Читать книгу Der Mörder ist falsch verbunden: 8 Krimis - Alfred Bekker - Страница 27
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ОглавлениеJosy und Fred warteten weiter in Jay McIntoshs Wohnung. Schließlich war ja nicht auszuschließen, dass er dort doch noch auftauchte. Milo und ich brachen zum St. Patrick’s Asylum im Norden von Brooklyn auf. An Hand der in McIntoshs Wohnung sichergestellten Unterlagen konnten wir herausfinden, dass seine Frau dort untergebracht war. Sie litt unter Depressionen und psychischen Störungen. Offenbar hatte sie versucht, sich das Leben zu nehmen. Als wir das Ende der Taylor Street erreichten und in die Wythe Plaza einbogen, fielen uns bereits die zahlreichen Einsatzfahrzeuge auf. City Police und Emergency Service waren auf den ersten Blick erkennbar.
Ein uniformierter Polizist trat uns entgegen. Ich hielt an und ließ das Seitenfenster herab.
„Fahren Sie bitte ohne anzuhalten weiter!“
Ich hielt dem Kollegen meine ID-Card entgegen. „Trevellian, FBI. Was ist hier passiert?“
„Ein Mann ist vor der Kirche erschossen worden.“
„Wissen Sie, um wen es sich handelt?“
„Ein gewisser Jay McIntosh. Der Gemeindepriester kannte ihn und hat ihn sofort identifiziert. Ich habe daraufhin die Homicide Squad unseres Reviers verständigt.“
„Das ist unser Fall. Gibt es hier im weiteren Umkreis noch irgendwo einen freien Parkplatz, Officer?“
„Gibt es schon, aber ich möchte Sie bitten, diese für die SRD und die Gerichtsmedizin freizulassen.“
„Kein Problem.“
„Am besten, Sie fahren ein Stück zurück und setzen Ihren Sportwagen einfach an den Straßenrand.“
„In Ordnung.“
Ich setzte also zurück. Wenig später stiegen Milo und ich aus und gingen die letzten 500 Yards bis zum Tatort zu Fuß.
„Es hat alles wunderbar zusammen gepasst“, sagte ich an Milo gewandt.
„Wieso? Ich verstehe dich nicht, Jesse! Es passt doch immer noch alles! Der Fall läuft auf Jay McIntosh als Täter hinaus. Er hatte die Gelegenheit, ein Motiv und…“
„…ist jetzt selbst erschossen worden.“
„Vielleicht jemand, der Dr. Guthries Tod rächen wollte. Seine Frau wirkte ja ziemlich mitgenommen, aber der Tochter würde ich schon zutrauen, etwas härter zu reagieren.“
„Nur, weil sie Harley fährt und sich seltsam anzieht?“
„Am besten wir lassen die Spekulationen, bis wir mehr wissen.“
Wir gingen an einer Kirche vorbei zu dem Parkplatz, der direkt vor dem Sanatorium lag und erreichten den Tatort.
Jay McIntosh lag ausgestreckt in einer Blutlache.
Der Einsatzleiter war ein gewisser Lieutenant O’Brady, der gerade in ein Gespräch mit einem katholischen Priester vertieft war. Einer der Officers wies ihn auf unsere Anwesenheit hin.
Milo sprach ihn an. „Milo Tucker, FBI. Dies ist mein Kollege Jesse Trevellian.“
„Martin O’Brady, Homicide Squad. Sind Sie sicher, dass das ein Fall für Sie ist?“
„Wir verdächtigen Jay McIntosh der Täter im Guthrie-Fall zu sein.“
„Davon habe ich gehört“, sagt O’Brady. „Das ist doch der Abtreibungsarzt in Hoboken, dem ein fanatischer Lebensschützer eine Kugel in den Kopf gejagt hat!“
„Es waren drei Kugeln“, mischte ich mich ein.
O’Brady zuckte mit den Schultern. „Es liegt natürlich nahe, dass dieser Fall damit zusammenhängt. Wie auch immer, SRD und Gerichtsmedizin sind unterwegs und wir haben damit begonnen, Zeugen zu befragen. Allerdings stehen wir noch ganz am Anfang, wie Sie sehen. Unterstützung könnten wir in jeder Form gebrauchen!“
„Mit welchem Kaliber wurde McIntosh erschossen?“, fragte ich.
