Читать книгу 10 neue Alfred Bekker Strand Krimis Oktober 2021 - Alfred Bekker - Страница 36
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Оглавление»Denken Sie noch oft an Vietnam?«
Raymond Wou blickte auf. Sein aufgeschwemmtes Gesicht blieb vollkommen unbewegt. Der Blick der dunklen Augen ruhte auf seinem Gegenüber.
»Seitdem Brian umgekommen ist, wieder sehr viel öfter«, gestand der Franco-Chinese. »Ich hatte die Ereignisse von damals schon beinahe vergessen. Das Vergessen ist ein Segen, Mr. Van Thö. Ein Segen …«
»Ich kann alles vergessen, aber nicht den Tod meines Sohnes«, sagte Cao Van Thö. »Mr. Imperioli hat so viel für mich getan. Er hat mir aus Vietnam heraus geholfen und mir einen geschäftlichen Start ermöglicht. Später hat er meinen Sohn als Leibwächter eingestellt … Armer Nguyen!«
»Sie haben mein Mitgefühl, Mr. Van Thö. Und um der alten Zeiten willen können Sie sicher sein, dass ich Sie in jeder nur erdenklichen Hinsicht unterstützen werde.« Die buddhaähnliche Gestalt von Raymond Wou beugte sich etwas nach vorn. Er hob die Augenbrauen, die allerdings so dünn waren, dass man es in dem schwachen Licht der Drachenlampions kaum sehen konnte. »Ich könnte mir denken, dass für Sie bei den Imperiolis die Zeiten schwieriger werden, wenn jetzt, wie es allgemein erwartet wird, die Söhne an die Macht kommen. Daher mein Angebot.«
»Dafür danke ich Ihnen, Mr. Wou.«
Wou hob sein Glas.
Ein Kellner trat zum Tisch, verneigte sich.
»Möchten Sie noch ein Dessert?«
»Nein, ich platze sonst«, meine Wou.
»Ich möchte auch nichts mehr«, ergänzte Van Thö.
»Aber bringen Sie noch eine gute Zigarre!« Wou nickte van Thö zu. »So, wie wir sie uns damals oft im Casino der Amerikaner genehmigt haben.«
»Ja – in Gedenken an Mr. Imperioli sollten wir das tun.«
»Bedaure«, sagte der Kellner. »Seit Kurzem ist in New York das Rauchen in sämtlichen Restaurants verboten. Ohne Ausnahme. Und daher …«
»Das wissen wir«, schnitt Wou ihm das Wort ab. »Führen Sie uns einfach zur Limousine und reden Sie nicht so viel. Und falls jemand im Wagen sitzt, schmeißen Sie ihn raus.«
»Sir, ich …«
»Sie sind neu hier, oder?«
»Ja.«
»Das hat schon seine Richtigkeit.«
Der Kellner verneigte sich. »Dann folgen Sie mir bitte.«
Um das absolute Rauchverbot zu umgehen, hatten sich manche Restaurants etwas Besonderes einfallen lassen. Sie nutzten eine Lücke im Gesetz und stellten luxuriöse Stretchlimousinen vor ihr Restaurant. Dort konnten Gäste, die gerne im Anschluss an ein gutes Essen auch noch eine gute Zigarre genießen wollten, ihrem Laster frönen, ohne dass jemand dafür belangt werden konnte.
Der Kellner führte sie ins Freie. Die Limousine stand bereit. Die Tür wurde geöffnet.
»Nach Ihnen, Mister Van Thö«, sagte Raymond Wou.
Die beiden Männer stiegen ein.
Der Motor lief, denn erstens stand die Limousine im Parkverbot, und zweitens wäre es sonst auch lausig kalt geworden. Der Chauffeur saß zwar am Steuer, aber er hatte jetzt in erster Linie Aufgaben, die mit seiner Berufsbezeichnung nicht allzu viel zu tun hatten. Er öffnete die Trennscheibe zur Fahrerkabine. »Die Zigarren liegen schon für Sie bereit. Wenn Sie irgendwelche besonderen Wünsche haben …«
»Nicht nötig«, sagte Wou.
Er hatte gerade seine Havanna beschnitten, steckte sie in den Mund und nahm das bereitliegende Feuerzeug. Die Flamme schoss empor. Im selben Moment durchschlug ein Geschoss die gepanzerte Karosserie des Wagens.
Die Stretchlimousine wurde von der gewaltigen Explosion geradezu zerrissen.
Das Schrillen der Sirenen von Polizei, Emergency und Fire Service hörten die Insassen schon längst nicht mehr.