Читать книгу Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten - Alfred Bekker - Страница 61

Оглавление

23


Wir sahen uns im Wohnbereich von Devid Dresel um. Oder im ‘Quartier’, wenn man in der Terminologie von Herrn von Bleicher bleiben wollte. Dieses ‘Quartier’ bestand aus einem Schlafwohnraum mit Kochecke, einem Bad und einem winzigen Abstellraum, der die Ausmaße eines etwas größeren Einbauschrankes hatte.

Auffällig war, dass alles sehr gepflegt wirkte. Ungewöhnlich gut gepflegt, so kam es mir gleich in den Sinn. So als hätte noch vor kurzem jemand dafür gesorgt, dass alles glänzte. Und es gab so gut wie keine persönlichen Gegenstände. Ein paar Kleidungsstücke im Schrank, das war alles, was wir fanden. Und ein Regal mit Büchern, die aber offenkundig nicht Devid Dresel gehörten. Sie trugen Stempel von Ferdinand von Bleicher und behandelten zumeist militärhistorische Themen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

“Hier ist ja kein Krümel zu finden”, meinte Rudi. “Also ganz ehrlich, ich habe in Herrn Dresels Alter nicht so aufgeräumt.”

“Das könnte eine Frage des Charakters und nicht des Alters sein”, meinte von Bleicher.

“Um noch ehrlicher zu sein: Ich kenne kaum jemanden, der so gut auf unvorhergesehenen Besuch vorbereitet ist, dass man denken könnte, da wohnt niemand”, fügte Rudi noch hinzu.

“Ich habe keine Ahnung, was Sie damit sagen wollen”, sagte von Bleicher.

Ich roch an der Tischplatte. “Sagrotan.”

“Gut gegen Keime aller Art”, sagte von Bleicher.

“Entweder Herrn Dresel ist Hygiene wirklich so wichtig, wie ich es sonst nur von Patienten mit Zwangsstörungen kenne - oder hier hat jemand gründlich aufgeräumt.”

“Warum sollte das jemand tun?”, fragte von Bleicher.

“Tja, vielleicht können Sie mir diese Frage beantworten, Herr von Bleicher?”

“Das ist jetzt eine Unterstellung! Und zwar eine der übelsten Art! Ich verwahre mich dagegen und als Jurist ...”

“Ach, Herr von Bleicher!”

“... weiß ich, wie man sich dagegen notfalls robust zur Wehr setzen kann!”

“Davon bin ich überzeugt.”

“Ich hoffe, Sie sind hier bald fertig”, sagte von Bleicher noch.

“Da Sie nicht viel übriggelassen haben, würde ich sagen, dass wir nicht mehr lange brauchen”, meinte Rudi, der gerade eine Schublade öffnete.

“Da wir gerade so nett plaudern”, wandte ich mich an von Bleicher. “Wie vereinbart sich eigentlich Ihre Identität als Reichsbürger oder Oberhaupt eines Mini-Staates, der die Autoritäten der Bundesrepublik Deutschland ...”

“Die BRD ist eine Firma! Eine GmbH! Nichts anderes, aber kein Staat!”, unterbrach mich von Bleicher.

Es gab verschiedene, mehr oder minder wirre Theorien, mit denen die sogenannten Reichsbürger ihre Ablehnung staatlicher Autoritäten rechtfertigten. Bei Herrn von Bleicher hatte ich mittlerweile den Eindruck, dass diese Theorien so miteinander vermischt wurden, dass sie nicht nur von falschen Fakten ausgingen, sondern auch auf jede innere Logik weitgehend verzichteten. Das war aber wohl auch nicht der springende Punkt. Jemandem, der an Magie und Hellseherei glaubt, kann man auch nicht damit kommen, dass die Wissenschaft so etwas nicht kennt.

Nein, ich wollte an einem anderen Punkt ansetzen, der mich schon die ganze Zeit über beschäftigt hatte.

“Was ich sagen wollte, ist: Wie vereinbart sich Ihre Tätigkeit als Kämmerer dieses Ortes mit Ihren Ansichten?”

“Wieso sollte sich das nicht vereinbaren lassen?” Herr von Bleicher hob erst eine seiner leicht nach oben ausgerichteten Augenbrauen und dann die andere, was ihm unfreiwillig ein leicht dämonenhaftes, satanisches Aussehen gab, was durch den dünnen Strich seiner Lippen noch betont wurde.

“Ich will das gar nicht so auf die persönliche Ebene holen. Es ist eher eine allgemeine Frage.”

“Allgemein?”

“Na ja, ich habe gehört, dass es auch in der Bundeswehr, bei der Polizei und in der Lehrerschaft sogenannte Reichsbürger gibt, und man nun überlegt, die aus dem Staatsdienst zu entfernen.”

“Ausdruck eines intoleranten Unterdrücker-Regimes von Kanzlerin Merkel”, sagte Herr von Bleicher wie aus der Pistole geschossen. Einer Pistole, die mit Parolen und Schlagwörtern offenbar gut geladen war und auf Schnellfeuerstöße eingestellt zu sein schien.

“Wie auch immer. Aber ich frage mich, wie kann zum Beispiel ein Reichsbürger es mit seinem Gewissen vereinbaren, in der Armee eines aus seiner Sicht fremden Staates zu dienen? Oder wie können Sie ...”

“Kämmerer sein?”

“Genau!”

“Nett, dass Sie unsereinem überhaupt ein Gewissen zutrauen. Viele von diesen rot-grün versifften Staatsdienern tun das ja nicht.”

“Ich bin ehrlich an einer Antwort interessiert, Herr von Bleicher. Liegt es einfach daran, dass Sie aufgrund der Tatsache, dass Ihr eigener Staat noch nicht genügend Arbeitsplätze vorhält, dazu gezwungen sind, quasi im Ausland tätig zu sein?”

“Das soll wohl ein billiger Witz sein!”

“Nein, ich würde gerne diesen Widerspruch verstehen.”

“Sind Sie nie auf den Gedanken gekommen, dass es mir um den Dienst am Gemeinwesen geht? Dass ich versuche, den Ort, in dem ich lebe, mit meiner ganzen Kraft zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass wenigstens hier die Verhältnisse in Ordnung sind?”

“Aber Sie dienen einem fremden Staat und geben dessen Steuermittel aus. Und bezeichnen viele von Ihren Leuten die Erhebung von Steuern durch die BRD nicht als illegal?”

“Das ist richtig, aber es gibt dazu sehr verschiedene Ansichten. Ich persönlich habe mich nie an Steuerboykotten beteiligt.”

Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten

Подняться наверх