„Kaliber 45. Zumindest haben wir Patronenhülsen gefunden, die dazu passen. Die Projektile sind am Rücken des Opfers wieder ausgetreten. Wird sicher kein Vergnügen für die SRD-Kollegen, die Dinger bei Dunkelheit zu suchen. Außerdem schätzen wir, dass aus nächster Nähe geschossen worden ist.“
„Kannte er den Täter?“, fragte Milo.
„Das wäre vielleicht ein bisschen überinterpretiert. Ich schlage vor, wir lassen erst einmal die Spurensicherung ihren Job machen, dann sehen wir mit Sicherheit klarer.“
Ich wandte mich an den Priester. „Ich habe gehört, Sie haben den Toten identifiziert.“
Der grauhaarige Priester nickte. „Ich heiße Paul Kavanaugh.“
„Könnte ich einen Moment mit Ihnen sprechen?“
„Das meiste habe ich bereits Lieutenant O’Brady gesagt – aber bitte! Ich werde Sie natürlich nach Kräften unterstützen.“
In diesem Augenblick traf ein Van mit einem Team der Scientific Research Division ein.
„Ich werde die Kollegen mal einweisen“, kündigte O’Brady an und ging auf die Kollegen zu, die soeben ihren Wagen verließen.
Ich wandte mich an Kavanaugh.
„Sie kannten das Opfer?“
„Ja. Seit seiner Kindheit. Er war Messdiener in dieser Gemeinde. Später wandte er sich von uns ab.“
„Mister McIntosh schloss sich Reverend Garrison und seiner Organisation von radikalen Lebensschützern an. Den Glauben schien er aber nicht verloren zu haben.“
„Es ging wohl mehr um die Methoden, als um die Inhalte. Ich habe viele Gespräch mit Jay geführt, in denen es immer wieder darauf hinauslief, dass er die Positionen der katholischen Kirche zur Abtreibung für reine Lippenbekenntnisse hielt, weil wir nicht hergehen und Ärzte mit blutroten Farbbeuteln bewerfen oder ihre Autos in die Luft sprengen. Irgendwann trennten sich die Wege dann. Heute Abend sah ich ihn seit Jahren zum ersten Mal wieder.“
„Was wollte er von Ihnen?“
„Er wollte beichten.“
„Ich nehme an, dass Sie mir über den Inhalt dieser Beichte nichts sagen wollen.“
„Es ist mir verboten“, korrigierte mich Kavanaugh. „Jay McIntosh wollte seine Seele erleichtern und Gott um Verzeihung bitten. Was da gesprochen wird, geht keinen irdischen Richter etwas an.“
„Natürlich. Allerdings halten wir ihn für den Mörder an Dr. Miles Guthrie aus Hoboken.“
„Wenn es Sie beruhigt, kann ich Ihnen sagen, dass Jay keineswegs einen Mord gebeichtet hat“, erwiderte Kavanaugh. „Ich weiß, dass es schon an der Grenze ist, was ich hier gerade tue und ich würde das auch vor Gericht nicht wiederholen. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie sich keine falschen Vorstellungen machen und den Eindruck haben, ich wüsste mehr darüber als Sie mit Ihren Sachbeweisen belegen können.“
„Ich nehme an, dass McIntosh den Mord an Guthrie auch gar nicht als Sünde ansieht, den er beichten müsste“, glaubte Milo. „Schließlich war er in seinen Artikeln und Internetauftritten nicht gerade zimperlich!“
„Vielleicht unterschätzen Sie doch etwas die Sensibilität, die Jay auszeichnete.“
„Was meinen Sie damit?“, fragte ich.
Kavanaugh hob die Augenbrauen. „Ich sollte Ihnen wohl noch etwas über Jay sagen, dass Sie seine Haltung besser verstehen lässt.“
„Bitte!“
„Seine Frau Jane hat als Teenager eine Abtreibung vornehmen lassen. Das hatte allerdings seelische Spätfolgen. Sie litt zunehmend unter Depressionen und versuchte sich umzubringen. Ich glaube, das war der eigentlich Grund dafür, dass sich Jay diesen radikalen Gruppen anschloss. Seit dem letzten Selbstmordversuch ist seine Frau in unserem Sanatorium untergebracht. Jay hat sie regelmäßig besucht, ist mir dabei aber immer möglichst aus dem Weg gegangen.“
Mir fiel ein Mann im dunklen Mantel auf, der jetzt in den Schein der Straßenbeleuchtung trat, sodass ich sein Gesicht besser sehen konnte.
„Einen Augenblick, Milo“, murmelte ich und setzte mich etwas unvermittelt in Bewegung.
