Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 30
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Unser Geländewagen hatte keine Schwierigkeiten mit den kleinen engen Straßen dieser Gegend, aber manche von ihnen waren wirklich kaum mehr als Aschepisten und Feldwege.
Natürlich gelangten wir nicht auf Anhieb dorthin, wo wir hinwollten. Wegweiser schienen in dieser Gegend Mangelware zu sein. Aber denen, die hier wohnten, schien das nichts auszumachen, sie kannten sich hier ja auch aus.
Schließlich landeten wir in der Nähe eines kleinen Gehöfts. Wir beschlossen, hier nachzufragen, denn leider gab unsere Karte kaum Auskunft darüber, welche der eingezeichneten Wege und Straßen für Autos befahrbar waren.
Jim hielt den Wagen an, und ich öffnete die Tür und stieg aus. Irgendwo aus dem Hintergrund hörte ich das Meckern einer Ziege. Vor dem Hauseingang saß ein alter Mann mit wettergegerbtem Gesicht. Seine Schirmmütze hatte er etwas nach unten gezogen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden.
Er sah mich an, aber sein Gesicht blieb dabei völlig unbewegt.
Jim stieg jetzt ebenfalls aus. Und dann versuchten wir unser Glück und fragten den Alten nach der Ruine, die hier irgendwo ganz in der Nähe sein sollte.
Der Alte schüttelte den Kopf und versuchte uns wortreich und mit vielen Gesten klarzumachen, dass es hier keine Ruine gäbe.
Jetzt platzte Jim der Kragen.
„Hören Sie, wollen Sie uns vielleicht für dumm verkaufen?“, rief er wütend.
„Jim! Er versteht dich sowieso nicht“, versuchte ich meinen Kollegen etwas zu beruhigen.
Der Alte sah uns ungerührt an. Ich bemerkte, dass er mit irgend etwas herumspielte, das er in der linken Hand hielt. Ein Rosenkranz war es nicht, eher ein Kettchen.
Und dann sah ich auch, was daran hing...
Es war aus Metall und glitzerte im Sonnenlicht.
Ein Kreuz. Aber es war kein Kruzifix.
Es war das achtspitzige Kreuz der Tempelritter!
„Lass uns gehen“, sagte ich zu Jim. „Er wird uns nichts sagen.“
„Aber...“
„Siehst du das Kreuz in seiner Hand, Jim? Er gehört dazu!“
Jim atmete tief durch und nickte dann. „Es ist gespenstisch...“, flüsterte er mir zu, als wir zum Wagen gingen.
Wir fuhren den Weg zurück. Volle zwei Stunden irrten wir noch in dieser kargen Landschaft herum, dann sahen wir auf einem nahen Berg etwas, das wie die Ruinen einer Burg aussah – zumindest aus der Entfernung.
„Das muss es sein!“, triumphierte Jim. „Endlich!“
Es gab keine richtige Straße, die dorthin führte, nur eine Piste aus Schotter, die aber an manchen Stellen völlig von Unkraut überwachsen war, so dass es hin und wieder recht schwierig wurde, ihren Verlauf zu bestimmen.
Es ging steil hinauf. Sehr steil. Selbst unser Geländewagen hatte da seine Mühe. Der Weg führte an schroffen Felswänden entlang, während es auf der anderen Seite oft steil bergab ging.
Es war nur zu hoffen, dass uns hier kein anderes Fahrzeug entgegenkam.
Aber so einsam, wie diese Ruine gelegen war, war das nicht unbedingt anzunehmen.
Schließlich ging es nicht mehr weiter.
„Besser, wir stellen den Wagen hier ab und gehen die letzten paar hundert Meter zu Fuß“, meinte Jim. Er sah mich an. „Ich schlage vor, du steigst auf meiner Seite aus. Bei dir geht es ziemlich steil nach unten.“
„Gut“, murmelte ich.
Wir stiegen aus. Die Sonne stand fast im Zenit. Ihr Licht war so grell, dass es in den Augen wehtat. Ich hatte vergessen, eine Sonnenbrille mitzunehmen.
Jim war ein paar Schritte vorausgelaufen und sagte plötzlich: „Hier sind frische Reifenspuren. Wir scheinen nicht die einzigen zu sein, die sich für diesen Ort interessieren.“
Ich lief zu ihm und sah mir die Spuren an. Sie konnten noch nicht sehr alt sein.
Wir stiegen weiter hinauf. Dann teilte sich der Weg. Eine der Abzweigungen führte sehr steil hinauf, die andere war nicht so steil und breiter. Aber wir nahmen den steileren, denn wir hatten keine Lust, einen Umweg zu machen.
Als wir oben angelangt waren, sahen wir sie – die Ruinen einer alten Burg!
