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1. Täterkreis

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§ 299 Abs. 1 StGB ist ein echtes Sonderdelikt:[46] Der Täterkreis ist in der Wettbewerbs- und auch der Geschäftsherren-/Pflichtwidrigkeitsvariante auf Angestellte und Beauftragte eines Unternehmens beschränkt.[47] Außenstehende können sich nur der Anstiftung oder Beihilfe schuldig machen; bei der Strafzumessung ist in diesem Fall die strafrahmenändernde Vorschrift des § 28 Abs. 1 StGB zu beachten.[48] Auch Selbständige und Geschäftsinhaber (die nicht zugleich Beauftragte eines weiteren Unternehmens sind) [49]können in eigener Person den Tatbestand selbst nicht verwirklichen.[50]

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Der Begriff des „Unternehmens“ ersetzt den zuvor verwendeten Begriff des „geschäftlichen Betriebs“, ohne dass der Gesetzgeber damit inhaltlich etwas korrigieren wollte.[51] Bezweckt war allein eine Anpassung an die redaktionellen Änderungen des UWG v. 3.7.2014 (BGBl. I, 1414) und offenbar auch eine Modernisierung des gesetzlichen Sprachgebrauchs. Damit kann weiter auf die bisherigen Ausführungen zum „geschäftlichen Betrieb“ zurückgegriffen werden kann. Darunter wurde jede auf eine gewisse Dauer angelegte Tätigkeit im Wirtschaftsleben durch Austausch von Leistungen verstanden.[52] Der geschäftliche Betrieb bzw. heute das Unternehmen muss darauf ausgerichtet sein, dauerhaft am Wirtschaftsleben teilzunehmen.[53] Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich; allein dieses weite Verständnis entspricht Art. 2 Abs. 2 Rb 2003/568/JI. Damit kommen auch Einrichtungen mit gemeinnütziger, kultureller und sozialer Zielsetzung in Betracht, wenn sie wirtschaftlich tätig sind;[54] freiberufliche Tätigkeiten (von Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten, Steuer-, Wirtschafts- oder Unternehmensberatern etc.) sind jetzt ebenfalls zweifelsfrei einzubeziehen.[55] Auch Behörden können als geschäftliche Betriebe (heute: Unternehmen[56]) anzusehen sein, wenn sie (erwerbswirtschaftlich-)fiskalisch handeln[57] oder wenn sie ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung allgemeine öffentliche Aufgaben insb. im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Energie-, Wasser- und Abfallentsorgung) erfüllen.[58] Entscheidend ist stets das Vorliegen einer Wettbewerbssituation, d.h., dass die öffentliche Hand und ihre privaten Konkurrenten auf demselben Markt tätig werden und die Nachfrager auf diesem frei wählen können.[59] Rein private Tätigkeit, die sich außerhalb von Erwerbs- und Berufsausübung vollzieht, wird hingegen nicht erfasst;[60] auch Geschäftsbetriebe mit ausschließlich illegaler Tätigkeit (etwa Rauschgifthandel oder Schmuggel) sind keine geschäftlichen Betriebe i.S.d. § 299 StGB,[61] da nur rechtlich zulässiger Wettbewerb schützenswert ist.[62] Der Schutzbereich ist dagegen eröffnet bei einzelnen gesetzeswidrigen Betätigungen (etwa Geldwäsche-Geschäften) innerhalb eines ansonsten legalen Betriebs.[63]

