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2. Teil Klausurkonstellationen im Europarecht › C. Prüfungsschemata wichtiger Verfahrensarten (EuGH/EuG, Art. 258 ff. AEUV)

C. Prüfungsschemata wichtiger Verfahrensarten
(EuGH/EuG, Art. 258 ff. AEUV)

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I. Wichtige Verfahrensarten vor dem EuGH und dem EuG

Europarechtliche Klausuraufgaben haben oft auch Verfahren vor dem EuGH und dem EuG zum Gegenstand. Im Folgenden sind die Prüfungsschemata der wichtigsten Verfahrensarten zusammengestellt. Es werden behandelt:

Vorabentscheidungsverfahren, Art. 267 AEUV, dazu sogleich II.
Vertragsverletzungsverfahren, Art. 258, 259 AEUV, dazu sogleich III.
Nichtigkeitsklage, Art. 263 AEUV, dazu sogleich IV.
Untätigkeitsklage, Art. 265 AEUV, dazu sogleich V.
Schadensersatzklage (Amtshaftungsklage), Art. 268 AEUV, dazu sogleich VI.

II. Vorabentscheidungsverfahren[1], Art. 267 AEUV (Fälle 1, 2, 3, 12, 13, 16, 20)

1. Zulässigkeit

a) Zuständigkeit

Gem. Art. 267 I AEUV ist der EuGH für die Beantwortung von Vorlagefragen nationaler Gerichte zuständig.

b) Vorlageberechtigung

Vorlageberechtigt sind gem. Art. 267 II AEUV alle Gerichte der Mitgliedstaaten. In bestimmten Fällen besteht eine Vorlagepflicht (insbes. für letztinstanzliche Gerichte).

c) Vorlagegegenstand

Zulässige Vorlagegegenstände sind gem. Art. 267 I AEUV Fragen zur Auslegung der Verträge sowie zur Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union (dazu zählt u.a. auch das gesamte Sekundärrecht)[2].

d) Entscheidungserheblichkeit

Die Beantwortung der Vorlagefrage muss für den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich, d.h. für die Tenorierung dieses Rechtsstreits maßgeblich sein. Ob dies allerdings der Fall ist, beurteilt grundsätzlich das vorlegende Gericht.

2. Sachentscheidung (Beantwortung der Vorlagefrage)

Soweit der EuGH die Vorlage für zulässig erachtet, beantwortet er die gestellten Vorlagefragen in der Sache. Dabei legt er immer nur das Unionsrecht aus.

III. Vertragsverletzungsverfahren (Aufsichtsklage)[3], Art. 258, 259 AEUV (Fälle 15, 22)

1. Zulässigkeit

a) Zuständigkeit

Gem. Art. 258 II bzw. 259 I AEUV ist der EuGH für das Vertragsverletzungsverfahren zuständig.

b) Beteiligtenfähigkeit

Aktiv beteiligtenfähig sind gem. Art. 258 I AEUV die Kommission und gem. Art. 259 I AEUV die Mitgliedstaaten, passiv beteiligtenfähig nur die einzelnen Mitgliedstaaten, Art. 258 I, 259 I AEUV.

c) Klageberechtigung

Art. 258 I AEUV spricht der Kommission und Art 259 I AEUV den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Klageberechtigung zu.

d) Vorverfahren

Vor Klageerhebung hat die Kommission gem. Art. 258 AEUV ein Vorverfahren durchzuführen. Dazu hat sie zunächst ein erstes Mahnschreiben an den Mitgliedstaat zu richten. Darin muss sie die Tatsachen mitteilen, in denen sie den Vertragsverstoß sieht, erklären, dass sie ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat und dem Mitgliedstaat eine Frist zur Äußerung setzen.

Räumt der Mitgliedstaat den Verstoß nicht aus, so ist von der Kommission eine begründete Stellungnahme abzugeben, die die wesentlichen Tatsachen und Rechtsgründe enthält, aus denen sich nach Auffassung der Kommission der Vertragsverstoß ergibt. Die begründete Stellungnahme ist mit einer Frist zur Beseitigung des Verstoßes zu versehen.

