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d) Bezug von Waren oder Dienstleistungen

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Die Bevorzugung muss sich auf den Bezug von Waren oder Dienstleistungen beziehen.[352] Die Begriffe „Waren“ und „Dienstleistung“ sind funktional i.S.d. Wettbewerbsrechts (s. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG), also wirtschaftlich weit und nicht wie im Handelsrecht auszulegen.[353] Weil das Gesetz Waren und Dienstleistungen gleichbehandelt, kommt es auf eine exakte Abgrenzung nicht an.[354] Waren sind alle Wirtschaftsgüter, die Gegenstand des Handels im Geschäftsverkehr sein können.[355] Dazu gehören neben beweglichen und unbeweglichen Sachen (Grundstücke) auch Rechte aller Art (wie z.B. Schutzrechte, Nutzungs- und Erbbaurechte, Computerprogramme, Wertpapiere[356] usw.)[357]. Der Begriff „Dienstleistungen“ erfasst alle geldwerten und körperlichen Leistungen, wobei es auf die rechtliche Qualifikation des zugrunde liegenden Vertrages nicht ankommt.[358] Er ist im Wege der jüngsten Reform von § 299 StGB im Jahre 2015 an die Stelle des Begriffs „gewerbliche Leistungen“ getreten. Sachlich orientiert sich die Neufassung damit – wie erwähnt – am weiten Begriffsverständnis des Wettbewerbsrechts (das bereits mit der UWG-Novelle von 2004 [BGBl. I, 1414] den Begriff der „gewerblichen Leistung“ durch den Begriff der „Dienstleistung“ ersetzte)[359] und bezieht nunmehr auch die Leistungen freier Berufe etwa in Form von Beratungs- und Heiltätigkeiten oder Kreditgewährung mit ein.[360] Sollen Ware, Dienstleistung oder ihr Bezug nur vorgetäuscht werden, reicht das für eine Verwirklichung des § 299 StGB nicht aus, erfüllt aber ggf. die §§ 263, 266 StGB.[361]

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Bezug ist alles, was mit dem Erhalt und der Abwicklung der Lieferung bzw. Leistung zusammenhängt, also auch Bestellung, Abnahme, Prüfung und Bezahlung.[362] Der Bestechende kann die Waren oder Dienstleistungen ebenso beziehen wie der Geschäftsherr des Bestochenen;[363] von der Vorschrift ist auch die „umgekehrte Lieferrichtung“ erfasst.[364] Da der freie Markt i.d.R. ein „Käufer-/Bestellermarkt“ ist, die Nachfrager in den meisten Fällen also eine erhebliche Nachfragemacht haben, wird es bei Schmiergeldzahlungen zwar vorwiegend darum gehen, einen Käufer/Besteller zur Erteilung eines Auftrags zu veranlassen; vorstellbar ist aber auch die umgekehrte Situation.

Beispiele

Für ein zum Verkauf stehendes profitables Unternehmen[365] gibt es mehrere Interessenten. Das beste Angebot gibt A ab; B kann nur einen um 500.000 € niedrigeren Preis zahlen. Der Geschäftsführer G des zu verkaufenden Unternehmens vereinbart mit B, dass er dennoch dessen Angebot, um weitere 100.000 € verringert, als das beste darstellt, so dass B den Zuschlag erhält. Dafür zahlt B 100.000 € an G persönlich.
Trotz mangelnder Kreditwürdigkeit vergibt die Bankangestellte A einen Großkredit an B und ermöglicht ihm damit die Übernahme eines Unternehmens. A soll dafür Aktien des Unternehmens zum Vorzugspreis bekommen.[366]

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Nach dem insofern nicht entgegenstehenden Wortlaut kommt zunächst auch ein Dritter (also weder der Prinzipal des Bestochenen [„Unternehmens“, ehemals „geschäftlicher Betrieb“] noch der Bestechende) als Bezieher der Ware in Betracht.[367] Das Bezugsverhältnis muss ohnehin unabhängig von der vertraglichen (Unrechts-)Vereinbarung zwischen dem Bestochenen und dem zu Bevorzugenden bestehen, weil ersterer keinesfalls als Partei des Bezugsverhältnisses in Betracht kommt (s. Rn. 48). Eine teleologische Betrachtung zwingt allerdings zu einer Korrektur des offenen Wortlauts: Charakteristisch für § 299 StGB ist die Situation, dass jemand entscheidenden Einfluss auf die Bezugsentscheidungen eines anderen hat und von dritter Seite dafür bezahlt wird, diesen Einfluss in bestimmter (das Leistungsprinzip als Entscheidungsmaßstab ausblendender) Weise auszuüben.[368] Einflussnehmender ist in § 299 StGB der „Angestellte“ oder „Beauftragte“, und dieser hat allein auf die Bezugsentscheidungen seines Geschäftsherren Einfluss, sodass nur Letzterer – in den Worten der Norm: das „Unternehmen“ – als Bezieher (bzw. bei umgekehrter Lieferrichtung: Veräußerer) in Betracht kommt. M. a.W. muss der Täter des § 299 Abs. 1 StGB Angestellter oder Beauftragter des Beziehers sein.[369] Das Zuführen von Kunden – etwa durch von Restaurantbetreibern bestochene Taxifahrer – ist daher tatbestandslos, weil Bezieher der Leistung des bestechenden Restaurantbetreibers der Kunde ist,[370] der Taxifahrer aber nicht als „Beauftragter“ des Kunden auftritt[371] und Letzterer im Zweifel auch kein „Unternehmen“, sondern ein Privater ist.

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Das Merkmal des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen steht auch im Mittelpunkt der rechtlichen Beurteilung von Korruptionsfällen im Sport: Wird einem angestellten Vereinsspieler von einem Dritten eine sog. „Verlustprämie“ für eine absichtlich schlechte Spielleistung angeboten, so kommt es zwischen dem Dritten und dem Prinzipal des Spielers – dem Verein – nicht zu einem „Bezug“. Eine Strafbarkeit nach § 299 StGB scheidet in diesen Fällen daher aus.[372] Dasselbe gilt für die Bestechung von Sportschiedsrichtern: Auch hier zielt der Vorteilsgeber nicht darauf ab, von dem Geschäftsherren des Schiedsrichters (zumeist ein Sportverband) bei einem Bezugsvorgang bevorzugt zu werden; vielmehr will er lediglich eine Schlechtleistung des Schiedsrichters gegenüber dem Prinzipal erreichen.[373] Erfolgt eine Spielmanipulation vor dem Hintergrund eines Wettgeschäfts, kommt eine Strafbarkeit nach § 263 StGB (sog. Sportwettbetrug) in Betracht.[374] Dass sportverbandsinterne Korruption (etwa in Form eines Stimmenkaufs bei Funktionärswahlen) den Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB nicht unterfällt, wird vielfach behauptet.[375] Eine nähere Untersuchung der Frage am Beispiel des Stimmenkaufs durch DFB-Funktionäre bei einer fiktiven (zukünftigen) Vergabe des World Cup hat jedoch ergeben, dass jedenfalls dieses Verhalten sehr wohl als gem. § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar zu qualifizieren ist.[376]

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