„Was ist los, Jesse?“
„Ich will nur einen Bekannten begrüßen!“
Milo blieb bei Kavanaugh. Ich ging auf den Mann zu, der jetzt mit angestrengtem Gesicht zum Parkplatz strebte.
„Dr. Maxwell!“, rief ich. Er blieb stehen. Im ersten Moment sah er mich etwas verwirrt an.
„Wir haben uns in der Praxis Ihres Studienfreundes Miles Guthrie gesehen“, half ich ihm auf die Sprünge.
Ein verlegenes Lächeln spielte um seine Lippen. „Ja, richtig jetzt erinnere ich mich wieder!“
„Schon ein eigenartiger Zufall, dass ich Sie jetzt hier antreffe!“
„Wieso?
„Na, erst traf ich Sie kurz nachdem Ihr Studienfreund Guthrie umgekommen ist, jetzt treffe ich Sie zum zweiten Mal, genau in dem Moment, da Guthries mutmaßlicher Mörder erschossen wurde!“
„Ich war im St. Patrick’s Asylum, um Patientinnen zu behandeln.“
„Aber Psychiatrie ist doch gar nicht Ihr Fachgebiet!“
„Auch psychisch Kranke haben mitunter gynäkologische Probleme, Agent Trevellian.“
„Kannten Sie Mister McIntosh?“
„Nur als Name im Impressum einer Website, auf der mehr als zweihundert Frauenärzte mit Namen und Adresse angegeben sind. Von vielen Kollegen sind auch Fotos im Netz – natürlich immer mit Aufruf, dass man die betreffenden Ärzte doch bitteschön so lange drangsalieren soll, bis sie keine Abtreibungen mehr durchführen!“
„Das klingt sehr bitter.“
„Das klingt nicht nur so – so empfinde ich auch.“
„Finden Sie, dass McIntosh bekommen hat, was er verdiente?“
Maxwell zögerte, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, das nicht. Das hat niemand verdient. Guthrie nicht – aber dieser Kerl auch nicht.“
„Wie eng war Ihre Freundschaft zu Dr. Guthrie?“
Er sah mich etwas überrascht an. „Wir wollen nicht übertreiben“, sagte er schließlich. „Freundschaft würde ich das nicht nennen.“
„Aber Sie waren nach seiner Ermordung in der Praxis!“
„Angenommen, ein G-man wird erschossen, den Sie aus Quantico kannten und Sie sind zufällig in derselben Stadt, dann würden Sie vielleicht in dem betreffenden Field Office vorbeischauen und sich erkundigen. So etwas betrifft einen immer besonders, zumal man ja nicht weiß, ob man nicht selbst der Nächste ist!“ Er streckte mir die Hände entgegen. „Untersuchen Sie mich auf Schmauchspuren, sehen Sie in meinen Taschen nach, wenn Sie es beruhigt! Meine Waffe befindet sich in der Manteltasche. Es handelt sich um einen Revolver vom Kaliber 22, den ich zu meinem persönlichen Schutz trage. Sie werden feststellen, dass ich Schmauchspuren an den Händen habe, weil ich zuletzt gestern Nachmittag auf dem Schießstand damit trainiert habe. Aber Sie werden auch feststellen, dass mit meiner Waffe McIntosh nicht ermordet wurde.“
„Ich muss die Waffe trotzdem beschlagnahmen“, sagte ich. Er zog sie vorsichtig aus der Tasche und gab sie mir. Ich steckte den Daumen durch den Bügel. „McIntosh wurde mit einem anderen Kaliber erschossen, also nehme ich an, dass es stimmt, was Sie sagen.“
„Na, sehen Sie!“
„Trotzdem könnte es sein, dass da einiges an Ärger auf Sie zukommt.“
„Weil ich gegen die Waffengesetze verstoßen habe und eine Waffe zu meinem Schutz besitze, da die Polizei mich nicht schützen kann?“
„Der Besitz des 22er ist nicht strafbar. Ihre vier Wände dürfen Sie damit verteidigen – aber sobald Sie damit auf der Straße herumlaufen, verstoßen Sie in New York gegen das Gesetz!“
„Ein feines Gesetz ist das!“, knurrte er. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden. Der Tag war heute schon hart genug. Ich nehme an, dass mir irgendwann eine Gerichtsvorladung in den Briefkasten flattert und ich am Ende eine Geldstrafe aufgebrummt bekomme, nur weil ich überleben möchte!“