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Im Besprechungsraum war es warm, die Luft stickig, und es roch wie ein ungelüftetes Schlafzimmer nach durchzechter Nacht. Schweiß, zuviel Alkohol und Sex.

Petra steckte sich eine Zigarette an, rutschte in Buschwinklers Chefsessel und begann das Verhör mit Christine Wedelmann. Eine zweiunddreißigjährige, sportlich schlanke Erscheinung, eingewickelt in einen eleganten erdbraunen Hosenanzug. Verunsichert erklärte sie, sie sei ebenso wie Petras Verlobter Klaus Hirtlitschka führend für die Kreditabteilung eingeplant. Christine bezeichnete sich als beste Freundin der toten Karin Bertram. Regelmäßig, dreimal in der Woche, trafen sie sich morgens am linken Isarufer bei Sendling. Ab dort joggten sie nach Grünwald und weiter Richtung Großhessloher Brücke.

Es war auch Petras Lieblingsrunde, als sie noch zu Hause wohnte. Meist lief sie dicht am Ufer entlang, wo wilde Vegetation und naturgetreue Biotope die Lunge mit frischer Luft füllten und die Seele entspannten. Es wird Zeit, dachte sie, spürte dem drückenden Hosenbund nach und bemühte sich Christines Faden zu folgen.

Gestern, schniefte diese, plagte sie ein arger Migräneanfall. Sie schluchzte auf und rutschte in den ledernen Besucherstuhl, den ihr Kramer anbot. »Wann ist die Beerdigung?«, fragte sie. »Karin hat, wie ich weiß, keine Verwandten. Wer kümmert sich …« Sie schnäuzte ins Taschentuch.

Petra räusperte sich, hob Unterlagenberge und Terminkalender an, schob alles zur Seite. »Wir geben Ihnen Nachricht.« Ein Stapel dunkelgrüner Papierakten an der rechten Schreibtischecke fiel auf den Boden, rutschte wie ein Kartenspiel auseinander. »Sakra«, fluchte sie. »Gibt‘s hier keinen …?« Ohne den Satz zu beenden, drängte Werner Schaber in Mittelklasse Bluejeans, ockerfarbenem Jackett und blaugrün gemustertem Seidenschal, leger um den Hals gelegt, in Buschwinklers Büro.

»Ich habe Ihren Kollegen doch schon erzählt, dass ich Karin nicht persönlich kenne«, sprudelte es unaufgefordert aus ihm heraus.

»Dafür fanden wir Einblicke in Ihr Leben. Sie sind Kassierer, stimmt’s?«, sagte Petra. Ohne Antwort abzuwarten, drehte sie im Sessel einen Halbkreis und schnippte die Asche hinterrücks in die Erde eines roten Weihnachtssternes. »Wie lange arbeiten Sie als …« Sie bückte sich nach den Akten und stöhnte. »Muss man, wie ich weiß, nicht wie ein Bankangestellter drei Jahre lernen.« Oberflächlich schob sie die Akten zusammen und warf den Stapel auf die Fensterbank neben die mit silbernen Glitzerpunkten übersäte Pflanze.

»Es hat was, wenn der Verlobte Bankangestellter ist, oder Frau Kommissarin?«, konterte der schnippisch und setzte grollend »Elf Jahre« nach, als Petra die Augen zu Schlitzen zusammenzog.

Mitmenschen mit Blicken zum Gehorchen aufzufordern, enthielt eine Macht, die sie von ihrem Vater geerbt hatte. Eine Manier, die sie als tyrannisch ansah und der sie sich selten bediente, im Fall des Kassierers jedoch belustigend fand.

»Und tagein tagaus sitzen Sie in Ihrem Glaskasten und zählen brav das Geld der Steuerzahler«, warf sie zurück.

Schaber nickte kommentarlos, lehnte den Rücken an den Türrahmen und verschränkte die Arme über dem Jackett.

»Macht Ihnen die Arbeit Spaß, Herr Schaber?«

»Begutachten Sie gern Leichen?«

Petra überging die Spitzfindigkeit. »Und wie sieht’s bei Ihnen mit Karriere aus?«

»Nicht jeder will in der obersten Liga spielen.« Schaber warf Petra einen verächtlichen Blick zu.

»Kann oder will nicht?«

»Ich bin zufrieden.« Schabers Kiefer mahlten und Zornesfalten über dem breiten Nasenrücken pflügten tiefe Furchen.

»Hören wir auf mit dem Geplänkel, Schaber. Wo waren Sie vorgestern am 20. Dezember, in der Zeit von 8 Uhr und 9 Uhr?«

»Sie meinen, als meine Kollegin Karin Bertram ermordet wurde. Tja, wo war ich denn da?« Er grinste.

Schaber war ein widerlicher Kerl, der sie anstarrte wie ein Lurch vom Tümpelrand, kaum dass Petra ihr Konto um ein paar Euro überzog. Sie kochte, und wenn er nicht gleich den Mund aufmachte, würde sie explodieren.

»Ich habe meine Tochter in den Kindergarten gebracht«, erwiderte er emotionslos.

Glück gehabt.

»Sie können gehen.« Petra warf eine wedelnde Handbewegung durch den Raum.

Schaber markierte mit großer Klappe herkulisch sein Revier. Dennoch trug er zu viel heimische Verantwortung, um acht Morde zu begehen. Mit Nina führte er eine Bilderbuchehe, hatte drei kleine Kinder, eins schwerstbehindert. Er lebte in einer Reihenhaussiedlung außerhalb der Stadt, zwackte sich vom Gehalt den jährlichen Familienurlaub ab. Ferien auf dem Bauernhof, mal Tunesien oder die Türkei. Seine Frau arbeitete halbtags als Bürokraft in einem Fuhrunternehmen. Ein gezeichnetes Würstchen, das Hochachtung verdiente.

Als Hoki schied er aus. Sie hatte recherchiert.

Als Petra sich Simon Felder zuwandte, einem dreiunddreißigjährigen blonden Sonnyboy mit tiefblauen Augen im schwarzen Zweireiher, weißem Hemd und Krawatte, auf dem sattgrüne Frösche sich dem Fortpflanzungstrieb hingaben, stürmte Buschwinkler ins Büro.

»Jesusmariaundjosef«, stöhnte er. Mit den Händen hielt er sich den fast kahlen Schädel, als sein Blick auf die neue Anordnung seiner Unterlagen auf der Fensterbank fiel. Mit gellender Stimme, die er mühsam versuchte im Zaum zu halten, bat er um Verlegung der Befragung nach den Feiertagen.

Ungern löste sich Petra aus der Zweisamkeit der Frösche und schälte sich aus dem Sessel. Sie drehte den Rücken in den Raum und versenkte mit »’Tschuldigung«, wobei sie die Pflanze, weniger Buschwinkler meinte, die Kippe ins Erdreich des Weihnachtssterns.

Buschwinkler strafte sie mit funkelndem Blick.

Bevor dieser den Mund aufmachte, kam Petra ihm zuvor und bestand darauf Klaus Hirtlitschka aufzusuchen. Das wäre ihm gleich, antwortete der mit eisiger Stimme, und wies mit fuchtelnden Armen den Weg durch die Schalteranlage, schräg gegenüber zur Buchenholztür neben dem Treppenaufgang.

Sein ›Jesusmariaundjosef‹ verfolgte Petra in den Schalterraum.

Der Horoskop-Killer

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