »wegen des Standes der Angeklagten« war eine fortwährende Drohung. Als Concini ermordet und Luynes allmächtig war, konnte man den Prozess wieder aufnehmen und zu Ende führen; aber Luynes zog es vor, die Königin-Mutter zu gewinnen, um an ihr im Fall der Not eine Stütze zu haben, statt sie zu vernichten und darüber vielleicht eines Tages dem Zorn Ludwig's XIII. ausgesetzt zu sein. Luynes verlangte deshalb damals von dem Parlamente, den Spruch zu Gunsten der Königin umzuändern, die Anklage gegen dieselbe für verleumderisch, Maria von Medicis und den Herzog von Epernon für unschuldig zu erklären und statt ihrer die Cëstman zu verurteilen.«

»Es war in der Tat zu jener Zeit, dass sie verschwand. Aber in welches Gefängnis wurde sie gebracht? Danach fragte ich Euch schon und es ist Euch wahrscheinlich unbekannt, da Ihr mir darauf keine Antwort gabt.«

»Ich kann Euch dennoch sagen, Monseigneur, wo sie ist, oder vielmehr, wo sie war; denn Gott allein kann wissen, ob sie seit den neun Jahren gestorben ist, oder ob sie noch lebt.«

»Gott wird gestatten, dass sie noch am Leben ist!« rief der Kardinal mit einem so entschiedenen Vertrauen, dass man leicht sehen konnte, das Verlangen, sie unter den Lebenden zu wissen, habe an diesem Ausrufe wenigstens eben so viel Anteil, wie sein Gottvertrauen.

Nach einer Pause fügte er hinzu:

»Ich habe immer bemerkt, dass die Seele um so fester an dem Körper hängt, je mehr dieser leidet.«

»Nun wohl, Monseigneur,« sagte Latil, »sie wurde in einem »In peace« eingesperrt, und darin sind ihre Gebeine zuverlässig noch, wenn auch ihr Fleisch vielleicht nicht mehr.«

»Und Ihr wisst, wo dieses »In peace« ist?« fragte lebhaft der Kardinal.

»Es wurde eigens für sie erbaut, Monseigneur. Es liegt in einem Winkel von dem Hose der Büßerinnen. Es ist ein Grab, dessen Tür hinter ihr zugemauert wurde; man sah sie darin hinter einer vergitterten Öffnung, durch deren Stäbe ihr Speise und Trank zugesteckt wurden.«

»Und Ihr habt sie dort gesehen?« fragte der Kardinal.

»Ich sah sie dort, Monseigneur. Man duldete, dass die Kinder mit Steinen nach ihr warfen, wie nach einem wilden Tiere, und sie brüllte wie ein solches: »Sie lügen! Ich bin es nicht gewesen, die ihn ermordet hat. – Sie waren es, die mich hierher brachten!«

Der Kardinal stand auf.

»Es ist kein Augenblick zu verlieren!« rief er aus. »Ich muss diese Frau haben!«

Dann fügte er zu Latil hinzu:

»Werdet gesund, mein Freund, und wenn Ihr geheilt seid, macht Euch keine Sorgen mehr wegen Eurer Zukunft.«

»Pest!« sagte der Verwundete. »Bei einem solchen Versprechen werde ich bald gesund sein, Monseigneur; aber es war auch Zeit!«

»Zeit! Wozu?« fragte Richelieu.

»Dass wir zu Ende kamen, Monseigneur, denn ich fühle mich sehr schwach, und – Na, soll ich etwa jetzt sterben?«

Mit einem tiefen Seufzer sank er zurück auf sein Lager.

Der Kardinal blickte umher und gewahrte ein kleines Fläschchen, von welchem er vermutete, dass es ein Stärkungsmittel enthielte. Er goss einige Tropfen der Flüssigkeit in einen Löffel und flößte sie dem Verwundeten ein. Dieser öffnete die Augen und stieß einen tiefen Seufzer aus; »der es war ein Seufzer der Erleichterung.

Der Kardinal legte nun den Finger auf den Mund, um Latil das Schweigen anzuempfehlen, zog die Capuze wieder über das Gesicht und verließ das Gemach.

Der Graf von Moret

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