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e) Bevorzugung in unlauterer Weise

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Der Täter muss im Rahmen der Unrechtsvereinbarung (nicht der Bezugsvereinbarung!) den Vorteil dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass er den Zuwendenden im Wettbewerb „in unlauterer Weise“ bevorzuge. Nach der Gesetzesfassung ist es hierfür ausreichend, dass sich die Beteiligten die unlautere Bevorzugung nur vorgestellt haben („bevorzuge“). Einen Erfolg i.S.d. einer tatsächlich eingetretenen Bevorzugung oder gar einer Benachteiligung bzw. Schädigung der Marktteilnehmer setzt der Tatbestand nicht voraus.[377]

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Die Rechtsprechung setzte das Merkmal der Unlauterkeit zunächst mit dem in der Generalklausel gem. § 1 UWG a.F. enthaltenen Begriff der Sittenwidrigkeit gleich.[378] Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1952 unter Berufung auf das RG ausgeführt, dass eine Bevorzugung insbesondere dann unlauter i.S.d. § 299 StGB (a.F.) sei, wenn die Angestellten ihre „Vorgesetzten nicht mehr nach rein sachlichen Gesichtspunkten, sondern unter dem Einfluss der empfangenen oder erwarteten Vorteile berieten (RGSt 66, 81; 72, 289).“[379] Die Unlauterkeit folgte nach dem BGH vor der UWG-Reform im Jahre 2004[380] damit maßgeblich aus der Gefährdung einer sachgerechten – am Leistungsprinzip orientierten – Bezugsentscheidung, die man dem Angestellten nach Ankündigung oder Gewährung des Vorteils nicht mehr zutraute. Dieses Kriterium der „Sachfremdheit“ als notwendige Voraussetzung für die Annahme einer unlauteren Bevorzugung hat der BGH im Weiteren auch in seiner neueren Rechtsprechung immer wieder herangezogen. Gefordert wird für das Vorliegen einer unlauteren Bevorzugung danach eine sachfremde Wettbewerbsentscheidung.[381]

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Während einige in der Literatur meinen, das Merkmal der Unlauterkeit umschreibe eine Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäftsherrn,[382] ergibt sich für die h.M. in der Lehre die Unlauterkeit der (angestrebten) Bevorzugung daraus, dass sie (gemessen an den Grundsätzen eines fairen Wettbewerbs) nicht ausschließlich auf sachlichen Erwägungen, sondern zumindest auch auf der Vorteilsgewährung beruht, [383] d.h. als unlauter wird die Bevorzugung qualifiziert, wenn sie geeignet ist, Mitbewerber durch Umgehung der Regeln des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen.[384] Dabei gehen große Teile dieses Schrifttums davon aus, dass dem Merkmal der Unlauterkeit keine eigenständige Funktion im Rahmen des Tatbestandes zukommt.[385] Diese faktische Streichung des Merkmals der Unlauterkeit wird verbreitet damit begründet, dass der Abschluss einer Unrechtsvereinbarung mit dem Angestellten grundsätzlich dazu führe, dass eine Gefahr für den Leistungswettbewerb durch sachwidrige Beeinflussung entstehe. Der Argumentation liegt offensichtlich die – auch hier vertretene – Ansicht zugrunde, dass die Unrechtsvereinbarung neben die eigentliche Bezugsvereinbarung treten muss (oben Rn. 48).[386] Da eine solche zusätzliche Vereinbarung zumindest bis zur Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung im Jahre 2001[387] unlauter war, kam dem Merkmal der Unlauterkeit in solchen Fällen aufgrund des regelmäßig vorliegenden Verstoßes gegen diese Normen tatsächlich keine eigenständige Funktion zu.[388] § 1 ZugabeVO sah ein generelles Verbot von Zugaben vor, welches die Gewährung von Vorteilen neben normalen Austauschverträgen als unzulässig einstufte. § 1 RabattG beinhaltete ein generelles Rabattgewährungsverbot gegenüber Verbrauchern. Diese gesetzgeberische Wertung führte dazu, dass das Merkmal der Unlauterkeit in § 299 StGB immer dann ohne Bedeutung war, wenn neben dem Bezugsvertrag eine zusätzliche Vorteilsabrede existierte.

