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Eine Klingel ertönte, und ein grauhaariger Mann ging an das Mikrofon, das zu diesem Anlass aufgebaut worden war.

»Ich bin Ed Turtorro. Die meisten kennen mich. Als Consigliere von Brian Imperioli eröffne ich hiermit diese Konferenz, auf der wir beschließen müssen, wie es mit unseren Geschäften weitergeht und welche Veränderungen der Tod jenes Mannes nach sich zieht, der von vielen unter uns nur der ›Große Alte‹ genannt wurde.«

Es folgten ein paar bewegte Worte über die herzerweichende Mitmenschlichkeit des Verstorbenen. Die vorliegenden FBI-Dossiers ergaben darüber ein anderes Bild – und selbst auf Brian Imperiolis Söhne wirkte dieser Vortrag alles andere als überzeugend.

Es herrschte abwartendes Schweigen in der Halle.

Niemanden interessierten jetzt noch die Wohltaten, die der Große Alte dem einen oder anderen aus der Organisation im Laufe seiner Karriere hatte zukommen lassen. Sie warteten vielmehr auf das, was für die Zukunft wichtig war.

»Ich übergebe jetzt das Wort an Alex Imperioli!«, kündigte der Consigliere des Großen Alten an.

Alex trat ans Mikro.

Sein Bruder Leon hielt sich mit verkniffenem Blick im Hintergrund. Es schien ihm nicht zu gefallen, seinem älteren Bruder den Vortritt lassen zu müssen, aber er war klug genug, stillzuhalten. Seine Stunde, so war Leon überzeugt, würde noch schlagen. Vorerst aber hatten die Brüder nur gemeinsam eine Chance, an die Spitze des Syndikats zu kommen.

»Viele von euch wissen, dass mein Vater und ich uns nicht immer gut verstanden haben. Viele von euch wissen aber auch, dass dies nie etwas an meiner Loyalität zur Familie geändert hat. Es kommt häufig vor, dass Väter und Söhne für eine gewisse Zeit unterschiedliche Ansichten haben. Ich selbst habe mich – zum Leidwesen meines Vaters – nie in die Führungsebene unseres Geschäfts gedrängt, und es wäre mir am liebsten gewesen, wenn die Geschäfte von meinem Cousin Vince DiAndrea hätten weitergeführt werden können. Er wäre prädestiniert dafür gewesen – aber das Schicksal hat es nicht gewollt. Ihr wisst alle, wovon ich spreche. Von den schrecklichen Dingen, die auf dem St. Josephs Cemetery geschehen sind und die niemand unter uns vorhersehen konnte.«

»Na, wer weiß, vielleicht gibt es da ja doch jemanden!«, hallte laut und vernehmlich eine Stimme.

Alex wirbelte herum und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. Aber er konnte nicht erkennen, wer das gesagt hatte. Mit seinen Leibwächtern und seinem Bruder war er über Kragenmikro und Ohrhörer verbunden.

»Verdammt, wer hat das gesagt?«, knurrte er ins Mikro, während für ein paar Sekunden Tumult in der Halle herrschte.

Die Antwort war abermals Schweigen.

Nach einer-Pause fuhr Alex fort: »Wir gehen schweren Zeiten entgegen, und da müssen wir zusammenhalten. Unser Syndikat muss entschlossen zuschlagen, wo das notwendig ist. Ich spreche von diesen Ratten, die meinen Vater auf dem Gewissen haben …«

»Raymond Wou ist tot«, sagte einer der Capos. »Bist du dafür verantwortlich, Alex?«

»Raymond Wou dachte, er könnte uns die Bronx abnehmen. Er steckte hinter dem Aufstand dieser Gang, die für uns die Drogen verteilt. Aus eigener Kraft hätten die Bronx Pirates das nie gewagt!«, erklärte Alex.

»Wir haben dafür gesorgt, dass ihr Stammlokal in die Luft fliegt!«, mischte sich jetzt Leon ein, der es wohl nicht ertragen konnte, länger im Hintergrund zu stehen. »Und Raymond Wou hat jetzt auch gekriegt, was er verdiente.«

»Es musste entschlossen gehandelt werden«, fuhr Alex fort. »Die Chinatown-Bosse oder die Puertoricaner aus East Harlem warten doch nur darauf, uns das Geschäft aus der Hand zu nehmen. Mein Dad ist in den letzten Jahren zu weich geworden. Darum haben wir die Müll-Branche in Brooklyn an die Ukrainer verloren. Aber so etwas wird uns nicht ein zweites Mal passieren.«

»Müll ist ein gutes Stichwort«, meldete sich ein anderer Sprecher zu Wort. Es handelte sich um Allister Riccardo, einen Großonkel der Imperiolis. Riccardo fuhr fort: »Wir haben jahrelang Giftmüll illegal auf Coney Island entsorgt und damit Riesengewinne gemacht. Inzwischen sind die Renditen nach unten gegangen, weil die Ukrainer aus Brooklyn unsere Preise unterbieten, aber wir müssen immer noch dieselben Anteile abdrücken. Wie wird das in Zukunft?«

»Ich bin in dieser Sache ganz deiner Ansicht, Onkel«, erklärte Alex. »Generell werden wir über den Verteilungsschlüssel neu reden müssen …«

In den nächsten Minuten versprach Alex den Anwesenden alles Mögliche. Er hatte sich gut vorbereitet und wusste genau, wo sie der Schuh drückte. Seine Botschaft war letztlich ganz einfach: Jeder der Anwesenden sollte in Zukunft mehr verdienen.

Die Aufteilung der Gewinne aus dem Kokainhandel und der illegalen Müllentsorgung wurden rasch festgelegt.

Alex‘ Bestätigung als Chef des Syndikats war danach reine Formsache und geschah per Akklamation.

Der Beifall war gerade verrauscht, da erklang eine Megafon-Stimme: »Hier spricht das FBI! Waffen weg und Hände hoch!«

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