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Angestellter ist, wer in einem Dienst-, Werkvertrags- oder Auftragsverhältnis zum Geschäftsinhaber steht und dessen Weisungen unterworfen ist.[64] Dabei kommt es weder auf die arbeitsrechtliche Einordnung[65] noch auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Verhältnisses an; maßgeblich ist das tatsächliche Tätigwerden.[66] Die Beschäftigung muss weder dauerhaft noch entgeltlich erfolgen;[67] entscheidend für die Verwirklichung des § 299 Abs. 1 StGB in seinen beiden Tatbestandsvarianten ist, dass die Möglichkeit besteht, auf betriebliche Entscheidungen über den Bezug von Waren oder Dienstleistungen Einfluss zu nehmen.[68] Das Angestellten- wie auch das Auftragsverhältnis muss aus Gründen der Koinzidenz im Zeitpunkt der Unrechtsvereinbarung schon oder noch bestanden haben.[69] Der (Fremd-)Geschäftsführer einer GmbH wird ganz überwiegend als Angestellter qualifiziert.[70] Dagegen soll der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH – trotz „förmlichen“ Angestelltenverhältnisses – als Täter des § 299 Abs. 1 StGB ausscheiden; er ist – ebenso wie der geschäftsführende Alleingesellschafter einer Ein-Personen-AG[71] – faktisch Geschäftsinhaber.[72] Zwar ist er auch als Alleingesellschafter-Geschäftsführer nach den Regeln des GmbHG formal an die Weisungen der Rechtsperson „GmbH“ gebunden;[73] tatsächlich ist er allerdings – als wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH – nicht von fremden Entscheidungen abhängig. Geschäftsführende Vorstandsmitglieder einer AG werden verbreitet nicht als Unternehmensinhaber, sondern als Angestellte behandelt;[74] überzeugender ist es, sie als Beauftragte einzustufen, da sie weisungsunabhängig agieren (vgl. §§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG).[75]

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Verschiedentlich stellt sich die Frage, ob der Mitarbeiter eines geschäftlichen Betriebes nun als Angestellter oder als Amtsträger zu qualifizieren und dementsprechend sein korruptives Vorgehen nach § 299 StGB, den §§ 331 ff. StGB oder gar nach beiden Varianten zu bestrafen ist.[76] Maßgeblich für die Abgrenzung ist der Begriff des Amtsträgers, wie ihn § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert; einschlägig ist hier zumeist Nr. 2 c). Amtsträger ist danach, wer „dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen“. Der BGH hat zur Bestimmung der Amtsträgereigenschaft i.S. dieser Norm zwei kumulativ zu erfüllende Kriterien entwickelt: Zum einen muss die beauftragende Stelle eine Behörde sein oder als sonstige, nicht öffentlich-rechtlich organisierte[77] Stelle rechtlich und tatsächlich derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung gleichsam als „verlängerter Arm des Staates“ erscheint; zum anderen muss die ausgeübte Tätigkeit in der Erfüllung von Aufgaben der öffentliche Verwaltung liegen.[78] Damit verfolgt der BGH in gefestigter Rechtsprechung bei der Bestimmung des Amtsträgerbegriffs eine funktionale Betrachtungsweise.[79] Im Rahmen erwerbswirtschaftlichen (fiskalischen) Handelns können Beamte danach „Angestellte“ i.S.d. § 299 StGB, aber auch Amtsträger sein.[80]

Nur als Angestellten – und nicht als Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB und damit tauglichen Täter der Bestechlichkeit i.S.v. § 332 StGB[81] – hat die Rechtsprechung den Geschäftsführer einer GmbH angesehen, deren einziger Gesellschafter eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Selbst wenn die wahrzunehmenden Aufgaben öffentlicher Natur seien, fehle es bei einem solchen in den Formen des Privatrechts betriebenen Unternehmen (sog. Unternehmen der Organisationsprivatisierung bzw. formellen Privatisierung)[82] zumindest an einer „organisatorischen Einbindung des Angeklagten in den staatlichen Bereich“.[83] Ausschließlich nach § 299 Abs. 1 StGB zu beurteilen ist nach BGH auch das Verhalten eines Hauptabteilungsleiters der Deutschen Bahn AG (im Rahmen der sog. Aufgabenprivatisierung bzw. materiellen Privatisierung), der gegen Geldzahlungen eines Konzerns dessen neue Produkte im bahninternen Zulassungsverfahren „förderte“: Trotz seines Beamtenstatus (der ungeachtet der Privatisierung des Bahnvermögens fortbestand) sei der Angeklagte nicht als Amtsträger im strafrechtlichen Sinne anzusehen, wenn er keine Dienste im Sinne des Beamtenrechts ausübe, sondern in seiner Eigenschaft als Angestellter des privatisierten Unternehmens Deutsche Bahn AG tätig werde.[84]