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Die skizzierte Liberalisierung des Wettbewerbsrechts hat allerdings an der Grundstruktur korruptiven Verhaltens in der Wirtschaft, wie es § 299 StGB in den Wettbewerbsvarianten erfasst, nichts geändert; weiterhin ist es dadurch gekennzeichnet, dass ein Bezugsvertrag mit einer Unrechtsvereinbarung gekoppelt wird, Konsequenz: Es besteht zumindest die abstrakte Gefahr, dass durch die (geplante) Vorteilsgewährung an den Unternehmensmitarbeiter oder Dritten (exklusive des Geschäftsherrn!) die Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse im Rahmen der Bezugsvereinbarung zu Lasten von Mitbewerbern (und des Prinzipals) beeinflusst werden. Dieses Verhalten ist grundsätzlich unlauter;[389] gesonderter (Verbots-)Regelungen (wie sie ehemals das RabattG und die ZugabeVO enthielten), bedarf es für diese Bewertung nicht. Die rein isolierte Verknüpfung von (beabsichtigter) Vorteilszuwendung und Bevorzugungsentscheidung als Synallagma i.S.d. Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB reicht dabei – wie mehrfach betont – für die Qualifizierung als „unlautere Bevorzugung“ allerdings nicht aus.[390] Denn damit würde das Merkmal der Unrechtsvereinbarung auf das Erfordernis eines Tausches reduziert. Der Tausch ist aber gerade das Grundmuster wirtschaftlichen Handelns, das erlaubt – und erwünscht – ist.[391] Es muss also eine Unrechtsvereinbarung hinzukommen.

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Vor diesem Hintergrund ist zu klären, welche Funktion dem Merkmal der Unlauterkeit überhaupt noch zukommt. Die Ansichten pendeln hier zwischen der – bereits erwähnten – Meinung eines großen Teils der Literatur, wonach die Unlauterkeit als Tatbestandselement der Wettbewerbsvarianten gem. § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB letztlich „überflüssig“ ist bzw. nur der „Klarstellung“ dient[392] und der Interpretation des Merkmals i.S. einer strengen Anbindung an das Wettbewerbsrecht.[393] Anhänger einer Wettbewerbsakzessorität verlangen eine „eigenständige Prüfung“ des „eigenständigen Merkmals“ der Unlauterkeit, das seine Konkretisierung durch das UWG und seine wettbewerbsrelevanten Nebengesetze erhält.[394] Die Tatbestandsverwirklichung setzt danach positiv einen Verstoß gegen einschlägiges Wettbewerbsrecht voraus. Begründet wird das in Abgrenzung zur Ansicht, die das Unlauterkeitsmerkmal (und dessen Prüfung) für entbehrlich hält, einmal damit, dass „die indizielle Bedeutung einer Zuwendung oder ihrer Entgegennahme nicht überschätzt werden“ dürfe.[395] Denn es sei „denkbar, dass ein Vorteil für Auswahlverhalten versprochen wird, das nach wettbewerbsrechtlichen Maßstäben nicht zu beanstanden ist.“[396] Aus der schlichten Entgegennahme von Vorteilen könne aber noch nicht ausreichend sicher geschlossen werden, dass der Empfänger auch zu einer unsachgemäßen Entscheidung bereit sei.[397] Zudem wird das im Rahmen der Untreuedogmatik entwickelte und vom BVerfG mittlerweile übernommene „Verschleifungsargument“ in Stellung gebracht.[398] Danach ist es verfassungsrechtlich unzulässig, ein für die Unrechtskonstituierung bedeutsames Tatbestandsmerkmal vollständig in einem anderen aufgehen zu lassen,[399] d.h. im vorliegenden Kontext also aus der Tatsache einer Vorteilszuwendung automatisch auf die Unlauterkeit (der Bevorzugung) zu schließen, was letzteres Tatbestandsmerkmal überflüssig machen würde.

