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“Hier sind die Auswärtigen, Ferdi”, sagte der Kahlkopf, nachdem wir in einen weiträumigen, an das Haupthaus angebauten Wintergarten geführt worden waren.

Ferdi ..., ging es mir durch den Kopf. Ich fragte mich, wie nahe sich Ferdinand ‘Ferdi’ von Bleicher und sein kahlköpfiger Hanswurst und Türöffner wirklich standen. Flache Hierarchien widersprachen doch eigentlich dem von diesen Leuten propagierten Führerprinzip.

Aber da lag ich vielleicht nicht hundert Prozent richtig, was diesen Punkt betraf.

“Wenn es Probleme geben sollte ...”, begann nun der Kahlkopf und vollendete seinen Satz nicht. Stattdessen blickte er in unsere Richtung.

“Wir wollen doch nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen”, meinte von Bleicher. Seine Haltung war betont aufrecht. Ungefähr so, wie man sich in vergangenen Zeiten die Haltung eines Offiziers vorgestellt hätte. Sein Anzug war eigenartig geschnitten. Insbesondere die Jacke ähnelte in ihrem Schnitt den Fantasie-Uniformen mancher James-Bond-Bösewichte. Feldgrau schien die Farbe zu sein, die er bevorzugte.

Sein durchdringender Blick musterte uns.

Ein Blick, in dem Hass und Verachtung so offensichtlich und völlig ungeniert offenbart wurden, dass einem schaudern konnte.

“Harry Kubinke, Bundeskriminalamt”, stellte ich mich vor und zeigte auch meinen Ausweis. Ordnung muss schließlich sein. Und auch wenn mein Gegenüber darüber vielleicht etwas anders dachte - wir waren ja immerhin in Deutschland! Ich deutete auf Rudi. “Das ist mein Kollege Herr Meier.”

“Mit welcher Anmaßung dringen Sie denn heute in mein Reich ein?”, fragte von Bleicher. “Will mir die Systempolizei irgendetwas anhängen? Nur zu, es wäre nicht das erste Mal.”

“Eigentlich haben wir nur ein paar Fragen an Sie.”

“Und die wären, Herr ...”

“Kubinke”, erinnerte ich ihn an meinen Namen, den er offenbar demonstrativ vergessen wollte. Er sollte sich an diesen Namen erinnern. So oder so. Dafür wollte ich sorgen. So wahr ich hier vor diesem eigenartigen Landadeligen neueren Typs stand.

“Die Unverbindlichkeit meiner Auskünfte und die Tatsache, dass ich Ihnen gegenüber zu nichts verpflichtet bin, möchte ich durchaus noch einmal betonen. Aber ich bin gerne bereit, Ihnen Ihre Fragen zu beantworteten, soweit sie nicht Sachverhalte betreffen, über die ich Ihnen keine Auskunft geben möchte. Eine Begründung werde ich Ihnen im Einzelfall dafür nicht geben, da ich dazu Ihnen gegenüber keine Verpflichtung sehe.”

Oh Mann, dachte ich. Die AGB so mancher Versicherungsgesellschaft klangen dagegen schon fast wie sensible Lyrik.

“Hier wohnt ein gewisser Devid Dresel”, stellte ich fest.

“Das trifft zu”, erklärte von Bleicher.

Na, immerhin!, dachte ich. Ein Anfang war gemacht. Und mein Gegenüber hatte mir sogar eine Frage beantwortet, ohne mir gleich auch noch eine zusammenfantasierte Rechtsbelehrung zu geben. Wenn das kein Grund zum Optimismus war!

“Wir haben einen Beschluss, der uns erlaubt, die Räume zu durchsuchen, die von ihm bewohnt werden”, sagte ich.

“Sie haben ihn verhaftet”, stellte von Bleicher fest. Seine Stimme erinnerte dabei an den Klang von klirrendem Eis. Sein Mund bewegte sich kaum, als er sprach. Die Lippen bildeten einen dünnen Strich. “Die Anschuldigungen gegen ihn und die anderen Verhafteten ...”