Bejaht wurde die Amtsträgereigenschaft hingegen bei besonderen Unternehmen staatlicher (Organisations-)Privatisierung, die als solche mit anderen privatrechtlich organisierten Unternehmen nicht zu vergleichen waren. So stufte der BGH die Angestellten einer Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH, die eine 100 %-ige Tochter der Treuhandanstalt und von dieser kaum zu unterscheiden war, ebenso als Amtsträger ein[85] wie den Prokuristen der GTZ, die mit der Unterstützung der Bundesregierung bei der Erreichung entwicklungspolitischer Ziele einen rein staatlich-sozialen Gesellschaftszweck verfolgt.[86] 2007 stellte darüber hinaus das OLG Düsseldorf fest, der kaufmännische Vorstand einer AG im Alleinbesitz einer kreisfreien Stadt sei ebenfalls als Amtsträger anzusehen, wenn sich seine Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis auf die für das „Tagesgeschäft“ eines großstädtischen Verkehrsbetriebs notwendigen Rechtshandlungen beschränke und für jede darüber hinausgehende Entscheidung die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen sei; dann könne an der Gleichstellung mit einer Behörde nicht gezweifelt werden.[87] Letztere Entscheidung orientiert sich an der Rechtsprechung des BGH zu gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und stellt letztlich darauf ab, ob sich das Unternehmen als „verlängerter Arm des Staates“ darstellt. Auf Grundlage dieser Argumentation hat der BGH 2010 auch einen Angestellten der DB Netz AG als Amtsträger qualifiziert.[88]

Gerade bei diesen gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen – als typische Form des sog. Private Public Partnership – liegt das eigentliche Problem der Abgrenzung von Amtsträgereigenschaft und Angestelltenstatus bei den Handelnden (und verschärft sich noch einmal bei politischem Einfluss).[89] Anders als in Situationen der vollständigen Organisations- oder Aufgabenprivatisierung gibt es in diesem Bereich nur wenig Orientierung stiftende Rechtsprechung. Als Referenzfall kann jedoch das Urteil des BGH im „Kölner Müllskandal“ dienen.[90] Dazu folgendes Beispiel:

Beispiel

Ein sich im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand befindliches Müllentsorgungsunternehmen ist trotz Tätigkeit im Bereich der Daseinsvorsorge – seit jeher als öffentliche Aufgabe angesehen – nicht „sonstige Stelle“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB, wenn der Gesellschaftsvertrag einer privaten Gesellschafterin eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen einräumt.[91] Aufgrund des Umfangs der Einflussnahme durch den privaten Gesellschafter kann das Unternehmen nicht als „verlängerter Arm des Staates“ angesehen werden. Der Geschäftsführer des Unternehmens, der sich bei der Auftragsvergabe für den Bau einer Restmüllverbrennungsanlage von einem der Bewerber bestechen lässt, macht sich nach § 299 Abs. 1 StGB (a.F.), nicht nach § 332 Abs. 1 StGB strafbar.

