Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 85
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John Jennings erwartete mich in einem Raum mit hohen Fenstern. Er hatte dunkles Haar und sehr aufmerksame, intelligente Augen, deren Blick mich einer eingehenden Musterung unterzog. Sein Gesicht wies einen melancholischen Zug auf. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem jungen Alain Delon. Der schmallippige Mund bildete einen dünnen, gerade Strich.
"Nehmen Sie Platz, Miss Vanhelsing", sagte er mit leiser, dunkel klingender Stimme und deutete auf eine Gruppe von Ledersesseln. "Möchten Sie etwas trinken?"
"Nein danke", erwiderte ich, während ich mich in einem der Sessel niederließ.
Jennings rollte auf mich zu und stoppte dann etwa zwei Meter von mir entfernt.
"Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass unsere letzten Termine geplatzt sind. Aber ich arbeite sehr hart."
"Ihr Manager sagte mir bereits etwas ähnliches", erwiderte ich. "Woran arbeiten Sie im Moment?"
Jennings hob die Hand und schüttelte den Kopf. Ich begriff. Er wollte nicht darüber reden und ich hätte mich in diesem Moment dafür ohrfeigen können, so ungestüm vorgeprescht zu sein. John Jennings war ein scheuer Mann, der sich nicht gleich jedem offenbarte. Wenn er es überhaupt tat, dann nur nach einer eingehenden Prüfung. Und dieser wurde ich offenbar gerade unterzogen.
"Sie sind noch recht jung für Ihren Job, Miss Vanhelsing", sagte er. "Ich hatte Sie mir älter vorgestellt."
"Enttäuscht?"
"Nein. Vielleicht haben Sie dadurch weniger Vorurteile."
"Vorurteile? Wogegen? Gegen schwarze Magie und Okkultismus?"
Zum ersten Mal sah ich in diesem Moment, das sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Die Ahnung eines Lächelns huschte über seine Lippen und in den dunklen Augen blitzte es kurz auf.
Vielleicht würde es mir ja doch gelingen, mit ihm eine gemeinsame Wellenlänge zu finden.
Ich hoffte es jedenfalls.
"Sie glauben an die Macht der Magie, nicht wahr?", sagte ich. "Jedenfalls konnte man das überall lesen." Jennings nickte.
"Es ist für mich keine Frage des Glaubens, Miss Vanhelsing, auch wenn Sie das vielleicht überraschen mag. Ich weiß, welche Kräfte durch Magie kontrolliert werden können!" Er ballte die rechte Hand zu einer Faust, so als würde er etwas darin zerquetschen. Sein Tonfall wurde klirrend.
"Was meinen Sie genau damit, Mr. Jennings?", hakte ich nach. Und wieder hatte ich kurz das Bild einer Kette vor Augen, die wie eine Schlinge um den Hals eines Menschen gelegt worden war.
"Schwarze Magie kann beispielsweise auf große Entfernung töten, Miss Vanhelsing! Wussten Sie das?"
Die Art und Weise, in der er das sagte, trieb mir einen Schauder über den Rücken.
"Wie kommen Sie gerade darauf?", fragte ich.
"Es ist ein Beispiel, weiter nichts. Es gibt Mächte, von deren Existenz die meisten Menschen nichts wissen wollen. Aber sie sind wirksam... Nennen Sie es Okkultismus oder Magie oder übersinnliche Beeinflussung... Zu verschiedenen Zeiten haben die Menschen diesen Phänomenen unterschiedliche Namen gegeben. Aber im Kern läuft es immer auf dasselbe hinaus: Auf die Macht des menschlichen Geistes, die bis jetzt kaum ausgeschöpft wurde! Diese Macht freizusetzen - das ist Magie, Miss Vanhelsing!"
"Ein interessanter Gedanke!"
Jennings' Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. "Ich weiß nicht, ob Sie wirklich verstehen, was ich Ihnen gesagt habe. Wahrscheinlich rede ich in Ihren Augen nur Unsinn..."
"Habe ich das gesagt?", wich ich aus.
Er zuckte die Achseln. "Die meisten denken das. Und tatsächlich tummeln sich auf dem Gebiet ja auch eine Menge Scharlatane und Verrückte, die versuchen, unerklärliche Dinge für ihre eigenen Zwecke auszunutzen. Aber der Kern ist ein sehr altes Wissen, das bereits Jahrtausende im Besitz des Menschen ist..."
"Ich weiß, wovon Sie reden", behauptete ich. Jennings hob die Augenbrauen.
"Wirklich?"
"Meine Eltern verstarben früh und so wurde ich von meiner Großtante Elizabeth aufgezogen. Sie hat sich immer sehr stark mit diesem Gebiet beschäftigt und eine Art Privatarchiv dafür angelegt."
"Interessant", murmelte Jennings. Seine Züge wurden etwas weicher und weniger melancholisch. Eigentlich war ich hier, um etwas über ihn zu erfahren und nicht umgekehrt. Aber es schien, als müsste ich erst etwas von mir preisgeben, bevor er ebenfalls dazu bereit war, sich etwas mehr zu öffnen. John Jennings rollte zu einem Schrank hinüber, zog eine der Schubladen heraus und kam einen Moment später mit etwa einem Dutzend Zeitungsausschnitten zurück. Er legte sie vor mir auf ein niedriges Glastischchen. Ich erkannte die Ausschnitte sofort wieder und musste unwillkürlich lächeln.
"Sie haben meine Reportagen gesammelt?", stellte ich etwas überrascht fest.
"Nur die der letzten Zeit. Schließlich wollte ich wissen, mit wem ich es zu tun habe! Ihren Artikeln nach scheinen Sie das Interesse Ihrer Großtante für das Übernatürliche zu teilen. Sie beschäftigen sich oft damit."
"Ja, das interessiert mich sehr, Mr. Jennings."
Er kam etwas näher. "Nennen Sie mich John."
Ich zuckte die Schultern. "Meinetwegen, John."
"Ich gebe morgen ein Fest. Nur für ein paar Freunde und Bekannte. Einige Leute vom Kunstmarkt sind auch dabei. Aber es bleibt eine geschlossene Gesellschaft. Haben Sie Interesse?"
"Ich werde kommen", kündigte ich an.
"Gut. Um 20.00 Uhr. Aber lassen Sie Ihren windigen Fotografen in der Redaktion. Ich möchte nicht, dass Bilder gemacht werden und auch einigen meiner anderen Gäste wäre das vielleicht unangenehm. Schließlich findet das ganze in einem fast privaten Rahmen statt."
Es blieb mir nichts anderes übrig, als diese Bedingung zu akzeptieren.
Jennings reichte mir die Hand. "Es hat mich sehr gefreut Sie kennenzulernen, Patricia!"