“Der Buschfunk scheint hier gut zu funktionieren”, meinte ich.

“... sind absurd, wollte ich sagen. Und sie werden sich in Nichts auflösen.”

“Wie können Sie sich da so sicher sein?”, fragte ich verblüfft. “Ich meine, schließlich war ich dabei - und Sie nicht!”

“Sie haben einen Menschen erschossen, der hier in der Gegend viel Wertschätzung genoss.”

“Sie sprechen von Heino Zäuner!”

“Exakt.”

“Das war leider nicht zu vermeiden. Wir wurden mit Schusswaffen angegriffen.”

“Ja, das nennt man dann wohl eine Schutzbehauptung. Aber Sie hatten mich ja eigentlich nach Devid Dresel gefragt.”

“Richtig”, nickte ich, immer noch mit einer Mischung aus Verblüffung und Bestürzung darüber, wie gleichgültig meinem Gegenüber das Leben von Kriminalbeamten war.

“Devid - und das gilt auch für die anderen, für deren Festnahme Sie gesorgt haben, ist ein guter Kerl.”

“Tja, ehrlich gesagt habe ich bis jetzt seinen guten Kern noch nicht so richtig kennengelernt”, gab ich zurück.

“Ach, nein? Hätte ich mir denken können.”

“Aber Sie können mich gerne aufklären, Herr von Bleicher.”

“Devid hat es nicht leicht gehabt. Schwieriges Elternhaus, Vater früh an den Folgen von Alkoholismus verstorben, die Mutter ... Ich will jetzt nicht den Eindruck entstehen lassen, dass ich Mitleid für ihn erwecken will. Das hat Devid auch gar nicht nötig. Ich habe ihn etwas unter meine Fittiche genommen. Er hat einen Job, er wohnt hier und er ist auf einem guten Weg.”

“Was hat er für einen Job?”

“Er kümmert sich hier auf dem Anwesen um die Rasenflächen und das Grün. Und das wird er auch bald wieder.”

“Da wäre ich nicht so optimistisch”, mischte sich Rudi ein. “So, wie es aussieht, wird er sich wegen einem gemeinschaftlichen Angriff gegen Kriminalbeamte verantworten müssen.”

“Das warten Sie mal getrost ab. Ich habe hier viele Freunde und Bekannte. Einer der für das Verfahren zuständigen Staatsanwälte ist ein Studienkollege von mir und ich könnte mir gut vorstellen, dass alle diejenigen, die da in das Netz einer übereifrigen Staatsgewalt geraten sind, schon bald wieder auf freiem Fuß sind.”

“Einer der Staatsanwälte hat mit Ihnen zusammen studiert?”, hakte ich nach. “Wer ist das denn?”

“Herr Dr. Frankenberg. Sven Frankenberg. Wir gehörten im Übrigen auch derselben Burschenschaft an und auch das dürfte ihn für meine Argumente empfänglich machen. Ich selbst darf mich in die Verteidigung leider offiziell nicht einschalten, aber ein anderer Spezi aus Studientagen, ist bereit da einzuspringen. Ein hervorragender Strafverteidiger. Es wird nicht einfach werden, Herr Kubinke. Am Ende wird sich die kranke Justiz dieses fiktiven Staates namens Bundesrepublik allerdings komplett blamieren. Da bin ich mir vollkommen sicher. Und ich sage Ihnen dies: Ich werde es genießen und als Zuschauer im Saal sitzen - sofern man mir nicht wieder meine Grundrechte beschneidet und mich nicht dabei sein lässt.”

“Warum sollte man das tun?”, fragte ich etwas erstaunt. “Prozesse sind in Deutschland normalerweise öffentlich. Schließlich werden die Urteile ja auch im Namen des Volkes gesprochen.”

“Ja, ja ... Schöne Theorie, Herr Kubinke! Schöne Theorie!”

Herr von Bleicher räusperte sich leicht und nahm dabei die Hand vor den Mund.

