Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 35
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Als wir die Ruine erreichten, erlebten wir eine Überraschung.
Wir erreichten den großen Saal im Haupthaus und ich wollte schon die Hand heben, um auf die Leiche der Frau zu zeigen und die Polizisten auf die Tote aufmerksam zu machen – da blieben mir die Worte schier im Hals stecken.
Die Tote war verschwunden.
„Hier hat sie gelegen!“, rief Jim, der genau so außer sich war. „Hier, auf dem Tisch!“
Larrac sah sich alles sehr interessiert an, sein Kollege stand mehr oder minder unbeteiligt dabei. „Hier ist nichts zu sehen“, meinte Larrac dann in akzentschwerem Englisch. Er zuckte mit den Schultern und schob sich dann seine Mütze in den Nacken. „Keine Spur, Mademoiselle Vanhelsing.“
„Es muss jemand hiergewesen sein. Vielleicht ist dieser Wahnsinnige, der sich als Kreuzritter verkleidet hatte, noch einmal zurückgekehrt, und hat dafür gesorgt, dass alle Spuren verschwinden...“
„Mademoiselle“, sagte Larrac mit einem leicht spöttischen Schmunzeln um den Lippen. „Soll ich das vielleicht zu Protokoll nehmen? Was wird mein Vorgesetzter dazu sagen?“
Ich fühlte Verzweiflung in mir aufsteigen. Das durfte doch nicht wahr sein! Es hatten Beweise genug hier vorgelegen, um zumindest eine ernsthafte Untersuchung in Gang setzen zu können. Und nun?
Nun war nichts mehr da.
Mit entschlossenen Schritten ging ich zu jener Tür, die in den Nebenraum führte, wo die Rüstungen gestanden hatten.
Ich riss die Tür auf.
Im Grunde hatte ich es nicht anders erwartet. Die Rüstungen waren nicht mehr da. Der Raum war komplett leer. Nichts als kahle Steinwände.
Im Hintergrund hörte ich, wie sich Guy mit Larrac unterhielt und dabei ziemlich oft das Wort Pardon benutzte. Jetzt entschuldigte er sich wohl dafür, die Beamten überhaupt verständigt zu haben – wegen nichts!
„Moment mal!“, rief ich.
„Mademoiselle, Sie scheinen sich getäuscht zu haben“, erwiderte Larrac. Er lächelte. „Sie sind von der Presse, nicht wahr? Und die Presse lebt von Sensationen. Es tut mir leid, dass Sie hier keine finden konnten.“
„Und was ist mit unserem Wagen?“
„Vermutlich haben Sie die Bremse nicht richtig angezogen. Es ist sehr steil hier, und da ist das schon manchem zum Verhängnis geworden.“
Er wandte sich an seinen Kollegen und murmelte ein kurzes: „Gehen wir.“
„Einen Moment!“, rief ich. Das durfte doch nicht wahr sein! Hier hatte eine Leiche Gelegen. Ein Mensch war ermordet worden, und es war Aufgabe der Polizei, herauszufinden, wie das geschehen war!
„Was ist noch, Mademoiselle?“
„Ich möchte, dass Sie die gesamte Ruine absuchen! Ich meine, wenn hier jemand gewesen ist, um alle Spuren zu beseitigen, dann hat er die Tote vielleicht ganz in der Nähe versteckt.“
„Haben Sie eine Ahnung, welche Ausmaße diese Ruine hat?“ Larrac sprach jetzt mit leicht entnervtem Unterton. Er seufzte.
Doch d‘Averc meinte: „Ich finde auch, dass das eigentlich Ihre Pflicht wäre!“
„Wenn Sie das sagen, Monsieur d‘Averc...“ Larrac seufzte abermals.
Wir verbrachten die nächsten zwei Stunden damit, jeden Winkel der Ruine zu untersuchen. Ohne Erfolg. Nicht einmal die Fuß- und Hufspuren, die wir gesehen hatten, waren noch zu finden.
Larrac drückte wortreich sein Bedauern aus. Dann wandte er sich an Jim und deutete auf dessen Kamera. „Haben Sie die Tote vielleicht fotografiert?“
Jim wandte ein wenig den Kopf, so dass sich unsere Blicke für einen kurzen Moment trafen.
„Ja“, sagte er dann.
„Ich muss Sie bitten, mir den Film auszuhändigen.“
Jim runzelte die Stirn.
