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An jenem Tag, als Rudi und ich das Geisterhaus aufgesucht hatten und ich diese Gruppe von lokalen Schlägern mit meiner brutalen und entgegen meiner sonstigen Gewohnheit gesetzlosen Drohung dazu genötigt hatte, sich auf den Boden zu setzen, geschah noch so einiges.

Erstmal musste ich noch einmal in den Boden schießen, um meiner Forderung auch etwas Nachdruck verleihen zu können.

Dass die Stimmung etwas angespannt war, lag wohl auch daran, dass ein Mann tot in seinem Blut lag.

Rudi sammelte alle Baseballschläger und sonstige Waffen ein. Es kamen auch ein paar Messer und Schlagringe zum Vorschein. Und die doppelläufige Flinte nahm er natürlich auch an sich.

Ein Schuss löste sich aus der Waffe.

Zum Glück ging die Ladung ins Nichts und niemand wurde verletzt.

“Scheint nicht mehr ganz zuverlässig zu sein, dieses Ding”, meinte Rudi.

“Das ist mein Eigentum!”, meinte der Kerl, dem sie gehört hatte. Sein Name lautete Bernd Ludwig. Und da er eine Schusswaffe auf uns gerichtet und abgedrückt hatte, genoss er das Privileg, eines von zwei Paar Handschellen angelegt bekommen zu haben, die Rudi und ich dabeihatten.

Das andere Handschellenpaar trug jetzt ein kahlköpfiger Typ in den Dreißigern, der auf mich einfach besonders aggressiv gewirkt hatte.

Für einen Fall wie diesen waren Rudi und ich einfach nicht richtig ausgerüstet.

Wir stellten vor allem die Personalien fest, soweit das möglich war. Aber anhand von Führerscheinen, Personalausweisen und Mitgliedsausweisen im örtlichen Schützenverein ließ sich schnell feststellen, mit wem wir es zu tun hatten.

“Hast du sowas schon mal gesehen?”, fragte Rudi und zeigte mir etwas, das wie ein selbstgemachter Fantasieausweis aussah. ‘Vorläufiger Ausweis des Deutschen Reichs’, stand dort zu lesen.

“Gesehen noch nicht, aber ich habe davon gehört, dass es so etwas gibt”, meine ich. “Ein Reichsbürger.”

Der Fantasieausweis hatte dem Toten gehört und war auf den Namen Heino Zäuner ausgestellt - wenn das das richtige Wort dafür ist. Gefälscht wäre wohl passender. Aber das sahen diese sogenannten Reichsbürger wohl genau andersherum. Schließlich waren die ja der Meinung, dass das Deutsche Reich niemals aufgehört habe zu existieren und sie deswegen den staatlichen Autoritäten und der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu gehorchen hätten. Diesem irrigen Gedanken folgend war es natürlich auch kein besonders großer Schritt mehr, es für völlig in Ordnung zu halten, auf die Polizei oder andere Repräsentanten dieses verhassten Staates einfach zu schießen.

“Die Welt ist voller Spinner”, meinte Rudi.

“Ich habe das Recht, eine Waffe zu tragen”, sagte jetzt Bernd Ludwig, der Kerl, der mit seiner Doppelläufigen auf uns zu schießen versucht hatte. “Ich bin Jäger!”

“Aber wir sind keine Hirsche”, sagte ich.

“Aber ich habe einen Waffenschein und ich bin Jäger!”

“Dann wird es Zeit, dass man Ihnen den Waffenschein schleunigst abnimmt”, meinte ich. “Bei einer so offensichtlich unzuverlässigen Person dürfte das wohl auch keine Schwierigkeit sein.”

“Das ist mein Recht!”, rief er. “Ich bin ein freier Deutscher und ich kann ...”

“Auch du liebe Güte!”, meinte Rudi. “Ich hoffe, es kommt bald jemand und holt den Idioten ab.”

“Und ich lasse mich nicht beleidigen, du Schwuchtel!”, rief er dazwischen.

Rudi machte eine wegwerfende Handbewegung. “Erstmal hätten wir noch ein paar Fragen an Sie.” Er ließ den Blick über die auf dem Boden sitzenden Männer schweifen. “An Sie alle!”

“Wir wollten nur gucken, wer sich da an dem Haus zu schaffen macht”, meinte einer.

“Wie heißen Sie?”, fragte ich.

“Leck mich!”

“Muss ich erst alle eingesammelten Ausweise durchsehen?”

“Devid Dresel”, sagte er.

“Devid mit >e<”, meinte Rudi mit dem Blick auf einem der Führerscheine, die er eingesammelt hatte. “Wie in der DDR früher. Die konnten eben kein Englisch.”

