Читать книгу 10 neue Alfred Bekker Strand Krimis Oktober 2021 - Alfred Bekker - Страница 33
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Оглавление»Nach Chinatown«, sagte Mulroney dem Cab Driver, als er sich auf die Rückbank setzte.
»Wo wollen, Sie denn genau hin? Chinatown ist groß – und wird immer größer!«, erwiderte der Cab Driver.
»Ich sage Ihnen einfach, wann Sie mich rauslassen sollen, okay?«
»Wie Sie wollen Sir.« Der Fahrer zögerte. »Was ist mit dieser Tasche auf Ihrem Schoß? Soll ich sie nicht besser in den Kofferraum tun?«
»Fahren Sie endlich los, Mister. Ich bin spät dran.«
Der Cab Driver seufzte. »Ja, ja, so ist der Big Apple. Schnell und hektisch. Ich weiß gar nicht, warum ich das eigentlich immer noch mitmache.«
Während das Taxi losfuhr, stiegen Bilder in Mulroneys Innerem auf. Erinnerungen, die ihn jahrelang beherrscht hatten. Schweißperlen rannen ihm über die Stirn, obwohl es ein saukalter Tag war und die Heizung des Taxis nicht funktionierte. Er war wieder in Vietnam. Mitten im Dschungel. Jemand stieß ihn von einem Wagen.
Er landete auf dem weichen, überwachsenen Boden.
An Händen und Füßen gefesselt.
Mulroney war in diesen Momenten unfähig, seine Extremitäten zu bewegen. Er wusste, dass dies nichts weiter als ein Flashback war, und doch konnte er nichts dagegen tun. Nicht nur das Gehirn hatte seine Erinnerung. Der Körper hatte sein eigenes, unabhängiges Gedächtnis, und die Auslöser dafür, dass es aktiviert wurde, konnten vielfältig sein. Ein Geräusch, ein Wort, eine Stimme … Manchmal genügte es, wenn dieselbe Temperatur herrschte wie damals. Oder das Klatschen des Regens.
Diesmal war es das Zischen der defekten Klimaanlage. Ein ganz feines, sehr hohes Geräusch, das den Lauten der Grillen sehr ähnlich war, die Mulroney damals im Dschungel gehört hatte.
Mulroney starrte auf die Anzeige der Digitaluhr neben dem Taxameter.
Laut las der Veteran die Uhrzeit ab. Die Stimme zitterte dabei.
Er wiederholte es noch einmal.
»Irgendetwas nicht in Ordnung?«, fragte der Cab Driver.
Mulroney beachtete ihn nicht, sondern sagte noch einmal die Uhrzeit.
Ein Trick, den man ihm während der Therapie beigebracht hatte, um einen beginnenden Flashback zu stoppen. Man musste sich irgendetwas aus der Realität herausgreifen, sich daran förmlich festklammern, um damit den Automatismus des Flashbacks zu unterbrechen. »Es ist achtzehn Uhr drei, und ich befinde mich in einem Taxi auf dem Central Park West!«
Das Taxi hielt an.
Es gab einen kleinen Stau.
Mulroney atmete tief durch. Es ist vorbei, dachte er. »Könnten Sie bitte die Lüftung ganz ausstellen?«
»Wieso?«
»Ich fragte, ob Sie die Lüftung ausstellen können!«, sagte Mulroney mit einer Eindringlichkeit, die den Cab Driver die Stirn runzeln ließ. »Dieses Geräusch.«
»Ich hör nichts. Aber Sie sind der Kunde, und der ist König.«
Der Cab Driver schaltete an seinem Armaturenbrett herum. Das Geräusch verstummte.
»Was ist hier los?«, fragte Mulroney.
»Ach, immer dasselbe. Da vorne am Eingang zum Dakota Building ist seinerzeit John Lennon ermordet worden. Seitdem treffen sich zwischen Strawberry Fields und Hielscher Playground immer mal wieder Gruppen von Fans und singen seine Lieder. Manchmal halten sie den Verkehr auf.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Ich weiß nicht, ist heute denn Lennons Todestag? Oder nur der Erstverkaufstag von ›Let it be‹? Ich blick nicht mehr durch, sag ich Ihnen. Mir scheint, wenn es keinen Anlass gibt, dann suchen diese Alt-Hippies sich einen.«
Er drehte sich zu Mulroney um und schnallte sich dafür sogar ab.
»Und mit Ihnen ist wirklich alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte Mulroney tonlos.
Und bald werde ich auch Frieden finden, fügte er stumm hinzu. Dann nämlich, wenn alle diejenigen bezahlt haben, deren Rechnungen noch offen sind. Brian Imperioli war der Erste. Und jetzt kommt die Nummer zwei dran!