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Überzeugend ist die für eine positiv akzessorische Behandlung des Unlauterkeitsmerkmals vorgetragene Argumentation letztlich nicht. Nimmt man die hier in Rn. 46 ff. unternommene tatbestandliche Strukturanalyse ernst, verlangt also für das Korruptionsunrecht des § 299 StGB nach dem Wettbewerbsmodell zwei (wenigstens angestrebte) Leistungsbeziehungen und klammert mit einem immer stärker werdenden Teil des Schrifttums aus grundsätzlichen teleologischen Erwägungen die entschleierten Schmiergelder sowie Drittvorteile zugunsten des Geschäftsherrn von vornherein aus dem Tatbestand aus, ergibt sich vielmehr Folgendes: Schon beim Fordern usw. eines (Individual-)Vorteils für sich oder einen Dritten besteht die abstrakte Gefahr, dass das Rechtsgut „Leistungswettbewerb“ beeinträchtigt wird. „Denn durch die Annahme der Zuwendung soll und wird er (der Agent, TR) sich dem Geber verpflichtet fühlen und sich innerlich gedrängt sehen, dessen bei der Zuwendung gehegte Erwartungen nicht zu enttäuschen.“[400] Dass trotz Vorteilszuwendung ein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandendes Auswahlverhalten „denkbar“ erscheint (Rogall), [401] berührt das Schutzinteresse des § 299 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht. Denn dieser Deliktstyp verlangt gerade keine reale Gefahr für das Rechtsgut im Einzelfall (wenn dessen Beeinträchtigung durch Verhalten der tatbestandlich vertypten Art nur überhaupt möglich ist).[402] Auch das Argument der unzulässigen Merkmalsverschleifung lässt sich nicht gegen ein Verständnis anführen, bei dem für das Element der Unlauterkeit – wie sogleich gezeigt wird – noch ausreichend Prüfungsstoff verbleibt[403]. Zudem muss ganz generell der Verschleifungsvorwurf auf seinen Kern zurückgeführt werden. Hiernach kommt nicht jedem einzelnen Wort einer Norm unbedingt eine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr dürfen nur delikts-/unrechtsprägende Merkmale (im Untreuekontext etwa die Vermögensbetreuungspflichtverletzung als Tathandlung und der Vermögensnachteil als Taterfolg) nicht verschliffen werden. Ob das im Falle der Vorteilszuwendung bei dem Tatbestandsmerkmal „bevorzugen“, das durch die Eigenschaft „unlauter“ unter Berücksichtigung der oben vorgestellten tatbestandlichen Grundstrukturen nur (klarstellend) konkretisiert wird, geschieht, ist sehr zweifelhaft – und im Ergebnis abzulehnen.