Auch bei Vertragsverletzungsverfahren der Mitgliedstaaten untereinander ist gem. Art. 259 II und III AEUV ein (etwas anders gestaltetes) Vorverfahren erforderlich.

e) Streitgegenstand

Grundsätzlich der Verstoß eines Mitgliedstaats gegen die Verträge, also EUV und AEUV (vgl. Art. 1 II AEUV), Art. 258 I bzw. 259 I AEUV. Der konkrete Streitgegenstand der Klage vor dem EuGH gem. Art. 258 I AEUV richtet sich nach der begründeten Stellungnahme. Die begründete Stellungnahme wiederum darf nicht über das erste Mahnschreiben hinausreichen.

f) Rechtsschutzinteresse

Die Kommission bzw. der gem. Art. 259 I AEUV klagende Mitgliedstaat muss grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse nachweisen. Jedoch ist es erforderlich, dass sie von dem Vertragsverstoß überzeugt ist.

2. Begründetheit

Die Klage ist gem. Art. 258 I bzw. 259 I AEUV begründet, wenn die von der Kommission bzw. dem klagenden Mitgliedstaat behaupteten Tatsachen zutreffen und sich aus diesen Tatsachen ein Verstoß gegen (u.a. primäres oder sekundäres) Unionsrecht ergibt, der dem beklagten Mitgliedstaat zuzurechnen ist. Es ergeht ein Feststellungsurteil.

IV. Nichtigkeitsklage[4], Art. 263 AEUV (Fälle 10, 17, 18, 21)

Hier ist in der Zulässigkeit zu differenzieren zwischen privilegiert Klageberechtigten und sonstigen Klageberechtigten.

1. Zulässigkeit

a) Zuständigkeit

Für Nichtigkeitsklagen privilegiert Klageberechtigter ist gem. Art 256 I AEUV grundsätzlich der EuGH zuständig, sofern keine Ausnahme gemäß Art. 51 EuGH-Satzung vorliegt. Für Nichtigkeitsklagen natürlicher und juristischer Personen (nicht privilegiert Klageberechtigte) ist im ersten Rechtszug gem. Art. 256 I, 263 IV AEUV i.V.m. Art. 51 EuGH-Satzung das EuG zuständig.

b) Beteiligtenfähigkeit

Aktiv beteiligtenfähig sind die Mitgliedstaaten, die in Art. 263 II und III AEUV genannten Organe und Einrichtungen sowie natürliche und juristische Personen gem. Art. 263 IV AEUV.

Passiv beteiligtenfähig sind die in Art. 263 I AEUV genannten Organe, Einrichtungen und Stellen.

c) Zulässiger Klagegegenstand

Zulässiger Klagegegenstand können die in Art. 263 I AEUV genannten Handlungen der Organe, Einrichtungen und Stellen (insbes. Gesetzgebungsakte sowie Handlungen des Rates, der Kommission und der EZB mit Ausnahme von Empfehlungen oder Stellungnahmen) sein.

d) Klageberechtigung, Klagegrund

Privilegiert Klageberechtigte gem. Art. 263 II AEUV müssen keine besondere Klageberechtigung nachweisen und brauchen insbesondere durch den angefochtenen Akt nicht betroffen zu sein. Art. 263 III AEUV regelt die teilprivilegiert Klageberechtigten, die die Wahrung ihrer Rechte anstreben müssen.

Natürliche und juristische Personen sind nicht privilegiert klageberechtigt und können gem. Art. 263 IV AEUV nur gegen an sie gerichtete Handlungen oder sie unmittelbar und individuell betreffende Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, vorgehen. Die Klagegründe (Nichtigkeitsgründe) ergeben sich aus Art. 263 II AEUV: Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm, Ermessensmissbrauch.

e) Klagefrist

Die Nichtigkeitsklage muss gem. Art. 263 VI AEUV binnen zwei Monaten erhoben werden.

2. Begründetheit

Die Nichtigkeitsklage ist begründet, wenn mindestens einer der in Art. 263 II AEUV genannten Nichtigkeitsgründe zutrifft.

V. Untätigkeitsklage[5], Art. 265 AEUV

Hier ist wie bei der Nichtigkeitsklage in der Zulässigkeit zwischen privilegiert Klageberechtigten und sonstigen Klageberechtigten zu differenzieren.

