Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 34
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Es war später Nachmittag, als wir die nächste Bergkette überwunden hatten und auf eine karge Ebene blickten, in deren Mitte sich ein paar Häuser befanden.
„Sieht aus wie ein kleines Dorf“, war Jims Kommentar, der sich den Schweiß von der Stirn wischte. Unsere Füße spürten wir kaum noch.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, das sieht mir mehr wie ein Landsitz aus.“
„Dann aber ein ziemlich feudaler!“ Jim pfiff durch die Zähne.
Er hatte recht, es war ein großer Besitz. Allein das Haupthaus war schon imponierend. Aus hellem Sandstein gebaut, ragte es drei Stockwerke in die Höhe.
In einem Halbkreis darum waren auch ein halbes Dutzend Nebengebäude zu sehen. Mehrere Wagen standen auf einem eigens angelegten Parkplatz, wir konnten also davon ausgehen, dass auch jemand zu Hause war.
Wir brauchten noch fast eine halbe Stunde, bis wir endlich das Anwesen erreichten. Ein düster wirkender, dunkelhaariger Mann, der seinen breitkrempigen Hut, mit dem er sich gegen die Sonne schützte, tief ins Gesicht gezogen hatte, sah uns als erster. Er musterte uns eingehend und fragte dann, wer wir seien und was wir wollten.
Jim und ich versuchten ihm klarzumachen, dass wir dringend die Polizei rufen müssten, aber unser Gegenüber schien das nicht gleich zu begreifen.
„Engländer?“, fragte er schließlich.
Wir nickten.
In seinem Gesicht zuckte es. Er schien einen Moment lang zu überlegen, dann sagte er: „Kommen Sie mit ins Haus, Monsieur.“
Er drehte sich um, und wir folgten ihm.
Das Haus war auch von innen so herrschaftlich, wie es von außen schien. Wir wurden in einen weitläufigen, sonnendurchfluteten Raum geführt, in dem große Korbsessel standen.
„Bitte, setzen Sie sich doch“, sagte eine freundliche Stimme. Ich kannte sie von irgendwoher.
Ein grauhaariger, hagerer Mann trat auf uns zu und gab erst mir, dann Jim die Hand.
„Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Mademoiselle...“
„...Vanhelsing“, beeilte ich mich zu sagen.
Er lächelte charmant. „Mademoiselle Patricia Vanhelsing von den LONDON EXPRESS NEWS.“
Ich war überrascht. „Haben wir uns schon mal gesehen?“ Von irgenwoher kam mir dieser Mann bekannt vor.
„Ja, Mademoiselle Vanhelsing. Und das ist noch gar nicht so lange her. Es war in London auf einer dieser sogenannten VIP-Parties. Ich hatte mich gerade mit Craig Donovan unterhalten, dem Film-Produzenten, als Sie dazukamen...“
„Ja, jetzt erinnere ich mich.“
„Mein Name ist Guy d‘Averc. Der Mann, den Sie gerade kennenlernten, ist mein Verwalter Adrian.“
Ich fasste mit knappen Worten zusammen, weswegen wir hier waren, und während ich von der Leiche in der Burgruine und dem unheimlichen Tempelritter berichtete, der mich angegriffen hatte, schienen seine Züge zu einer starren Maske zu werden.
Er hob die Augenbrauen.
Dann wandte er sich an Adrian und wechselte ein paar Worte mit ihm auf Französisch.
„Mein Verwalter wird die Polizei rufen. Ich nehme an, dass wir aber einige Zeit auf die Beamten warten müssen. Wollen wir inzwischen etwas trinken? Vielleicht haben Sie auch Appetit auf einen kleinen Imbiss?“
Es dauerte tatsächlich eine Weile, bis der Wagen der Gandarmerie eintraf. Inzwischen servierte uns der Butler, ein schweigsamer, rundlicher Mann, eine kleine Mahlzeit. „Vielleicht werden Sie sich wundern, dass ich Ihren Namen behalten habe, Mademoiselle Vanhelsing“, sagte d‘Averc, der sich zu uns gesetzt hatte.
Das traf zu. Ich hatte mich in der Tat gewundert. Schließlich waren auf dieser Party dutzendweise bedeutende oder zumindest bekannte Persönlichkeiten anzutreffen.