In seinem obiter dictum konstatierte der BGH bezüglich des Kriteriums der öffentlichen Aufgabe außerdem, dass aufgrund der zunehmenden Öffnung selbst zentraler Bereiche der Daseinsvorsorge für private Konkurrenten einiges dafür spreche, dass die organisatorisch privatisierten Unternehmen der öffentlichen Hand allein erwerbswirtschaftlich – also vorrangig gewinnorientiert und damit nicht mehr im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgabenerfüllung – tätig seien.[92]

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Beauftragter ist, wer befugtermaßen geschäftlich für den Betrieb tätig wird, ohne (weisungsgebundener) Angestellter oder Betriebsinhaber zu sein;[93] es muss sich also um eine Person handeln, die gerade nicht zu den Betriebsangehörigen zählt. Der Begriff hat Auffangfunktion[94] und ist – ebenso wie der des Angestellten – weit auszulegen.[95] Maßgeblich sind allein die faktischen Verhältnisse; an das Zivilrecht ist die Interpretation nicht gebunden;[96] die Beauftragung kann nach h.M. auch behördlich oder gerichtlich erfolgen.[97] Die Selbständigkeit innerhalb des Unternehmens soll nach h.M. die Beauftragteneigenschaft nicht sperren, [98] im Gegenteil: Der BGH sieht in der fehlenden Einordnung in den geschäftlichen Betrieb des Geschäftsherrn auf Basis der Ausübung einer eigenen geschäftlichen freiberuflichen Tätigkeit geradezu ein typisches Element der Beauftragtenstellung.[99] Auch beim Beauftragten entscheidet über das Einrücken in die tatbestandsmäßige Rolle die Möglichkeit der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf betriebliche Entscheidungen;[100] Hilfskräfte können nicht Täter sein.[101] Beauftragter ist allerdings nur, wer bei seiner Geschäftstätigkeit die „Stellung eines ausschließlich an die Interessen“ des Geschäftsherrn „gebundenen Beauftragten haben sollte, dem es verwehrt gewesen wäre, ein Entgelt von der anderen Vertragspartei anzunehmen.“[102] Diese die Fremdbindung (auch bei Selbständigkeit) betonende Einschränkung vermeidet einen gespaltenen Begriff bei der Wettbewerbs- und der Pflichtverletzungsvariante, da Letztere die Loyalität des Beauftragten gegenüber dem Geschäftsinhaber voraussetzt.[103] Als Beauftragte hat die Rechtsprechung etwa Aufsichtsratsmitglieder[104] und Handelsvertreter[105] angesehen. Beauftragter ist auch der Unternehmensberater, der den beratenen Unternehmen auftragsgemäß Lieferanten vermittelt.[106] Weiterhin kommt z.B. die Tätigkeit eines Architekten, eines freiberuflichen Ingenieurs[107] oder eines Testamentsvollstreckers[108] in Betracht.

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Hinsichtlich des Täterkreises in Personengesellschaften (GbR, OHG, KG etc.) ist der Diskussionsstand unübersichtlich:[109] Als unbestrittener Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 1 StGB jedenfalls dann ausscheidet, wenn alle Gesellschafter einer Personengesellschaft sich auf eine Vorteilsannahme einigen. Es handelt sich in diesem Fall um eine straflose Geschäftsinhaberbestechung,[110] wobei es gleichgültig ist, wem der avisierte Vorteil zugute kommen soll.[111] Was aber gilt bei einschlägigen Tathandlungen von einzelnen Gesellschaftern? Dazu folgendes

Beispiel

Der geschäftsführende Gesellschafter A der A+B+C-OHG fordert von dem Zulieferer Z die Zahlung von 500 € für den Erwerb von Ersatzteilen gerade bei Z. Wie mit Z abgesprochen, vereinnahmt A das Geld für sich, ohne dass seine Mitgesellschafter B und C von dem Vorgang erfahren.