Ein Großteil der Mauern war verfallen, sodass wir ungehindert eindringen konnten.
Ich fühlte deutlich die gespenstische Aura, die von diesem Ort ausging. Und als Jim dann in den verwitterten Wandreliefs, die sich an manchen Stellen befanden, ein achtspitziges Kreuz entdeckte, waren die letzten Zweifel verflogen...
Wir befanden uns in der Festung der Tempelritter.
Mein Unbehagen wurde noch stärker. Ich hatte keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass es wirklich so war, aber ich fühlte mich beobachtet.
Eine Ahnung, mehr war es nicht. Aber diese Ahnungen hatten sich in der Vergangenheit einfach zu oft bestätigt, als dass ich sie nicht ernst nahm. Und wieder erinnerte ich mich an den Traum, an die Szene mit dem Ritter. Und an Ashtons Gesicht.
Meine Hand glitt derweil über die dunklen, rohen Steine, aus denen das graue Gemäuer errichtet war.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Sie drohte mir schier den Atem zu rauben.
Die Steine dieses Gemäuers waren von derselben Art wie diejenigen, aus denen die Mauern bestanden hatte, an die ich im Traum gekettet war...
„Patti!“
Es war Jims Stimme, die mich wieder in die Gegenwart holte.
Er stand in der Nähe des Eingangs zum Haupthaus.
„Ich komme!“, rief ich und war einen Augenblick später bei ihm.
„Dieser Ort ist keineswegs so verlassen, wie er scheint, Patti. Sieh nur! Fußspuren. Und das hier...“ Jim runzelte die Stirn.
„Pferdehufe“, sagte ich, und das in einem Ton, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Ich wunderte mich über mich selbst.
Jim war sichtlich überrascht, dann lächelte er auf seine offene und sympathische Art.
„Das scheint dich nicht zu überraschen, Patti.“
Ich zuckte die Achseln.
„Die Templer waren Ritter und die sitzen doch bekanntlich auf Pferden...“
Jim lachte. „Du glaubst doch wohl nicht diesen Unsinn, dass sie hier nachts aus ihren Gräbern steigen und diese Gegend unsicher machen?“
Ich fand das nicht witzig, und so bedachte ich ihn mit einem ernsten Blick und erklärte: „Ich glaube an das Entsetzen, das ich in den Augen den alten Tankwarts sah, Jim! Und du hast es auch gesehen! Die Angst diese Mannes war kein Hirngespinst. Sie war sehr real!“
Jim kratzte sich am Kinn. Er hatte sich heute Morgen nicht rasiert, weil er wohl dachte, dass das in dieser Einöde ohnehin niemand zu schätzen wisse.
„Schon gut, Patti“, sagte er dann. Er deutete auf den Eingang des Haupthauses. „Gehen wir hinein?“
Ich schluckte. Unwillkürlich war ich einen halben Meter zurückgewichen vor dem grauen Stein mit den alten Reliefs.
Die Tür war aus massivem Holz, das mit gusseisernen Beschlägen versehen war.
„Was ist los?“, fragte Jim.
Ich fühlte seine Hände auf meinen Schultern.
„Patti!“
„Es ist nichts, Jim. Gar nichts.“ Ich hatte mich wieder unter Kontrolle.
Jim versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Ein weiteres Zeichen dafür, dass dieser Ort nicht verlassen war. Jedenfalls nahm ich nicht an, dass diese Tür seit dem Mittelalter über all die Jahrhunderte hinweg verschlossen gewesen war.
„Warte einen Moment“, bat Jim. „Das ist ein ziemlich primitives Schloss... Dürfte keine Schwierigkeit sein, es zu öffnen.“
Er holte ein kleines Etui aus seiner Jacke, in dem er entsprechendes Werkzeug hatte. Mit einer gewissen Bewunderung sah ich ihm dabei zu, wie er geschickt und in kurzer Zeit das massive Schloss geöffnet hatte.
Mit einem knarrenden Geräusch schwang die Tür auf...
Drinnen herrschte Halbdunkel, denn durch die hohen Fensteröffnungen, durch die der Wind pfiff, kam nur wenig Licht herein. Ich brauchte einige Sekunden, um mich daran zu gewöhnen.
Wir durchquerten einen großzügig angelegten Saal, in dessen Mitte sich ein langer Holztisch befand, bei dessen Anblick mir das Blut in den Adern zu gefrieren drohte.
Ich schrie auf.
„Jim!“
Auf dem Tisch lag lang ausgestreckt eine junge Frau in einem weißen Gewand.
Ich brauchte gar nicht genau hinzusehen, um zu wissen, dass sie nicht mehr am Leben war...