“Scheiß-Wessi!”, knurrte Devid Dresel. “Und scheiß Kanaken-Arsch!”

“Ich glaube, wir unterhalten uns besser in gepflegter Atmosphäre mit den Herren”, meinte ich.

“Du meinst, einen Verhörraum?”, gab Rudi zurück.

“Exakt.”

Rudi machte trotzdem noch einen Versuch. “Hier soll eigentlich ein Flüchtlingsheim sein”, sagte er. “Wieso ist das nicht hier?”

“Weiß ich doch nicht”, meinte Devid Dresel.

“Sind eben weg”, ergänzte Bernd Ludwig. Wenigstens wiederholte er nicht zum hundertsten Mal seine Ansicht, wonach er ein Recht dazu hatte, eine Waffe zu tragen.

“Was soll das heißen: Sind weg?”, wandte sich Rudi jetzt an Bernd Ludwig, den großen Jäger, der meinen Kollegen und mich als Jagdwild auserkoren hatte und jetzt mit beiden Pobacken auf dem Boden der Tatsachen saß.

“Na, was ich gesagt habe: Die sind nicht mehr hier, die Kanaken. Sieht man doch. Haus ist leer.”

“Heißt das, es hat hier tatsächlich ein Flüchtlingsheim gegeben?”, wunderte ich mich, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass in den letzten Jahren hier tatsächlich jemand unter einigermaßen menschenwürdigen Bedingungen hatte leben können.

“Ich sag nichts mehr”, knurrte Bernd Ludwig nun.

Dann herrschte Schweigen. Und außerdem kam die örtliche Polizei, die wir eigentlich gar nicht dabeihaben wollten. Wir hatten sie auch gar nicht verständigt. Die Sache war vermutlich so gelaufen: Unsere Kollegen in der Zentrale hatten die Polizei in Dresden verständigt und um Hilfe gebeten und diese Idioten hatten dann nichts Besseres zu tun gehabt, als ihre Kollegen vor Ort anzurufen.

“Da hätten wir uns auch die ganze Mühe sparen können”, meinte Rudi.

“Da sagst du was!”

“Wie immer die Wahrheit, Harry!”

Wir sahen bei dieser Gelegenheit auch unsere Kollegen Jürgen Dahlheim und Regina Dörfner wieder. Begleitet wurden sie von ein paar weiteren Kollegen. Alle schon etwas älter. Die meisten sicherlich seit Jahrzehnten bei der Polizei und mutmaßlich schon zu Zeiten im Dienst, als die Polizei in diesem Teil des Landes noch Volkspolizei hieß.

Sie schauten Rudi und mich an wie exotische Tiere.

“Wir warten eigentlich auf die Kollegen aus Dresden”, sagte ich.

“Aber hier sind wir zuständig”, meinte Jürgen Dahlheim.

“Hier ist der zuständig, von dem wir sagen, dass er zuständig ist”, erwiderte ich ruhig. “Es ist nett, dass Sie uns bei der Bewachung der Gefangenen unterstützen, aber ...”

“Gefangene?”, fragte Dahlheim.

“Ey, Jürgen, sorg mal dafür, dass die blöden Ärsche uns freilassen und der ganze Spuk sein Ende hat!”, rief einer der Festgesetzten.

“Dein Jürgen hat da nichts zu sagen”, erklärte nun Rudi in Richtung des Sprechers. “Sie sind alle vorläufig festgenommen. Und wir werden Ihre Baseballschläger und was Sie sonst noch so bei sich hatten, sehr genau unter die Lupe nehmen. Genau genommen nicht nur wir, sondern auch einige Kollegen, die in den kriminaltechnischen Labors arbeiten. Und wenn an einem dieser Prügel auch nur ein mikroskopisches Tröpfchen Blut oder irgendeine andere Spur unseres Kollegen Rüdiger Schmitten sein sollte, dann werden die das herausfinden. Das verspreche ich Ihnen.”

“Hören Sie, ich finde, Sie übertreiben hier ein bisschen”, sagte Dahlheim. “Sie können doch nicht ...”

“Ich kann sehr wohl”, schnitt ich ihm das Wort ab. “Und Sie halten sich bitte auch noch zu unserer Verfügung, denn es kann sein, dass wir noch ein paar Fragen an Sie haben.”

“Wie kommen Sie mir denn?”

“Es ist genau genommen sogar sehr wahrscheinlich, dass wir noch Fragen an Sie haben”, ergänzte Rudi. “Man könnte auch sagen: Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche.”

Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten

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