1. Zulässigkeit

a) Zuständigkeit

Für Untätigkeitsklagen privilegiert Klageberechtigter gem. Art. 265 I AEUV ist grundsätzlich der EuGH zuständig, sofern keine Ausnahme gem Art. 256 I AEUV i.V.m. Art. 51 EuGH-Satzung vorliegt.

Für Untätigkeitsklagen natürlicher und juristischer Personen (nicht privilegiert Klageberechtigte) gem. Art. 265 III AEUV ist im ersten Rechtszug gem. Art. 256 I AEUV i.V.m. Art. 51 EuGH-Satzung das EuG zuständig.

b) Beteiligtenfähigkeit

Aktiv beteiligtenfähig sind gem. Art. 265 I 2. Hs. AEUV die Mitgliedstaaten und Organe der Union sowie natürliche und juristische Personen gem. Art. 265 III AEUV. Passiv beteiligtenfähig sind die in Art. 265 I 1. Hs. AEUV genannten Organe, Einrichtungen und Stellen.

c) Zulässiger Klagegegenstand

Zulässiger Klagegegenstand kann gem. Art. 265 I AEUV bei privilegiert Klageberechtigten die Unterlassung eines Beschlusses durch ein dort genanntes Organ etc. sein.

Natürliche und juristische Personen müssen gem. Art. 265 III AEUV rügen, dass ein Organ oder eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union es unterlassen habe, einen anderen Akt als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme an sie zu richten.

d) Klageberechtigung

Privilegiert Klageberechtigte i.S.d. Art. 265 I AEUV müssen keine besondere Klageberechtigung nachweisen.

Natürliche und juristische Personen sind nicht privilegiert klageberechtigt und können gem. Art. 265 III AEUV nur gegen die Unterlassung eines Aktes vorgehen, der an sie zu richten wäre.

e) Vorverfahren

Vor Erhebung der Untätigkeitsklage ist ein Vorverfahren durchzuführen. Art. 265 II AEUV fordert, dass zunächst ein Aufforderungsschreiben ergangen ist, auf das binnen zwei Monaten nicht geantwortet wurde.

f) Klagefrist

Die Untätigkeitsklage muss gem. Art. 265 II AEUV binnen zwei Monaten nach Ablauf der Antwortfrist erhoben werden.

2. Begründetheit

Die Untätigkeitsklage ist begründet, wenn das beklagte Organ bzw. die Stelle oder Einrichtung aufgrund von Unionsrecht verpflichtet gewesen wäre, den erstrebten Akt zu erlassen. Es ergeht ein Feststellungsurteil.

VI. Schadensersatzklage[6] (Amtshaftungsklage), Art. 268 AEUV

1. Zulässigkeit

a) Zuständigkeit

Für Schadensersatzklagen ist im ersten Rechtszug gem. Art. 256 I AEUV das EuG zuständig, da in der Satzung keine Übertragung auf den EuGH erfolgt ist (vgl. Art. 51 EuGH-Satzung).

b) Beteiligtenfähigkeit

Die Art. 268, 340 II AEUV enthalten dazu keine ausdrückliche Regelung. Aktiv beteiligtenfähig sind nach der Rspr. die Mitgliedstaaten sowie natürliche und juristische Personen. Passiv beteiligtenfähig ist die EU (bei Ansprüchen nach Art. 340 II AEUV) bzw. die EZB (bei Ansprüchen nach Art. 340 III AEUV).

c) Klagegegenstand

Klagegegenstand ist ein rechtswidriges Handeln oder Unterlassen eines Unionsorgans, das einen Schaden verursacht hat.

d) Rechtsschutzbedürfnis

Das Rechtsschutzbedürfnis setzt voraus, dass keine anderen Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.

e) Verjährung

Die Verjährungsfrist von fünf Jahren (Art. 46 EuGH-Satzung) wird vom EuGH als Zulässigkeitsvoraussetzung qualifiziert.

2. Begründetheit

Die Klage ist begründet, wenn der in Art. 340 II bzw. III AEUV geregelte materiellrechtliche Schadensersatzanspruch besteht.

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