Читать книгу Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek - Страница 27
22. Dein Antlitz mein
ОглавлениеEin Wabern glitt über die Spiegelfläche, stabilisierte sich und formte eine Silhouette. »Die Ereignisse kommen in Bewegung«, sagte die Schattenfrau.
»Was soll ich tun?«, fragte der Wechselbalg.
Das Geschöpf stand in einem dunklen Raum, der einem Verließ ähnelte. Grob gehauene Steine zierten die Wände, Feuchtigkeit lag über allem. Hinter ihm, an der Mauer, lag ein Mensch. Mit schmiedeeisernen Ketten, magisch verstärkt, war er seiner Freiheit beraubt worden. Schnittwunden bedeckten seinen Körper. Die Kleidung bestand nur noch aus blutigen, dreckigen Fetzen. Ein Wunder, dass der Mensch überhaupt noch lebte. »Beobachte weiter.«
Der Wechselbalg erschauderte. »Die Räte haben einen Verdacht. Noch geht er in die falsche Richtung, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis sie die Suche ausweiten.«
»Und?« Sie lächelte. »Dein Antlitz ist das eines Lichtkämpfers. Du wirst respektiert, ja, geschätzt. Niemand vermutet in dir das, was du in Wahrheit bist.«
Der Wechselbalg nickte. Hinter ihm erklang ein Stöhnen. Er wandte sich um, trat neben den liegenden Menschen und schlug ihm die Faust gegen die Schläfen.
»Ich sehe, du hast deinen Spaß«, sagte die Schattenfrau.
»Oh ja.« Die Augen des Wechselbalgs leuchteten. »Ich bin mitten unter ihnen, doch sie merken es nicht. Die Offenbarung wird ihre Seele erschüttern. Der Tod des Originals umso mehr. Ich belege mich immer einige Stunden am Tag mit einem Vergessenszauber. Dann halte ich mich selbst für den Menschen, dessen Platz ich eingenommen habe. Sollte ihr Verdacht jemals auf mich fallen, kann nicht einmal ein Wahrheitszauber meine tatsächlichen Absichten enthüllen. Denn in diesem Moment glaube ich selbst, das Original zu sein und denke wie der Mensch.«
»Eine ausgezeichnete Idee. Da sie von mir stammt, ist das selbstverständlich. Achte darauf, dass er erst stirbt, sobald wir den Plan ausgeführt haben. Andernfalls würde das Aurafeuer dich verraten.«
»Ich benötige ihn sowieso noch. Aber nicht mehr lange.« Der Wechselbalg kicherte. »Wann darf ich zuschlagen?«
Die Schattenfrau lächelte. Erinnerungen stiegen in ihrem Geist empor. Dreimal wird der Schlüssel gedreht. Chaos, Feuer, Tod. »Bald. Du wirst ihnen das Feuer bringen.«
Wenn sie nur an ihre selbstgefälligen Visagen dachte, kroch Wut in ihr nach oben. Johanna, Leonardo, Einstein, Jennifer, Max, Kevin, Alexander, Christian … die gesamte Bagage. Die einzige Freude war die Tatsache, dass einer von ihnen mehr tot als lebendig in Sichtweite am Boden lag. Seit Wochen schon. Und keiner der Lichtkämpfer ahnte, dass eine Person aus ihrer Mitte litt, während das Böse mit falschem Gesicht unter ihnen weilte.
»Behalte Jennifer Danvers im Auge«, sagte sie. »In dem Folianten steckt die Information, die ich noch brauche.«
»Um was zu tun?«, fragte der Wechselbalg.
Da er seinen Einsatz nicht überleben würde, gab es keinen Grund, die Frage nicht zu beantworten.
»Ist das nicht offensichtlich? Ich werde den Wall zerstören.« Sie beendete die Verbindung ohne ein weiteres Wort. In die Stille hinein sprach sie weiter: »Danach nehme ich meine Rache.« Die Schattensphäre, die ihren Leib umhüllte, wallte auf. Sie ballte die Fäuste so fest, dass ihre Handknöchel weiß hervortraten. »Ganz am Ende werde ich euch alle zu Asche verbrennen.«
Wut wandelte sich in ihrem Innersten zu einem leichten Vorgeschmack des Triumphes.
Sie lachte. Ein Lachen, das vielfach widerhallte.
Und von Chaos kündete.
Ende des 1. Teils