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Der Bofel von Stain und Krembs
ОглавлениеIm Jahre 1338 wurden die Juden in der niederösterreichischen Ortschaft Pulkau beschuldigt, eine Hostie geschändet zu haben: Die Hostie, die angeblich vor dem Haus eines Juden gefunden wurde, soll »pflichtgemäß« geblutet und Wunder gewirkt haben. Daraufhin wurde die jüdische Bevölkerung Pulkaus ermordet, was in den nächsten Jahren eine regelrechte Welle von Judenverfolgungen auslöste, der nicht nur in Niederösterreich, sondern auch im angrenzenden Böhmen und Mähren zahlreiche Juden zum Opfer fielen. Neben Pulkau erwähnen die Quellen jüdische Opfer in Eggenburg, Retz, Horn, Zwettl, Raabs, Feldsberg, Falkenstein, Hadersdorf am Kamp, Gars, Rastenfeld, Mistelbach, Weiten, Emmersdorf, Tulln, Klosterneuburg, Langenlois, St. Pölten, Laa und Drosendorf; in Mähren werden Znaim, Erdberg, Jamnitz, Fratting, Trebitsch und Mährisch Budweis genannt, in Böhmen Neuhaus. Zahlreiche kleine jüdische Gemeinwesen verschwanden damals, in der Folge konzentrierten sich jüdische Ansiedlungen auf große Gemeinden, wo man sich sicherer fühlte.
Das 14. Jahrhundert war reich an großen Katastrophen wie Klimaverschlechterung, Erdbeben, Bergrutschen, Missernten, Feuersbrünsten, Überschwemmungen, Heuschreckenschwärmen, Hungersnöten und Mutterkornvergiftungen. Die schlimmste Geißel aber war die Lungenpest. In ganz Europa suchte man nach Schuldigen und glaubte, sie in den Juden und den Aussätzigen gefunden zu haben, die man grausam umbrachte. 1349 erreichte die Pest auch Wien. Es war nicht die erste Pestepidemie, die Stadt und Land heimsuchte, es hatte schon 888, 1096, 1133, 1197 und 1271 zahlreiche Opfer der Krankheit gegeben. Doch 1349 wütete die Pest besonders schlimm und die Aggression gegen die vermeintlichen Verursacher kannte keine Grenzen. Am 29. September kam es in Krems, Stein und Mautern zu einem Pogrom, das in ein Blutbad ausartete und das Kremser Ghetto in Flammen aufgehen ließ. »der bofel von Stain und Krembs«, heißt es in einer zeitgenössischen Chronik, »griffen dye juden an gewältichleich, und sluegen dye Juden alle ze tod, und prachen ihre hewser auf, und trugen aus alles das, das sy funden, also, daß sy ausprachen eisnem tür und gater und stangenn aus den Venstern.« Die meisten Bewohner verbrannten bei lebendigem Leib: »Da zundten die Juden sich selbst an und verbrunnen, und ihre Häuser verbrunnen, dass (wobei doch) nur ein Christenhaus verbrannt. Aber die besten (reichsten, vornehmsten) Juden kamen auf die Burg (zu Krems) und genasen leider«, das heißt, sie kamen mit dem Leben davon. Herzog Albrecht II. bestrafte diese Gräuel streng. Er sandte seinen Hofmeister mit Anweisungen zum Herrn von Maissau, dem Hauptmann und Pfleger der landesfürstlichen Burg zu Krems, worauf dieser die umliegenden Dörfer Rohrendorf, Weinzierl, Straßing und Loiben besetzte. Deren Bewohner und auch etliche Bürger von Krems ließ er in die Turmverliese von Rechberg und Stein werfen, »darin mancher todt lag (starb)«, wobei sich viele loskauften. Drei der Anführer ließ er an die zwischen Krems und Stein errichteten zwei Galgen hängen, »den Juden zur Besserung (Genugtuung)«. Die beiden Städte mussten dem Herzog viertausend Pfund Strafe zahlen.
Die Vertreibung der Juden aus Wien unter Kaiser Leopold I. um 1670
Durch diese Demonstration der Stärke hielt der Herzog zumindest die Wiener von ähnlichen Ausschreitungen ab. Diese nützten aber gleich die günstige Gelegenheit und verlangten als Gegenleistung für den Schutz der Wiener Juden eine Zinssenkung, die Herzog Albrecht II. und sein Bruder Otto widerwillig gewährten, da sie selbst ja durch »Abschöpfung« die Nutznießer der hohen Zinsen waren.