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ZUR EINSTIMMUNG: DER FALL REISNER
ОглавлениеWer im Café Central gemütlich seine Zeitung liest, hat meist keine Ahnung davon, dass am 23. November 1500 an dieser Stelle ein schweres Verbrechen geschah. Damals wohnte hier der wohlhabende Bäckermeister Leonhart Reisner zusammen mit seiner Frau, seiner kleinen Tochter, einer Magd und einem Knecht. Er hatte vor einiger Zeit einen Gesellen aus Regensburg aufgenommen, einen kräftigen jungen Mann namens Bartholomäus. Der stellte sich recht geschickt an und gewann bald das Vertrauen der ganzen Familie. Das siebenjährige Töchterlein mochte ihn besonders gern, wenn er die lustigsten Lieder pfiff, damit es seine Puppen tanzen lassen konnte. Was in des Burschen Kopf vorging, bemerkte keiner. Schwarze Gedanken waren es, hatte er doch bemerkt, dass sein Brotgeber immer wieder Münzen in ein Versteck hinter dem Ofen in der Stube tat. »Hätte ich dieses Geld, ich würde mir ein schönes Leben machen«, seufzte Bartholomäus und dachte an nichts anderes mehr, sooft er sich schwitzend an seine Arbeit machte. Der Nürnberger Meistersinger Kuntz Haß hat überliefert, was weiter geschah:
Eines Nachts nahm Bartholomäus ein Beil und schlug damit lautlos dem Knecht, mit dem er das Lager in der Dachkammer teilte, den Schädel ein. Dann stieg er leise die Leiter hinab und schlich in die Schlafkammer der Bäckersleute. Meister Reisner hatte einen leichten Schlaf, er hörte ihn kommen und kroch schlaftrunken aus dem Bett – ein Hieb, und er brach tot zusammen. Die Bäckersfrau ereilte das gleiche Schicksal im Schlaf. Auch die Magd war erwacht, sie eilte herbei, womit ihr Ende besiegelt war. Nun ging Bartholomäus in die Stube und öffnete das Versteck. Ja, da war die Kasse mit den schönen Silberstücken, die nun sein waren! Doch in der Tür stand die Kleine, sah den blutbespritzten Täter ganz erschrocken an und begann zu weinen. »Barthel, tu mir nichts! Ich gebe dir den Schlüssel! Lass mich leben! Ich will dir auch alle meine Puppen geben!« Er aber dachte nur eines: »Sie wird mich verraten, auch sie muss sterben!« Nach dieser letzten Gewalttat reinigte er sich sorgfältig von all dem Blut, zog die guten Kleider seines Meisters an und nahm alles, was von Wert war, an sich. Dann ging er in die Bäckerherberge und ließ es sich gut gehen. Als die Untat entdeckt wurde, saß er noch beim Wein und beklagte dann laut den Tod der Bäckerfamilie. Sogar am Begräbnis seiner Opfer nahm er teil. Anschließend verließ er mit seiner Beute die Stadt, um sich nach Regensburg und in ein, wie er meinte, schöneres Leben zu begeben.
Ganz Wien war entsetzt über die schreckliche Bluttat. Aber wieso war Bartholomäus nicht unter den Opfern gewesen? Und nun war er verschwunden? Ganz bestimmt konnte nur er der Mörder sein. Kaiser Maximilian I. wandte sich persönlich an den Rat von Regensburg, mit einer Beschreibung des Verdächtigen und der Bitte um dessen Auslieferung. Bartholomäus wurde in Ketten geschmiedet auf einem Schiff nach Wien zurückgebracht. Zunächst war er verstockt, gestand dann aber alles auf der Folter. Er wurde vom Stadtrichter Laurenz Hutendorfer zu einem schrecklichen Ende verurteilt. Zuerst wurden ihm die ärgsten Qualen zugefügt: »Man sollt ihm seine zehen Finger ein nach dem andern abhacken und mit haysen Zangen zwacken.« Er soll dabei fürchterlich geschrien haben. Dann schaffte man ihn zum Richtplatz: »Er war gebunden an ein Pferdt und war geschafft an all’ die stat der fuenf Markt, die man zuo Wien hat. Und danach schleifft man fuer das thor.« Ganz Wien war dorthin gelaufen, um zu sehen, was nun kam: »Der Henker ein grossen pfal her nam, damit er in dann yetz spissen.« Doch hatte der Scharfrichter eine derartige Exekution noch nie durchgeführt, so dass der erste Versuch misslang: »Die spiz setzt er im in Wayd darmen und rucket als ein starcker Knecht. Der arm der schreiyt es geht nicht recht. Zeuch aus und stoss in anders ein.« Diesmal machte er es richtig, und die Henkersknechte drückten den Delinquenten so lange nieder, bis ihm der Pfahl beim Hals herausragte. Nun bereute Bartholomäus seine Untat und ertrug seine Schmerzen willig als Sühne für den Mord an dem Kind. Sein Tod trat erst nach fünf Stunden ein.
Diese grausame Form der Todesstrafe sollte später in Österreich nie mehr praktiziert werden. Der Fall Reisner spielte sich am Ende einer Epoche ab, in der das Strafrecht große Veränderungen erfahren hatte.