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Aus der angeführten Kritik am Modell einer positiv ausgerichteten Wettbewerbsakzessorietät folgt allerdings nicht, dass das Lauterkeitsrecht bei der Unrechtsbestimmung nach den Wettbewerbsvarianten überhaupt keine Rolle spielt. Aber anders als behauptet liegt seine Bedeutung nicht bei der Unrechtsbegründung, sondern beim Unrechtsausschluss. Gleichsam nach Art einer Rechtfertigungsprüfung[404] muss hier – allerdings im Rahmen des objektiven Tatbestands[405] – nach vom Recht akzeptierten Gründen gesucht werden, die es verhindern, dass (nach Ausklammerung oben genannter Fallgruppen, Rn. 51 f.) aus dem grundsätzlich im Fall der Kopplung von Bezugsvereinbarung und Unrechtsvereinbarung auszusprechenden vorläufigen Unrechtsurteil (mit der Teilaussage: „unlautere Bevorzugung“) ein endgültiges Verdikt wird. Fehlen Entlastungsgründe, bleibt es beim Grundsatz; das korruptive Verhalten ist unrechtmäßig und beim Vorliegen von Schuld auch strafbar. Liegen sie ausnahmsweise vor, handelt der Täter rechtmäßig und damit straflos (Mechanismus der negativen Akzessorietät des Tatbestandes zum vorgelagerten [Primär-]Recht).[406] An dieser Stelle sind die einschlägigen (unter-)gesetzlichen Regelungen, aber auch sonstige Facetten der Entlastungsdogmatik (z.B. in Form der Rechtsfigur der Sozialadäquanz) sorgfältig auszuwerten.[407] – Wenn Schroth/Hofmann[408] gegen diese „Indizwirkungslösung“ das BVerfG setzen, das bei der Auslegung der Verwerflichkeitsklausel i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB der Verwirklichung des Tatbestandes gem. § 240 Abs. 1 StGB gerade keine Indizwirkung für die Rechtswidrigkeit der Zwangshandlung zumessen will (BVerfG NJW 1987, 43, 48), sticht das nicht. Denn die Unrechtsstruktur des überaus „offen“ formulierten Nötigungstatbestandes lässt sich schwerlich mit der des § 299 StGB in den Wettbewerbsvarianten, wie sie hier herausgearbeitet wurde (vgl. Rn. 46 ff.), vergleichen. Die Anwendung weit verstandener Gewalt oder Drohung verfehlt den Typus strafbarer Nötigung viel verlässlicher als die auf der Basis des Bestehens zweier Leistungsbeziehungen (vorläufig) angenommene Wirtschaftskorruption in den Wettbewerbsvarianten. Damit mag die Nötigungsqualität einer Handlung i.S.v. § 240 Abs. 1 StGB im Einzelfall unter Rückgriff auf die Verwerflichkeitsklausel positiv festgestellt werden müssen; hinsichtlich § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB besteht diese Notwendigkeit bei Beachtung der vorgeschlagenen tatbestandlichen Ausklammerungen nicht. Zudem gilt es zu beachten, dass bereits der historische Gesetzgeber dem Merkmal der Unlauterkeit (in Anlehnung an das englische Vorbild „corruptly“) die Funktion zugewiesen hat, nur bei harmlosen (nicht anfechtbaren) Zuwendungen den Tatbestand des § 12 UWG a.F. einzuschränken. [409]

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Einen ähnlichen Ansatz entwickelte der BGH für die §§ 331 ff. StGB in seinem Urteil zur Einwerbung von Drittmitteln für Forschung und Lehre durch Hochschulmitglieder.[410] Dort hat er die Notwendigkeit der Herstellung eines Wertungsgleichklangs zwischen der hochschulrechtlichen Aufgabenstellung und den Korruptionstatbeständen betont, indem er eine Unrechtsvereinbarung (bei der Vorteilsannahme gem. § 331 StGB) trotz Vorliegens eines Gegenseitigkeitsverhältnisses dann verneinte, wenn die Verfahrensvorschriften über die Einwerbung von Drittmitteln (Anzeige und Genehmigung) eingehalten worden sind. Aus „systematischen Gründen und im Interesse der Einheit der Rechtsordnung“ sei – so das Gericht – ein Tatbestandsausschluss für die Fälle anzunehmen, in denen das Verhalten der Handelnden dem rechtlichen Rahmen entspreche.[411] Dieser notwendige Wertungsgleichklang, den der BGH aus Gründen der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung fordert, muss auch in Bezug auf § 299 StGB gelten. Fehlt es im Rahmen der (tatbestandlich weiter ausgreifenden) Amtsträgerkorruption schon dann an einer Unrechtsvereinbarung, wenn die (Verfahrens-)Vorschriften über den Abschluss von Gegenseitigkeitsvereinbarungen eingehalten werden, muss dieses bei der Anwendung von § 299 StGB erst Recht gelten. Während bei der Drittmitteleinwerbung die prozeduralen Vorschriften sicherstellen sollen, dass objektiv nach Recht und Gesetz gehandelt wird, sind es im geschäftlichen Verkehr die Wettbewerbsregeln (des UWG oder wettbewerbsrelevanter Nebengesetze), die bestimmen, ob geschäftliche Handlungen (wie Rabattgewährungen oder das Versprechen von Vorteilen) zulässig sind. Werden die Wettbewerbsregeln trotz (geplanter) nicht vom Prinzipal gebilligter Individualvorteilsgewährung an den Agenten oder Dritten (exklusive des Geschäftsherrn) ausnahmsweise eingehalten, droht bereits keine auch nur abstrakte Gefahr für das Rechtsgut mit der Folge, dass nicht unlauter gehandelt wird.[412] Aus Gründen der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung muss die Verwirklichung des Straftatbestandes dann ausscheiden. Dem Strafrecht kommt nämlich im Rahmen des Gesamtrechtssystems nur eine ultima-ratio-Funktion zu.[413] Zivilrechtlich, sozialrechtlich oder sonstwie zulässige Verhaltensweisen können daher strafrechtlich nicht erfasst werden.[414] Als Beispiel sind hier etwa Kooperationsvereinbarungen im Gesundheitswesen (wie § 23b MBO-Ä) zu nennen. Von den §§ 299a, 299b StGB, die strukturell dem § 299 StGB weitgehend nachgebildet sind, sollen sie ausweislich der Gesetzesmaterialien solange nicht erfasst sein, wie die sozialrechtlichen Vorgaben beachtet werden.[415]