Gesellschafter A hat im Beispielsfall maßgeblichen Einfluss (Einzelvertretungsmacht!) auf betriebliche Entscheidungen der OHG und kommt deshalb als Beauftragter und damit als Täter i.S.v. § 299 StGB in Betracht, wenn keine straflose Geschäftsinhaberbestechung vorliegt. Geschäftsinhaber einer Personengesellschaft ist nach vorzugswürdiger Auffassung die (rechtsfähige) Personengesellschaft selbst; vertretbar erscheint es aber auch, die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit als Geschäftsinhaber anzusehen.[112] Ergebnisrelevant ist die Antwort nicht, denn: Ein einzelner geschäftsführender Gesellschafter kann jedenfalls nicht Geschäftsinhaber sein, da ihn die unmittelbaren finanziellen Folgen der Bezugsentscheidung nicht allein treffen.[113] Der geschäftsführende Gesellschafter einer Personengesellschaft ist deshalb als Beauftragter der Gesellschaft[114] tauglicher Täter i.S.v. § 299 Abs. 1 StGB.[115]

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Daraus folgt weiter, dass die Behauptung nicht zutrifft, der Komplementär einer KG scheide als Täter des § 299 Abs. 1 StGB aus, weil er als Geschäftsinhaber anzusehen sei.[116] In der KG muss vielmehr dasselbe gelten wie in anderen Personengesellschaften: Geschäftsinhaber der KG ist entweder die KG selbst oder die Gesamtheit der Komplementäre und Kommanditisten, jedenfalls aber nicht ein einzelner Komplementär. Dieser ist deshalb als Beauftragter der KG[117] bzw. aller übrigen Gesellschafter zu qualifizieren.[118] Dem steht insb. nicht entgegen, dass der Komplementär gem. § 164 HGB von Weisungen der Kommanditisten unabhängig agieren kann.[119] Weisungsgebundenheit ist lediglich ein Abgrenzungskriterium zwischen Angestellten- und Beauftragtenstellung;[120] Beauftragter kann aber sehr wohl auch sein, wer keinen Weisungen unterworfen ist, solange er nur seinerseits die geschäftlichen Entscheidungen des Geschäftsinhabers zu beeinflussen in der Lage ist. Damit bleibt festzuhalten, dass der Komplementär einer KG als tauglicher Täter i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB in Betracht kommt.[121] Anderes gilt für den Kommanditisten, dem die Möglichkeit zur Beeinflussung betrieblicher Entscheidungen regelmäßig fehlt, so dass er jedenfalls in Standardkonstellationen als tauglicher Täter der Wirtschaftskorruption ausfällt.[122]

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Eine Sonderkonstellation kann sich bei der GmbH & Co. KG[123] ergeben. Hier wird teilweise zu Unrecht vertreten, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nicht als Täter von § 299 Abs. 1 StGB in Betracht komme, wenn es sich bei der Komplementärin um eine Ein-Personen-GmbH handelt.[124] Zwar ist richtig, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Personen-GmbH grundsätzlich nicht zum Täterkreis des Angestelltenbestechungstatbestandes gehört;[125] jedoch kann das nicht ohne weiteres auf die GmbH & Co. KG übertragen werden.[126] Anders als in einer reinen Ein-Personen-GmbH hat der Geschäftsführer einer Ein-Personen-Komplementär-GmbH erheblichen Einfluß auf fremde betriebliche Entscheidungen, nämlich die der KG bzw. ihrer sonstigen Gesellschafter. Er ist deshalb grds. dem Täterkreis des § 299 Abs. 1 StGB zuzurechnen.[127]

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Die mögliche Strafbarkeit von Gesellschaftern einer GmbH ist bisher kaum angesprochen worden; es gelten jedoch die gleichen Erwägungen wie in einer Personengesellschaft:[128] Wird in einer GmbH nur einer von mehreren Gesellschaftern bestochen, fallen sein Interesse und das Unternehmensinteresse – repräsentiert durch die Gesellschaftergesamtheit – auseinander. Hier kommt eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 1 StGB grundsätzlich in Betracht; fraglich ist allerdings, ob ein GmbH-Gesellschafter hinreichenden Einfluss auf die betrieblichen Entscheidungen der Gesellschaft hat, um als Beauftragter qualifiziert werden zu können.[129] Insofern ließe sich aber an das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG) anknüpfen. – Entscheidet die Gesellschafterversammlung offen über die Vorteilsannahme, legen die einzelnen Gesellschafter gerade den Unternehmenswillen fest und können sich somit nicht wegen eines Korruptionsdelikts strafbar machen.[130]