„Sie sind mir gleich aufgefallen, Mademoiselle Vanhelsing. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie Patricia nenne?“
Der etwas aufdringliche Charme d‘Avercs gefiel mir nicht.
Ein Unbehagen, das ich nicht näher zu erklären wusste, hatte mich erfasst. Dennoch sagte ich: „Meinetwegen, Monsieur...“
„Nennen Sie mich Guy.“
„Guy.“
Im Moment brauchte ich seine Hilfe. Und nach unseren bisherigen Erfahrungen hier in der Gegend konnte ich da nicht wählerisch sein.
„Eine Frauenleiche in der alten Ruine“, sagte d‘Averc gedehnt. „Vermutlich ist das ein idealer Platz, um eine Tote zu verstecken. Schließlich dürfte dort oben seit Jahren niemand mehr gewesen sein. Eine halb verfallene Ruine, weiter nichts...“
„Wir hatten einen anderen Eindruck“, mischte sich Jim ein.
Guy d‘Averc zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Ach, ja? Möglich, dass dort oben irgendein Exzentriker Ritterspiele abhält. Deshalb wohl auch die alten Rüstungen, von denen Sie mir erzählt haben. Aber Ihre Geschichte von dem Tempelritter, die Sie mir vorhin erzählt haben, ist doch wohl etwas reichlich fantastisch, meinen Sie nicht auch?“
„Ich weiß, was ich gesehen habe“, sagte ich trocken.
„Ich wollte das nicht bezweifeln. Nur... Wissen Sie, ich bin gewissermaßen ein kleiner Experte des Mittelalters, und insbesondere die Geschichte der Templer fasziniert mich... Die Templer sind der Grund dafür gewesen, dass ich Historiker geworden bin. Und natürlich bin ich auch den zahlreichen Legenden nachgegangen, die hier in der Gegend über diesen Orden in Umlauf sind.“
„Und?“, hakte ich nach.
„Jedenfalls steigen sie nicht nachts aus ihren Gräbern und opfern Jungfrauen bei ihren Teufelsritualen. Diese Legenden sind mehr oder weniger ein Ausdruck des schlechten Gewissens, das man wegen der äußerst grausamen Zerschlagung des Ordens hatte.“
„Und dass der Orden weiterexistiert oder später neu gegründet wurde? Was halten Sie von diesen Theorien?“
Guy d‘Averc lachte gequält. „Ich dachte, Sie sind Journalistin mit unbestechlichem Urteilsvermögen, Patricia. Dann lassen Sie sich von solchen Geschichten auch nicht beeindrucken.“
„Es ist also nichts dran?“
„Nein. In meinen jüngeren Jahren bin ich jeder Spur nachgegangen, die in diese Richtung wies, denn auch mich faszinierten diese Geschichten. Aber es sind alles nur Legenden oder Ammenmärchen.“
„Und die rätselhaften Morde, die mit den Templern in Zusammenhang zu stehen scheinen?“
„Nichts als Spekulationen, Patricia.“
Jim zuckte die Achseln.
„Wenn die Gendarmerie dort alles unter sie Lupe genommen hat, werden wir sicher schlauer sein“, sagte er.
Die Gendarmerie kam schließlich in Gestalt von zwei gemütlich wirkenden Beamten in Uniform.
D‘Averc schien die beiden gut zu kennen, denn sie begrüßten sich sehr herzlich und sprachen ein paar Worte miteinander, die wir nicht verstehen konnten.
Der kleinere der beiden Polizisten stellte sich uns vor. Er hieß Larrac. Sein Kollege, der zwar größer, aber deutlich jünger war, schwieg und schmatzte dabei auf einem Kaugummi herum.
Larrac ließ sich unsere Geschichte erzählen, wobei Guy dafür sorgte, dass alles in perfektes Französisch übersetzt wurde.
Dann wandte sich Guy an mich und fragte: „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mitkomme? Es würde mich sehr interessieren, was an dieser Geschichte dran ist.“
„Was sollte ich dagegen haben?“
„Gut, dann fahren Sie doch beide in meinem Wagen mit. Da haben Sie etwas mehr Platz als bei Larrac. In Ordnung?“