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Die Bewertung einer Bevorzugung als „unlauter“ hängt aber nicht nur davon ab, ob der Gesetzgeber partiell Handlungsfreiräume geschaffen hat, in denen bestimmte Korruptionsrisiken ausnahmsweise hingenommen werden. Auch sozialadäquate Verhaltensweise können die Unlauterkeit ausschließen.[416] Zu denken ist z.B. an branchen-übliche Zuwendungen:

Bieten alle (potentiellen) Bewerber nahezu identische, gemeinhin als rechtskonform anerkannte Vorteile an, ist kritisch zu prüfen, ob es wirklich gerade diese Vorteile sind, die die Auswahlentscheidung zu Gunsten eines bestimmten Mitbewerbers beeinflussen, oder ob es nicht vielmehr um die Herstellung von Chancengleichheit in der Branche geht.[417] Zu diesen in einem bestimmten Wirtschaftszweig akzeptierten Vorteilsleistungen gehören heutzutage insb. Kundenbindungsprogramme.[418]

Beispiel[419]

Der leitende Angestellte A eines Unternehmens muss häufig auswärtige Geschäftstermine wahrnehmen; um unkompliziert und zügig zu diesen Terminen zu gelangen, ist er zumeist mit dem Flugzeug unterwegs – auf Kosten seines Unternehmens. Seine Flüge organisiert A selbst und nutzt dabei vorzugsweise die Fluggesellschaft L, die ihm persönlich für jede geflogene Meile Punkte in ihrem Vielflieger-Programm gutschreibt und zur Einlösung verschiedene Prämien anbietet. Im letzten Jahr hat A auf diese Weise Freiflüge im Wert von 1.000 € genutzt. Im Raum steht hier eine Strafbarkeit des A gem. § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch die Teilnahme am Vielfliegerprogramm und auf der Gegenseite eine Strafbarkeit der für das Programm verantwortlichen Mitarbeiter der L gem. § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB.[420]