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Werden Vermittlerfirmen für die „Auftragsvermittlung“ eingeschaltet, ist die Tätereigenschaft ihrer Mitarbeiter für die Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB problematisch.[131]

Beispiel

Leitende Angestellte eines Abnehmerunternehmens (etwa aus der Automobilbranche) gründen ein selbständiges Vermittlungsunternehmen, dessen Angestellte von potenziellen Lieferanten (etwa Zulieferfirmen) „Vermittlungsprovision“ fordern, von der sie nach Auftragserteilung einen Teil an die Angestellten des Abnehmerunternehmens weiterleiten.

Schon mangels Täterqualität findet § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf die für das Vermittlungsunternehmen Handelnden keine Anwendung, weil sie weder Angestellte noch (befugtermaßen tätig werdende) Beauftragte des auftragserteilenden Abnehmerunternehmens sind.[132] Wegen täterschaftlicher Bestechung gem. § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB machen sich die Angestellten der Strohfirma ebenfalls nicht strafbar, weil sie nicht für die Lieferanten und damit als Mitbewerber auftreten, sondern auf der Seite des Abnehmerunternehmens tätig werden.[133] In Betracht kommt daher nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit nach den §§ 299 Abs. 1 Nr. 1, 27 StGB,[134] die freilich voraussetzt, dass die Angestellten des Abnehmerunternehmens eine entsprechende Haupttat begehen. Daran ist zu zweifeln, weil die Angestellten die „Provision“ von den Lieferanten nicht selbst fordern, sondern sich dafür ihrer Mittelsleute aus der Strohfirma bedienen, ohne dass die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft vorliegen.[135]

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Die Praxis hat in jüngerer Zeit weiterhin die Frage beschäftigt, ob Media-Agenturen, die als Vermittler zwischen Werbung treibenden Kunden und den Vermarktern der Werbung (Fernsehsendern bzw. deren Vermarktungsgesellschaften) tätig werden, als Beauftrage (der Werbekunden) i.S.v. § 299 Abs. 1 StGB einzustufen sind. Weil die TV-Vermarkter den Agenturen Rabatte (etwa Anzeigeseiten bzw. Sendezeiten [„Freispots“], Cash-Backs, Bonifikationen) gewährt haben und von diesen teilweise nicht an die Werbekunden weitergeleitet wurden, sind die Agenturen in den Verdacht der Korruption geraten.[136] Zwar können auch freiberuflich Selbständige, die wie die Agenturen bestimmenden Einfluss auf die betrieblichen Entscheidungen ihres Arbeitgebers haben, Beauftragte i.d.S. sein (s. Rn. 21). Media-Agenturen werden im Regelfall[137] aber nicht nur als selbständig Beauftragte tätig, sondern agieren in ihrer Rolle der (Werbe-)Intermediäre mit ihren umfangreichen Leistungen (Markt- und Kundenforschung, Planung und Beratung sowie Platzierung von Anzeigen, Funk- und Fernsehspots, Controlling) auf einer – wie auch der Kartellsenat des BGH anerkennt[138] – eigenständigen Wirtschaftsstufe. Sie sind geschäftsbesorgende Eigenhändler, die im eigenen Namen auf eigene Rechnung handeln, am Markt unternehmerische Risiken tragen[139] und Chancen nutzen.[140] Damit treten sie den auftraggebenden Werbekunden als Geschäftsherrn gegenüber, die nach der klaren gesetzgeberischen Entscheidung nicht unter den Tatbestand des § 299 Abs. 1 StGB fallen.[141]

