Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 36
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Inzwischen war es dunkel geworden. Ohne d‘Averc wäre es uns vermutlich kaum möglich gewesen, zurückzufinden. Völlig durchnässt kamen wir auf Guy d‘Avercs Landsitz an.
Die Kleider klebten uns am Leibe.
Als wir in die Eingangsdiele kamen, wartete dort ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann. Er saß an einem zierlichen Tischchen, das mit zahlreichen Schnitzereien verziert war.
Der Mann hatte die Beine übereinandergeschlagen und blickte von einer Zeitung auf. Mir stockte der Atem, als ich das Gesicht sah.
Es war niemand anderes als jener Mann, den ich unter dem Namen Ashton Taylor kannte!
Der Blick seiner grauen Augen musterte mich einen Moment. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.
„Jean!“, rief Guy indessen und ging auf den Gast zu.
Die beiden unterhielten sich auf Französisch, das Ashton ziemlich gut zu beherrschen schien. Jedenfalls soweit ich das beurteilen konnte.
Guy wandte sich an Jim und mich.
„Dies ist Jean Valbert, ein guter Freund, der ab und zu hier weilt. Er sagt, sein Wagen wäre stehengeblieben... Jean, dies sind Mademoiselle Patricia Vanhelsing und Mr. Jim Field von den LONDON EXPRESS NEWS, einer bekannten Londoner Zeitung.“
Jean erhob sich, trat auf mich zu und nahm meine Hand.
„Angenehm, Mademoiselle Vanhelsing“, sagte er mit leichtem französischen Akzent. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen...“
Es war wie bei unserem ersten Zusammentreffen: Ashton hielt meine Hand etwas länger, als es eigentlich notwendig gewesen wäre. Und wieder durchlief mich ein wohliger Schauer.
Ich fragte mich, was diese Maskerade sollte. Oder war es am Ende gar keine Maskerade? War der Mann, den ich als Ashton Taylor kannte, in Wahrheit Jean Valbert?
Ich hatte mich da draußen bei der Ruine offenbar nicht getäuscht, als ich glaubte, Ashton zu sehen.
Eine Gänsehaut überzog meinen Unterarm.
Jetzt drang Guy d‘Avercs Stimme in meine Gedanken. „Was halten Sie davon, wenn Sie und Ihr Kollege, Mr. Field, die Nacht über hier bleiben. Bis morgen früh ist Ihre Kleidung getrocknet und die Wege passierbar. Adrian kann Sie dann nach Lacroix bringen.“
Ich sah ihn etwas verblüfft an.
Er schien mein Zögern zu bemerken und setzte noch hinzu: „Sie können das wirklich annehmen, Patricia! Dieses Haus hat viele Gästezimmer. Und auch etwas Trockenes für Sie beide zum Anziehen wird sich finden lassen. Außerdem...“
Er zögerte.
„Außerdem was?“, hakte ich nach.
„Um ganz ehrlich zu sein, ich habe auch ein persönliches Interesse daran, dass Sie mir noch etwas als Gesprächspartnerin erhalten bleiben. Schließlich ist die Zahl derer, die sich für die Tempelritter interessieren, vergleichsweise gering.“
Warum nicht?, überlegte ich. Mir schien, dass ich hier mehr erfahren konnte als in Lacroix.
Und außerdem wollte ich endlich etwas Trockenes auf der Haut haben.
D‘Avercs Butler betrat in diesem Moment den Raum und wechselte kurz ein paar Worte mit Guy. Dieser verkündete daraufhin: „Die Gästezimmer sind hergerichtet!“
Die Zimmer lagen in unterschiedlichen Flügeln des Hauses und Jim raunte mir zu: „Das ist Absicht, Patti! Dieser d‘Averc will uns möglichst weit voneinander entfernt unterbringen!“
„Warum sollte er das tun wollen?“
„Er ist eifersüchtig auf mich.“
„Jim!“, tadelte ich ihn für seine flapsige Bemerkung.
Wir wurden durch Flure geführt, in denen metallisch glänzende Ritterrüstungen wie Wachtposten aufgestellt waren. Die eisernen Fäuste dieser stummen Wächter hielten die langen Griffe von Beidhänder-Schwertern umklammert. Manche dieser Rüstungen ähnelten denen, die ich draußen in der Ruine gesehen hatte.
An den Wänden hingen riesige Gemälde, zumeist Portraits. Die Abgebildeten stammten ihrer Kleidung nach aus dem Zeitraum des Hochmittelalters bis zur frühen Neuzeit.
Bei dem Portrait eines dunkelhaarigen, schwarzbärtigen Mannes, der den Betrachter äußerst finster anzublicken schien, blieb ich unwillkürlich stehen. Die Brokatverzierung des kostbaren Mantels, den der Abgebildete trug, ließ mich schlucken.
Es war ein achtspitziges Kreuz!
„Ihr Zimmer, Mademoiselle Vanhelsing“, sagte inzwischen der Butler.