Maßnahmen dieser Art, in denen dem Kunden Prämienwerte für bestimmte eingekaufte Leistungen gutgeschrieben werden, finden sich nicht nur im Flugsektor,[421] sondern sind gerade auch im Einzelhandel in vielfältiger Form anzutreffen.[422] Sofern – wie häufig bei Miles & More-Programmen – von den Fluggesellschaften neben den Privatkunden vor allem gezielt Geschäftsreisende angesprochen werden, ist zu klären, ob der Tausch „Prämie für gutgeschriebene Bonusmeilen gegen Entscheidung für die vorteilgewährende Airline“ die Bedingungen wirtschaftskorruptiven Verhaltens i.S.v. § 299 StGB erfüllt. Das Ergebnis hängt maßgeblich vom Vorliegen einer unlauteren Bevorzugung im Rahmen einer konkreten Unrechtsvereinbarung ab – alle weiteren Voraussetzungen objektiver Tatbestandsmäßigkeit sind zumeist gegeben.[423] Dass mit den in Aussicht gestellten bzw. gewährten Prämienmeilen bezweckt wird, den Kunden zu einer Buchung bei einer bestimmten Fluggesellschaft zu veranlassen, durch Kundenbindung also die Wahl von Konkurrenzangeboten verhindert werden soll, steht außer Frage. Ob diese Art der Verkaufsförderung allerdings in einem Maße geschieht, die i.S. der Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB „unlauter“ ist, hängt von der Gesamtbetrachtung verschiedener Aspekte ab, die in der Literatur unterschiedlich gewichtet werden und daher zu abweichenden Ergebnissen führen.[424] Wird mit hohen Prämienwerten in „übertriebener“ (unverhältnismäßiger) Weise gelockt, spricht das zunächst für ein anstößiges Gebaren, da hier häufig nicht die (Kern-)Leistung des Anbieters, sondern der Vorteil bei der Entscheidung den Ausschlag gibt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Bonusmeilen-Programme in der Branche üblich sind und vollkommen transparent abgewickelt werden.[425] Vergleicht man bei der Bestimmung der Unlauterkeit das tatsächliche Verhalten mit dem eines redlichen und gewissenhaften Wettbewerbers in einer ähnlichen Marktsituation,[426] würde ebenfalls nur bei überzogener Prämiengewährung der Wettbewerb verzerrt. Nach hier vertretener Ansicht lässt sich zudem (schon auf vorgelagerter Ebene) gegen eine Strafbarkeit ins Feld zu führen, dass der Geschäftsherr – schon aus steuerlichen Gründen[427] – regelmäßig davon weiß und es auch billigt, dass sein Angestellter die Prämie für die gesammelten Meilen privat nutzt.[428] Dessen Verhalten ist also normativ als „Geschäftsinhaberbestechlichkeit“ zu werten, die den Tatbestand des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt.[429] Weil der Prämienanbieter im Normalfall davon ausgehen kann, dass der Arbeitgeber des Geschäftsreisenden, dem die betrieblich verdienten Bonus-Punkte grundsätzlich zustehen,[430] sie dem Mitarbeiter wissentlich überlässt, scheidet auch eine Strafbarkeit gem. § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus.[431]

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Das Tatbestandsmerkmal der Bevorzugung „in unlauterer Weise“ kann nicht zuletzt als Einfallstor für die Berücksichtigung von Regeln dienen, die sich Private im Wege der freiwilligen Selbstregulierung geben.[432] Genannt seien hier nur die vom Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V.“ (FSA) verabschiedeten Kodizes[433], die für die Mitglieds- sowie unterworfene Unternehmen verbindlich sind und deren Einhaltung auf der Basis einer eigenen Verfahrensordnung (FSA-VO) von Vereinsgerichten überwacht und Regelverstöße durch diese sanktioniert werden.[434] Während das Bundeskartellamt die Regelungen des FSA-Kodex als Wettbewerbsregeln i.S.v. § 26 Abs. 1 GWB bereits anerkannt hat[435] und die Zivilgerichte sie als „Indiz“ dafür akzeptieren, „welches Wettbewerbsverhalten nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise als unlauter anzusehen ist“[436], steht die strafgerichtliche Anerkennung des Einflusses dieser Verbandsnormen zwar noch aus. Mit Kuhlen spricht aber viel dafür, dem FSA-Kodex indizielle Bedeutung nicht nur für das Wettbewerbsrecht, sondern auch für das Korruptionsstrafrecht zuzumessen, etwa bei der Bestimmung der „Unlauterkeit“ oder – wenn man das Merkmal für überflüssig hält – bei der Feststellung der sachwidrigen Verknüpfung von Vorteil und geschäftlicher (Auswahl-)Entscheidung.[437] Weil die private Selbstregulierung häufig in Form der Best Practice auftritt und damit nicht selten über das zur Minimierung der (strafrechtlichen) Risiken Erforderliche hinausgeht, wäre die Einhaltung der einschlägigen Regeln danach als Anzeichen für lauteres – und damit strafloses – Verhalten zu werten, während ein Regelverstoß andererseits keineswegs zugleich bedeutet, dass auch strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt.[438]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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