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Längere Zeit war umstritten, ob niedergelassene Vertragsärzte (früher: Kassenärzte)[142] bei Ausübung der ihnen mit der Zulassung als Vertragsarzt (§ 95 SGB V) gem. § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen handeln. Teile der Literatur[143] und der Rechtsprechung bejahten das.[144] Mit Beschluss vom 29.3.2012 hat der Große Senat für Strafsachen dann entschieden, dass sie weder als Amtsträger i.S.d. §§ 331 ff. StGB noch als „Beauftragte“ der Krankenkasse (= geschäftlicher Betrieb) i.S.v. § 299 StGB anzusehen sind.[145] Im Fall hatte ein Arzt von einer Pharmareferentin für die Verordnung von Arzneimitteln ihres Anstellungs(hersteller-)unternehmens Prämienzahlungen erhalten, die als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen wurden. Maßgeblich stellt der Große Senat in seiner Begründung auf den Wortsinn des Begriffs „Beauftragter“ ab. Diesem sei immanent, dass der Auftraggeber den Beauftragten frei auswähle und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit im Sinne eines Über- bzw. Unterordnungsverhältnisses anleite. Von einer freien Auswahl des Vertragsarztes durch die Krankenkasse könne aber nicht die Rede sein, vielmehr habe gem. § 76 SGB V der Patient das Recht, den ihn behandelnden Arzt zu bestimmen. Ferner werde der Vertragsarzt bei der Ausübung seiner Tätigkeit nicht von der Krankenkasse angeleitet, sondern stehe mit ihr in einem gleichgeordneten Kooperationsverhältnis. Gegen die Beauftragtenstellung des Vertragsarztes spreche ferner, dass dieser mit einer Medikamentenverordnung nur beschränkten Einfluss auf den Rechtskreis der Krankenkasse nehmen könne. Seine Entscheidungsmacht sei a priori schon durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses beschränkt, die das Behandlungsspektrum katalogartig festlegen. Selbst wenn der Arzt innerhalb des verbleibenden Spielraums mit einer Medikamentenverordnung bestimmte, dass ein Versicherungsfall vorliegt, entschieden in den meisten Fällen letztlich die Apotheken im Rahmen der sog. aut-idem-Substitution, welches Medikament konkret ausgegeben werde. Die resultierende Vergütungspflicht der Krankenkasse gegenüber der Apotheke sei somit in der Gesamtschau ein bloßer Reflex der ärztlichen Verordnungsentscheidung.[146]

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Es ist noch unklar, ob durch die Entscheidung des Großen Senats die Anforderungen an die Beauftragtenstellung (insbes: Erfordernis eines personalen Bezugselements?) im Allgemeinen weiter konkretisiert werden oder das Gericht eine Aussage nur speziell zur Vertragsarztsituation machen wollte. Jedenfalls hat der Gesetzgeber mittlerweile auf die vom Großen Senat angeordnete Tatbestandslosigkeit korruptiver Zuwendungen an niedergelassene Vertragsärzte reagiert und mit dem am 4.6.2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen (BGBl. I, 1254) zwei neue Tatbestände zur Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) in das StGB eingeführt.