“Soweit ich mich erinnere, ist Devid Dresel über 21 Jahre alt. Damit ist ein Prozess nach Jugendstrafrecht ausgeschlossen und somit ist auch ausgeschlossen, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird ... “ Mein Satz klang ziemlich eigenartig, wie ich dann selbst fand. “Anscheinend habe ich jetzt eine ganze Menge ausgeschlossen, wie es scheint.”

“Jemand wie Sie muss ja auch nicht unbedingt ein Meister des geschliffenen Wortes sein, Herr Kubinke.”

“Nein, das sehen Sie sicher richtig.”

“Sie fragten danach, weshalb man mir möglicherweise nicht erlauben wird, in Dresden einen Gerichtssaal zu betreten.”

“Ja, richtig, darauf haben Sie noch nicht geantwortet.”

“Wissen Sie, was ein Platzverweis ist? Ein Hausverbot?”

“Was haben Sie getan? Im Gerichtsgebäude randaliert?”

“Man sieht mich als Querulanten an. Und man hat mir mit den Mitteln der gelenkten Siegerjustiz verbieten lassen wollen, Justizangestellte darauf anzusprechen, dass sie einem illegalen, fiktiven Staatsgebilde dienen und ihre Handlungen gegen die Menschenrechte und die UNO-Charta verstoßen.”

“Ich bin jetzt über diese Sachverhalte nicht weiter informiert, Herr von Bleicher ...”

“Die Lügenpresse hat das totgeschwiegen!”, unterbrach mich von Bleicher.

Ich nahm meinen Faden wieder auf:

“... aber kann es sein, dass Ihre Ansprache der Justizangestellten von diesen vielleicht als aggressiv empfunden wurde und man Ihnen deshalb einen Platzverweis erteilt hat?”

Von Bleicher verzog verächtlich den dünnlippigen Mund. Sein Kinn hob sich dabei etwas. Die Verachtung, die sich in seinen Zügen spiegelte, war nicht zu übersehen.

“Das braucht ja nicht Ihr Problem zu sein, Herr Kubinke.”

“Das ist sicher richtig.”

“Wenn ich dann noch irgendetwas für Sie tun kann ...”

“Führen Sie uns zu Devid Dresels Wohnung.”

“Befindet sich im Nachbargebäude.”

“Wenn Sie uns aufmachen oder den Schlüssel geben, brauchen wir die Tür nicht aufzubrechen.”

Von Bleicher atmete tief durch. Eigentlich hatte ich jetzt einen Anfall seiner querulantischen Renitenz erwartet, aber er schien sich auch zurückhalten zu können. “Ich will mit Ihnen jetzt keine Grundsatzdiskussionen über die Unrechtmäßigkeit Ihres Vorgehens anfangen ...”

“Da würden Sie bei uns auch keinen Erfolg haben”, meinte Rudi.

Von Bleicher drehte sich sehr langsam, man hätte auch sagen können, betont langsam in Rudis Richtung und bedachte meinen Kollegen mit einem derart verächtlichen Blick, dass es einem kalt den Rücken herunterlaufen konnte. Woher diese Verachtung?, fragte ich mich. Was war die Wurzel dieses Hasses, der da offenbar schon seit längerem auf dem Land um sich greifen konnte?

“Ich werde Ihre offene Gewaltandrohung gegen mein Eigentum einfach überhören”, sagte von Bleicher dann.

“Offene Gewaltandrohung?”

“Sie wollten die Tür zu Devids Wohnung eintreten. Das nenne ich eine offene Gewaltandrohung. Aber lassen wir das. Ich bringe Sie hin. Offenbar überfordert Sie die Weiträumigkeit meines Anwesens bei der Orientierung.”

“Wir wären Ihnen sehr dankbar, Herr von Bleicher”, sagte Rudi, während ich einen Moment lang sprachlos war.

Passiert mir selten.

Aber in diesem Augenblick war ich es.

Es gibt eben Momente, in denen bleibt einem im wahrsten Sinn des Wortes einfach die Spucke weg.

Killer-Zimmer: Krimi Koffer mit 1300 Seiten

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