„Weshalb?“, fragte er misstrauisch.
„Naja, das wäre ein Beweis“, meinte Larrac. „Sie haben die Bilder noch nicht entwickelt?“
Jim Field schüttelte den Kopf. „Wie sollte ich?“
„Dann werden wir das machen. Mal sehen, was zu erkennen ist. Gegebenenfalls könnten wir das Bild der Toten in die Zeitung setzen.“ Larrac zuckte die Achseln. „Wäre ja möglich, dass sich jemand meldet und die Tote kennt.“
Jim zögerte. Aber er hatte keine Wahl. „Warten Sie“; sagte er dann. „Inzwischen habe ich einen neuen Film eingelegt...“ Er griff in die Tasche und händigte Larrac ein kleines Filmdöschen aus.
„Ich danke Ihnen“, murmelte der Beamte.
Dann fuhren die Polizisten davon.
„Na, das war ja ein Reinfall!“, raunte ich Jim zu, so dass Guy, der etwas abseits stand, es nicht hören konnte.
„Ich habe Ihnen den falschen Film gegeben“, erklärte Jim mit einem Grinsen.
Ich atmete erleichtert auf. „Und ich dachte schon, du hättest denen unser einziges Beweisstück gegeben.“
„Hältst du mich für einen Anfänger! Bevor diese Bilder in irgendeinem Polizeiarchiv verschwinden, will ich sie wenigstens gesehen haben.“
Jetzt kam Guy auf uns zu.
„Sie halten uns sicher auch für verrückt“, meinte ich und versuchte dabei ein charmantes Lächeln aufzusetzen.
„Oh, keineswegs... Warum sollte es nicht so gewesen sein, wie Sie sagten?“ Auch er lächelte und zuckte mit den Schultern. „Was meinen Sie? In Kürze wird es dunkel sein. Ich schlage vor, Sie beide fahren mit mir zurück.“
Damit waren wir natürlich einverstanden.
„Wenn Sie wollen, bringt Adrian Sie dann nach Lacroix. Ich nehme an, Sie wohnen in der Pension der Duprees.“
„Das ist richtig“, bestätigte ich.
„Es war kein Kunststück, das zu erraten. Schließlich gibt es dort nur diese eine Pension.“
„Das hatte ich mir fast gedacht.“
Wir traten wieder ins Freie, und ich sah zum Horizont, wo sich in den letzten Stunden ein riesiges Wolkengebirge aufgebaut hatte, das jetzt düster und drohend näherkam. Es dauerte auch nicht lange, da setzte der Regen ein, und Wind kam auf.
Es schüttete bald wie aus Eimern, und die Scheibenwischer von d‘Avercs Wagen kamen gegen die Wassermassen kaum noch an. Schon drehten die Räder hin und wieder auf dem aufgeweichten Boden durch. Der Wagen kam auch ab und zu ins Schlingern, aber Guy war ein geschickter Fahrer. Ein überlegenes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht.
„Oft regnet es hier in dieser Gegend nicht, aber wenn dann mal ein Wolkenbruch wie dieser kommt, wird es gefährlich. Die Wege und Pisten sind dann aufgeweicht...“
Donner grollte, der Regen klatschte gegen die Scheiben. Man konnte kaum etwas sehen, und ich bewunderte, mit welch traumwandlerischer Sicherheit Guy den Wagen lenkte.
„Wir haben es bald geschafft, Patricia“, meinte er.
Ich hatte längst die Orientierung verloren.
Und dann geschah es. In einer Kurve rutschte der Wagen seitwärts ab.
Guy drehte verzweifelt am Lenkrad, aber er konnte nichts mehr ausrichten. Der Motor heulte auf, die Räder drehten durch und schleuderten Schlamm nach hinten weg.
Langsam rutschten wir tiefer – bis es einen Ruck gab und der Wagen zum Stehen kam!
Ein Baum hatte die Rutschpartie beendet und verhindert, dass wir noch weiter abrutschten.
Guy schimpfte auf Französisch, aber die Sache war klar, wir würden wohl oder übel zu Fuß weitergehen müssen, mochte das Wetter noch so unangenehm sein.
Hier im Wagen sitzenzubleiben und abzuwarten, war keine Alternative, schließlich konnte das Gefährt unter Umständen noch weiter hinabrutschen, wenn der Hang in Bewegung geriet.