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Zu klären ist weiterhin, welche Auswirkungen die Entscheidung des Großen Senats auf die Dogmatik zur sog. Vertragsarztuntreue hat. Der BGH nahm erstmals im Jahr 2003 an, dass ein Vertragsarzt vermögensbetreuungspflichtig gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse ist und sich z.B. bei der Verordnung nicht benötigter Medikamente gem. § 266 StGB strafbar machen kann.[147] Die Vermögensbetreuungspflicht des Arztes stützte er dabei vor allem auf das in den §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 S. 2 SGB V wurzelnde Wirtschaftlichkeitsgebot sowie auf die sog. Vertreterrechtsprechung des BSG[148] (pars pro toto BGHSt 17, 24). Weil das BSG 2009 aber von der Vertreterrechtsprechung abgerückt ist[149] und der Große Senat es in der Vertragsarztentscheidung zudem ausdrücklich abgelehnt hatte, die Beauftragtenstellung des Vertragsarztes aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot abzuleiten,[150] war verschiedentlich die Frage aufgeworfen worden, ob die Rechtsprechung zur Vertragsarztuntreue überhaupt noch Bestand haben könne.[151] Der 4. Strafsenat des BGH hat gleichwohl in seiner (Leit-)Entscheidung vom 16.8.2016 die vorinstanzliche Verurteilung eines Vertragsarztes wegen Untreue bestätigt. Er bejahte eine Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes gegenüber seiner Krankenkasse, die ihm zumindest gebiete, Heilmittel nicht unter Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) ohne jegliche medizinische Indikation in der Kenntnis zu verordnen, dass die verschriebenen Leistungen nicht erbracht, aber gegenüber der Krankenkasse abgerechnet werden sollen.[152] In seinem Beschluss hob das Gericht dann ganz wesentlich auf die Rechtsmacht des Vertragsarztes ab, durch seine Verordnungsentscheidungen die gesetzlichen Leistungsansprüche der Versicherten verbindlich konkretisieren zu können.[153] Obwohl zwischen Vertragsarzt und Krankenkassen keine unmittelbaren Beziehungen bestehen, gehen diese Befugnisse nach Ansicht des Obergerichts doch weit über eine rein tatsächliche Möglichkeit der Einwirkung auf das Vermögen der Krankenkassen hinaus. Auch begründe das vom Vertragsarzt hierbei zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot nicht lediglich eine unter- oder nachgeordnete Pflicht zur Rücksichtnahme auf fremdes Vermögen. Dem mit dieser Vertrauensstellung ausgestatteten Vertragsarzt obliegt nach BGH vielmehr – jedenfalls in den zu entscheidenden Fällen – eine Vermögensbetreuungspflicht als Hauptpflicht. Dass daneben jeden behandelnden Arzt die Verpflichtung zur Wahrung der Interessen des Patienten treffe, verhindere nicht, ihm weitere Hauptpflichten aufzuerlegen. Schließlich stehe auch das Recht der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Heil- oder Arzneimitteln durch Vertragsärzte im Wege von Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen zu überwachen, der Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht nicht entgegen, da die Krankenkassen über etwaige Einwände nicht eigenverantwortlich entscheiden könnten. Dieser für die Beratungspraxis wichtige BGH-Beschluss hat in der Literatur zu Recht viel Kritik erfahren.[154] Er bricht – um nur zwei Aspekte zu erwähnen – mit dem Phänotypus der strafrechtlichen Untreue, die vor Schädigungen „von innen heraus“ bewahren will und überdehnt den Tatbestand, der nach Maßgabe des BVerfG verfassungskonform restriktiv auszulegen ist.[155] Etwaige Schutzlücken müssen durch Neukriminalisierung oder unter Rückgriff auf den Betrugstatbestand (Beihilfe) geschlossen werden. – Ob Vertragsärzte sich auch wegen Betrugs durch Unterlassen strafbar machen können, wenn sie Vorteile, die sie z.B. von Vertretern eines Pharmaunternehmens erhalten haben, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nicht anzeigen, ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt.[156] Das gleiche gilt für eine mögliche Betrugsstrafbarkeit des bestochenen Vertragsarztes gegenüber dem Apotheker und zu Lasten der Krankenkassen.[157]

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Angestellte Ärzte zählen ohne Weiteres zum Täterkreis von § 299 Abs. 1 StGB.[158] Dagegen kann der von einem Privatpatienten beauftragte Arzt schon mangels Beauftragung durch einen geschäftlichen Betrieb/ein Unternehmen nicht Täter des § 299 Abs. 1 StGB sein.[159] Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung einer Vorteilsannahme drohen dem betroffenen Arzt weitreichende außerstrafrechtliche, d.h. insb. berufsrechtliche Sanktionen.[160]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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